11Einleitung

Das Problem der Zustimmung

Die Weinstein-Affäre und die #MeToo-Bewegung haben die Frage der sexualisierten Gewalt gegen Frauen in den Blickpunkt gerückt. Während die Frauenbewegungen unaufhörlich gegen diese Gewalt ankämpften, das Wort ergriffen, um sie anzuprangern und das aufzuzeigen, was man als »Vergewaltigungskultur« bezeichnet, hat mit der Flut von Zeugenaussagen in den sozialen Netzwerken und anderswo, welche die Weinstein-Affäre ausgelöst hat, dieses Thema tatsächlich – endlich – angefangen, die Aufmerksamkeit der ganzen Gesellschaft zu erregen.

In diesem Kontext ist ein Begriff aufgetaucht, der von JuristInnen, PhilosophInnen und FeministInnen regelmäßig wie eine Zauberformel verwendet wird, um die Gleichheit von Frauen und Männern zu denken: der Begriff der Zustimmung. Natürlich war es bereits üblich, von Zustimmung zu sprechen. Erinnert sei an andere Debatten in den 1990er Jahren, vor allem an die über die Frage, ob es möglich ist, dass Frauen damit einverstanden sind, sich zu prostituieren oder ein Kopftuch zu tragen.1 Doch erst mit der #MeToo-Bewegung wurde der Begriff der Zustimmung im Diskurs der Medien selbstverständlich und alltäglich auf die sexuelle und amouröse Zustimmung bezogen.2

Nunmehr erscheint uns die Zustimmung als das perfekte Kriterium für die Trennlinie zwischen Gut und Böse, 12zwischen »gutem« Sex und Vergewaltigung.3 Das ist auf der rechtlichen Ebene in vielen westlichen Ländern der Fall, insbesondere in den USA und in Kanada, wo die Zustimmung des Opfers das rechtliche Kriterium für die Feststellung einer Vergewaltigung ist. Und es ist in der Alltagssprache in Frankreich und anderswo der Fall: Der Geschlechtsverkehr wird als »gut« oder zumindest als akzeptabel angesehen, wenn es sich um einen Geschlechtsverkehr handelt, dem die Partner zustimmen. Allgemeiner gesagt erscheint das Vokabular der Zustimmung als die beste Möglichkeit, die Liebes- und Sexualbeziehungen in einem Kontext zu denken, von dem man Egalität erwartet.

Der zentrale Platz der Zustimmung im zeitgenössischen Diskurs beruht auf einer Reihe von Annahmen, die dazu führen, dass man sie als etwas extrem Einfaches begreift. Das betrifft zunächst ihre Definition: Man nimmt allgemein an, dass eine Zustimmung vorliegt, wenn zwei (oder mehr) Personen damit einverstanden sind, Geschlechtsverkehr zu haben. Zwar kann die rechtliche Feststellung der Zustimmung, das heißt in einem Gerichtsverfahren die Tatsache zu beweisen, dass beide Personen dem Geschlechtsverkehr zugestimmt haben oder nicht, aufgrund fehlender Zeugen Probleme bereiten, aber ansonsten liegt eine Zustimmung vor, »sobald zwei Personen einverstanden sind, das ist die beste aller Definitionen, da muss man nicht weiter gehen«, wie ein junger Mann sagt, der zu Beginn des Films Sexe sans consentement4 von Del13phine Dhilly befragt wird. Allgemeiner gesprochen lassen sich diese Annahmen folgendermaßen zusammenfassen: Zustimmen bedeutet, einverstanden zu sein; ein einvernehmlicher Geschlechtsverkehr ist legitim, und ein legitimer Geschlechtsverkehr ist einvernehmlich; der nicht einvernehmliche Sex ist selten und stellt eine Vergewaltigung dar.

In Wirklichkeit ist keine dieser Annahmen so offenkundig einfach und wahr, wie es den Anschein hat. Zunächst einmal versteht sich die Definition der Zustimmung nicht von selbst. Denn was heißt, damit »einverstanden« zu sein, Geschlechtsverkehr zu haben? Das Klischee, das wir im Kopf haben, ist das von zwei Menschen, die sich lieben, begehren und auf der Grundlage dieser gegenseitigen Liebe und dieses gegenseitigen Begehrens Geschlechtsverkehr haben. Ein anderes Bild, das immer präsenter ist, ist das des »Tinder-Sex«, das heißt der quasi sofortigen sexuellen Interaktion zwischen Unbekannten, bei der der Geschlechtsverkehr einer gegenseitigen Bereitstellung des Körpers des anderen zum Lustgewinn gleichkommt. In diesem Rahmen hat das Einvernehmen nahezu etwas Vertragliches, und in manchen Fällen einigen sich die Nutzer sogar vor dem Treffen darauf, welche Art von sexueller Dienstleistung ausgetauscht werden soll.

