Kapitel 17

Wirksame Interventionen in der Gesprächsführung

IN DIESEM KAPITEL

  • Gelingensfaktoren für Gespräche
  • Wie Ziele und Auftrag zusammenhängen
  • Die sechs Etappen systemisch-orientierter Gesprächsführung
  • Systemische Frageformen

Gespräche führen gehört zu den Kernaufgaben von Lehrkräften. Neben dem Unterrichtsgespräch, das einer Lerngruppe einen Lerninhalt strukturiert vermitteln soll, den moderierten Austausch über diese Inhalte ermöglicht und damit dem Ziel des Lernzuwachses beim Schüler dient, führen Lehrkräfte im Laufe eines Schuljahrs vielfältige Gespräche (siehe auch den Abschnitt Gesprächsformate im schulischen Alltag in Kapitel 15). Allen voran Gespräche mit Eltern und Erziehungsberechtigten und, wenn außerschulische Unterstützung für die Schüler oder die Familien angesagt ist, auch mit Mitarbeitenden beispielsweise in Jugendhilfeeinrichtungen, im Jugendamt oder der Polizei. Es unterscheiden sich also sowohl die Anlässe als auch die Settings solcher Gespräche.

Und so, wie Sie sich als Lehrkraft in der Unterrichtsplanung gut auf Ihren Unterricht, auf die Moderation der Lernphasen, die Formulierung der Aufgaben und den Input zum Thema vorbereiten, ist es sinnvoll, sich auf die Gespräche ebenso gewissenhaft vorzubereiten. In der Regel obliegt die Gesprächsführung Ihnen als Lehrkraft. Und auch wenn sich die Bedingungen und Anforderungen unterscheiden, gibt es grundsätzlich sinnvolle Vorgehensweisen für gelingende Gespräche, die bei der Vorbereitung und Planung berücksichtigt werden können.

Rapport, Pacing und Leading

Rapport, Pacing und Leading sind zentrale Elemente wirksamer Kommunikation. Pacing und Leading dienen dazu, Rapport herzustellen.

Rapport ist ein Schlüsselkonzept im Kontext der zwischenmenschlichen Kommunikation. Er fördert eine positive und harmonische Beziehung zwischen Menschen. Rapport beinhaltet die Fähigkeit, eine Verbindung herzustellen und eine Atmosphäre des Vertrauens, der Offenheit und des gegenseitigen Verständnisses zu schaffen. Der Begriff stammt aus dem Französischen und bedeutet wörtlich Beziehung oder Verbindung.

In der Kommunikation beinhaltet Rapport, dass sich die beteiligten Personen aufeinander abstimmen und in Resonanz gehen. Dies kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden, einschließlich verbaler Kommunikation, Körpersprache und der Emotionen. Ein starker Rapport schafft eine positive emotionale Verbindung und erleichtert einen reibungslosen Austausch von Informationen. Merkmale eines erfolgreichen Rapports sind gegenseitiges Verständnis, Empathie, Aufmerksamkeit und die Fähigkeit, sich auf die Perspektive des anderen einzustellen.

Die Schaffung von Rapport ist besonders wichtig in beratenden, lehrenden oder Führungsrollen, da eine positive Beziehung die Kommunikation erheblich effektiver macht.

Methoden zur Förderung von Rapport können Aktives Zuhören, das Spiegeln von Körpersprache und Sprachstil sowie das Aufbauen gemeinsamer Interessen und Werte umfassen. Letztendlich trägt ein gut etablierter Rapport dazu bei, die Kommunikation zu erleichtern, Misstrauen abzubauen und eine unterstützende Grundlage für erfolgreiche zwischenmenschliche Interaktionen zu schaffen.

In der Kommunikation meint Pacing (Englisch pace, Schritt, Tempo, Gangart) darauf, sich an das Tempo, den Stil und die Energie des Gegenübers anzugleichen, um eine bessere Verbindung herzustellen. Pacing ist eine respektvolle Technik, bei der man sich bewusst auf die Art und Weise einstellt, wie der andere spricht oder handelt. Durch Pacing kann eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut und das Verständnis zwischen den Gesprächspartnern gestärkt werden. Pacing dient dazu, Rapport herzustellen.

Hier sind einige Aspekte des Pacing in der Kommunikation:

  • Verbales (sprachliches) Pacing

    Spiegeln oder Angleichen (aufgreifen) von Wörtern, Sätzen oder Tonlagen und Sprechtempo der anderen Person

  • Körpersprachliches (nonverbales) Pacing

    Spiegeln der Körpersprache, Gestik, Mimik oder Atmung der anderen Person

  • Emotionales Pacing

    Spiegeln der emotionalen Befindlichkeit der anderen Person

Beim Pacing werden Resonanzphänomene aktiviert, die vertrauensbildend sind. Es ist jedoch zu beachten, dass das Pacing auch entgegengesetzt zum Gegenüber notwendig sein kann. So zum Beispiel, wenn eine Person sehr schnell oder laut spricht. Hier ist es förderlich, bewusst Akzente zu setzen, die die andere Person dazu führen, leiser und ruhiger zu sprechen. Die Grenze zum Leading ist hier fließend.

