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Bau dein Läufer-Herz-Kreislauf-System auf

Der Begriff »Cardio« ist zu einem Synonym für Ausdauertraining geworden. Die meisten Läufer glauben tatsächlich, dass Fitwerden mit dem Ausdauertraining beginnt. Deshalb wundert es dich vielleicht, dass wir bis zu dieser Stelle gewartet haben, um uns mit dem Herz-Kreislauf-System zu befassen. Das muss es aber nicht. Zum einen baust du deinen Laufkörper nicht auf, indem du die verschiedenen Komponenten einzeln trainierst; du trainierst diverse Komponenten gleichzeitig. Zum anderen ist es für etliche Verbesserungen des Herz-Kreislauf-Systems nicht erforderlich, das Herz-Kreislauf-System direkt anzusprechen. Dein Herz-Kreislauf-System wird fit, weil du den Brennstoffbedarf deines Körpers erhöhst, und das erreichst du mit Sicherheit, wenn du die Übungen aus den Kapiteln 5 und 6 durchführst.

Das Herz-Kreislauf-System ist das System, das deinen Laufkörper mit Brennstoff versorgt. Es liefert die konstante Zufuhr an Sauerstoff, Energie (also Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten), Wasser und Hormonen, die dein Körper benötigt, um zu funktionieren. Aber das ist noch nicht alles. Das Herz-Kreislauf-System übernimmt gleichzeitig die Aufgabe der Müllabfuhr, indem es Abfallprodukte wie Kohlendioxid, saure Wasserstoffionen und sogar Hitze abtransportiert.

Es dürfte keine Überraschung sein, dass eine Verbesserung der Laufleistung eine verbesserte Kraftstoffbereitstellung und eine verbesserte Müllabfuhr erfordert. Zu deinem Glück funktioniert das Herz-Kreislauf-System nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage: Wenn dein Laufkörper einen höheren Energiebedarf hat, stellt dein Herz-Kreislauf-System mehr Energie zur Verfügung. Um es bildlich darzustellen: Es verwandelt sich von einem antiken römischen Aquädukt in ein Hightech-Wasserwerk des 21. Jahrhunderts mit einer leistungsfähigen Pumpstation und einem verzweigten, viele Kilometer langen Netz verstärkter Rohrleitungen.

WAS IST DAS HERZ-KREISLAUF-SYSTEM?

Einfach ausgedrückt ist das Herz-Kreislauf-System ein Blutverteilungsnetz. Aber das wäre genauso, als würde man sagen, die Regierung ist ein Regelverteilungsnetz. In Wahrheit ist das Herz-Kreislauf-System eine biologische Infrastruktur zum Bedienen von Angebot und Nachfrage von nahezu unvorstellbarem Ausmaß. Das Herz ist der Motor dieses Infrastruktursystems. Es schlägt 100.000-mal am Tag und pumpt fast 7500 Liter Blut. Das Leitungsnetz aus Blutgefäßen umfasst etwa 96.000 Kilometer – das entspricht fast dem zweieinhalbfachen Erdumfang oder einem Viertel der Entfernung von der Erde zum Mond. 20–30 Billionen rote Blutkörperchen transportieren Sauerstoff zu den 100 Billionen Zellen in unserem Körper.

Und das ist der Zustand, bevor du mit dem Trainieren beginnst. Wenn du das Training mit einem Monopoly-Spiel vergleichen würdest, wäre es so, als würdest du Häuser und Hotels auf deine Herz-Kreislauf-»Straßen« setzen. Du nimmst Investitionen vor, die dir eine beträchtliche Rendite bescheren, unter anderem ein kräftigeres Herz, sogar weitere Kilometer an Blutgefäßen und eine höhere Anzahl an roten Blutkörperchen.

Als Läufer solltest du dein Herz-Kreislauf-System als dein Sauerstofftransportsystem betrachten. Seine Hauptaufgabe ist es, während deines Trainings und deiner Wettkämpfe Sauerstoff von deiner Lunge zu deinen Skelettmuskel- und Herzmuskelzellen zu transportieren.

In diesem Kapitel sehen wir uns drei wichtige Bestandteile und Aspekte des Herz-Kreislauf-Systems an:

 das Herz

 die Blutgefäße

 das Blutvolumen

Da die Lunge (als Teil des Atemapparats) den Sauerstoff liefert, der mittels des Herz-Kreislauf-Systems transportiert wird, gehen wir auch kurz auf die Lunge ein und stellen eine Trainingsstrategie vor, die zur Kräftigung der Lunge beiträgt.

TIPP FÜR ANFÄNGER

Du verbesserst dein Herz-Kreislauf-System nicht, indem du läufst, bis du außer Atem bist. Du verbesserst es, indem du die langfristige Nachfrage seines größten Kunden erhöhst: deiner Muskeln. Wenn du zu intensiv läufst – also darauf aus bist, das »Brennen« in den Muskeln zu spüren –, überforderst du die Fähigkeit deines Herz-Kreislauf-Systems, genügend Sauerstoff zu liefern. Du bist schneller erschöpft, dein Herz-Kreislauf-System hat weniger zu tun, was bedeutet, dass du eine geringere Verbesserung erzielst.

TRAININGSDISKUSSION

»Führt Laufen zur Absenkung meiner Ruhefrequenz?«

Jeder weiß, dass Langstreckenläufer niedrige Herzschlagraten haben. Herzschlagfrequenzen zwischen 40 und 50 (Schlägen pro Minute) werden bei Langzeitläufern als normal angesehen, bei ein paar wenigen gehen sie auf unter 40 oder sogar knapp unter 30 hinunter.

Aber lässt sich die Herzfrequenz bei jedem Menschen durch Training absenken?

