Kapitel 2
IN DIESEM KAPITEL
Dieses Kapitel widmet sich zum einen den Managementkompetenzen für einen lernwirksamen Unterricht (Unterrichtsmanagement) und zum anderen dem Umgang mit Aufgaben, Zeit und Zielen (Selbstmanagement).
»Kinder und Jugendliche werden sich ihres Lernens dann bewusst, wenn sie vielfältige und häufige Perspektivwechsel einnehmen können. Hier Zuhörer, dort Redner, hier Beobachteter, dort Beobachter, hier Lerner, dort Lehrer«, so Otto Seydel, Leiter des Instituts für Schulentwicklung.
Lernumgebungen sind mehr als Lehrräume. Kennen Sie Schulen, die sich atmosphärisch »gut« anfühlen? Möglicherweise haben Sie selbst das Privileg, in einem Gebäude zu arbeiten, in dem die »Schnittstelle zwischen Pädagogik und Raum« stimmig umgesetzt ist. Für die Mehrheit von Ihnen wird dies (noch) nicht der Fall sein. Und dennoch eilen bestimmte Erwartungen der aktuellen Bildungsforschung auch an Sie heran und Sie sind gefordert, unter den gegebenen Voraussetzungen förderliche Lernumgebungen zu gestalten.
Wenn große Taten gefragt sind, ist es meist hilfreich, sich in kleinen machbaren Schritten anzunähern. Aktionismus kann das Ziel verfehlen und kostet verhältnismäßig viel Energie. Besser ist es, sich zunächst mit den Merkmalen einer förderlichen Lernumgebung zu befassen und anschließend zu klären, welche davon verwirklicht werden können. Sie werden feststellen, dass für einige davon nicht unmittelbar dramatische bauliche Maßnahmen erforderlich sind.
Hilfreich ist die lösungsfokussierte Ausrichtung. Also statt eines Das-geht-doch-gar-nicht! hin zu einem Was-davon-ist-in-welchem-Maße-möglich?.
Merkmale einer förderlichen Lernumgebung:
Unterricht wird in der Literatur mit unterschiedlichen Attributen »geschmückt«. Allgemein formuliert soll er zum Beispiel lernförderlich, wirksam, erfolgreich, effektiv, effizient, schülerorientiert, ganzheitlich, kompetenzorientiert (…) oder ganz schlicht zusammengefasst gut sein. Damit die Umsetzung in die gewünschte Richtung erfolgt und überprüft werden kann, gibt es spezifische Kriterien und zugehörige Indikatoren hierfür.
Schulisch-unterrichtliches Lernen umfasst kognitive Aspekte ebenso wie motivationale, soziale und emotionale. Unterricht, der lernwirksam ist, nimmt das Lernen in diesem Sinne in den Fokus. Guter Unterricht betrachtet die Wirkung, die das Lernen bei den Schülern erzeugt. Lernwirksamer Unterricht setzt daher sowohl bei den Kompetenzen der Lehrkraft als auch bei den Voraussetzungen der Schüler an.
Die empirische Bildungsforschung spricht von lernwirksamem Unterricht und unterscheidet dafür in Oberflächen- und Tiefenstrukturen von Unterricht.
Zu den Oberflächenstrukturen gehören alle sichtbaren (leicht beobachtbaren) Aktivitäten und Interaktionen im Klassenzimmer. Ihre Wirksamkeit für den Lernerfolg ist eher gering. Leicht beobachtbar von außen liefern sie zum Beispiel Antworten auf diese Fragen:
Die Tiefenstrukturen beziehen sich auf die Prozesse des Lehrens und Lernens (wie pädagogische Konzepte, Ansätze und Prinzipien, Haltungen und daraus resultierende Entscheidungen), die nicht unmittelbar sichtbar (schwerer beobachtbar) sind. Sie sind wirksamer für den Lernerfolg.
Die Tiefenstrukturen wirken in drei Basisdimensionen:
Klassenführung und Strukturiertheit (Classroom Management)
Die Merkmale dieser drei Tiefenstrukturen beeinflussen wesentlich die Qualität und Wirksamkeit von Unterricht.
