Die meisten Trainingseinheiten zum Aufbau deines Läufer-Kraftwerks wurden schon in Kapitel 7 vorgestellt (Training im 5-km- oder 10-km-Renntempo, lange Bergwiederholungen und Tempoläufe für die Mitochondrien in den intermediären Muskelfasern; lange Läufe, Wiederholungstraining im 10-km-Renntempo, Tempoläufe und Cruise-Intervalle für die Mitochondrien in den Slow-Twitch-Fasern), doch wir haben noch einige Workouts in unserem Repertoire – und zwar vor allem im Hinblick auf die Bildung von Mitochondrien in Fast-twitch-Fasern. Denk aber daran, dass zu viel Schnelligkeitstraining die aeroben Enzyme schädigen, dein Nervensystem überbeanspruchen und zum Übertrainingssyndrom führen kann. Sean Brosnan stellt hier fünf weitere Wege vor, um die Neubildung von Mitochondrien – deiner Zellkraftwerke – anzuregen.
Es gibt etliche verschiedene HIIT-Methoden. Einige setzen auf 30-Sekunden-Intervalle oder kürzere Intervalle bei maximaler Belastung (s. »Trainingstabelle 400-Meter-Renntempo« bezüglich empfohlener Lauftempos für die Intervalle entsprechend der 400-Meter-Wettkampfzeit), auf die eine ausgiebige Ruhephase folgt. Andere Methoden wie die Tabata-Methode setzen im Hinblick auf die Phasen intensiver Belastung und der Erholung auf ein 2:1-Verhältnis. Weniger fordernde Varianten setzen auf 30- bis 60-sekündige Belastungsphasen bei 100 Prozent der maximalen Herzfrequenz oder weniger, gefolgt von etwa gleich langen Erholungsphasen. Die Erholungsphasen variieren zwischen vollständiger Ruhe und Laufen im mittleren Intensitätsbereich (z. B. bei etwa 50 Prozent der HIIT-Belastung). Die meisten Läufer werden extreme Versionen des HIIT meiden wollen, etwa die Tabata- und Wingate-Methoden. Läufer mit begrenzter Trainingszeit könnten Gibala-Workouts in ihr Training einbeziehen. Die Billat-Methode kann große Erfolge bei der maximalen Sauerstoffaufnahme bewirken, aber sie sollte aufgrund ihrer Belastungsintensität nur sparsam eingesetzt werden. In der HIIT-Tabelle werden sechs unterschiedliche HIIT-Methoden aufgeführt:
► Tabata: Die unter CrossFit-Trainierenden und in Fitnessclubs beliebte HIIT-Form Tabata entstand aus einer Studie mit einer Handvoll Teilnehmern, die Ergometertraining absolvierten. Während sich bei diesem Training zwar das Mitochondrienvolumen erhöht, ist es im Hinblick auf diverse beim Laufen wichtige Aspekte wie Aufprallkraft, faserspezifische Entwicklung, aerobe Enzymkapazität, langfristige Umsetzbarkeit und eine Ermüdung des Nervensystems für Läufer nicht geeignet.
► Wingate: Die in den 1970er-Jahren aus dem Wingate Test zur Bestimmung des Verlaufs und Umfangs der anaeroben Leistungsfähigkeit hervorgegangene HIIT-Variante Wingate steigert sowohl die aerobe als auch die anaerobe Fitness. Nachteile dieser Methode sind die negativen Langzeitauswirkungen auf das zentrale Nervensystem und die aeroben Enzyme (darüber hinaus wird adaptive Energie verbrannt, die für produktivere Trainingsansätze genutzt werden könnte).
► Gibala (zwei Workouts): Falls du meinst, dass diese beiden HIIT-Varianten dem traditionellen 300- bis 400-Meter-Training eines Meilenläufers sehr ähnlich sind – du hast recht.
► Timmons: Interessanterweise nähert sich diese Methode der im Jahr 2002 von der University of Western Australia verfochtenen Carboloading-Strategie an (Kapitel 10).
► Billat: Ziel von Billats 30–30-Workout ist, so viel Zeit wie möglich im Bereich der maximalen Sauerstoffaufnahme zu verbringen. Da du während der ersten 15–20 Sekunden des Erholungsintervalls noch bei 100 Prozent der VO2max bleibst, bietet die Billat-Methode für jede absolvierte Minute 45–50 Sekunden Belastung bei maximaler Herzfrequenz. Sobald du die 100 Prozent deiner VO2max nicht mehr aufrechterhalten kannst, ist das Workout beendet.