Für die meisten lautet die Antwort »Ja«, aber mit einer Einschränkung: Genetische Veranlagung und die Art von Training, die du absolvierst, haben Einfluss darauf, wie stark sich deine Herzfrequenz senken lässt.

Vergleichen wir zwei der großartigsten Läufer aller Zeiten. Jim Ryun, der letzte Weltrekordhalter der USA beim Meilenlauf, hatte eine Ruhefrequenz von 60 Schlägen pro Minute. Ron Clarke hingegen, ein australischer Langstreckenläufer, der in den 1960er-Jahren 17 Weltrekorde erzielte, hatte eine Ruhefrequenz von 28. Beide Männer waren unglaublich fit, aber Clarke hatte verglichen mit Ryun eine um mehr als die Hälfte niedrigere Ruhefrequenz!

Um diesen Unterschied zu verstehen, musst du verstehen, warum deine Herzschlagfrequenz abnimmt. Wenn du läufst, wird dein linker Herzventrikel, die untere linke Herzkammer, die Blut durch deinen Körper pumpt, kräftiger (ähnlich wie die Bauchmuskeln eines Aerobictrainers durch das tägliche Core-Training kräftiger werden). Und weil der Ventrikel kräftiger wird, pumpt dein Herz mit jedem Herzschlag mehr Blut. In Ruhestellung pumpt das Herz eines jeden Menschen etwa fünf Liter Blut pro Minute. Aber wenn dein Herz mit jedem Schlag mehr Blut durch den Körper pumpt, muss es weniger häufig pumpen, um diese fünf Liter zu bewegen. Während ein untrainiertes Herz 60 bis 100 Schläge benötigt, um diese Blutmenge zu bewegen, braucht ein trainiertes Herz dafür nur 45 bis 55 Schläge.

Beim Laufen pumpt dein Herz natürlich viel mehr als fünf Liter pro Minute durch deinen Körper. Das bringt einen neuen Faktor ins Spiel: die maximale Herzfrequenz, also die maximale Anzahl der Schläge, die dein Herz in einer Minute erreichen kann. Die maximale Menge Blut, die dein Herz in einer Minute pumpen kann, wird mit einer einfachen Formel bestimmt: Man nimmt die Menge Blut, die dein Herz mit jedem Schlag pumpt – Herzschlagvolumen genannt, (versuch nicht, es selbst zu berechnen, denn dafür braucht man ein Labor, führ dir nur das Konzept vor Augen) – und multipliziert diese mit deiner maximalen Herzfrequenz. Oder anders ausgedrückt:

Herzschlagvolumen × maximale Herzfrequenz = maximales Herzminutenvolumen.

Die meisten Menschen haben eine maximale Herzfrequenz von 220 Schlägen pro Minute minus ihr Lebensalter. Bei einem Dreißigjährigen würde man zum Beispiel eine maximale Herzfrequenz von 190 prognostizieren (220 Schläge minus 30). Die maximale Herzfrequenz kann nicht durch Training verbessert werden; sie ist genetisch vorgegeben. Wenn also zwei Dreißigjährige bei einem Rennen gegeneinander antreten, würde das Herz desjenigen mit der niedrigeren Ruhefrequenz (also einem größeren Schlagvolumen) theoretisch mehr Blut pumpen und somit mehr Sauerstoff zu den arbeitenden Muskeln transportieren und ihm dadurch einen Vorteil verschaffen.

Das bringt uns wieder zurück zu den Läufern Ryun und Clarke. Ryuns Herz hat sich nicht an die Regeln gehalten. Als er zwischen 20 und 30 Jahre alt war, wurde die maximale Herzfrequenz bei Ryun mit erstaunlichen 220–230 angegeben, was es seinem Herz ermöglichte, bei einem durchschnittlichen Schlagvolumen eine enorme Menge Blut durch seinen Körper zu pumpen. Clarke hingegen hatte eine normale maximale Herzfrequenz, sodass er sein Schlagvolumen vergrößern musste, um den Blutfluss zu generieren, der bei Weltklassewettkämpfen erforderlich ist – insbesondere angesichts dessen, dass die Energiebereitstellung bei Langstreckenläufen fast zu 100 Prozent aerob erfolgt. Clarkes Herz war gezwungen, sich anzupassen, und zwar gewaltig. Ryuns Herz hingegen musste nicht solche Anpassungsleistungen vollbringen. Wenn du allerdings keine genetische Ausnahme bist wie Ryun, wird sich deine Herzfrequenz durch Laufen wahrscheinlich verlangsamen. Und wenn du ebenso wenig eine genetische Ausnahme bist wie Clarke, wird deine Herzfrequenz vermutlich nicht auf die niedrige Zahl von 28 Schlägen pro Minute abfallen.

CARDIO-TRAINING

Falls du schon geahnt hast, dass das Trainieren deines Herz-Kreislauf-Systems viel Lauftraining beinhaltet, liegst du richtig. Und genauso, wie du durch Trainingseinheiten in unterschiedlichem Lauftempo deine unterschiedlichen Muskelfasertypen trainierst (s. Kapitel 5), trainierst du mit Läufen in unterschiedlichem Tempo die spezifischen Bereiche deiner Herz-Kreislauf-Fitness.

Im Grunde hast du dein Herz-Kreislauf-Training schon mit deinen ersten Läufen (oder Walking-Runden) begonnen, bei denen du deine Muskeln gestärkt hast. Jetzt ist es an der Zeit, darauf aufzubauen. Du musst sowohl den Umfang als auch die Intensität deines Trainings steigern. Mit den folgenden Trainingseinheiten erreichst du dies:

 Intervalltraining: kurze, schnelle Laufphasen alternieren mit Erholungsintervallen.