Doch die Palette der Situationen, in denen man mit dem Geschlechtsverkehr »einverstanden sein« kann, ist sehr viel breiter, als diese Bilder vermitteln: Man kann in dem Sinne einverstanden sein, dass man große Lust hat, mit dieser Person zu schlafen, aber man kann auch einverstanden sein, weil man weiß, dass der Partner lange insistieren wird, und weil man am nächsten Tag früh aufstehen muss, sagt man lieber »ja«, um es »hinter sich zu bringen« und zu schlafen. Man kann zustimmen, weil es 14unsere Arbeit ist, weil man Geld braucht und der Geschlechtsverkehr bezahlt wird, weil man Angst hat, den Zorn des anderen Partners zu erregen, weil man hofft, durch die Zustimmung zum Geschlechtsverkehr eine Stelle zu bekommen, oder weil man hofft, durch den Geschlechtsverkehr seine Stelle zu behalten. Man kann auch zustimmen, weil man sich einsam fühlt, weil man körperlichen Kontakt braucht, weil schließlich nichts dagegen spricht. Man kann zustimmen, weil der andere einsam wirkt, weil er aussieht, als habe er sehr große Lust dazu, weil man nicht den Mut hat, nein zu sagen, oder weil es unhöflich erscheinen würde, nein zu sagen.

Mit dem Geschlechtsverkehr einverstanden sein ist ein vager Ausdruck: Bedeutet damit einverstanden zu sein, in das Hotelzimmer von jemandem zu gehen, damit einverstanden zu sein, mit dieser Person Geschlechtsverkehr zu haben, wie man in der Zeit der Weinstein-Affäre zuweilen gehört hat? Bedeutet mit Sexualpraktiken ohne Penetration einverstanden zu sein, damit einverstanden zu sein, penetrativen Geschlechtsverkehr mit dieser Person zu haben, oder deutet dies zumindest darauf hin? Wenn man damit einverstanden ist, mit jemandem Geschlechtsverkehr zu haben, diese Person aber hinsichtlich ihrer Identität gelogen hat, um uns zu verführen, ist man dann wirklich mit diesem Geschlechtsverkehr einverstanden? Man kann sich zum Beispiel vorstellen, dass die Antwort auf diese Frage je nach dem Gegenstand der Lüge (Vorname, Alter, Familienstand …) nicht dieselbe sein wird.

Eine noch heiklere Frage ist, wie man mit Situationen umgeht, in denen ein Partner sein Verhalten vollständig ändert, sobald der Geschlechtsverkehr beginnt. Zeitungsartikel oder Berichte von AktivistInnen erzählen regelmäßig von Frauen, die bereit sind, mit einem sanften und 15zärtlichen Mann zu schlafen, der sich mit Beginn des Geschlechtsverkehrs radikal ändert und ein sehr viel dominanteres oder sogar gewalttätiges Verhalten annimmt. Impliziert die Zustimmung zum Geschlechtsverkehr mit einer Person auch die Zustimmung zu jeder Art von Geschlechtsverkehr mit dieser Person? Diese Auflistung, die bewusst aus harmlosen und gewöhnlichen Situationen sowie aus moralisch problematischen Situationen besteht, stellt die scheinbare Einfachheit der Zustimmung in Frage: Die Definition der Zustimmung als einfaches Einverständnis mit dem Geschlechtsverkehr reicht nicht, um sie exakt zu bestimmen.

Diese Bestimmung versteht sich insbesondere dann nicht von selbst, wenn man die Zustimmung als das betrachtet, was unsere sexuellen oder Liebesbeziehungen rechtlich oder moralisch legitimiert. Denn in den heutigen liberalen Gesellschaften herrscht in Bezug auf die Sexualität ein Konsens darüber, dass sexuelle Beziehungen zwischen volljährigen Personen zu ihrem Privatleben gehören und dass sie legitim, das heißt moralisch zulässig sind, wenn sie einvernehmlich sind. Diese Annahme war in den letzten zwanzig Jahren in vielen Ländern der Grund für Veränderungen bei der rechtlichen Definition der Vergewaltigung und für die kürzliche Festlegung eines Mindestalters für die sexuelle Zustimmung im französischen Recht.5 Wenn man die nicht erschöpfende Liste der Gründe durchgeht, aus denen man den Geschlechtsverkehr akzeptieren kann, stellt man fest, dass die Zustimmung, um die es geht, mehr oder weniger frei, mehr oder weniger erzwungen ist und nicht immer eine Entscheidung widerspiegelt, die frei genug ist, um als Zustimmung in dem Sinne angesehen zu werden, den PhilosophInnen und JuristInnen diesem Wort geben. Es ist zum Beispiel 16nicht dasselbe, einem Geschlechtsverkehr zuzustimmen, den man ohne Risiko ablehnen kann, oder wenn von diesem Geschlechtsverkehr unsere Sicherheit oder unser Arbeitsplatz abhängt. Im Recht – darauf werde ich noch zurückkommen – gibt es Grenzen für das, was in der Macht der Zustimmung liegt: Die Zustimmung der Parteien reicht nicht immer, um den Gegenstand der Übereinkunft legitim zu machen (zum Beispiel ist es per Gesetz verboten, jemanden zu töten, auch wenn sich eine Person aus freien Stücken damit einverstanden erklärt, getötet zu werden), und das Zivilrecht legt Bedingungen fest, ohne die eine Übereinkunft zwischen den Parteien nicht gültig sein kann. Das Arbeitsrecht betrachtet bestimmte Arbeitsbedingungen als illegitim und rechtswidrig, selbst wenn der Arbeitnehmer sie akzeptiert, und daher wäre ein Arbeitsvertrag, in dem diese Bedingungen festgelegt sind – zum Beispiel ein Arbeitsvertrag, der einen Lohn unterhalb des Mindestlohns vorsieht –, ungültig, das heißt, die Personen, die ihn unterzeichnet haben, wären nicht verpflichtet, ihn einzuhalten. Es scheint somit, dass die Zustimmung zum Sex, um eine gültige Zustimmung zu sein, also eine Zustimmung, die den stattfindenden Geschlechtsverkehr legitimiert, nicht jedwede Zustimmung aus jedwedem Grund sein kann.