400-Meter-Renntempo-Training wird bei den meisten Langstreckenläufern kein Bestandteil ihres Trainingsprogramms sein, während die meisten Sprinter (100 Meter bis 800 Meter) Wiederholungen von bis zu 150 Metern im 400-Meter-Renntempo in ihre Trainingspläne integrieren. Läufer, die Tabata-, Wingate- oder Timmons-HIIT-Trainingsvarianten ausprobieren möchten, nähern sich mit Wiederholungen im 400-Meter-Renntempo der geforderten Belastungsintensität von 100 Prozent. (Obwohl Wiederholungen im 400-Meter-Renntempo strenggenommen nicht einer Belastungsintensität von 100 Prozent entsprechen, gehen nicht sprint-trainierte Läufer ein Verletzungsrisiko ein, wenn sie schneller laufen.) Wiederholungen im 400-Meter-Renntempo können folgende Verbesserungen bewirken:
HIIT – Hochintensives Intervalltraining
*Bis zum Versagen bedeutet, dass du laufen sollst, bis du so erschöpft bist, dass du das Workout abbrechen musst.
► Mitochondrienvolumen: Wiederholungen von 50- bis 100-Meter-Abschnitten im 400-Meter-Renntempo sorgen für eine Zunahme des Mitochondrienvolumens, vor allem in den Fast-twitch-Fasern.
► Anpassungen jenseits der Kraftwerke der Zellen: Ein 4- bis 6-wöchiges 400-Meter-Renntempo-Training erhöht die Pufferkapazität zur Vorbeugung von Azidose (Kapitel 9). Das 400-Meter-Renntempo-Training unterstützt zudem die Anpassungsfähigkeit der Muskelspindeln (Kapitel 5) an längere, kräftigere Schritte.
Trainingstabelle 400-Meter-Renntempo
Die maximale empfohlene Distanz für eine Wiederholung im 400-Meter-Renntempo beträgt 200 Meter. Zur Information: Zehntelsekunden stellen nur Richtwerte dar (z. B. bedeutet die Angabe 11,5 Sekunden, dass Paces von 11–12 Sekunden angemessen sind).
800-Meter-Renntempo-Intervalle sind ein Grundbestandteil des Trainingsprogramms von Mittelstreckenläufern und für die meisten Ausdauerläufer wohl die am schnellsten gelaufene Trainingseinheit. Die für diese Wiederholungen erforderliche hohe Belastungsintensität kann sowohl auf das zentrale Nervensystem als auch auf die Enzyme des aeroben Stoffwechsels eine negative Wirkung haben, weshalb es am besten ist, wenn du das Training in diesem Lauftempo auf 4–6 Wochen beschränkst und zwei Monate vor dem Wettkampf, für den du trainierst, beginnst (die positive Wirkung dieses Trainings dauert noch 2–4 Wochen an, nachdem du deine »Tempoarbeit« beendet hast). Wiederholungen im 800-Meter-Renntempo können folgende Verbesserungen bewirken:
► Mitochondrienvolumen: Wiederholungen im 800-Meter-Renntempo sorgen für eine Zunahme des Mitochondrienvolumens in den Fast-twitch-Fasern.
► Anpassungen jenseits der Zell-Kraftwerke: Wiederholungen im 800-Meter-Renntempo sind auch ein hervorragendes Workout zur Erhöhung der Monocarboxylat-Transporter genannten Transportproteine (Kapitel 9) in Fast-twitch-Muskelfasern. Zudem sorgen sie für eine Zunahme der Enzyme des anaeroben Stoffwechsels und erhöhen die Pufferkapazität. Wiederholungen im 800-Meter-Renntempo verbessern auch die Laufökonomie (Kapitel 11) bei Mittelstreckenläufern, indem sie die Muskelspindeln und das Nervensystem stärken.
Trainingstabelle 800-Meter-Renntempo
Die maximale empfohlene Distanz für eine Wiederholung im 800-Meter-Renntempo beträgt 400 Meter. Zur Information: Zehntelsekunden stellen nur Richtwerte dar (z. B. bedeutet die Angabe 19,5 Sekunden, dass Paces von 19–20 Sekunden angemessen sind).
