Kapitel 2

Managementkompetenzen für Lehrkräfte

IN DIESEM KAPITEL

  • Welche Merkmale eine förderliche Lernumgebung auszeichnen
  • Wie Unterrichtsqualität und Classroom Management zusammenhängen
  • Wie Lehr- und Lernzeit optimiert werden
  • Wie bedeutsam Selbstmanagement ist

Dieses Kapitel widmet sich zum einen den Managementkompetenzen für einen lernwirksamen Unterricht (Unterrichtsmanagement) und zum anderen dem Umgang mit Aufgaben, Zeit und Zielen (Selbstmanagement).

Unterrichtsmanagement

»Kinder und Jugendliche werden sich ihres Lernens dann bewusst, wenn sie vielfältige und häufige Perspektivwechsel einnehmen können. Hier Zuhörer, dort Redner, hier Beobachteter, dort Beobachter, hier Lerner, dort Lehrer«, so Otto Seydel, Leiter des Instituts für Schulentwicklung.

Die Lernumgebung gestalten und Lernen ermöglichen

Lernumgebungen sind mehr als Lehrräume. Kennen Sie Schulen, die sich atmosphärisch »gut« anfühlen? Möglicherweise haben Sie selbst das Privileg, in einem Gebäude zu arbeiten, in dem die »Schnittstelle zwischen Pädagogik und Raum« stimmig umgesetzt ist. Für die Mehrheit von Ihnen wird dies (noch) nicht der Fall sein. Und dennoch eilen bestimmte Erwartungen der aktuellen Bildungsforschung auch an Sie heran und Sie sind gefordert, unter den gegebenen Voraussetzungen förderliche Lernumgebungen zu gestalten.

Wenn große Taten gefragt sind, ist es meist hilfreich, sich in kleinen machbaren Schritten anzunähern. Aktionismus kann das Ziel verfehlen und kostet verhältnismäßig viel Energie. Besser ist es, sich zunächst mit den Merkmalen einer förderlichen Lernumgebung zu befassen und anschließend zu klären, welche davon verwirklicht werden können. Sie werden feststellen, dass für einige davon nicht unmittelbar dramatische bauliche Maßnahmen erforderlich sind.

Hilfreich ist die lösungsfokussierte Ausrichtung. Also statt eines Das-geht-doch-gar-nicht! hin zu einem Was-davon-ist-in-welchem-Maße-möglich?.

Merkmale einer förderlichen Lernumgebung:

  • Er herrscht eine angenehme Lernatmosphäre.
  • Die Lehrkraft stellt anregende Aufgaben.
  • Die Schüler arbeiten an authentischen (= glaubwürdigen, für sie bedeutsamen) Aufgaben.
  • Die Schule und Klasse bietet ein sicheres soziales Umfeld.
  • Der Unterricht bietet verschiedene Sichtweisen und Zugänge.
  • Der Unterricht ermöglicht kooperatives Lernen.
  • Die Lehrkraft fördert selbst gesteuertes Lernen.
  • Die Lehrkraft ermutigt und motiviert.
  • Die Lehrkraft bestätigt erwünschtes Verhalten.
  • Die Lehrkraft stellt notwendiges Material bereit.
  • Die professionelle Weiterentwicklung von Lehrkraft und Schülern wird durch Feedback ermöglicht und intendiert.

Unterricht, der als ein Element einer Lernumgebung verstanden wird, benötigt gewisse Rahmenbedingungen. Als Lehrkraft können Sie mit dem Fokus auf die Merkmale lernförderlicher Lernumgebungen Angebote (= Lernaktivitäten) für Schülerinnen und Schüler organisieren, die den erwünschten Nutzen ermöglichen und bewirken.

Das Zusammenspiel von gutem Unterricht und Classroom Management

Unterricht wird in der Literatur mit unterschiedlichen Attributen »geschmückt«. Allgemein formuliert soll er zum Beispiel lernförderlich, wirksam, erfolgreich, effektiv, effizient, schülerorientiert, ganzheitlich, kompetenzorientiert (…) oder ganz schlicht zusammengefasst gut sein. Damit die Umsetzung in die gewünschte Richtung erfolgt und überprüft werden kann, gibt es spezifische Kriterien und zugehörige Indikatoren hierfür.

Guter Unterricht ist lernwirksam

Schulisch-unterrichtliches Lernen umfasst kognitive Aspekte ebenso wie motivationale, soziale und emotionale. Unterricht, der lernwirksam ist, nimmt das Lernen in diesem Sinne in den Fokus. Guter Unterricht betrachtet die Wirkung, die das Lernen bei den Schülern erzeugt. Lernwirksamer Unterricht setzt daher sowohl bei den Kompetenzen der Lehrkraft als auch bei den Voraussetzungen der Schüler an.

Die empirische Bildungsforschung spricht von lernwirksamem Unterricht und unterscheidet dafür in Oberflächen- und Tiefenstrukturen von Unterricht.

Zu den Oberflächenstrukturen gehören alle sichtbaren (leicht beobachtbaren) Aktivitäten und Interaktionen im Klassenzimmer. Ihre Wirksamkeit für den Lernerfolg ist eher gering. Leicht beobachtbar von außen liefern sie zum Beispiel Antworten auf diese Fragen:

  • Wie ist die Klasse zusammengesetzt? (Organisationsformen)
  • In welchen Gruppierungen arbeiten die Schülerinnen und Schüler zusammen? (Sozialformen)
  • In welcher Weise arbeiten die Schülerinnen und Schüler am Thema? (Methoden, Medien)

Die Tiefenstrukturen beziehen sich auf die Prozesse des Lehrens und Lernens (wie pädagogische Konzepte, Ansätze und Prinzipien, Haltungen und daraus resultierende Entscheidungen), die nicht unmittelbar sichtbar (schwerer beobachtbar) sind. Sie sind wirksamer für den Lernerfolg.

Setzt man Oberflächen- und Tiefenstrukturen ins Verhältnis zueinander, so ist das vergleichbar mit einem Eisberg: Die sichtbare Spitze (= Oberflächenstrukturen) nimmt weit weniger Raum ein als der eigentliche Eisberg unter der Wasseroberfläche (= Tiefenstrukturen).