Man sieht, dass sich hier die Möglichkeit für einen Widerspruch zwischen der rechtlichen Ebene und der moralischen Ebene auftut. Denn es sind Situationen denkbar, in denen die Zustimmung der Partner auf der rechtlichen 17Ebene ungültig und auf der moralischen Ebene gültig ist und umgekehrt. In Frankreich ist zum Beispiel der Kauf von sexuellen Dienstleistungen verboten,6 also ist es verboten, dem Geschlechtsverkehr gegen Geld zuzustimmen. Prostituierte können nicht als Zustimmende angesehen werden, da dieser Geschlechtsverkehr vom Gesetz untersagt ist. Ebenso konnten bis vor kurzem die Beteiligten an einem BDSM-Geschlechtsverkehr7 nicht als Zustimmende zum Geschlechtsverkehr betrachtet werden, da dieser Verkehr unter Gesetze fiel, welche die Verabreichung von Schlägen und Verletzungen verboten haben. Doch Sexarbeiterinnen, die sich für diese Tätigkeit entscheiden und nicht zum Objekt von Zuhältern und Menschenhandel werden, stimmen diesem Geschlechtsverkehr zu, zumindest in einem gewissen Sinne der Zustimmung. Und das rechtliche Verbot dieser Form der sexuellen Beziehungen kann somit als eine Form von Puritanismus und Paternalismus seitens des Staates erscheinen.8 Umgekehrt galt es bis vor kurzem – in den Vereinigten Staaten bis in die 1970er Jahre, in Frankreich jedoch bis 1990 und in Deutschland bis 1997 – als unmöglich, seinen Ehepartner zu vergewaltigen: Jeder Geschlechtsverkehr, den ein verheiratetes Paar hatte, wurde als einvernehmlich und legitim angesehen, einschließlich des Geschlechtsverkehrs, der unter Drohung, Zwang oder Gewalt zustande kam. In diesem Kontext konnte der Geschlechtsverkehr auf der moralischen Ebene nicht einvernehmlich, aber dennoch legal sein. Die moralische Definition und die rechtliche Definition der Zustimmung können sich folglich widersprechen und so zu einvernehmlichem, aber illegalem oder illegitimem Geschlechtsverkehr sowie zu nicht einvernehmlichem, aber trotzdem legalem Geschlechtsverkehr führen.

Wenn die Annahme problematisch ist, dass jeder Geschlechtsverkehr legitim ist, wenn er einvernehmlich ist, dann ist dies auch ihr Korrelat – die Vorstellung, dass jeder legitime Geschlechtsverkehr einvernehmlich ist. Faktisch gibt es enorm viele als legitim angesehene sexuelle Beziehungen, die nicht einvernehmlich sind. Um das zu verstehen, muss man sehen, dass diese Selbstverständlichkeit mit der Vorstellung verbunden ist, dass die Partner dem Geschlechtsverkehr in der Regel zustimmen und dass die Vergewaltigung die Ausnahme ist. Tatsächlich ist einer der zentralen Mythen unserer Vorstellung von sexueller Gewalt, den die Analysen der Vergewaltigungskultur herausgestellt haben,9 die Vorstellung, dass die Vergewaltigung eine Ausnahmeerfahrung und nichts Gewöhnliches ist. Wir haben die Tendenz, uns die Vergewaltigung als eine Art Verbrechen vorzustellen, das nachts auf einem Parkplatz von einem Unbekannten verübt wird, der einen mit einem Messer oder einer Schusswaffe bedroht. Der Vergewaltiger wird bei diesem Szenario als ein Außenseiter betrachtet, der häufig verrückt ist und den Serienmördern amerikanischer Fernsehserien ähnelt. Er ist nie ein Mensch wie jeder andere. Diese Konstellation gibt es natürlich,10 aber sie ist weit davon entfernt, das häufigste Szenario zu sein: In den meisten Fällen kennt das Opfer den Angreifer, und das Verbrechen findet an einem vertrauten Ort statt: Laut der Umfrage »Violences et rapports de genre« (Virage), die vom Institut national des études démographiques durchgeführt wurde, wird 19in 91% der Fälle von Vergewaltigung oder versuchter Vergewaltigung der Übergriff von einer Person verübt, die das Opfer kennt, und in 47% der Fälle wird der Übergriff vom Ehepartner oder ehemaligen Ehepartner begangen.11