Classroom Management (verstanden als Klassenführung und Strukturiertheit) kommt eine zentrale Rolle für lernwirksamen Unterricht zu. Die zur Verfügung stehende Zeit soll effektiv genutzt werden. Dazu gehört es, die Klasse in ihrem Leistungsspektrum sinnstiftend anzuregen und die soziale Interaktion so zu etablieren, dass jeder Schüler mit seiner individuellen Leistung gesehen wird und sich zeigen kann (durch aktive Mitarbeit). Mögliche Störungen der effektiven Lernzeit sollen durch präventives Denken und Handeln vorweggenommen werden. Im Störungsfall gilt es, souverän und situativ angemessen zu handeln, sodass die Reaktion auf die Störung die Störung selbst nicht vergrößert. Das bedarf einer guten Selbstführung und vor allem auch einer beziehungsförderlichen Kommunikation.
Wenn Ihnen das komplexe Gefüge ein inneres Seufzen entlockt, lautet die gute Nachricht: Mit zunehmender Berufserfahrung weitet sich der Blick für den Aktionsradius des Classroom Managements. Im Unterricht selbst gelingt es dann mehr und mehr, Störungen einzuschätzen und zu »beheben«, ohne den Unterrichtsfluss zu unterbrechen.
Klassenführung ist die Grundlage für guten Unterricht. Und umgekehrt begünstigt ein guter Unterricht die Klassenführung positiv.
Das Stufenmodell der Unterrichtsqualität (Pietsch, 2012) stellt die Lehrerkompetenz in unterschiedlichen Stufungen dar (siehe Abbildung 2.1). Über Hunderte von Unterrichtsstunden wurden ausgewertet, um die Kompetenzen der Lehrkräfte zu kategorisieren. Mit dem Blick auf die Relevanz für den Lernerfolg ergab sich eine Abstufung in vier Qualitätsstufen, abgebildet über grundlegende Kompetenzen und darauf aufbauende Kompetenzen.
Die Kernaussage des Modells: Ein gutes Lernklima und eine ausgeprägte Klassenführungskompetenz bilden die Basis des gesamten Lehrerhandelns.
Abbildung 2.1: Stufenmodell der Unterrichtsqualität nach Pietsch
Ich möchte es nicht versäumen, auf die groß angelegte Metastudie Visible Learning – Lernen sichtbar machen des neuseeländischen Erziehungswissenschaftlers John Hattie hinzuweisen, die hierzulande seit 2013 viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Innerhalb von sechs Bereichen wurden die sogenannten lernwirksamen Faktoren untersucht. Diese Bereiche lauten: Lernende, Elternhaus, Schule, Curriculum, Lehrperson, Unterricht.
In seiner Studie zeigt Hattie unterschiedliche Einflussfaktoren und deren Effektstärke für den schulischen Lernerfolg in Form einer Rangliste auf. Seine Effekt-Skalierung innerhalb der Rangliste reicht von »sehr positiv« bis »negativ«. Im Mittel zeigten die Effekte einen Wert von 0,40, sodass Hattie die Effekte in Relation zu diesem Wert einstufte. Alles, was einen höheren Wert als 0,40 anzeigt, gilt somit als relevant für den Lernerfolg.
Die Studie ist unter www.visible-learning.org
beschrieben und auch die Rangliste mit den mehr als 130 Faktoren ist dort aufgeführt. Es ist interessant, sich mit diesen Ergebnissen zu befassen.
Ein viel zitierter Schlüsselsatz seiner Studie lautet: Auf die Lehrkraft kommt es an. Diese sehr verkürzte Aussage braucht etwas Erläuterung. Die Lehrkraft wirkt in ihren vielfältigen Rollen an der Seite der Schüler auf deren Lern- und Entwicklungsprozess ein – und das maßgeblich. Und damit die Lehrkraft erfolgreich und damit lernwirksam einwirkt, braucht sie Haltung und eine tragfähige Beziehungsgestaltung. Darüber hinaus muss sie den Blick auf Aufgaben und Ziele haben und Rückmeldung (Feedback) zum Lernprozess geben. Das wird meist zu wenig betont. Da der Schlüsselsatz so gerne zitiert wird, entsteht fast der Eindruck: »Nur auf die Lehrkraft kommt es an.« Auf die anderen fünf Bereiche kommt es ebenso an, auch wenn Merkmale des Unterrichts und der Lehrperson eine größere Effektstärke zeigen als etwa Eltern.