Die Tiefenstrukturen wirken in drei Basisdimensionen:

  • Kognitive Aktivierung
  • Konstruktive Unterstützung und lernförderliches Klima
  • Klassenführung und Strukturiertheit (Classroom Management)

    Die Merkmale dieser drei Tiefenstrukturen beeinflussen wesentlich die Qualität und Wirksamkeit von Unterricht.

    Classroom Management (verstanden als Klassenführung und Strukturiertheit) kommt eine zentrale Rolle für lernwirksamen Unterricht zu. Die zur Verfügung stehende Zeit soll effektiv genutzt werden. Dazu gehört es, die Klasse in ihrem Leistungsspektrum sinnstiftend anzuregen und die soziale Interaktion so zu etablieren, dass jeder Schüler mit seiner individuellen Leistung gesehen wird und sich zeigen kann (durch aktive Mitarbeit). Mögliche Störungen der effektiven Lernzeit sollen durch präventives Denken und Handeln vorweggenommen werden. Im Störungsfall gilt es, souverän und situativ angemessen zu handeln, sodass die Reaktion auf die Störung die Störung selbst nicht vergrößert. Das bedarf einer guten Selbstführung und vor allem auch einer beziehungsförderlichen Kommunikation.

    Wenn Ihnen das komplexe Gefüge ein inneres Seufzen entlockt, lautet die gute Nachricht: Mit zunehmender Berufserfahrung weitet sich der Blick für den Aktionsradius des Classroom Managements. Im Unterricht selbst gelingt es dann mehr und mehr, Störungen einzuschätzen und zu »beheben«, ohne den Unterrichtsfluss zu unterbrechen.

Das Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) stellt einen Unterrichtsfeedbackbogen Tiefenstrukturen (UFB) sowie das zugehörige Beobachtungsmanual als Download zur Verfügung. Dieser ist auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse konzipiert und erprobt. Unter diesem Link können Sie sich über das Projekt, die Zielsetzungen und die wissenschaftliche Begleitung informieren sowie beide Dokumente herunterladen: https://ibbw-bw.de/,Lde/Startseite/Empirische-Bildungsforschung/unterrichtsfeedbackbogen_tiefenstrukturen.

Unterrichtsqualität und Classroom Management

Klassenführung ist die Grundlage für guten Unterricht. Und umgekehrt begünstigt ein guter Unterricht die Klassenführung positiv.

Das Stufenmodell der Unterrichtsqualität (Pietsch, 2012) stellt die Lehrerkompetenz in unterschiedlichen Stufungen dar (siehe Abbildung 2.1). Über Hunderte von Unterrichtsstunden wurden ausgewertet, um die Kompetenzen der Lehrkräfte zu kategorisieren. Mit dem Blick auf die Relevanz für den Lernerfolg ergab sich eine Abstufung in vier Qualitätsstufen, abgebildet über grundlegende Kompetenzen und darauf aufbauende Kompetenzen.

Die Kernaussage des Modells: Ein gutes Lernklima und eine ausgeprägte Klassenführungskompetenz bilden die Basis des gesamten Lehrerhandelns.

Die Grafik zeigt vier Stufen der Unterrichtsqualität.: 1) Lernklima sichern, 2) Klassenführung, 3) Schülermotivation, 4) Differenzierung. Ergänzende Beschreibungen rechts, Pfeil nach oben.

Abbildung 2.1: Stufenmodell der Unterrichtsqualität nach Pietsch

Das Stufenmodell macht darauf aufmerksam, dass nur auf der Basis von Stufe 1 und 2 die darauf folgenden Stufen verwirklicht werden können. Das differenzierte Arbeiten ist erst dadurch möglich, dass zuvor grundlegende Strukturen und Bedingungen etabliert wurden, die für eine weitgehend störungsfreie Arbeitsatmosphäre sorgen. Wirksame Lernprozesse werden erst durch Klassenführung und Strukturiertheit möglich.

Auf den Schüler kommt es an

Ich möchte es nicht versäumen, auf die groß angelegte Metastudie Visible Learning – Lernen sichtbar machen des neuseeländischen Erziehungswissenschaftlers John Hattie hinzuweisen, die hierzulande seit 2013 viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Innerhalb von sechs Bereichen wurden die sogenannten lernwirksamen Faktoren untersucht. Diese Bereiche lauten: Lernende, Elternhaus, Schule, Curriculum, Lehrperson, Unterricht.

In seiner Studie zeigt Hattie unterschiedliche Einflussfaktoren und deren Effektstärke für den schulischen Lernerfolg in Form einer Rangliste auf. Seine Effekt-Skalierung innerhalb der Rangliste reicht von »sehr positiv« bis »negativ«. Im Mittel zeigten die Effekte einen Wert von 0,40, sodass Hattie die Effekte in Relation zu diesem Wert einstufte. Alles, was einen höheren Wert als 0,40 anzeigt, gilt somit als relevant für den Lernerfolg.

Die Studie ist unter www.visible-learning.org beschrieben und auch die Rangliste mit den mehr als 130 Faktoren ist dort aufgeführt. Es ist interessant, sich mit diesen Ergebnissen zu befassen.

Ein viel zitierter Schlüsselsatz seiner Studie lautet: Auf die Lehrkraft kommt es an. Diese sehr verkürzte Aussage braucht etwas Erläuterung. Die Lehrkraft wirkt in ihren vielfältigen Rollen an der Seite der Schüler auf deren Lern- und Entwicklungsprozess ein – und das maßgeblich. Und damit die Lehrkraft erfolgreich und damit lernwirksam einwirkt, braucht sie Haltung und eine tragfähige Beziehungsgestaltung. Darüber hinaus muss sie den Blick auf Aufgaben und Ziele haben und Rückmeldung (Feedback) zum Lernprozess geben. Das wird meist zu wenig betont. Da der Schlüsselsatz so gerne zitiert wird, entsteht fast der Eindruck: »Nur auf die Lehrkraft kommt es an.« Auf die anderen fünf Bereiche kommt es ebenso an, auch wenn Merkmale des Unterrichts und der Lehrperson eine größere Effektstärke zeigen als etwa Eltern.