Leading bezieht sich darauf, bewusst den Ton oder die Richtung eines Gesprächs zu steuern, um eine gewünschte Reaktion oder Veränderungen in der Denkweise des Gesprächspartners anzuregen. Vereinfacht ausgedrückt, dient Leading dazu, das Gespräch in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Leading kann verschiedene Formen annehmen, darunter:

  • sprachliche Führung
  • Framing
  • nonverbale Führung

Leading erfordert eine Sensibilität gegenüber den Bedürfnissen und Reaktionen des Gegenübers, um eine gewünschte Wirkung zu erzielen und das Kommunikationsziel zu erreichen. Andernfalls wirkt es schnell manipulativ.

Mit allen Sinnen sprechen

Die Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen und Reizen aus der Umwelt erfolgt über unsere fünf Sinne. Diese werden auch als Modalitäten oder Repräsentationssysteme bezeichnet. Aus den Anfangsbuchstaben der jeweiligen Sinne ergibt sich das Akronym VAKOG.

  • V – visuell orientierte Menschen klingen zum Beispiel so: (Repräsentation Auge, sehen)
    • Ich sehe keine andere Lösung.
    • Ich bin an deiner Sichtweise interessiert.
    • Ich stelle mir das so vor, ...
    • Schauen Sie mal, das ist so ...
    • Ich kann das nicht länger mit ansehen.
    • Ich habe noch kein klares Bild von der Situation.
  • A – auditiv orientierte Menschen klingen zum Beispiel so: (Repräsentation Ohr, hören)
    • Das klingt sehr gut. Das hört sich stimmig an.
    • Mir kam zu Ohren, dass ...
    • Ich kann das nicht mehr hören.
    • Erzählen Sie mal.
    • Das schreit nach einer Lösung.
    • Ich bin im Einklang mit meinen Entscheidungen.
  • K – kinästhetisch orientierte Menschen klingen zum Beispiel so: (Repräsentation Körper, fühlen)
    • Ich habe (k)ein gutes Gefühl bei der Sache.
    • Das fühlt sich komisch an.
    • Begreifst du das?
    • Mir fehlt ein griffiges Beispiel.
    • Das ist ja nicht zu fassen.
    • Da bekomme ich Gänsehaut. Mir stehen die Haare zu Berge, wenn ...
  • O – olfaktorisch orientierte Menschen klingen zum Beispiel so: (Repräsentation Nase, riechen)
    • Er hat einen guten Riecher.
    • Das stinkt zum Himmel.
    • Sie hat die Schnauze voll. Ihm stinkt’s.
  • G – gustatorisch orientierte Menschen klingen zum Beispiel so: (Repräsentation Zunge, schmecken)
    • Ich habe mich köstlich amüsiert.
    • Da hilft nur eine saftige Strafe.
    • Die Reaktion schmeckt ihnen gar nicht.

Menschen nutzen diese fünf Sinneskanäle ganz unterschiedlich. Am stärksten repräsentiert sind die visuelle und auditive Wahrnehmung.

Die Modalitäten repräsentieren die Wahrnehmung einer Person und liefern damit im Gespräch Informationen über Verarbeitungsprozesse. Auf der produktiven Ebene können Sie sich in Gesprächen sprachlich an Ihr Gegenüber anpassen (= verbales Pacing) und mit der entsprechenden Sinnesmodalität antworten.

Sprechen Sie generell möglichst mehrere Sinne an, um Ihre Hörer (Schüler, Eltern, Kollegen …) abzuholen. Nutzen Sie dazu verschiedene Formulierungen für die fünf Sinne und lassen Sie, wenn passend, auch Redewendungen einfließen.

Die Modalitäten sind wichtige Unterstützer. Achten Sie darauf, dass Sie dabei natürlich bleiben. Gekünstelte und übertrieben angewendete »Techniken« verpuffen in ihrer Wirkung, Ihr Gegenüber wird das schnell entlarven. Nutzen Sie die unterschiedlichen Modalitäten für die sprachliche Sensibilisierung. Beobachten Sie Ihr Umfeld neugierig wertschätzend. So eine stille Beobachtung und Feldforschung kann eine äußerlich langweilige Konferenz innerlich aufheitern.

Bericht über ein Buch: Drei Menschen erzählen über ein Buch, das sie gelesen haben. Achten Sie auf die Signalwörter der Sinneswahrnehmung. Welche Modalitäten sind jeweils repräsentiert?