Vor allem aber ist die Vergewaltigung ein sehr viel banaleres Verbrechen, als das Parkplatz-Szenario denken lassen könnte: Dieses Szenario beruht auf der Vorstellung, dass der Vergewaltiger eine kranke Person ist, die unkontrollierbar handelt, und dass es reichen würde, ihn ein für alle Mal aus der Gesellschaft auszugrenzen. In Wirklichkeit zeigen Untersuchungen zum Profil von Vergewaltigern indessen, dass es sich um ganz normale Männer aus allen sozialen Schichten der Gesellschaft handelt, die im Allgemeinen ein eher überdurchschnittlich aktives Sexualleben haben. Und diese Männer sind weit davon entfernt, ungewöhnliche Monster zu sein. Sie sind im Gegenteil sehr zahlreich (2017 haben die Sicherheitskräfte gegen nahezu 22000 Männer Verfahren wegen Verbrechen oder Vergehen sexualisierter Gewalt und sexueller Belästigung eingeleitet,12 wobei man schätzt, dass davon etwa 40% Fälle von Vergewaltigung darstellen und dass zudem nur 10% der sexualisierten Gewalt der Justiz gemeldet werden13), und sie sind Durchschnittsbürger. Dies kann zum Beispiel zur Erklärung dessen beitragen, was die amerikanische Philosophin Kate Manne als Himpathy bezeichnet – eine unübersetzbare Mischung von »Empathie« und dem männlichen Pronomen »him« –, nämlich die Empathie und Sympathie, die Sexualstraftätern und Vergewaltigern entgegengebracht wird, vor allem in den Medien. Sie führt namentlich das Beispiel von Brock Turner an, einem Studenten und Mitglied des Schwimmteams der Stanford University. Obwohl Turner in flagranti bei der Vergewaltigung einer bewusstlosen Studentin ertappt 20wurde, erhielt er eine weitreichende Unterstützung von der Öffentlichkeit, einigen Zeitungen und sogar vom Richter, der erklärte, ihn lediglich zu sechs Monaten Gefängnis zu verurteilen (wovon er nur drei Monate absitzen wird), da die Verurteilung an sich »schwerwiegende Folgen« für das Leben des Schwimmers haben würde.14 Vor allem weil man sich Vergewaltiger als Verrückte und Außenseiter vorstellt, hat man die Tendenz, Vergewaltiger, die nicht in dieses phantasierte Profil passen, zu entlasten und damit die Vergewaltigungskultur aufrechtzuerhalten, das heißt eine Kultur, in der sexuelle Gewalt unaufhörlich heruntergespielt und gleichzeitig unsichtbar und so gesellschaftlich akzeptabel gemacht wird.

Doch sind nicht nur unsere Annahmen in Bezug auf das Profil der Vergewaltiger falsch, sondern auch unsere Annahmen in Bezug auf die Erfahrung der Vergewaltigung: Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe machen einen beträchtlichen Teil der sexuellen Interaktionen der Individuen aus. In Frankreich veranschlagen die verfügbaren Zahlen die Menge der Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung oder versuchten Vergewaltigung wurden, jedes Jahr auf 94000;15 2020 wurden 24800 Anzeigen erstattet16 und 30000 Anzeigen wegen anderer sexueller Übergriffe (einschließlich sexueller Belästigung). Diese Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen: Da allgemein angenommen wird, dass Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe bei weitem nicht systematisch angezeigt werden, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Zahlen in Wirklichkeit höher sind.17 Auf jeden Fall zeigen diese Zahlen, dass die Erfahrung von sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen in der Bevölkerung, insbesondere in der weiblichen Bevölkerung, sehr weit verbreitet ist.