Unterricht ist ein Angebot an Schüler. Eine Dienstleitung für eine spezifische Zielgruppe. In diesem Sinne ist mein handlungsleitender Satz: Auf den Schüler kommt es an. Die Schüler legitimieren die Arbeit an der Schule. Alle Entscheidungen sollten in dem Bewusstsein getroffen werden, dass sie auf die Schüler hin wirken. Und vor diesem Hintergrund pädagogisch-professionell stattfinden.

Unterricht als Angebot erfordert aufseiten der Schüler die Bereitschaft zur Mitarbeit. Sie ist Voraussetzung für die Teilnahme am Unterricht. Lernen kann nicht gemacht werden, jedoch gibt es Stellschrauben, die auf die Lernbereitschaft Einfluss nehmen.

Zwei Stellschrauben und Schlüsselbegriffe der Schülerorientierung sind Relevanz und Resonanz.

Relevanz meint die Fähigkeit, sich auf Bedeutsames zu konzentrieren. Bedeutsam im Hinblick auf die Interessen, Bedürfnisse und die Lebenswirklichkeit der Schüler UND im Hinblick auf die damit verbundene Möglichkeit zur Erreichung von Zielen (personal, kognitiv, sozial und motivational).

Resonanz meint die Fähigkeit, als Lehrkraft selbst so in Schwingung zu sein, dass dies beim Gegenüber (Schüler) ein Mitschwingen auslöst. Das betrifft die inhaltliche Resonanz (Leidenschaft und Freude am Tun, am Fach, an der Sache) UND die zwischenmenschliche Resonanz (das wechselseitige einfühlende Verstehen).

Lehr- und Lernzeit optimieren

Klassenführung dient der Herbeiführung positiven und erwünschten Verhaltens durch eine maximale Bereitstellung von aktiver Lernzeit. Lernende sollen sich möglichst zeitintensiv mit den Lerninhalten auseinandersetzen. Damit dies möglich ist, müssen die Lerninhalte vorstrukturiert und der Ablauf einer Stunde so strukturiert werden, dass die Schüler wesentliche Lehrziele als Lernziele nachvollziehen und integrieren können.

Aktive Lernzeit ist die Zeit (der Zeitraum), in der Schülerinnen und Schüler aktiv an Lernaktivitäten und am Unterrichtsgeschehen beteiligt sind, die ihr Verständnis fördern und sie dazu bringen, über das Gelernte nachzudenken und es anzuwenden.

Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen. So beispielsweise in unterschiedlichen Sozialformen, durch kooperative Lernformen, in Diskussionen, in praktischen Übungen, in projektartigen Settings und durch Reflexion. Wenn Schüler Aufgaben lösen, indem sie erforschen, untersuchen, definieren, strukturieren und unterscheiden, sind sie aktiv.

Im Gegensatz dazu bezeichnet die passive Lernzeit die Zeit (den Zeitraum), in der die Schülerinnen und Schüler lediglich Informationen konsumieren, ohne dabei zu interagieren oder zu reflektieren.

Lernpotenziale wahrnehmen und fördern

Zwei Drittel der Kinder, die heute in die Schule kommen, werden Berufe erlernen, die Sie und ich heute noch gar nicht kennen. Welche Fähigkeiten, welches Wissen brauchen Schüler für diese künftigen Berufe und für ihr künftiges Leben?

Bis um die Jahrtausendwende gab es noch Lehrpläne, die vorgaben, welches fachspezifische Wissen in den unterschiedlichen Jahrgängen und Schularten vermittelt werden sollte. Als Lehrkraft konnte man sich an den Inhalten und Themen abarbeiten und die Schüler hatten einen meist hinreichenden Wissensstand, der sie fürs Leben nach der Schule anschlussfähig machte.

2004 wich diese Vorstellung von hinreichendem Wissen für ein Leben. Aus dem »Lehr«plan wurde ein »Bildungs«plan, der Kompetenzbegriff setzte sich durch und rückte die bloße Vermittlung von Inhalten in den Hintergrund. Zum Kennen und Wissen paarte sich das Können und Wollen.

Eine Kompetenz zeigt sich als die Fähigkeit einer Person, in bestimmten Situationen angemessen und erfolgreich zu handeln, indem sie Wissen, Fertigkeiten, Motivation und Einstellungen integriert und sinnstiftend anwendet.

Die Einführung der Kompetenzorientierung ist als Anpassung an die Anforderungen einer Informationsgesellschaft »da draußen« eine nachvollziehbare Entscheidung. Wissen, das zu einem bestimmten Zeitpunkt notwendig und für einen gewissen Zeitraum handlungsleitend war, wird im Zuge neuer Erkenntnisgewinne stetig ergänzt und dadurch aktualisiert.

Wir leben in einer sich schnell verändernden und unvorhersehbaren Umwelt. In Bezug auf Schule und Unterricht bedeutet das, dass Lehrkräfte und Bildungseinrichtungen sich auf die Entwicklung von Kompetenzen konzentrieren müssen, die den Schülern ermöglichen, in einer sich ständig verändernden Welt zu navigieren. Das beinhaltet beispielsweise die Förderung von mentaler und emotionaler Anpassungsfähigkeit, flexiblen Problemlösungsfähigkeiten, kritischem Denken, Kreativität und interkultureller Kompetenz.

Kompetenzorientierung fokussiert intelligentes Wissen und distanziert sich dadurch vom trägen Wissen.

  • Merkmale trägen Wissens:
    • fremdgesteuert (lehrergesteuert)
    • kaum Synergieeffekte durch wenig (bis keine) Vernetzung zu anderen Lernfeldern
    • kurzfristiger Erwerb und Nutzung
    • situationsgebunden
  • Merkmale intelligenten Wissens:
    • selbstgesteuert (lernergesteuert)
    • Synergieeffekte durch (gezielte) Vernetzung zu anderen Lernfeldern
    • langfristige Perspektive und nachhaltiger Nutzen
    • übertragbar auf andere Situationen und Kontexte

Mit der Verschiebung auf den Schwerpunkt des Könnens verändert sich auch der Anspruch an Aufgaben. Anhand welcher Aufgabenstellung können Schüler Kompetenzen erwerben und festigen?

Wissen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten werden erworben. Ein bloßes Lehren reicht dazu nicht aus. Folglich ist die Berufsbezeichnung Lehrer eigentlich nicht mehr up to date. Bezeichnungen wie »Lernbegleiter« (der Begriff ist beispielsweise an Baden-Württembergischen Gemeinschaftsschulen gebräuchlich) haben sich bislang noch nicht durchgesetzt.