Unterricht ist ein Angebot an Schüler. Eine Dienstleitung für eine spezifische Zielgruppe. In diesem Sinne ist mein handlungsleitender Satz: Auf den Schüler kommt es an. Die Schüler legitimieren die Arbeit an der Schule. Alle Entscheidungen sollten in dem Bewusstsein getroffen werden, dass sie auf die Schüler hin wirken. Und vor diesem Hintergrund pädagogisch-professionell stattfinden.
Unterricht als Angebot erfordert aufseiten der Schüler die Bereitschaft zur Mitarbeit. Sie ist Voraussetzung für die Teilnahme am Unterricht. Lernen kann nicht gemacht werden, jedoch gibt es Stellschrauben, die auf die Lernbereitschaft Einfluss nehmen.
Zwei Stellschrauben und Schlüsselbegriffe der Schülerorientierung sind Relevanz und Resonanz.
Klassenführung dient der Herbeiführung positiven und erwünschten Verhaltens durch eine maximale Bereitstellung von aktiver Lernzeit. Lernende sollen sich möglichst zeitintensiv mit den Lerninhalten auseinandersetzen. Damit dies möglich ist, müssen die Lerninhalte vorstrukturiert und der Ablauf einer Stunde so strukturiert werden, dass die Schüler wesentliche Lehrziele als Lernziele nachvollziehen und integrieren können.
Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen. So beispielsweise in unterschiedlichen Sozialformen, durch kooperative Lernformen, in Diskussionen, in praktischen Übungen, in projektartigen Settings und durch Reflexion. Wenn Schüler Aufgaben lösen, indem sie erforschen, untersuchen, definieren, strukturieren und unterscheiden, sind sie aktiv.
Im Gegensatz dazu bezeichnet die passive Lernzeit die Zeit (den Zeitraum), in der die Schülerinnen und Schüler lediglich Informationen konsumieren, ohne dabei zu interagieren oder zu reflektieren.
Zwei Drittel der Kinder, die heute in die Schule kommen, werden Berufe erlernen, die Sie und ich heute noch gar nicht kennen. Welche Fähigkeiten, welches Wissen brauchen Schüler für diese künftigen Berufe und für ihr künftiges Leben?
Bis um die Jahrtausendwende gab es noch Lehrpläne, die vorgaben, welches fachspezifische Wissen in den unterschiedlichen Jahrgängen und Schularten vermittelt werden sollte. Als Lehrkraft konnte man sich an den Inhalten und Themen abarbeiten und die Schüler hatten einen meist hinreichenden Wissensstand, der sie fürs Leben nach der Schule anschlussfähig machte.
2004 wich diese Vorstellung von hinreichendem Wissen für ein Leben. Aus dem »Lehr«plan wurde ein »Bildungs«plan, der Kompetenzbegriff setzte sich durch und rückte die bloße Vermittlung von Inhalten in den Hintergrund. Zum Kennen und Wissen paarte sich das Können und Wollen.
Die Einführung der Kompetenzorientierung ist als Anpassung an die Anforderungen einer Informationsgesellschaft »da draußen« eine nachvollziehbare Entscheidung. Wissen, das zu einem bestimmten Zeitpunkt notwendig und für einen gewissen Zeitraum handlungsleitend war, wird im Zuge neuer Erkenntnisgewinne stetig ergänzt und dadurch aktualisiert.
Kompetenzorientierung fokussiert intelligentes Wissen und distanziert sich dadurch vom trägen Wissen.
Mit der Verschiebung auf den Schwerpunkt des Könnens verändert sich auch der Anspruch an Aufgaben. Anhand welcher Aufgabenstellung können Schüler Kompetenzen erwerben und festigen?