Dieser kurze Ausflug in die Mythen über die Vergewaltigung, die Vergewaltiger und ihre Opfer soll eine unserer Grundannahmen zum Thema Zustimmung in Frage stellen: Zu glauben, dass es sich von selbst versteht, was Zustimmung heißt, und die Zustimmung als ein eindeutiges Kriterium für die Abgrenzung zwischen (gutem) Sex und Vergewaltigung zu begreifen ist untrennbar mit der Vorstellung verbunden, dass die Erfahrung, die die Individuen mit dem Sex machen, mit wenigen Ausnahmen eine Erfahrung der Zustimmung ist. Wir neigen in der Tat dazu, die Nicht-Zustimmung als etwas Außergewöhnliches zu betrachten, obwohl die verfügbaren Studien zu diesem Thema ein völlig anderes Bild zeichnen: Nicht nur die Erfahrung der Vergewaltigung ist extrem weit verbreitet, sondern auch die nicht ganz einvernehmlicher sexueller Beziehungen wird in einem hohen Maße geteilt. Tatsächlich gibt es erst wenige Untersuchungen zu diesem Thema, doch weisen neuere psychologische und soziologische Studien18 klar die Häufigkeit von nicht einvernehmlichem Sex bei heterosexuellen und zuweilen auch homosexuellen Paaren auf, und zwar nicht bloß in der nunmehr rechtlich anerkannten Form der Vergewaltigung in der Ehe, sondern auch in subtileren Formen eines Sexes, der durch Drohung, verschiedene Einschüchterungen und Erpressung abgenötigt wird. Zusammengenommen zeigen uns die Zahlen zur sexuellen Gewalt und die soziologischen Studien zur Nicht-Zustimmung in der Partnerschaft ein ganz anderes Bild als das rückblickend 22betrachtet zu einfache Bild einer Zustimmung, die sich von selbst versteht: In Wirklichkeit versteht sich die Zustimmung nicht von selbst, weder in dem Sinne, dass sie in der großen Mehrheit der sexuellen Beziehungen gegeben wäre, noch in dem Sinne, dass man genau wüsste, wovon man spricht, wenn man von Zustimmung spricht.

Das springt sofort ins Auge, wenn man sich bemüht, eine genaue Antwort auf die Frage zu geben, ob jeder nicht einvernehmliche Geschlechtsverkehr eine Vergewaltigung ist. Diese Frage verweist auf unsere intuitive Vorstellung von einer Vergewaltigung, und auf den ersten Blick lautet die Antwort »ja«. Zwar definiert das Strafgesetzbuch, worauf ich noch zurückkommen werde, die Vergewaltigung nicht durch fehlende Zustimmung, doch scheint dies sowohl die intuitivste Definition der Vergewaltigung zu sein als auch diejenige, die der Gesetzgeber im Sinn hat, wenn er in seiner Definition der Vergewaltigung die verschiedenen möglichen Formen der Nicht-Zustimmung zum Sex definiert: Eine Vergewaltigung liegt vor, wenn eine der Personen nicht mit dem Geschlechtsverkehr einverstanden ist und der Geschlechtsverkehr trotzdem stattfindet. Auf der juristischen Ebene ist es jedoch zum Beispiel gang und gäbe, dass eine Person behauptet, gegen ihren Willen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, und dass die Justiz davon ausgeht, dass es sich gleichwohl nicht um eine Vergewaltigung handelt, weil der Aggressor nicht die Absicht hatte, zu vergewaltigen. Denn im französischen Strafrecht hat ein Verbrechen oder Vergehen drei Bestandteile: ein gesetzliches Element (ein Gesetz muss bestimmen, dass die betreffenden Handlungen gesetzlich verboten sind), ein materielles Element (das sich in der konkreten Ausführung der zur Last gelegten Handlungen manifestiert) und ein morali23sches Element (die psychologische Einstellung des Täters). Es kann also keine Vergewaltigung vorliegen, wenn der Täter bei einem Geschlechtsverkehr, der durch Gewalt, Zwang, Drohung oder Überraschung erfolgt, nicht die Absicht hat, zu vergewaltigen. Zum anderen beschreiben Soziologen, die sich für die Zustimmung interessieren, Erfahrungen der Nicht-Zustimmung und berichten dabei häufig, dass selbst die Betroffenen den Begriff der Vergewaltigung ablehnen: Sie sind der Ansicht, dass sich dieser Begriff auf eine unerträgliche und gewalttätige Situation bezieht, während ihre Erfahrung eher die einer sehr unangenehmen, aber gewöhnlichen und aushaltbaren Situation ist. Nicola Gaveys Buch ist beispielsweise voll von Beispielen von Frauen, deren Männer sehr stark auf den Geschlechtsverkehr bestehen, obwohl sie sehr gut wissen, dass die Frauen nicht wollen, und die Frauen nachgeben, weil sie wissen, dass der Preis für ihre Weigerung zu hoch wäre, darin aber trotzdem keine Vergewaltigung sehen und diesen Begriff kategorisch ablehnen.