Was hat das jetzt alles mit Classroom Management zu tun? Unterricht ist ein komplexes Geschehen. Die Organisation der Lernaktivitäten beeinflusst, an welchen Stellen im Unterricht Störpotenziale sind. Dass Aufgaben zum Niveau der Lerner passen, ist zum Beispiel ein zentraler Faktor. Über- oder Unterforderung können zu Unterrichtsstörungen führen. Auch der Faktor Relevanz spielt eine große Rolle. Wie gelingt es der Lehrkraft, ein Thema so greifbar zu machen, dass der Schüler die Schwelle zum Lernen barrierefrei übertreten kann?

Schüler, die im Fall von Unter- oder Überforderung im Unterricht stören, zeigen mit ihrem Verhalten eine Reaktion auf eine zuvor gefällte Entscheidung der Lehrkraft (in unserem Beispiel die Entscheidung für die Aufgabe). Ist diese nicht ausgereift und bedeutsam, fällt sie der Lehrkraft im Unterricht quasi wieder vor die Füße. Dafür können die Schüler jedoch herzlich wenig.

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Computer? Dieses »riesige« Gerät? Haben Sie jemals etwas auf einer Diskette abgespeichert? Sowohl die Geräte selbst als auch das Verständnis von Speichermöglichkeiten haben sich erweitert, mein aktueller Rechner hat nicht einmal mehr einen USB-Anschluss …

Warum erzähle ich das? Wissen erweitert sich auf der Grundlage von Vorwissen. Das heißt nicht grundsätzlich, dass das bis dahin gültige Wissen nicht mehr richtig ist, es hat jedoch seine Bedeutsamkeit verändert, es ist nicht mehr im selben Maße relevant.

Schule als Raum für Relevanz, Resonanz und Potenzial

Lehrkräften kommen drei wichtige Aufgaben zu:

  • Die Tatsache, dass wir (leichter) lernen, was bedeutsam, also relevant ist, hat zur Folge, dass jemand, in dem Fall die Lehrkraft, das Bedeutsame deklarieren und es für Schüler zugänglich aufbereiten muss.
  • Lehrkräfte treten über die Beziehungsgestaltung sowie über die Art der inhaltlichen Vermittlung mit ihren Schülern und mit der »Sache« in Resonanz. Diese Resonanz überträgt sich auf die Klasse. (Mehr zum Thema Resonanz finden Sie im Abschnitt Die Lehrkraft als Beziehungsexperte in Kapitel 3.)
  • Lehrkräfte begleiten Heranwachsende in ihrer Entwicklung. Schüler bringen neben ihren fachlichen Fähigkeiten auch persönliche Potenziale mit. Diese gilt es wahrzunehmen und zu fördern.

Selbstmanagement

Selbstmanagement betrachten wir hier im Hinblick auf die drei Teilkompetenzen: Zeitmanagement, Zielsetzung und Ressourcenmanagement.

Der effiziente Umgang mit Zeit

Als Tim Bendzko 2011 »nur noch kurz die Welt retten musste« und dafür vorab noch »148 Mails [zu] checken« hatte, da hat meine Generation (und vielleicht auch Sie) begeistert mitgesungen. Der Weg zu einem hehren Ziel ist manchmal erschreckend mühsam.

Eine der Herausforderungen für Lehrkräfte ist, dass sie nie fertig sind mit der Arbeit. Vor dem Unterricht ist nach dem Unterricht. Die Arbeitszeiten folgen keinem festen Nine-to-five-Rhythmus und so beginnt der Tag früh und nicht selten geht das Licht am Schreibtisch erst spät abends aus.

Der häusliche Arbeitsplatz und die partielle freie Zeiteinteilung bieten einerseits große Freiheit. Mittags Auszeit oder Familienzeit (das kommentiert dann die Öffentlichkeit neidvoll, dass sie es auch einmal so schön haben wolle …), abends wieder an die Arbeit. Andererseits verschwimmen häufig die Grenzen zwischen Arbeit und Leben.

Meinen Lehramtsanwärtern stellte ich in der Pädagogik-Veranstaltung die Frage: »Haben Sie am Freitagabend noch Kraft (und Lust), Ihrem Privat- und Sozialleben nachzugehen, oder sind Sie zu erschöpft und ziehen den Rückzug vor?«

Sie können sich die Antwort denken und die dadurch ausgelöste Nachdenklichkeit …Wie lautet Ihre Antwort auf diese Frage? Und wie geht es Ihnen damit?

Meist passen die Aufgaben einer Lehrkraft nicht in das Korsett des Arbeitszeitmodells einer 40-Stunden-Woche. Ein guter Umgang mit Zeit und ein gutes Selbstmanagement sind dann Voraussetzungen dafür, den Aufgaben des Berufs langfristig gerecht zu werden.

Sie sind außerdem ein wichtiger Faktor im Classroom Management, denn die Zeit in der Klasse wird wesentlich von planerischen Entscheidungen im Vorfeld gestützt. Eine professionelle Organisation und Planung rund um Unterricht und Klassenführung sind zentrale Stellschrauben für die Wirksamkeit Ihrer Arbeit, wenn Sie mit den Schülern (und Eltern und Kollegen) agieren.

Arbeit dehnt sich in dem Maße aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht (»Parkinsonsches Gesetz«). Wenn Sie Ihre Aufgaben nicht mit festen Zeiteinheiten berechnen, laufen Sie Gefahr, dass Sie am Ende (noch) mehr und länger arbeiten. Für eine Lehrkraft fallen oft viele wichtige Aufgaben zur gleichen Zeit an. Ich selbst mache gute Erfahrungen damit, meine Aufgaben in Zeit zu messen und festzulegen, wie viel Zeit ich für eine bestimmte Aufgabe bereit bin zu investieren.

Zu einer guten Arbeits(zeit)organisation gehört es auch, dass Pausen geplant werden, denn die Arbeit kommt von selbst. Wann sind Ihre Pausenzeiten? Wie verlässlich sind diese? Und wie gestalten Sie Ihre Pause? Planen Sie Pausen in Ihrem Kalender als »Termin mit sich selbst« ein.