 5-km-Renntempo/10-km-Renntempo-Gelände- und Laufbahn-Training: Wiederholungen im 5-km- oder 10-km-Renntempo mit Erholungsintervallen.

 Cruise-Intervalle (Langintervalle): Wiederholungen in einem Tempo, das über eine Stunde durchgehalten werden kann, dazwischen Erholungsintervalle.

 Tempolauf: ein einzelner am Stück durchgeführter Lauf (10–40 Minuten) in einem Tempo, das etwa dem Halbmarathon- oder Marathon-Renntempo entspricht.

 Langer Lauf: Ein Langstreckenlauf, der über eine Distanz gehen kann, die 20–25 Prozent deiner wöchentlichen Trainingskilometer entspricht.

Jede dieser Trainingseinheiten zeichnet sich durch eine spezifische Belastungsintensität aus (die oft durch das Lauftempo bestimmt wird). Den Umfang oder die Intensität einer der Trainingseinheiten zu steigern, bringt keinen Vorteil; eher werden dadurch der gewünschte Trainingsreiz und die angestrebte Anpassung beeinträchtigt.

DAS HERZ

Seitdem wir Menschen das Schlagen unseres Herzens in unserer Brust gespürt haben, hat das Herz die Fantasie von Poeten und Philosophen beflügelt. Die alten Ägypter hielten das Herz für ein Behältnis, in dem sich die Seele befindet. Aristoteles zufolge war das Herz der Sitz der Intelligenz und des Empfindens. Die katholische Kirche bezeichnete es im Konzil von Vienne im Jahr 1311 als die Quelle der Gefühle, der Nährstoffe und der Vitalität. Einige Hundert Jahre später wurde es neu definiert als die Wiege der Liebe. Erst der im 17. Jahrhundert lebende Philosoph und Mathematiker René Descartes – von dem der Ausspruch »cogito ergo sum« (»Ich denke, also bin ich«) stammt – erklärte, dass das Herz nicht mehr sei als eine mechanische Pumpe.

Gewappnet mit den Erkenntnissen aus ein paar Hundert Jahren des Experimentierens mit verschiedenen Trainingstechniken, haben moderne Läufer diese simple Pumpe, ein aus spezialisierten Herzmuskelfasern bestehendes Organ, das ein ganzes Leben lang nonstop schlagen kann, in den Motor verwandelt, der die Fitness-Revolution vorangetrieben hat.

Das Herz befindet sich nahe der Mitte deiner Brust, eingebettet zwischen den beiden Lungenflügeln. Es ist etwa so groß wie eine geballte Faust und in zwei Hälften unterteilt. Es verfügt über vier Kammern: den rechten und linken Herzvorhof sowie die rechte und linke Herzkammer (Ventrikel). Das sauerstoffarme Blut aus dem Körperkreislauf fließt in den rechten Vorhof und wird von dort in die darunter befindliche rechte Herzkammer geleitet. Von dort wird das Blut in die beiden Lungenflügel gepumpt. Auf der linken Seite deines Herzens fließt das in der Lunge mit Sauerstoff angereicherte Blut in den linken Vorhof und wird von dort in die linke Herzkammer weitergeleitet. Von dort wird es in die Aorta gepumpt, die größte Arterie, und dann weiter in den Körperkreislauf. Ein normales Herz eines Erwachsenen schlägt sechzig bis hundert Mal pro Minute und macht bei jedem Schlag zwei Töne, die klingen wie »Lub-Dub«. Der erste Herzton kommt dadurch zustande, dass sich die Herzklappen zwischen den Vorhöfen und Kammern schließen, nachdem das Blut in die Kammern gepumpt wurde. Der zweite Herzton kommt dadurch zustande, dass sich die Herzklappen der Kammern schließen, sobald das Blut in die Lunge und in die Aorta gepumpt wurde. Im Laufe deines Lebens wird dein Herz ungefähr 160.000.000 Liter Blut pumpen, was dem Fassungsvermögen eines durchschnittlich großen Öltankers entspricht!

Was das Herz anbelangt, ist dein Trainingsziel einfach zu definieren: Erhöhe seine Pumpkapazität.

Das Herzminutenvolumen

Das Blutvolumen, das das Herz pro Minute pumpen kann, nennt man das Herzminuten- oder Herzzeitvolumen. Je mehr Blut das Herz pumpen kann, desto mehr Sauerstoff wird zu den Muskelfasern transportiert. Dies steigert die Fähigkeit der Muskelfasern, aerob erzeugte Energie bereitzustellen, was für Ausdauertraining und Wettkämpfe von entscheidender Bedeutung ist. Das Herzzeitvolumen wird durch zwei Faktoren bestimmt:

 das Herzschlagvolumen: das Blutvolumen, das bei einem Herzschlag gepumpt wird

 die Herzfrequenz: die Anzahl der Herzschläge in einer Minute.

Tabelle 7.1
Herzminutenvolumen bei 5- und 10-km-Läufen

In Tabelle 7.1 sind Schätzwerte des Herzminutenvolumens für bestimmte 5-km- und 10-km-Laufzeiten aufgeführt. Du findest deine 5-km- bzw. 10-km-Zeit in den beiden linken Spalten und das geschätzte Herzminutenvolumen in der rechten Spalte. Das Herzminutenvolumen ist die Blutmenge in Litern, die dein Herz in einer Minute pumpt.

*Die angegebenen Bandbreiten berücksichtigen unterschiedliche Körpergewichte.