Allgemeiner betrachtet fordert uns diese Frage dazu auf, uns zu fragen, was nicht zustimmen heißt: Nicht damit einverstanden zu sein, etwas zu tun, kann eine Vielzahl von Formen annehmen. Heißt »nein« sagen sich wehren? Heißt es einfach nur nicht »ja« sagen? Heißt es, keine große Lust zu haben oder vielmehr radikal dagegen zu sein? Zum Beispiel machen viele Paare die Erfahrung, nicht im gleichen Moment ein sexuelles Verlangen zu haben: Stimme ich dem Geschlechtsverkehr zu, wenn ich mit meinem Mann oder meiner Frau schlafe, um ihm oder ihr eine Freude zu machen, obwohl ich überhaupt kein Verlangen danach habe? Man kann sich leicht vorstellen, dass die Antwort auf diese Frage von den Details des Szenarios abhängt: In einer Partnerschaft, die gut 24läuft, in der Sex nicht Gegenstand eines Gefeilsches ist, kann man sich sehr gut einen Geschlechtsverkehr vorstellen, bei dem einer der beiden Partner mit Freuden einen vom anderen initiierten Geschlechtsverkehr akzeptiert, ohne in dem Moment ein sexuelles Verlangen zu haben, aus dem Wunsch heraus, dem Partner einen Gefallen zu erweisen, aus Liebe. Stellen wir uns aber einen Kontext vor, in dem ein Partner jeden Abend darauf besteht, Geschlechtsverkehr zu haben, obwohl er genau weiß, dass der andere zum Beispiel einen langen, anstrengenden Tag hinter sich hat oder berufliche Sorgen oder gesundheitliche Probleme hat, so dass dieser Partner von Zeit zu Zeit nachgibt, »um seine Ruhe zu haben«. Es ist klar, dass bei dem zweiten Szenario die Evidenz der Zustimmung weniger auf der Hand liegt.

Stellen wir uns ein drittes Szenario vor, bei dem sich ein Mann und eine Frau auf einer Party begegnen. Sie kennen sich nicht, entdecken sich und amüsieren sich gut. Sie tanzen, küssen sich und verbringen einen schönen Abend. Am Ende des Abends schlägt der Mann der Frau vor, sie nach Hause zu bringen. Sie würde es für diesen Abend dabei belassen, hat dem Mann aber bereits gesagt, wo sie wohnt, und er besteht darauf, dass es für ihn kein großer Umweg ist. Sie sagt sich, dass es schon spät ist und dass sie sich wahrscheinlich sicherer fühlt, wenn er sie begleitet. Sie akzeptiert. Bei ihr angekommen, beharrt der Mann darauf, mit nach oben zu gehen, er verspricht, nicht lange zu bleiben, sie würde gerne ins Bett gehen, aber andererseits hat er einen Umweg gemacht, es ist kalt. Sie akzeptiert. Sie gehen nach oben, er küsst sie, sie lässt es sich gefallen, hat aber keine Lust, weiterzugehen. Er greift mit der Hand unter ihr T-Shirt, er macht weiter. Sie stößt ihn ein wenig zurück, sagt sich aber, dass sie riskiert, 25als Anmacherin zu gelten, wenn sie »nein« sagt, und dass er sehr viel Lust zu haben scheint. Vielleicht wird es gar nicht so schlecht. Na gut, es wird wahrscheinlich schnell vorbei sein. Dabei hat sie wirklich immer weniger Lust. Aber was, wenn er es falsch auffasst, dass sie so deutlich ablehnt? Wenn er verärgert ist? Sie lässt ihn gewähren, und sie schlafen miteinander. Bei diesem Szenario sehen wir, wie soziale Normen (sie will keine Anmacherin sein, das männliche Verlangen wird als unbändig angesehen, sie fühlt sich verpflichtet und hat das Gefühl, den Dienst, den er ihr erwiesen hat, in sexueller Form zurückzahlen zu müssen) eine Rolle spielen und die Frau dazu bringen, einen Geschlechtsverkehr zu haben, den sie nicht wollte. Dennoch ist es möglich, dass der Mann nach Hause geht, ohne zu denken, dass der Geschlechtsverkehr nicht einvernehmlich war. Er fühlt sich garantiert auf keinen Fall im Unrecht, auch wenn er mehr oder weniger bewusst wissen kann, dass sie nicht sehr begeistert schien. Während es uns a priori klar schien, dass das Einverständnis, mit jemandem zu schlafen, »um ihm eine Freude zu machen«, nicht unter die Nicht-Zustimmung fällt und dass jeder nicht einvernehmliche Sex eine Vergewaltigung ist, zeigen uns diese drei Szenarien, dass die Zustimmung in Realität unendlich komplexer ist.