Die ALPEN-Methode

Setzen Sie für Ihre Arbeit die »Währung Zeit« ein. Wie viel Arbeit entspricht wie viel Zeit? Und andersherum: Wie viel Zeit möchten Sie für bestimmte Aufgaben investieren?

Eine Methode, Ihre täglichen Aufgaben zu strukturieren, ist die ALPEN-Methode. Der Begriff steht für fünf Schritte im Zeitmanagement:

  • A – wie Aufgaben aufschreiben

    Notieren Sie Ihre Aufgaben schriftlich, dann verlieren Sie diese nicht aus dem Blick und können Sie nach erledigter Arbeit auch abhaken oder durchstreichen. Aus einer To-do-Liste wird also nach getaner Arbeit eine Done-Liste. Es gibt ein gutes Gefühl, zu sehen, wie sich die Fülle an Aufgaben mindert. Vorsicht vor allzu langen und allzu vielen To-do-Listen. Hier kann man sich sprichwörtlich leicht verzetteln und den Überblick verlieren.

  • L – wie Länge (Dauer) einschätzen

    Notieren Sie zu den tagesaktuell anstehenden Aufgaben die voraussichtliche Dauer oder aber die Dauer, die Sie bereit sind, dafür zu investieren. Legen Sie die Dauer nicht zu knapp aus, damit Sie ruhig arbeiten können. Eine großzügigere (und dennoch realistische) Schätzung schützt auch davor, sich zu viel vorzunehmen (was dann womöglich nicht geschafft wird …).

  • P – wie Puffer einplanen

    Verplanen Sie nicht jede Minute. Geben Sie sich Raum, um spontan anfallende Aufgaben auch noch unterzubringen. Wenn Sie circa 60 Prozent Ihrer zur Verfügung stehenden Zeit verplanen, bleibt Ihnen genügend Raum für Unvorhergesehenes und Sie können außerdem Ihre Aufgaben ohne Hast erledigen.

  • E – wie Entscheidungen treffen

    Welche Aufgaben Sie in welcher Reihenfolge bearbeiten wollen, ist eine gewichtige Entscheidung. Legen Sie dazu sowohl Prioritäten als auch Ihre Ressourcen in die Waagschale. Was hat oberste Priorität und ist damit in der Sache unverhandelbar? Wie viel Energie (Konzentration) benötigt die Aufgabe? Wann ist der beste Zeitpunkt im Tagesverlauf?

  • N – wie Nachkontrolle

    Überprüfen Sie am Ende eines Arbeitstags, ob Sie Ihrem Aufgabenplan erfolgreich entsprechen konnten. Sind alle Aufgaben erledigt? Welche Aufgaben sind neu angefallen? Welche Aufgaben sind noch nicht abgeschlossen und müssen in der nächsten Tagesplanung berücksichtigt werden? Freuen Sie sich über Ihre erledigten Aufgaben.

Beobachten Sie einen normalen Wochenverlauf: Was sind Ihre Zeitdiebe? Was hält Sie davon ab, Ihre Aufgaben in der geplanten Zeit zu erledigen? Wodurch wird Ihnen Zeit gestohlen? (Warum lassen Sie das zu?) Notieren Sie Ihre Beobachtungen.

Gehen Sie anschließend in die Lösungshaltung: Welche Maßnahmen können Sie als Diebstahlsicherung einbauen? Was wird dann besser für Sie sein? Freuen Sie sich auf die Wirkung.

Prokrastination oder »Irgendwann« ist kein Datum im Kalender

Ein Begriff, der mit »pro« beginnt, sollte doch eigentlich etwas Gutes einleiten. Prokrastination allerdings verheißt eher Probleme, weil durch das Aufschieben zu erledigender Aufgaben eine Bugwelle an Arbeit entstehen kann, die dann erst recht wenig attraktiv ist anzugehen.

Prokrastination stammt vom lateinischen procrastinare und bedeutet so viel wie aufschieben oder verlegen. Es bezeichnet das Hinauszögern von Pflichten und Aufgaben und wird oft durch Ersatztätigkeiten entschuldigt und verschleiert.

Die Auswahl an Ersatztätigkeiten, die lohnenswerter scheinen (und vermutlich im Augenblick der Verrichtung auch sind), ist enorm. Social-Media-Kanäle ziehen uns in ihren Bann, sobald wir das Tor unserer Aufmerksamkeit öffnen. Aber selbst bei sinnvollen Vorarbeiten, beispielsweise einer Recherche, müssen wir aufpassen, dass wir das eigentliche Ziel nicht aus den Augen verlieren (»Ich bin einfach noch nicht so weit mit dem Schreiben, ich muss erst noch mehr dazu lesen.«).

Der wirksame Umgang mit Zielen

Viele Ihrer Aufgaben und Entscheidungen als Lehrkraft sind an Ziele gebunden. Solche Ziele umfassen zum einen Unterrichtsziele (Lernziele) für Schüler und zum anderen haben Sie selbst auch persönliche Entwicklungsziele. Solche Ziele betreffen zum Beispiel den souveränen Umgang mit Unterrichtsstörungen, gelingende Elterngespräche oder eine ausgewogene Work-Life-Balance.

Eine bewusste Reflexion der angestrebten Ziele sowie eine angemessene Formulierung erhöhen die Chance, diese auch tatsächlich zu erreichen. Ob dies gelingt, hängt jedoch noch von weiteren Faktoren ab. So spielt die Motivation als Antriebskraft eine große Rolle.

Ergebnisziele und Prozessziele

Persönliche Ziele lassen sich unterscheiden in Ergebnisziele und Prozessziele. Im ersten Fall liegt der Fokus auf einem klaren Ergebnis. Diese Art von Zielen kann mithilfe von bestimmten Kriterien gut inhaltlich und formal eingegrenzt werden. Im nachfolgenden Abschnitt gehe ich auf diese Kriterien ein und erkläre die SMART-Methode.

Für die Prozessziele ist diese Art der Zielarbeit weniger wirksam. Ein Prozess ist auf einen gewissen Zeitraum hin angelegt, sodass es zum einen eine anhaltende Motivation braucht, damit genügend Antrieb für diesen gesamten Zeitraum zur Verfügung steht. Zum anderen liegt es in der Natur einer prozesshaften Entwicklung, dass sich auf dem Weg zum Ziel bereits Veränderungen ergeben. Die erreichten Zwischenziele stellen für sich kleine Ergebnisziele dar. Hier kommt die SMART-Methode an ihre Grenzen, da sie weniger auf komplexe Zielprozesse ausgerichtet ist, sondern in der Regel je ein Ziel für sich im Blick hat.