Wenn du das Herzschlagvolumen mit der Herzfrequenz multiplizierst, ist das Ergebnis das Herzminutenvolumen. Im Ruhezustand pumpt das Herz eines normalen Erwachsenen im Durchschnitt fünf Liter Blut pro Minute. Beim Laufen steigert sich das Herzminutenvolumen beträchtlich. In Tabelle 7.1 sind die geschätzten Herzminutenvolumina aufgeführt, die für unterschiedliche Laufleistungen bei 5-km- und 10-km-Läufen erforderlich sind.

Wenn du deine Laufleistung beim Training oder bei Wettkämpfen verbessern möchtest, musst du dein Herzminutenvolumen steigern. Also musst du dein Schlagvolumen oder deine Herzschlagfrequenz steigern. Leider ist deine maximale Herzschlagfrequenz (also die Anzahl der Schläge pro Minute, die dein Herz schafft) durch genetische Veranlagung bestimmt und kann nicht verändert werden. Damit bleibt nur das Schlagvolumen, und das kann zum Glück verbessert werden – und zwar beträchtlich.

Das Herzschlagvolumen

Das Schlagvolumen bezeichnet das Blutvolumen, das von einer deiner beiden Herzkammern gepumpt wird, das bei gesunden Erwachsenen in etwa gleich ist. Als Läufer wirst du dich jedoch auf deine linke Herzkammer konzentrieren, von der das Blut in den Kreislauf gepumpt wird (die rechte Herzkammer pumpt das Blut in einen kleineren Kreislauf, der das Blut vom Herzen zur Lunge bringt und wieder zurück). Wenn du dein Schlagvolumen erhöhst, erhöhst du die Menge an Blut – also Sauerstoff –, die zu deinen Muskeln transportiert werden kann. Dies ist auf zwei Weisen zu erreichen:

 Herzkammervergrößerung: Beim Laufen erhöhst du das Blutvolumen, das deine linke Herzkammer füllt, was bewirkt, dass diese sich dehnt. Je größer die Dehnung, desto mehr passt sich dein Körper an, indem sich die Herzkammer vergrößert, was es dieser wiederum ermöglicht, mit jedem Herzschlag entsprechend mehr Blut zu pumpen. Diese Anpassung findet in stärkerem Maße bei Langstreckenläufern als bei Mittelstre- ckenläufern statt, was vermutlich daran liegt, dass Langstreckenläufer mehr Zeit auf das Training verwenden.

 Steigerung der Kontraktionskraft: Je stärker sich die linke Herzkammer dehnt, wenn sie mit Blut gefüllt wird, desto höher ist die Kontraktionskraft des Herzens bei jedem Schlag. In gewisser Weise entspricht das Zurückschnellen des Herzmuskels und des Bindegewebes des Herzens der elastischen Rückfederung deiner Achillessehne und der Faszien. Aber es geht nicht nur um die Rückfederung. Es gibt im Hinblick auf die Kontraktionskraft eine neurale und eine muskuläre Komponente (die Dicke der Muskeln deiner Herzkammerwand wird sich erhöhen, allerdings nicht so wie bei Radfahrern, Ruderern und Kanufahrern).

Um das Schlagvolumen zu erhöhen, ist Intervalltraining die bevorzugte Trainingsmethode. Intervalltraining, also Wiederholungen kurzer, schneller Laufphasen, gefolgt von Erholungsphasen, während derer man joggt oder geht, wurde von Woldemar Gerschler und Dr. Hans Reindell in den 1930er-Jahren erstmals eingeführt. Das Ziel ist es, die Herzfrequenz während der Wiederholungen zu erhöhen und in den Erholungsphasen eine Senkung der Herzfrequenz zu ermöglichen. Während der erhöhte Blutfluss wichtig ist, solange die Wiederholungen stattfinden, sind vor allem die Erholungsintervalle von entscheidender Bedeutung. In der Erholungsphase sinkt die Herzfrequenz schneller als der entsprechende Blutfluss abfällt. Dies führt dazu, dass die Herzkammern sich übermäßig füllen, was eine kurze Erhöhung des Schlagvolumens verursacht. Wiederholt man dies durch zahlreiche Wiederholungen, bewirkt dieser Trainingsreiz eine Anpassung: eine Erhöhung des Herzschlagvolumens.

Das Schlagvolumen ist einer der entscheidendsten Faktoren im Hinblick auf die Laufleistung. Nicht fitte Läufer erreichen ihr maximales Schlagvolumen, wenn sie joggen. Bei trainierten Läufern hingegen erhöht sich das Schlagvolumen umso mehr, schneller sie laufen, bis hin zum Laufen im 5-Kilometer-Wettkampftempo und schneller. Das entspricht einem gehörigen Sauerstoffvorteil.

Wenn du dein Herz trainierst, tut dein Herz das, was menschliches Gewebe am besten kann: Es passt sich an. Die Herzmuskelfasern werden dicker. Das Herz-Bindegewebe wird kräftiger. Die Herzkammern vergrößern sich. Das Schlagvolumen erhöht sich. Und die Ruhefrequenz sinkt (s. Zusatzinformation »Führt Laufen zur Absenkung meiner Ruhefrequenz?«, S. 115).

Trainingsempfehlung

TRAININGSDISKUSSION

»Herzkrankheiten, Entzündungen und der Marathon«

Wenn Läufer Herzinfarkte erleiden wie Jim Fixx, einer der Pioniere der Laufbewegung, der nach einem Trainingslauf einem plötzlichen Herztod erlag, ist das immer eine Nachricht. Wenn Läufer bei Marathonläufen an Herzinfarkten sterben, wie es in den vergangenen Jahren beim Chicago-Marathon und beim London-Marathon passiert ist, ist das eine groß aufgemachte Nachricht. Und wenn eine Zeitung wie das Wall Street Journal das Laufen von Langstrecken mit dem Verzehr von Cheeseburgern vergleicht und die These aufstellt, »eine erhöhte Anfälligkeit für Vorhofflimmern und Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen« mache das Laufen zu einem Gesundheitsrisiko, nehmen Läufer überall auf der Welt davon Notiz und sind aufgerüttelt. Wir wissen, dass wir nicht unsterblich sind, aber wir glauben gerne, dass wir uns gesund verhalten!