Wissen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten werden erworben. Ein bloßes Lehren reicht dazu nicht aus. Folglich ist die Berufsbezeichnung Lehrer eigentlich nicht mehr up to date. Bezeichnungen wie »Lernbegleiter« (der Begriff ist beispielsweise an Baden-Württembergischen Gemeinschaftsschulen gebräuchlich) haben sich bislang noch nicht durchgesetzt.
Schüler, die im Fall von Unter- oder Überforderung im Unterricht stören, zeigen mit ihrem Verhalten eine Reaktion auf eine zuvor gefällte Entscheidung der Lehrkraft (in unserem Beispiel die Entscheidung für die Aufgabe). Ist diese nicht ausgereift und bedeutsam, fällt sie der Lehrkraft im Unterricht quasi wieder vor die Füße. Dafür können die Schüler jedoch herzlich wenig.
Warum erzähle ich das? Wissen erweitert sich auf der Grundlage von Vorwissen. Das heißt nicht grundsätzlich, dass das bis dahin gültige Wissen nicht mehr richtig ist, es hat jedoch seine Bedeutsamkeit verändert, es ist nicht mehr im selben Maße relevant.
Lehrkräften kommen drei wichtige Aufgaben zu:
Selbstmanagement betrachten wir hier im Hinblick auf die drei Teilkompetenzen: Zeitmanagement, Zielsetzung und Ressourcenmanagement.
Als Tim Bendzko 2011 »nur noch kurz die Welt retten musste« und dafür vorab noch »148 Mails [zu] checken« hatte, da hat meine Generation (und vielleicht auch Sie) begeistert mitgesungen. Der Weg zu einem hehren Ziel ist manchmal erschreckend mühsam.
Eine der Herausforderungen für Lehrkräfte ist, dass sie nie fertig sind mit der Arbeit. Vor dem Unterricht ist nach dem Unterricht. Die Arbeitszeiten folgen keinem festen Nine-to-five-Rhythmus und so beginnt der Tag früh und nicht selten geht das Licht am Schreibtisch erst spät abends aus.
Der häusliche Arbeitsplatz und die partielle freie Zeiteinteilung bieten einerseits große Freiheit. Mittags Auszeit oder Familienzeit (das kommentiert dann die Öffentlichkeit neidvoll, dass sie es auch einmal so schön haben wolle …), abends wieder an die Arbeit. Andererseits verschwimmen häufig die Grenzen zwischen Arbeit und Leben.
Sie können sich die Antwort denken und die dadurch ausgelöste Nachdenklichkeit …Wie lautet Ihre Antwort auf diese Frage? Und wie geht es Ihnen damit?
Meist passen die Aufgaben einer Lehrkraft nicht in das Korsett des Arbeitszeitmodells einer 40-Stunden-Woche. Ein guter Umgang mit Zeit und ein gutes Selbstmanagement sind dann Voraussetzungen dafür, den Aufgaben des Berufs langfristig gerecht zu werden.
Sie sind außerdem ein wichtiger Faktor im Classroom Management, denn die Zeit in der Klasse wird wesentlich von planerischen Entscheidungen im Vorfeld gestützt. Eine professionelle Organisation und Planung rund um Unterricht und Klassenführung sind zentrale Stellschrauben für die Wirksamkeit Ihrer Arbeit, wenn Sie mit den Schülern (und Eltern und Kollegen) agieren.
Arbeit dehnt sich in dem Maße aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht (»Parkinsonsches Gesetz«). Wenn Sie Ihre Aufgaben nicht mit festen Zeiteinheiten berechnen, laufen Sie Gefahr, dass Sie am Ende (noch) mehr und länger arbeiten. Für eine Lehrkraft fallen oft viele wichtige Aufgaben zur gleichen Zeit an. Ich selbst mache gute Erfahrungen damit, meine Aufgaben in Zeit zu messen und festzulegen, wie viel Zeit ich für eine bestimmte Aufgabe bereit bin zu investieren.