Prozessziele dienen der Entwicklung und sind als Teil der Professionalisierung fest verankert. Sie werden daher in Teil VII Externe Unterstützung für die eigene Professionalisierung thematisiert. Dort beschreibe ich den Ansatz von Maja Storch (Züricher Ressourcenmodell) mit ihrer Zielpyramide. Sie erhalten Antworten auf die Frage, auf welchen drei Zielebenen sich Handlungsprozesse anstoßen lassen.

Absolut trennscharf werden sich die Zielarten nicht immer abgrenzen lassen. Für das alltägliche Handwerkszeug als Lehrkraft fokussieren wir zunächst die Arbeit mit den Ergebniszielen.

Sind SMARTe Ziele immer smart?

Mit der SMART-Methode wird ein Ziel anhand von fünf Merkmalen definiert und beschrieben (siehe Abbildung 2.2). Sie ahnen schon, dass sich das Wort aus den Anfangsbuchstaben dieser fünf Merkmale zusammensetzt.

Grafik mit SMART-Zielen, die anhand von fünf Merkmalen definiert und beschrieben werden, Piktogramme zeigen spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert.

Abbildung 2.2: SMART-Methode

  • S wie spezifisch (specific)
    • Damit Ziele keine Wünsche (die erfüllt werden oder auch nicht) bleiben, ist es wichtig, sie so spezifisch wie möglich zu formulieren. Spezifisch heißt, Ihr Ziel beantwortet die Fragen: Was soll das Ergebnis sein? Was konkret wollen Sie erreichen? Wie zeigt sich das Ziel im Detail?

In dem Ziel: »Ich werde souverän mit Unterrichtsstörungen umgehen«, steckt keinerlei konkretes (und damit überprüfbares) Kriterium. Auch wenn das Wörtchen »souverän« gut klingt, bleibt völlig offen, was Sie sich im Detail darunter vorstellen und wie sich das überprüfen lassen soll. Besser ist es daher etwa so: »Ich werde im Deutschunterricht in der 8a das Raster zur Einschätzung von Störungen anwenden und konkret bei den Schülern X und Y einsetzen.« Jetzt haben Sie das überprüfbare Kriterium des Rasters und Sie beziehen sich konkret auf bestimmte Schüler, auf die Sie ein besonderes Auge haben werden.

  • M wie messbar (measurable)
    • Gute Ziele sind messbar und dadurch ebenso überprüfbar. Wie sonst sollten Sie wissen, wann Sie ein Ziel erreicht haben? Messbare Ziele werden verbindlich und sind an eine Aktion gebunden.

»Ich werde am Wochenende korrigieren.« Solche Formulierungen sind schnell gesagt und als Zielformulierung nicht greifbar. Erstens: Wann ist das Wochenende? Samstag, Sonntag oder beide Tage? Und zweitens: In welchem Umfang ist das Korrigieren zu verstehen? Wie viel und was? Messbar ist das Ziel, wenn Sie es so formulieren: »Ich werde am Samstag von 08.00 bis 12.00 Uhr und am Sonntag von 15.00 bis 18.00 Uhr die ersten 8 (oder 6 oder x) Aufsätze der 10b korrigieren.« Jetzt ist Ihre Arbeitszeit klar festgelegt und das verbindliche Korrekturvolumen. Damit wird das Ziel messbar.

  • A wie angemessen (achievable), auch attraktiv (attractive)
    • Ziele sind dann stimmig, wenn sie tatsächlich erreichbar sind. Beim Thema Gewicht wird schnell klar, dass zehn Kilo weniger in zehn Tagen nicht angemessen erscheinen. Sonderlich attraktiv vermutlich auch nicht, denn ein solches Ziel klingt nach einer rabiaten Stoffwechseltortur bei gleichzeitigem Genussverzicht. (Es sein denn, Sie kauen gerne Wasser.)
    • Im Kontext von Schule und Unterricht können beispielsweise Erziehungsziele sprichwörtlich übers Ziel hinausschießen. Wollen Sie die Veränderung einer Verhaltensweise bei einem Schüler initiieren, braucht es die compliance (das Bündnis, die Bereitschaft) aufseiten des Schülers. Druck und Drohung zeigen zwar Wirkung, werden aber vermutlich nicht zu einer reflektierten Verhaltensänderung führen. (Mehr zu diesem Thema finden Sie in Kapitel 20 Lösungsfokussierte Interventionen und präventive Ansätze.)

»Morgen beantworte ich alle offenen und lästigen E-Mails.« Dieses Ziel löst durch die Zuschreibung »lästig« eher Vermeidungsverhalten als Aktivierung aus. Zielformulierungen sollen neutral und damit frei von negativen Eigenschaften sein. Bezogen auf dieselbe Tätigkeit kann das Ziel lauten: »Morgen räume ich eine halbe Stunde Zeit ein, um auf die E-Mails von X und Y zu antworten.« 30 Minuten klingt nach einem zeitlich angemessenen Investment und fokussiert die Aufgabe gleichzeitig. Am Ende haben Sie zwei E-Mails weniger im Eingangspostfach und den Rest des Tages für andere Aufgaben.

  • R wie relevant (reasonable), auch realistisch (realistic)
    • Überaus engagiert gehen Menschen einmal gesetzten Zielen entgegen. Ist der Wunsch nach Veränderung geweckt, kommen Dinge in Bewegung. Damit sich kein bloßer Aktionismus entwickelt, der dann ins Leere läuft und Frust und Enttäuschung provoziert, ist es wichtig, Ziele einem Realitäts-Check zu unterziehen. Was ist möglich? Was ist vernünftig? Was sichert eine nachhaltige Veränderung und das Durchhalten?

»Ab sofort mache ich mir jeden Tag ein gesundes Pausenbrot für die Schule.« Ob dieses Ziel realistisch ist, hängt von Ihren bisherigen (Ess-)Gewohnheiten ab. Damit ich ein gesundes Pausenbrot machen kann, muss ich Zeit einplanen. Das bedeutet in der Konsequenz vermutlich früher aufstehen. Außerdem unter Umständen anders einkaufen. Verpackung und Transport müssen geklärt werden.