Wie also sollen wir auf diese jüngste Panikmache und Attacke auf unseren Sport reagieren? Sollten wir unsere Laufschuhe in den Schuhschrank verbannen? Dem Laufen abschwören und uns einem weniger anstrengenden Zeitvertreib wie dem Lesen des Wall Street Journals hingeben? Schauen wir zunächst, was die Experten dazu sagen. Eine 2012 im The New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie untersuchte das Auftreten von Herzinfarkten bei 10,9 Millionen Teilnehmern an Marathon- und Halbmarathonläufen, die zwischen 2000 und 2010 gelaufen worden waren. Die Studie ergab, dass einer von 184.000 Teilnehmern einen Herzinfarkt erlitten hatte, wobei von den 59 Personen, die einen Herzinfarkt erlitten hatten, 42 gestorben waren. Das ist tragisch. Aber es zeigt, dass das Risiko, beim Laufen einen Herzinfarkt zu erleiden, geringer ist als bei anderen Sportarten. Die Sterberate von Läufern infolge eines Herzinfarkts entspricht nur einem Fünftel der entsprechenden Sterberate von Triathleten und einem Sechstel derjenigen von College-Athleten.

Wenn dich das noch nicht beruhigt, wird es eine Analyse der National Runners Health Study aus dem Jahr 2013 schaffen. Im Rahmen der Studie wurden 32.073 Läufer und 14.734 Walker über einen Zeitraum von sechs Jahren begleitet, und dabei kam heraus, dass Läufer, die mehr als 38 Kilometer pro Woche gelaufen waren, seltener an Herzrhythmusstörungen litten als diejenigen, die weniger trainiert hatten.

In Wahrheit erleiden Läufer mit einer um 50 Prozent geringeren Wahrscheinlichkeit einen schweren Herzinfarkt als Nichtläufer. Denn es ist nicht das Laufen, das Herzinfarkte verursacht. Herzerkrankungen verursachen Herzinfarkte. Und was verursacht Herzerkrankungen? Jahrelang wurde der Schwarze Peter hohen Cholesterinwerten zugeschoben, doch eine Metaanalyse aus dem Jahr 2012 (für die 170 Forscher Daten von 190.000 Studienteilnehmern auswerteten) ergab, dass Entzündungen zu einem großen Teil für Herzerkrankungen verantwortlich sind. Eine Studie der Harvard Medical School und des Brigham and Women’s Hospital (Boston, Massachusetts) aus dem Jahr 2006 kam zu dem gleichen ErgebniS. Die Autoren der Studie stellten fest, dass es »vermehrt wissenschaftliche Belege dafür gibt, dass Entzündungen in allen Stadien [kardiovaskulärer Erkrankungen] eine zentrale Rolle spielen, angefangen bei anfänglichen Anzeichen der Erkrankung bis hin zu terminalen thrombotischen Komplikationen«.

Mit anderen Worten verursachen also Entzündungen – und nicht das Lauftraining – die Verengung der Arterien durch Plaque-Ablagerungen. Und weißt du, was Entzündungen bekämpft? Richtig: Laufen. Schnell fließendes Blut schützt die Arterien und beugt der Entstehung von Atherosklerose vor. Darüber hinaus ergab eine skandinavische Studie aus dem Jahr 2011, dass bessere körperliche Fitness insgesamt mit weniger Entzündungen assoziiert ist.

Lauf also weiter. Und wenn dir der Marathon Sorgen bereitet, bleib bei 5- oder 10-Kilometer-Distanzen.

BLUTGEFÄSSE

Deine Blutgefäße sind die Versorgungswege, die es deinem Körper ermöglichen, an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr Sauerstoff, Nährstoffe, Hormone und Wasser in jede Zelle deines Körpers zu transportieren. Große Blutgefäße – Arterien genannt – führen sauerstoffreiches Blut vom Herzen weg. Die Reise beginnt in deiner Aorta, die sich zu kleineren Arterien verzweigt, die sich ihrerseits zu noch kleineren Arteriolen verzweigen, und die Reise endet schließlich in den winzigsten Blutgefäßen deines Körpers, den Kapillaren. Kapillaren sind so kleine Gefäße, dass die roten Blutkörperchen sie im Gänsemarsch durchströmen müssen. Die Kapillaren sind die Gefäße, die das Blut zu deinen Muskelfasern befördern. Dort lädt das Blut Sauerstoff und Nährstoffe ab und nimmt Kohlendioxid und andere Abfallprodukte auf. Anschließend leiten die Kapillaren das Blut in die Venolen und weiter in die Venen, durch die das Blut schließlich wieder zurück zum Herzen fließt.

Die Kapillarzone

Jedes Lagerhaus hat eine Ladezone – einen Bereich, in dem Waren geladen oder entladen werden –, in der ständig Lastwagen ankommen und abfahren. Kapillarbetten sind die Ladezonen deiner Muskelfasern; die roten Blutkörperchen fungieren als Lastwagen. Diese Kapillarbetten sind die Austauschzone für Sauerstoff und Kohlendioxid, also für Nährstoffe und Abfallprodukte.

Das Wichtigste, was du dir im Zusammenhang mit Kapillaren einprägen solltest, ist: Je mehr du hast, umso besser.