Setzen Sie für Ihre Arbeit die »Währung Zeit« ein. Wie viel Arbeit entspricht wie viel Zeit? Und andersherum: Wie viel Zeit möchten Sie für bestimmte Aufgaben investieren?
Eine Methode, Ihre täglichen Aufgaben zu strukturieren, ist die ALPEN-Methode. Der Begriff steht für fünf Schritte im Zeitmanagement:
A – wie Aufgaben aufschreiben
Notieren Sie Ihre Aufgaben schriftlich, dann verlieren Sie diese nicht aus dem Blick und können Sie nach erledigter Arbeit auch abhaken oder durchstreichen. Aus einer To-do-Liste wird also nach getaner Arbeit eine Done-Liste. Es gibt ein gutes Gefühl, zu sehen, wie sich die Fülle an Aufgaben mindert. Vorsicht vor allzu langen und allzu vielen To-do-Listen. Hier kann man sich sprichwörtlich leicht verzetteln und den Überblick verlieren.
L – wie Länge (Dauer) einschätzen
Notieren Sie zu den tagesaktuell anstehenden Aufgaben die voraussichtliche Dauer oder aber die Dauer, die Sie bereit sind, dafür zu investieren. Legen Sie die Dauer nicht zu knapp aus, damit Sie ruhig arbeiten können. Eine großzügigere (und dennoch realistische) Schätzung schützt auch davor, sich zu viel vorzunehmen (was dann womöglich nicht geschafft wird …).
P – wie Puffer einplanen
Verplanen Sie nicht jede Minute. Geben Sie sich Raum, um spontan anfallende Aufgaben auch noch unterzubringen. Wenn Sie circa 60 Prozent Ihrer zur Verfügung stehenden Zeit verplanen, bleibt Ihnen genügend Raum für Unvorhergesehenes und Sie können außerdem Ihre Aufgaben ohne Hast erledigen.
E – wie Entscheidungen treffen
Welche Aufgaben Sie in welcher Reihenfolge bearbeiten wollen, ist eine gewichtige Entscheidung. Legen Sie dazu sowohl Prioritäten als auch Ihre Ressourcen in die Waagschale. Was hat oberste Priorität und ist damit in der Sache unverhandelbar? Wie viel Energie (Konzentration) benötigt die Aufgabe? Wann ist der beste Zeitpunkt im Tagesverlauf?
N – wie Nachkontrolle
Überprüfen Sie am Ende eines Arbeitstags, ob Sie Ihrem Aufgabenplan erfolgreich entsprechen konnten. Sind alle Aufgaben erledigt? Welche Aufgaben sind neu angefallen? Welche Aufgaben sind noch nicht abgeschlossen und müssen in der nächsten Tagesplanung berücksichtigt werden? Freuen Sie sich über Ihre erledigten Aufgaben.
Gehen Sie anschließend in die Lösungshaltung: Welche Maßnahmen können Sie als Diebstahlsicherung einbauen? Was wird dann besser für Sie sein? Freuen Sie sich auf die Wirkung.
Ein Begriff, der mit »pro« beginnt, sollte doch eigentlich etwas Gutes einleiten. Prokrastination allerdings verheißt eher Probleme, weil durch das Aufschieben zu erledigender Aufgaben eine Bugwelle an Arbeit entstehen kann, die dann erst recht wenig attraktiv ist anzugehen.
Die Auswahl an Ersatztätigkeiten, die lohnenswerter scheinen (und vermutlich im Augenblick der Verrichtung auch sind), ist enorm. Social-Media-Kanäle ziehen uns in ihren Bann, sobald wir das Tor unserer Aufmerksamkeit öffnen. Aber selbst bei sinnvollen Vorarbeiten, beispielsweise einer Recherche, müssen wir aufpassen, dass wir das eigentliche Ziel nicht aus den Augen verlieren (»Ich bin einfach noch nicht so weit mit dem Schreiben, ich muss erst noch mehr dazu lesen.«).