Ich habe oft über Kolleginnen gestaunt (und sie heimlich bewundert), die köstliche Müslikreationen mit liebevoll geschnittenen Obstsorten (ja, Mehrzahl) drapiert in eigens dafür vorgesehenen Behältern in der Pause verspeist haben. Wann machten die das? Während ich beim Schulbäcker eine Euro-Münze gegen ein Pausenbrot eintauschte, weil mir die Etablierung einer Müslimach-Morgenroutine einfach nicht gelingen wollte …

Jetzt aber zurück zur Zielformulierung: Sinnvoll wäre es, die Anzahl der Tage zunächst niedriger anzusetzen. Jeden Tag hieße nämlich immer. Und da Ziele dann Bestand haben, wenn sie erreichbar sind, könnten Sie mit zwei Tagen anfangen.

  • T wie terminiert (time-bound)
    • In den vorigen Beispielen waren bereits zeitliche Aspekte eingebunden. Ziele zu terminieren, ermöglicht, diese abzuhaken. Es zeigt sich außerdem, dass innerhalb eines gesetzten Rahmens effizient gearbeitet wird. Wer open-end arbeitet, wird mit dem Wörtchen »geschafft« wohl eher einen inneren Zustand als das erledigte Arbeitspensum beschreiben.

»Ich muss am Freitagmittag Elterngespräche führen.« Ersetzen Sie das Wörtchen müssen durch werden, dann werden die negativen Emotionen gleich weniger. In »werden« steckt Eigeninitiative, während »müssen« einen Zwangskontext betont. Sprache wirkt sich aus. Auch wenn sich am Umstand nichts ändert (das Gespräch steht an), haben Sie durch sprachliche Mittel Einfluss auf Ihr emotionales Befinden. Als terminiertes Ziel würde die Formulierung etwa so lauten: »Am Freitag werde ich mir zwischen 14.00 und 15.00 Uhr Zeit für die anstehenden drei Elterngespräche nehmen. Ich plane hierfür mit maximal 20 Minuten pro Gespräch (Telefonat).«

Was am Anfang etwas aufwendig erscheint, wird sich mit etwas Übung mehr und mehr verinnerlichen. Wer seine Ziele erfolgreich umsetzen kann, stärkt damit das eigene Selbstwirksamkeitserleben und somit auch die Resilienz. Allerdings spielt die intrinsische Motivation eine große Rolle. Wenn die Person eine innere Verbindlichkeit zum formulierten Ziel zeigt, wird sie eher ins Handeln kommen.

Ziele können nur dann von der SMART-Methode profitieren, wenn sie spezifizierbar und einfach strukturiert (wenig komplex) sind. Wenn es um prozessorientierte Ziele geht, kommt die Methode daher an ihre Grenzen. Persönlichkeitsziele beispielsweise sind in der Regel komplex und prozessorientiert angelegt. Sie sind auf einen längeren Zeitraum hin ausgerichtet. Kinder und Jugendliche, die erfolgreich in der Schule sein wollen, oder solche, die ihre Verhaltensweisen verändern sollen, brauchen daher andere Zielkriterien. Wie Sie in der Begleitung von Schülern sinnstiftende Ziele anregen und formulieren (lassen), ist Thema im Abschnitt Die »KLARO!«-Methode in Kapitel 20.

In Beratung und Coaching komme ich regelmäßig als Ziel-Hebamme zum Einsatz. Ideenschwanger finden die Coachees oder Klienten oft nicht die rechte Zielformulierung oder sie kommen bereits mit einer Scheiter-Biografie zu mir und sind ratlos. Damit Entwicklungsziele umsetzbar sind und dadurch überhaupt erreichbar werden, ist es notwendig, sprachliche, neuronale und motivationale Kriterien zu vereinen. Gut formulierte Ziele synchronisieren bewusste und unbewusste Instanzen. Sie sind positiv und wecken Lust. Sie regen neuronale Netzwerke an, die für Belohnung (Dopamin) und Aktivierung (Motivation) zuständig sind. Mit diesem Thema befasse ich mich in Kapitel 23 Beratung und Coaching.

Der effiziente Umgang mit Aufgaben und Ressourcen

Wer sagt, »Ich habe keine Zeit«, hat sich in der Regel zu viel vorgenommen. Deshalb gibt es Methoden, um Aufgaben effizienter zu organisieren und zu erledigen;

Die Eisenhower-Matrix

Eine Methode aus dem Aufgabenmanagement ist die Eisenhower-Matrix (siehe Abbildung 2.3). Sinnvolle Planung setzt klare Prioritäten. Die Eisenhower-Matrix unterteilt Aufgaben nach Dringlichkeit und Wichtigkeit. Was dringlich ist, lässt sich tendenziell einfach beurteilen, da diese Aufgaben meist terminiert oder terminierbar sind. Welche Aufgaben als wichtig eingestuft werden, ist hingegen etwas schwieriger.

Dennoch bietet die Matrix mit ihren vier Quadranten eine Möglichkeit der zeitlichen Organisation und der damit verbundenen persönlichen Ressourcen. Jede Aufgabe lässt sich einem der vier Quadranten zuordnen und ermöglicht (und erleichtert) so, Prioritäten festzulegen.

  • Wichtig und dringend sind Aufgaben, die an feste Fristen gekoppelt sind oder Probleme behandeln. Hier heißt es, unmittelbar oder zeitnah handeln, damit Fristen eingehalten und Probleme gelöst werden. Diese Aufgaben haben absolute Priorität.
  • Nicht wichtig, aber dringend sind Aufgaben, die mehr Handlungsspielraum zulassen. Dennoch brauchen auch solche Aufgaben eine klare Priorisierung im Terminkalender.
  • Wichtig, aber nicht dringend kann ein an zeitliche und persönliche Ressourcen angepasster Termin sein.
  • Nicht wichtig und nicht dringend ist ein Fall für »Akte P«, den Papierkorb.
Priorisierungsdiagramm mit vier Quadranten nach Dringlichkeit und Wichtigkeit sortiert, mit Symbolen für Alarm, Gruppenkonversation, Kalender/Uhr und Mülleimer.