Je mehr Kapillaren deinem Körper zur Versorgung jeder Muskelfaser zur Verfügung stehen, desto mehr Sauerstoff kann zu dieser Faser befördert werden (und desto mehr Kohlendioxid und andere Abfallprodukte können abtransportiert werden). In Tabelle 7.2 sind Schätzwerte für die Gesamtzahl an Kapillaren in den verschiedenen Muskelfasertypen bei Läufern unterschiedlicher Leistungsniveaus aufgeführt. Wie du in der Tabelle sehen kannst, erhöht sich die geschätzte Kapillardichte bei jedem Muskelfasertyp, je schneller ein Läufer ist.

Tabelle 7.2
Durchschnittliche Kapillaranzahl pro Muskelfasertyp

Tabelle 7.2 bietet eine geschätzte Prognose der Anzahl an Kapillaren, mit denen die verschiedenen Muskelfasertypen von Läufern je nach ihren 5-km- bzw. 10-km-Wettkampfzeiten ausgestattet sind. In der linken Spalte findest du die jeweiligen 5-km- bzw. 10-km-Zeiten, in der rechten die prognostizierte Anzahl an Kapillaren für jeden Muskelfasertyp.

Schon während der ersten Trainingswoche beginnen sich neue Kapillaren zu entwickeln, aber sie bilden sich nur für die Muskelfasern, die durch ein bestimmtes Training rekrutiert werden. Fahrrad zu fahren mag gut für dein Herz sein, aber es sorgt nicht dafür, dass sich in den Muskelfasern Kapillaren bilden, die beim Radfahren nicht beansprucht werden. Ähnlich verhält es sich, wenn du nur in langsamem Lauftempo Langstrecken läufst: Dein Körper entwickelt Kapillaren um deine Slow-twitch-Muskelfasern, aber nicht um deine Fast-twitch-Fasern. Es gibt fünf Möglichkeiten, die Kapillarisierung zu stimulieren:

1. Steigerung der Muskelfaserkontraktion: Du kannst entweder die Anzahl der Kontraktionen steigern oder die Kontraktionsrate (also die Geschwindigkeit, in der deine Muskelfasern kontrahieren) – oder du strebst beides an. Lange Läufe sind ein Beispiel für eine Trainingseinheit, bei der eine hohe Anzahl an Kontraktionen erreicht wird. Mit Intervalltraining erhöhst du die Kontraktionsrate. Ein Tempolauf wäre ein Beispiel für ein Workout, bei dem du sowohl die Anzahl der Kontraktionen als auch die Kontraktionsrate steigerst.

2. Steigerung des Blutflusses: Ein schneller Blutfluss belastet die Kapillaren enorm. Sobald die Belastung einen kritischen Punkt erreicht, teilen sich die Kapillaren oder es entstehen neue.

3. Erhöhung des Drucks auf die Kapillarwände: Konstanter Druck auf die Kapillarwände kann zu einer Vergrößerung des Kapillardurchmessers führen.

4. Lauftempo-Steigerung über die aerobe Schwelle hinaus: In einem Tempo zu laufen, bei dem der Energiebedarf die durch aerobe Energieerzeugung bereitgestellte Energie leicht übersteigt, regt das Kapillarwachstum an. Effektive Trainingseinheiten sind Intervalle im 5-km-Renntempo für fortgeschrittene Läufer und Intervalle im 10-km-Renntempo für Anfänger.

5. Steigerung der Lactatwerte: Erhöhte Lactatwerte stimulieren das Kapillarwachstum. Mit Lactat befassen wir uns in den Kapiteln 9 und 10.

Eine Steigerung der Kapillarisierung (Kapillarwachstum) ist die einzige Möglichkeit, um sicherzustellen, dass durch ein gesteigertes Herzschlagvolumen vermehrt zur Verfügung stehender Sauerstoff zu den Muskelfasern transportiert werden kann.

Wie gewonnen, so zerronnen

Läufer beschweren sich häufig darüber, dass es ewig dauert, seine Fitness zu verbessern und sie in Nullkommanichts wieder verpufft ist, wenn man das Training abbricht oder unterbricht. Leider folgt die Kapillarisierung dem gleichen Mus- ter. Sobald du aufhörst zu trainieren, verlierst du all deine neuen hart erarbeiteten Kapillaren in nur sieben Tagen. Wenn du einfach nur den Trainingsumfang oder die Trainingsintensität senkst, verschwinden alle neu gewonnenen Kapillaren, die durch die Steigerung des Trainingsumfangs und/oder der Trainingsintensität gebildet wurden. Einfach ausgedrückt: Reduzierter Blutfluss führt zu einer Reduzierung der Kapillaren.

Was die Verbesserung der Kapillarisierung angeht, ist noch ein weiterer Aspekt erwähnenswert: Zu hartes Training wirkt sich kontraproduktiv aus. Man kann sich das Training wie das Backen eines Kuchens vorstellen. Wenn man die Mehlmenge verdoppelt und die Salzmenge verdreifacht, wird der Kuchen davon nicht besser. Das Gleiche gilt für zusätzliche Intervalltrainingseinheiten oder eine Steigerung des Tempos über die Vorgaben hinaus.

Trainingsempfehlung

BLUT

Wie jeder andere Part des Herz-Kreislauf-Systems verbessert sich durch Training auch dein Blut. Die erste Verbesserung beginnt innerhalb von Stunden oder Tagen nach dem ersten Lauf. Das Plasmavolumen nimmt zu. Ein gesteigertes Plasmavolumen verringert die Blutviskosität (Zähflüssigkeit), das Blut kann besser und schneller durch die Blutgefäße fließen, insbesondere durch die Kapillaren.