Viele Ihrer Aufgaben und Entscheidungen als Lehrkraft sind an Ziele gebunden. Solche Ziele umfassen zum einen Unterrichtsziele (Lernziele) für Schüler und zum anderen haben Sie selbst auch persönliche Entwicklungsziele. Solche Ziele betreffen zum Beispiel den souveränen Umgang mit Unterrichtsstörungen, gelingende Elterngespräche oder eine ausgewogene Work-Life-Balance.
Eine bewusste Reflexion der angestrebten Ziele sowie eine angemessene Formulierung erhöhen die Chance, diese auch tatsächlich zu erreichen. Ob dies gelingt, hängt jedoch noch von weiteren Faktoren ab. So spielt die Motivation als Antriebskraft eine große Rolle.
Persönliche Ziele lassen sich unterscheiden in Ergebnisziele und Prozessziele. Im ersten Fall liegt der Fokus auf einem klaren Ergebnis. Diese Art von Zielen kann mithilfe von bestimmten Kriterien gut inhaltlich und formal eingegrenzt werden. Im nachfolgenden Abschnitt gehe ich auf diese Kriterien ein und erkläre die SMART-Methode.
Für die Prozessziele ist diese Art der Zielarbeit weniger wirksam. Ein Prozess ist auf einen gewissen Zeitraum hin angelegt, sodass es zum einen eine anhaltende Motivation braucht, damit genügend Antrieb für diesen gesamten Zeitraum zur Verfügung steht. Zum anderen liegt es in der Natur einer prozesshaften Entwicklung, dass sich auf dem Weg zum Ziel bereits Veränderungen ergeben. Die erreichten Zwischenziele stellen für sich kleine Ergebnisziele dar. Hier kommt die SMART-Methode an ihre Grenzen, da sie weniger auf komplexe Zielprozesse ausgerichtet ist, sondern in der Regel je ein Ziel für sich im Blick hat.
Prozessziele dienen der Entwicklung und sind als Teil der Professionalisierung fest verankert. Sie werden daher in Teil VII Externe Unterstützung für die eigene Professionalisierung thematisiert. Dort beschreibe ich den Ansatz von Maja Storch (Züricher Ressourcenmodell) mit ihrer Zielpyramide. Sie erhalten Antworten auf die Frage, auf welchen drei Zielebenen sich Handlungsprozesse anstoßen lassen.
Absolut trennscharf werden sich die Zielarten nicht immer abgrenzen lassen. Für das alltägliche Handwerkszeug als Lehrkraft fokussieren wir zunächst die Arbeit mit den Ergebniszielen.
Mit der SMART-Methode wird ein Ziel anhand von fünf Merkmalen definiert und beschrieben (siehe Abbildung 2.2). Sie ahnen schon, dass sich das Wort aus den Anfangsbuchstaben dieser fünf Merkmale zusammensetzt.
Abbildung 2.2: SMART-Methode
Ich habe oft über Kolleginnen gestaunt (und sie heimlich bewundert), die köstliche Müslikreationen mit liebevoll geschnittenen Obstsorten (ja, Mehrzahl) drapiert in eigens dafür vorgesehenen Behältern in der Pause verspeist haben. Wann machten die das? Während ich beim Schulbäcker eine Euro-Münze gegen ein Pausenbrot eintauschte, weil mir die Etablierung einer Müslimach-Morgenroutine einfach nicht gelingen wollte …
Jetzt aber zurück zur Zielformulierung: Sinnvoll wäre es, die Anzahl der Tage zunächst niedriger anzusetzen. Jeden Tag hieße nämlich immer. Und da Ziele dann Bestand haben, wenn sie erreichbar sind, könnten Sie mit zwei Tagen anfangen.
Was am Anfang etwas aufwendig erscheint, wird sich mit etwas Übung mehr und mehr verinnerlichen. Wer seine Ziele erfolgreich umsetzen kann, stärkt damit das eigene Selbstwirksamkeitserleben und somit auch die Resilienz. Allerdings spielt die intrinsische Motivation eine große Rolle. Wenn die Person eine innere Verbindlichkeit zum formulierten Ziel zeigt, wird sie eher ins Handeln kommen.