Abbildung 2.3: Aufgabenpriorisierung mit der Eisenhower-Matrix

Die Flut von E-Mails, die das Posteingangsfach füllen, nach diesem Prinzip zu sortieren, ist zum Beispiel über farbige Markierungen gut möglich. Was »weder dringend noch wichtig« ist (Werbemails), darf getrost sofort in den Papierkorb. Was hingegen »dringend und wichtig« ist, wird rot markiert, »nicht dringend, aber wichtig« blau und »dringend, aber unwichtig« wird grün gekennzeichnet. Auf gleichfarbige Post-its werden zugehörige Aufgaben und To-dos notiert und in den Kalender integriert. Analoge Dokumente und zugehörige Aufgaben können entsprechend in farbigen Dokumentenmappen organisiert werden.

Das Pareto-Prinzip

Das Pareto-Prinzip hat im Zeit- und Selbstmanagement seinen festen Platz. Auch als »80:20-Regel« bekannt, bringt es zum Ausdruck, dass wir 80 Prozent unserer Aufgaben mit 20 Prozent Einsatz bewerkstelligen können (siehe Abbildung 2.4). Oder anders ausgedrückt: Mit 20 Prozent unserer Energie verwirklichen wir 80 Prozent unserer Aufgaben. Das klingt doch gut, wo liegt das Problem? Für die weiteren 20 Prozent (in Richtung 100 Prozent und damit für die Perfektion) müssen wir nahezu 80 Prozent Einsatz aufwenden. Und das macht deutlich, wie unproportional Einsatz und Ergebnis zusammenhängen können.

Handgezeichnetes Pareto-Prinzip, links "Einsatz" mit 20% Balken, rechts "Ergebnisse" mit 80% Balken. Das Prinzip besagt, dass 80 % der Ergebnisse mit 20 % des Aufwands erreicht werden können.

Abbildung 2.4: Die 80:20-Regel oder das Pareto-Prinzip

Einfach formuliert: 20 Prozent Aufwand führt zu 80 Prozent Ergebnis (= effizient), weitere 20 Prozent Ergebnis benötigt 80 Prozent Aufwand (= ineffizient).

Diese Unverhältnismäßigkeit von Aufwand und Ergebnis will dazu anregen, bei Aufgaben, die den oberen 20 Prozent zugeordnet werden, bewusster zu entscheiden, ob sie wirklich notwendig sind. Das Modell soll Sie daran erinnern, bewusster mit den eigenen Ressourcen umzugehen.

Dazu bedarf es einer Tagesplanung. Die Aufgaben und die zur Verfügung stehende Zeit stehen dabei im Fokus. Ablenkungen von außen können vermieden werden (Nichterreichbarkeit während hoch konzentrierter Arbeit, zeitliche Limitierung von Internetrecherchen).

Eine bewusste Priorisierung von Aufgaben ist ebenso wichtig. Welche Aufgaben erfordern mehr Energie? Diese beginne ich als Erstes. Ein Wechsel zwischen anspruchsvollen und weniger anspruchsvollen Aufgaben hält außerdem den Energie-Akku im Blick. Bei Korrekturen von Klassenarbeiten zum Beispiel ist es hilfreich, vorab zu sortieren.

Als ehemalige Deutschlehrkraft habe ich meine »sauren Gurken« (Schülerarbeiten mit schwierigem bis nahezu unleserlichem Schriftbild, sachlogisch eher anstrengend zu folgen …) auf Korrekturstapel verteilt. Mehr als fünf solcher Fälle pro Lerngruppe sind es meist nicht. In jeder Korrektureinheit habe ich mit einer solchen anspruchsvollen Korrektur begonnen. Mein Energielevel war noch hoch, das Gefühl nach so einer Korrektur ist meist gut gewesen (weniger wegen des Ergebnisses, sondern wegen der Tatsache, die Aufgabe abgeschlossen zu haben). Und jetzt folgten Korrekturen mit schöner Schrift und guter Struktur. So erschöpfen Sie sich nicht an den schwierigen Fällen und stellen sicher, dass Sie für alle in guter Verfassung sind, um professionell zu bewerten. Eine Junglehrerin in einer meiner Berufseinsteiger-Seminare erzählte mir lange nach dem Seminar, dass ihr diese »Saure-Gurken-Methode« sehr helfe und sie seitdem ein ganz anderes Korrekturverhalten habe.

Eine Lehrkraft plant ihren Unterricht und gestaltet, nachdem das Design der Stunde und die Aufgabenformulierung zu den Stundenzielen passen, ein Arbeitsblatt. Sie beginnt, im Internet zu recherchieren. Sie findet auf etlichen Portalen hinreichend Alternativen und stellt am Ende fest, dass sie das Arbeitsblatt nun doch selbst gestalten möchte. Sie beginnt mit der Erstellung und konzentriert sich nach der Aufgabenstellung auf das Layout. Die Schriftart gefällt ihr noch nicht, auch die Schriftgröße ist noch nicht optimal und die einfache Grafik will ihr auch nicht so recht gefallen. Also geht sie erneut ins Netz und beginnt eine Recherche nach alternativen Stickern …

Sie ahnen, worauf ich hinauswill. Für die Schüler macht es vermutlich keinen lernwirksamen Unterschied, in welcher Schriftart das Dokument erstellt wurde (ja, Serifen sollte die Schrift haben). Die Lehrkraft verbraucht Ressourcen (persönliche!), die in keinem Verhältnis zum Ergebnis stehen. Wenn die Planung der Stunde am Anfang der Unterrichtsvorbereitung für den Folgetag stattfindet, dann wird das ein langer Arbeitstag. Blicken Sie mit der 80:20-Regel auf Ihre Aufgaben und Ihr Arbeitsverhalten. Eine gesunde Balance aus Engagement und Verzicht ist gesundheitsförderlich. Hier gute Entscheidungen zu treffen, ist essenziell. Nicht selten habe ich in Unterrichtsbesuchen erlebt, dass die Lehrkraft enttäuscht reagiert, wenn die Schüler ihr so leidenschaftlich erstelltes Material wenig würdigen. Es macht Sie also auch angreifbar, wenn Sie an Ihr Engagement Erwartungen knüpfen.