Jedes Lauftraining steigert das Blutvolumen, doch eine 2012 durchgeführte neuseeländischen Studie ergab eine signifikante Zunahme des Plasmavolumens und der Leistungsfähigkeit nach dem Trainieren bei Hitze, allerdings mit der Maßgabe, dass eine leichte Dehydration (nicht mehr als 2 Prozent) erforderlich ist, um den größtmöglichen Nutzen aus dem Training zu ziehen. Alex Hutchinson, der für die Runner’s World schreibt, hob in seinem Blog Sweat Science hervor, dass Studien wie diese verdeutlichen, »wie wichtig es ist, den Körper trainingsbedingtem Stress zu unterziehen, anstatt alle möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um ihn zu verhätscheln und ihm Unbehagen zu ersparen … Die Wasserflasche zu Hause zu lassen, kann also eine gute Entscheidung sein.«

Tabelle 7.3
Gesamtblutmenge in Litern im Ruhezustand

Tabelle 7.3 enthält Angaben bezüglich der geschätzten Gesamtblutmenge in Litern je nach Körpergewicht und Fitnesslevel. In der linken Spalte findest du das Gewicht, das deinem eigenen am nächsten kommt, den rechten Spalten entnimmst du die dazugehörige Blutmenge, die deinem Geschlecht und deinem Fitnessgrad entspricht.

Das Einmaleins der roten Blutkörperchen

Die andere bedeutende Anpassung, die Trainingsreize im Blut bewirken, besteht in einer Erhöhung der Anzahl der roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Die roten Blutkörperchen transportieren 98 Prozent des Sauerstoffs, den dein Körper verwendet (und sie beteiligen sich auch in großem Umfang am Abtransport von Kohlendioxid). Sauerstoff wird in den Lungen aufgenommen, wo er sich an die eisenhaltigen Hämoglobinmoleküle der roten Blutkörperchen bindet. Es ist dieser eisenhaltige Proteinkomplex, der den roten Blutkörperchen (und dem Blut) die rote Farbe verleiht. Eine Vermehrung der Erythrozyten sorgt dafür, dass dein Blut mehr Sauerstoff transportieren kann.

Die Anzahl an Erythrozyten wächst langsamer als das Plasmavolumen. Die Vermehrung von Erythrozyten braucht Wochen oder sogar Monate, während sich das Plasmavolumen innerhalb von Tagen erhöht. Eine Zunahme der gesamten Erythrozytenmenge erfolgt sogar, obwohl trainingsbedingte Schädigungen ihre zu erwartende Lebensspanne von 120 Tagen auf etwa 70 Tage reduzieren. Man vermutet hinter diesen Schädigungen verschiedene Ursachen, unter anderem die Tatsache, dass sie einer erhöhten Wirkung von Sauerstoff ausgesetzt sind (oxidativer Stress), sowie die durch den Auftritt des Fußes beim Laufen verursachte Auflösung (Hämolyse) von roten Blutkörperchen, bei der durch die Belastung beim Aufprall des Fußes in den Kapillaren der Fußsohle rote Blutkörperchen zerstört werden. Dennoch leiden nur wenige Läufer unter einer Anämie (nicht mitgerechnet ist die kurze Zeitspanne, in der das Plasmavolumen schneller wächst als die Anzahl der Erythrozyten, was manchmal auch als »Sport-Anämie« bezeichnet wird), und die Erythrozytenproduktion übersteigt schnell die normale Neubildungsrate der roten Blutkörperchen, die bei 2 Millionen pro Sekunde liegt. Die Autoren einer Studie des Australian Institute of Sport aus dem Jahr 1995 stellen die Hypothese auf, dass die kürzere Lebensspanne der Erythrozyten bei Läufern von Vorteil ist: »[Dies] könnte vorteilhaft sein, weil junge Zellen sich beim Sauerstofftransport als effizienter erweisen.«

Trainingsempfehlung

TRAININGSDISKUSSION

»Was ist Blutdoping?«

Beim Blutdoping erhalten Langstreckenläufer Bluttransfusionen zur Erhöhung ihrer Leistungsfähigkeit. Durch die Blutkonserven kann ihre maximale aerobe Kapazität gesteigert werden.

Das traditionelle Blutdoping kann auf zwei Weisen erfolgen: Bei der ersten Methode entnimmt ein Sportler in den Wochen oder Monaten vor einem Wettkampf etwa einen Liter seines eigenen Blutes. Der Körper des Sportlers bildet das verlorene Blut neu. Ein oder zwei Tage vor dem Wettkampf wird dem Sportler das zuvor entnommene Blut erneut per Transfusion zugeführt, was zur Erhöhung des Blutvolumens führt (auch einer Erhöhung der Anzahl der roten Blutkörperchen). Da dies zu einer Eindickung des Blutes sowie zu einer Erhöhung des Blutvolumens führt, erhöht sich das Risiko einer Bildung von Blutgerinnseln und des Auftretens von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Die zweite Methode ist noch risikoreicher, denn bei dieser erfolgt die Transfusion mit dem Blut eines anderen Sportlers. Somit birgt die Methode sämtliche Risiken der Eigenbluttransfusion und zusätzlich noch die Gefahr von Virusinfektionen und, im noch schlimmeren Fall, eine Transfusion von Blut mit einer nicht passenden Blutgruppe. Beide Methoden verbessern die Sauerstofftransportkapazität des Blutes.