Intervalltraining mit wechselnden und vermischten Intervallen ist nur für routinierte Läufer geeignet. Beide Workouts stimulieren eine signifikante Zunahme des Mitochondrienvolumens in den Slow-twitch-Fasern, wobei die vermischten Intervalle zusätzlich eine ebenso signifikante Zunahme des Mitochondrienvolumens in den intermediären Fasern bewirken. Das Hauptziel dieser Workouts ist jedoch, dass du deinen Körper dazu zwingst, mit einer erhöhten Lactatproduktion fertigzuwerden (Kapitel 9). Tempowechsel-Intervalle sind eine bevorzugte Trainingseinheit des Top-Marathontrainers Renato Canova, während vermischte Intervalle schon seit Jahrzehnten von Läufern absolviert werden. Die Tabelle bietet zwei Muster-Workouts für jeden Intervalltypen, doch bei dieser Art von Training ist Kreativität gefragt, sodass Läufer sich ihre eigenen Varianten zusammenstellen können.
Tempowechsel- und vermischte Intervalle
Hinweise: Absolviere die Muster-Workouts in der Reihenfolge 1–12 (linke Spalte). Bei den Tempowechsel-Intervallen sind keine Erholungsphasen vorgesehen, bei den vermischten Intervallen wird während der Erholungsphasen langsam gejoggt. Das deinen Wettkampfzeiten entsprechende richtige Tempo für die jeweiligen Intervalle kannst du den Pace-Tabellen in Kapitel 7 entnehmen.
► Tempowechsel-Intervalle: Bei diesem Workout gibt es keine Erholungsphasen zwischen den Intervallen. Die Intervalle werden einfach nur in wechselndem Tempo gelaufen. Du schaltest sozusagen von einem Gang in den anderen, dann zurück in den ersten und wieder in den zweiten und so weiter. Das deinen Wettkampfzeiten entsprechende richtige Tempo für die jeweiligen Intervalle kannst du den Pace-Tabellen in Kapitel 7 entnehmen.
► Vermischte Intervalle: Bei diesem Workout wird ein Erholungsintervall (z. B. 400 m Joggen) zwischen den Wiederholungen eingeschoben. Dies ermöglicht im Vergleich zu den Tempowechsel-Intervallen eine höhere Belastungsintensität. Das deinen Wettkampfzeiten entsprechende richtige Tempo für die jeweiligen Intervalle kannst du den Pace-Tabellen in Kapitel 7 entnehmen.
Läufer benutzen den Begriff »Trainingskilometer« als allgemeinen Oberbegriff für jeden Laufschritt, den sie im Laufe einer Woche absolvieren. Ob sie joggen, Bergläufe, Sprints, Wiederholungen in einem bestimmte Renntempo oder Langstreckenläufe absolvieren – alles geht in die wöchentlichen »Trainingskilometer« ein. Doch was die gelaufenen Kilometer angeht, gibt es keine magische Zahl, kein spezifisches Wochenziel, das eine Erfolgsgarantie bietet. Deshalb sollten Läufer das Wort »Trainingskilometer« besser durch »Trainingsumfang« ersetzen. Denn entscheidend ist die Zeit – nicht die Anzahl der gelaufenen Kilometer –, die du deinem unterschiedlich intensiven Training widmest. Hier ein Beispiel: Ein Spitzenläufer, der pro Woche 160 Kilometer Lauftraining bei einem Tempo von 3,43 Minuten pro Kilometern absolviert, ist dafür zehn Stunden unterwegs. Ein 5-Kilometer-Läufer mit einer Wettkampfzeit von 27 Minuten bräuchte für die 160 Kilometerstrecke 20 Stunden. Der Eliteläufer würde seine Leistung verbessern, der 5-Kilometer-Läufer mit einer Zeit von 27 Minuten würde zusammenbrechen. Bedenke deshalb: Du bist auf die positive Wirkung deines Trainings aus, nicht auf höhere Zahlen in deinem Läufertagebuch. Abgesehen davon ist eine Steigerung des Trainingsumfangs entscheidend, um deine Laufleistung zu steigern. Eine langfristige Verbesserung ist abhängig von der Akkumulation des Trainingsumfangs über eine lange Zeit (denk in Monaten und Jahren, nicht in Tagen und Wochen). Ein gesteigerter Trainingsumfang sorgt zudem für eine kurzfristige Verbesserung der Mitochondriendichte und eine Erhöhung der Anzahl der Monocarboxylat-Transporter in Slow-twitch-Fasern (Kapitel 9), eine Verbesserung der Laufökonomie (Kapitel 11), der Blutmenge sowie eine Stärkung der Muskeln und des Bindegewebes und andere Dinge. Einfach ausgedrückt kannst du deinen Laufkörper nicht ohne eine solide und beträchtliche Basis an Trainingskilometern optimieren – aber »solide« und »beträchtlich« haben für unterschiedliche Läufer eine unterschiedliche Bedeutung.