Wer sagt, »Ich habe keine Zeit«, hat sich in der Regel zu viel vorgenommen. Deshalb gibt es Methoden, um Aufgaben effizienter zu organisieren und zu erledigen;
Eine Methode aus dem Aufgabenmanagement ist die Eisenhower-Matrix (siehe Abbildung 2.3). Sinnvolle Planung setzt klare Prioritäten. Die Eisenhower-Matrix unterteilt Aufgaben nach Dringlichkeit und Wichtigkeit. Was dringlich ist, lässt sich tendenziell einfach beurteilen, da diese Aufgaben meist terminiert oder terminierbar sind. Welche Aufgaben als wichtig eingestuft werden, ist hingegen etwas schwieriger.
Dennoch bietet die Matrix mit ihren vier Quadranten eine Möglichkeit der zeitlichen Organisation und der damit verbundenen persönlichen Ressourcen. Jede Aufgabe lässt sich einem der vier Quadranten zuordnen und ermöglicht (und erleichtert) so, Prioritäten festzulegen.
Abbildung 2.3: Aufgabenpriorisierung mit der Eisenhower-Matrix
Das Pareto-Prinzip hat im Zeit- und Selbstmanagement seinen festen Platz. Auch als »80:20-Regel« bekannt, bringt es zum Ausdruck, dass wir 80 Prozent unserer Aufgaben mit 20 Prozent Einsatz bewerkstelligen können (siehe Abbildung 2.4). Oder anders ausgedrückt: Mit 20 Prozent unserer Energie verwirklichen wir 80 Prozent unserer Aufgaben. Das klingt doch gut, wo liegt das Problem? Für die weiteren 20 Prozent (in Richtung 100 Prozent und damit für die Perfektion) müssen wir nahezu 80 Prozent Einsatz aufwenden. Und das macht deutlich, wie unproportional Einsatz und Ergebnis zusammenhängen können.
Abbildung 2.4: Die 80:20-Regel oder das Pareto-Prinzip
Diese Unverhältnismäßigkeit von Aufwand und Ergebnis will dazu anregen, bei Aufgaben, die den oberen 20 Prozent zugeordnet werden, bewusster zu entscheiden, ob sie wirklich notwendig sind. Das Modell soll Sie daran erinnern, bewusster mit den eigenen Ressourcen umzugehen.
Dazu bedarf es einer Tagesplanung. Die Aufgaben und die zur Verfügung stehende Zeit stehen dabei im Fokus. Ablenkungen von außen können vermieden werden (Nichterreichbarkeit während hoch konzentrierter Arbeit, zeitliche Limitierung von Internetrecherchen).
Eine bewusste Priorisierung von Aufgaben ist ebenso wichtig. Welche Aufgaben erfordern mehr Energie? Diese beginne ich als Erstes. Ein Wechsel zwischen anspruchsvollen und weniger anspruchsvollen Aufgaben hält außerdem den Energie-Akku im Blick. Bei Korrekturen von Klassenarbeiten zum Beispiel ist es hilfreich, vorab zu sortieren.
Sie ahnen, worauf ich hinauswill. Für die Schüler macht es vermutlich keinen lernwirksamen Unterschied, in welcher Schriftart das Dokument erstellt wurde (ja, Serifen sollte die Schrift haben). Die Lehrkraft verbraucht Ressourcen (persönliche!), die in keinem Verhältnis zum Ergebnis stehen. Wenn die Planung der Stunde am Anfang der Unterrichtsvorbereitung für den Folgetag stattfindet, dann wird das ein langer Arbeitstag. Blicken Sie mit der 80:20-Regel auf Ihre Aufgaben und Ihr Arbeitsverhalten. Eine gesunde Balance aus Engagement und Verzicht ist gesundheitsförderlich. Hier gute Entscheidungen zu treffen, ist essenziell. Nicht selten habe ich in Unterrichtsbesuchen erlebt, dass die Lehrkraft enttäuscht reagiert, wenn die Schüler ihr so leidenschaftlich erstelltes Material wenig würdigen. Es macht Sie also auch angreifbar, wenn Sie an Ihr Engagement Erwartungen knüpfen.