Über besonders leistungsstarke finnische Läufer in den 1970er- und 1980er-Jahren wurde häufig gemunkelt, dass sie Blutdoping betrieben haben. Kaarlo Maaninka gab zu, Bluttransfusionen erhalten zu haben, Martti Vainio wurde bei den Olympischen Spielen 1984 positiv auf anabole Steroide getestet, vermutlich nachdem er eine verunreinigte Bluttransfusion erhalten hatte, und die olympische Größe Lasse Virén steht bis heute unter Verdacht, seine Leistung mit Blutdoping gesteigert zu haben. Vor nicht allzu langer Zeit gestand der in Ungnade gefallene Radrennfahrer Lance Armstrong, sich einem Blutdopingprogramm unterzogen zu haben, bei dem heimliche Transfusionen in Hotelzimmern mit abgeklebten Fensterscheiben stattfanden und auf den Fluren Aufpasser positioniert waren.

In letzter Zeit haben synthetische Versionen des Hormons Erythropoetin (EPO) und andere Mittel, die die Bildung roter Blutkörperchen fördern, Bluttransfusionen als bevorzugte Dopingmethode ersetzt.

DIE LUNGE

Die Lunge ist ein Teil des Atmungssystems, aber sie ist auch das Portal, durch das Sauerstoff in das Herz-Kreislauf-System gelangt – und sie ist trainierbar.

Deine Lungenflügel sind viel mehr als nur Ballons. Es sind nicht einfach nur zwei hohle Kammern, die sich mit jedem Atemzug aufblasen und entleeren. Stattdessen verfügt das Innere deiner Lungenflügel über die Konsistenz eines Schwammes. Sie sind mit komplexen Netzen aus Bronchien und Bronchiolen (Luftwegen) gefüllt, die in winzigen Lungenbläschen (Alveolen) enden. Wie viele Alveolen der Mensch hat? Die Zahl wird auf 300 bis 800 Millionen pro Lungenflügel geschätzt. Alveolen sind von Lungenkapillaren umgeben; sie sind der Ort, an dem das Blut Kohlendioxid gegen Sauerstoff austauscht. Die hohe Anzahl von Alveolen, Kapillaren und roten Blutkörperchen in der Lunge erklärt, warum Raucher so viel Lungengewebe zerstören können und ihre Lungen trotzdem noch in der Lage sind, ihr Blut mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen.

Du trainierst die Lunge, indem du die Atemmuskulatur stärkst. Beim Einatmen kontrahieren das Zwerchfell (Diaphragma) und die äußeren Zwischenrippenmuskeln (Musculi intercostales externi). Dadurch dehnt sich der Brustkorb aus, wodurch in der Brusthöhle ein Unterdruck entsteht, der die Lunge letztlich dazu bringt, sich mit Luft zu füllen. Sobald du die gleichen Muskeln wieder entspannst, atmest du aus. Wenn du während harter Trainingseinheiten oder Wettkämpfen läufst wie ein Wahnsinniger – was manche Läufer freudlos als Windschlucken bezeichnen –, beanspruchst du weitere Atemmuskeln (Bauchmuskeln und die Interkostalmuskulatur), um schneller ausatmen zu können.

Eine Kräftigung der Atemmuskulatur verringert nicht nur den psychologischen Stress des Windschluckens, sondern sie senkt auch den Energieverbrauch. Im Ruhezustand verbrauchst du durch deine Atmung etwa 1 Prozent der von dir verbrauchten Energie. Bei intensiven Läufen kann diese Zahl auf bis zu 9 Prozent ansteigen. Fährt man den für die Atmung benötigten Energieverbrauch um einige Prozentpunkte herunter, bleibt mehr Energie für den Rest deines Laufkörpers übrig. Und das Trainieren dieser Muskeln funktioniert. Eine 2011 mit Ausdauerradfahrern durchgeführte Studie zeigte, dass Atemwegstraining zu einem 34-prozentigen Anstieg der respiratorischen Muskelkraft und einem 38-prozentigen Anstieg der Ausdauer der Atmungsmuskulatur führte.

Tabelle 7.4
Trainingseffekte verschiedener Workouts

In Tabelle 7.4 sind die Auswirkungen verschiedener Trainingsarten auf unterschiedliche Aspekte des Herz-Kreislauf-Systems aufgeführt. Berg-Wiederholungstraining hat zum Beispiel eine sehr große Wirkung auf die Kapillaren um intermediäre Muskelfasern; es erhöht die Anzahl der Kapillaren signifikant. Auf Kapillaren um Slow-twitch-Fasern hingegen haben Berg-Wiederholungen nur eine geringe Wirkung. Um durch Trainingsreize eine ähnliche Erhöhung ihrer Kapillardichte zu stimulieren, müssen längere Ausdauerläufe absolviert werden.

Trainingsempfehlung

TRAININGSZUSAMMENFASSUNG:

Herz-Kreislauf-Training erfordert Intervall- und Tempoläufe, wie sie die meisten Läufer zur Vorbereitung auf einen Wettkampf absolvieren. Wichtige Trainingseinheiten der Fotoanleitungen für das Herz-Kreislauf-System sind unter anderem:

 Intervalltraining

 Bergwiederholungen

 Wiederholungen im 5-km- und 10-km-Renntempo

 5-km-Renntempo-Wiederholungen im Gelände

 Lang- bzw. Cruise-Intervalle

 Schnelle Tempoläufe

 Langsame Tempoläufe

 Lange Läufe

 Geräte zum Trainieren der Atemmuskeln

Trainingseinheiten aus anderen Kapiteln zur Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems sind unter anderem

 Lockere Dauerläufe (Kapitel 5)

 Langstreckenläufe (Kapitel 5)

 Unterschiedliches Crosstraining (Kapitel 9)

Um genau zu erfahren, wie du diese Workouts in deinen Gesamttrainingsplan integrieren kannst, blättere direkt vor zu Kapitel 15 »Stell dir dein Trainingsprogramm zusammen«, in dem Trainingspläne für Läufer diverser Fitness- und Leistungsniveaus vorgestellt werden.