Die zentrale Rolle der Zustimmung in den zeitgenössischen Debatten beruht auf einer überaus einfachen Vorstellung. Doch wie wir gesehen haben, hält keine dieser 26einfachen Annahmen der Analyse stand. Die Beispiele für die Komplexität der Zustimmung lassen die Zustimmung als ein philosophisches Problem erkennen: Dieser Begriff, der in der öffentlichen Debatte tagtäglich verwendet wird, ist in Wirklichkeit ein problematischer Begriff, und die moralischen Inferenzen, die er erzeugt – allen voran die, die Zustimmung als Kriterium für die Legitimität sexueller Beziehungen anzusehen –, verlangen eine eingehende Untersuchung. Wenn wir davon ausgehen, dass dieses Konzept der Schlüssel zu egalitären und freien intimen Beziehungen ist, dann müssen wir über unsere vereinfachenden Annahmen hinausgehen und eine genaue Analyse vorlegen, welche die aufgezeigten Schwierigkeiten überwindet. Wir müssen in der Lage sein, genau zu definieren, was die Zustimmung ist, die Weise analysieren, in der sie in einer Form funktioniert, die ihrer Macht zur Legitimation Rechnung trägt, und die Bedingungen für eine rechtsgültige Ausübung der Zustimmung aufstellen.

Dass eine solche philosophische Analyse der Zustimmung in ihrer Bedeutung für die Liebe und Sexualität noch nicht stattgefunden hat, ist kein Zufall: Die Zustimmung ist erst vor kurzem zu einem Gegenstand der Reflexion an sich geworden. Denn die Zustimmung wurde, worauf ich noch zurückkommen werde, historisch so definiert, dass nur ihr Fehlen festgestellt werden konnte: Das Sprichwort »Wer schweigt, stimmt zu« bringt diese Unsichtbarkeit der Zustimmung zum Ausdruck; nur die Nicht-Zustimmung ist der Aufmerksamkeit würdig. In den meisten Fällen, in denen der Begriff vorkommt, wird die Zustimmung so lange unterstellt, bis die Nicht-Zustimmung deutlich gemacht wird. Die Debatten über die sexuelle Zustimmung im Kontext der #MeToo-Bewegung haben jedoch Erfahrungen in den Vordergrund gerückt, 27bei denen die Partner möglicherweise nicht »nein« gesagt und keine Nicht-Zustimmung deutlich gemacht haben, aber dennoch behaupten, nicht zugestimmt zu haben. In diesem Kontext entstand das, was man gemeinhin als »Grauzone« bezeichnet, das heißt jene Zone zwischen dem, was nicht ganz einvernehmlich ist, und dem, was auch nicht ganz nicht einvernehmlich ist oder einer Vergewaltigung gleichkommt. So wurden das, was die Zustimmung positiv ist, ihre Voraussetzungen für ihre Rechtsgültigkeit und ihre Äußerung zu einem Thema, das Fragen aufwirft. Denn um die Zustimmung selbst zu erfassen, reichte es nicht mehr, die traditionell anerkannte Äußerung der Nicht-Zustimmung festzustellen.

Dieses Buch möchte zur Zustimmung etwas vorschlagen, was die amerikanische Philosophin Sally Haslanger als ameliorative Begriffsanalyse bezeichnet. In ihrer Analyse der Begriffe des »Geschlechts« und der »Rasse« zeigt Sally Haslanger, dass wir, wenn wir die philosophische Frage schlechthin »Was ist X?« stellen, drei verschiedene Arten von philosophischen Projekten haben können: eine deskriptive Untersuchung, eine begriffliche Untersuchung oder eine analytische Untersuchung.19 Man kann das Projekt einer deskriptiven Untersuchung haben, deren Ziel es ist, festzustellen, von welchen Dingen und Erfahrungen man spricht, wenn man von X spricht, was man auch als die Extension des Begriffs X bezeichnet. Man kann auch eine, wie sie sagt, begriffliche Untersuchung anstellen wollen, deren Ziel es ist, unseren Begriff X zu definieren, und zwar vor allem, indem wir ihn von Begriffen unterscheiden, die mit ihm in Verbindung stehen. Schließlich kann man auch – und das ist das, was sie sich zur Aufgabe macht – eine analytische Untersuchung vorlegen, die darin besteht, sich zu fragen: »Was nützt es uns, diese 28Begriffe zu haben? Welche kognitiven oder praktischen Aufgaben erfüllen sie bzw. sollten sie für uns erfüllen? Handelt es sich um effektive Instrumente zur Erfüllung unserer (legitimen) Ziele?« Diese Form der Analyse wird auch als ameliorativ bezeichnet, da sie nicht nur einen deskriptiven Anspruch hat – festzustellen, welcher Realität dieser Begriff entspricht, welche Gegenstände er umfasst –, sondern auch den normativen Anspruch der Verbesserung der sozialen Welt – festzustellen, welcher Art von normativem und emanzipatorischem Unternehmen dieser Begriff dienen kann. Wie wir sehen werden, wird die Zustimmung einerseits zunehmend als der Begriff verwendet, mit dem es möglich ist, nicht repressive Liebes- und Sexualbeziehungen zu denken, andererseits ist er Gegenstand zahlreicher Kritiken, denen zufolge er in Wirklichkeit nicht in der Lage sei, zu gleichberechtigteren und freieren Liebes- und Sexualbeziehungen beizutragen. In diesem Buch geht es mir also nicht nur darum, zu analysieren, was die Zustimmung ist, sondern auch darum, zu sehen, ob und unter welchen Bedingungen sie tatsächlich ein Instrument der Emanzipation sein kann. Und wie die bislang angeführten Beispiele zeigen, ist es dafür notwendig, sich auf das zu stützen, was der Anthropologe Clifford Geertz als »dichte Beschreibungen« bezeichnet,20 also detaillierte Beschreibungen, die nicht nur auf das Verhalten der Handelnden Bezug nehmen, sondern auch auf den Kontext, in den sie eingebettet sind, und auf die Bedeutungen, die dieser Kontext ihren Handlungen verleihen kann.21

Ein zentraler Aspekt dieser Analyse ist die Beleuchtung der Rolle, die die Zustimmung in der patriarchalischen Gesellschaft spielt. Denn wenn auch bislang die berücksichtigten Fälle überwiegend neutral dargestellt wurden, so ist die Zustimmung ein Schlüsselbegriff im heutigen feministischen Diskurs, weil man sich hauptsächlich für die sexuelle Zustimmung der Frauen in ihren Liebes- und Sexualbeziehungen mit den Männern interessiert. Dafür gibt es mehrere Gründe, auf die in diesem Buch eingegangen wird: Denn eines der Ziele dieses Buches ist, das Patriarchat – verstanden als das soziopolitische System, das die soziale Unterdrückung der Frauen organisiert – durch die Brille der Zustimmung zu studieren. In diesem Sinne wird untersucht, was das Patriarchat mit der Zustimmung und den Wünschen der Frauen, aber auch der Männer und nicht binärer Personen sowohl in heterosexuellen als auch in homosexuellen Beziehungen macht. Auch wenn, wie wir sehen werden, das Problem der Zustimmung in heterosexuellen Beziehungen besonders akut ist und es rechtfertigt, diesen Beziehungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen, sind doch auch nicht heterosexuelle Personen Teil des patriarchalen Systems und sehen ihr Intimleben ebenfalls vom Patriarchat geprägt.

Dieses Buch versucht also nicht, in den Fehler einer angeblich neutralen Analyse der Zustimmung zu verfallen, die davon ausgeht, dass Männer und Frauen auf die genau gleiche Weise sexuellen Beziehungen zustimmen können. Es zeigt im Gegenteil, dass eine solche Analyse, die blind für den Einfluss der männlichen Herrschaft nicht nur auf 30die Gesellschaft, sondern auch auf unsere Wünsche und Lüste ist, das verfehlt, was beim Denken der Zustimmung zutiefst schwierig ist. Der Diskurs der Zustimmung ist für die Frauen sowohl eine Befreiung – historisch wurden sie nicht als autonome Personen betrachtet, und die Zustimmung betont im Gegenteil diese Eigenschaft – als auch ein Risiko, da dieses Vokabular in einer Weise verwendet werden kann, die die Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern verschleiert. Ich habe mein voriges Buch Wir werden nicht unterwürfig geboren. Wie das Patriarchat das Leben von Frauen bestimmt[1]  damit beendet, dass die weibliche Unterwerfung dazu auffordert, die Zustimmung neu zu denken. Dabei habe ich drei Probleme der sexuellen Zustimmung unterschieden: ein rechtliches Problem, ein moralisches Problem und ein politisches Problem. Das rechtliche Problem, das denjenigen, die die Nachrichten verfolgen, wohlbekannt ist, lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Wie kann man erreichen, dass Fälle von Vergewaltigung, sexueller Aggression und sexueller Belästigung tatsächlich bestraft werden? Ich erinnerte an die Zahlen des Justizministeriums, wonach in Frankreich 10% der Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung wurden, Anzeige erstatten, 3% der Vergewaltigungen zu einem Prozess vor dem Schwurgericht führen und 1% der begangenen Vergewaltigungen als solche bestraft werden. Das zweite Problem ist ein moralisches Problem: Wie kann man Liebes- und Sexualbeziehungen denken, die nicht auf sexistischen und ungleichen sozialen Normen beruhen, wie kann man sich Liebesbeziehungen vorstellen, die, wenn schon nicht glücklich, doch zumindest 31nicht schädlich sind? Schließlich stellt sich ein politisches Problem, nämlich die Frage, wie sich Geschlechterungleichheiten in Liebes- und Sexualbeziehungen manifestieren und wie man die Aufrechterhaltung repressiver und ungerechter Normen in intimen Beziehungen bekämpfen kann. Dieses Buch hat den Anspruch, zu zeigen, dass wir nur dann auf eine bessere und freiere Liebe hoffen können, wenn uns bewusst ist, wie soziale Geschlechternormen unser Leben – auch das intimste – prägen.