Bericht 1: »Es scheint sich gut zu verkaufen. Die Beispiele waren gut gewählt, um das Thema zu veranschaulichen und es ist in einem glänzenden Stil geschrieben.«

Bericht 2: »Ich möchte dem Grundton des Werkes widersprechen: Es hat einen schrillen Stil. Ich kann mich nicht in die Ideen des Autors einstimmen und ich würde ihm das gerne sagen.«

Bericht 3: »Ich habe das Gefühl, dass sich das Buch in einer sehr ausgewogenen Weise mit einem gewichtigen Thema beschäftigt. Ich mag die Art, wie der Autor alle Schlüsselthemen berührt. Seine neuen Ansätze konnte ich leicht begreifen.«

Wenn Sie mit Schülern Ziele erarbeiten, können Sie das Ziel über VAKOG, also über die fünf Modalitäten, verankern. Ein entsprechend formuliertes Ziel wird über die unterschiedlichen Sinneswahrnehmungen verstärkt. Dazu lässt man den Schüler zum Beispiel sein Ziel als inneren Film abspielen: Was siehst du? Was hörst du? Wie fühlst du dich? Was kannst du riechen? Was kannst du schmecken?

Der Einstieg kann alternativ auch über das Hören einer imaginären AUDIOAUFNAHME (Radioschlagzeile, Podcast) erfolgen. Daran anknüpfend werden dann die anderen Sinne eingebunden.

Sie können sich auch auf eine einzige Sinneswahrnehmung beschränken und das Ziel in dieser Weise ausgestalten lassen. Beim visuellen Schwerpunkt können Sie beispielsweise einen inneren Schnappschuss machen lassen oder eine Überschrift dazu gestalten lassen und in unterschiedlicher Schrift und Farbe ausgestalten. Beim auditiven Schwerpunkt könne Sie dazu anregen, das Ziel und einen Bestärkungssatz durch eine innere Stimme in unterschiedlicher Weise (schnell, langsam, tief, hoch, im Stil von Kermit der Frosch oder einer anderen Figur) erklingen zu lassen. Auch die Lautstärke kann dabei variiert werden, bis sie auf der richtigen Stärke einrastet und die innere Stimme damit verankert wird.

Der rote Faden gelingender Gespräche

Was macht ein Gespräch zu einem gelingenden Gespräch? Eine respektvolle Haltung und eine wertschätzende Atmosphäre sind grundlegende Einflussgrößen. Beide liegen zu weiten Teilen in Ihrer Hand. Daneben gibt es methodische Faktoren, die sich begünstigend auswirken können. Hierzu zählen unter anderem das aktive Zuhören, das Wahrnehmen des Gegenübers mit dessen Bedürfnissen sowie das Wahrnehmen der eigenen Bedürfnisse und die generelle Führung entlang eines roten Fadens hin zu einem gemeinsamen Ziel.

Wenn Sie sich ein Gespräch wie einen Ballwechsel vorstellen, dann sollte dieser Ball immer wieder hin und her wechseln. Wer den Ball hat, spricht. Achten Sie einmal darauf, wie viel »Ballbesitz« Sie während eines Gesprächs haben. Sensibilisieren Sie sich dafür, aktiv für den Ballwechsel zu sorgen. Dies können Sie über Impulse und Fragen steuern.

Von Anlass und Anliegen zu Auftrag und Abmachungen

Wenn Sie in Ihr Navigationsgerät einen Zielort eingeben, wird unmittelbar die direkte Route zu genau diesen Koordinaten berechnet inklusive zwei oder drei Alternativen (»schöne« Route, »schnellste« Route, »ressourcenfreundlichste« Route) (siehe Abbildung 17.1). Im Anschluss werden Sie mehr oder weniger vertrauensvoll dieser Route folgen. Eine einmal gewählte Route kann geändert werden, wenn sich die Reisebedingungen ändern, das Ziel allerdings bleibt bestehen. (Ob jetzt Stau auf der Autobahn ist oder nicht, Sie wollen dennoch am Ende an Ihrem gewünschten Ort ankommen.)

Zwei Standortmarkierungen mit Linie, die die Gesprächsroute dargestellen.

Abbildung 17.1: Die Gesprächsroute

Wenn Sie in Ihrem Gespräch zu guten Ergebnissen (Lösungen) kommen möchten, gilt es, den Weg dahin, die Route gut zu planen. Außerdem muss das Vehikel zu den Gegebenheiten passen. Vollgetankt wäre auch von Vorteil. Zwischenstopps können spontan erfolgen, sollten jedoch grundsätzlich auch eingeplant werden.

Wie lässt sich dieses Bild auf Ihre Gesprächsführung übertragen? Wenn Sie Ihr Ziel nicht klar eingeben, werden Sie nicht da landen, wo Sie ursprünglich hinwollten. Die Reise zum Ziel ist umso erfolgreicher, je genauer Sie den Zielort bestimmen können. Im Gespräch folgt Ihr Ziel dem sogenannten Auftrag.

In der systemischen Gesprächsführung, insbesondere in Beratung und Coaching, bildet die Auftragsklärung den Grundstein. Bleibt der Auftrag unpräzise, schießen Sie am Ende womöglich am Ziel vorbei. Der Auftrag leitet sich ab aus dem Anliegen der Beteiligten.

  • Worum soll es heute hier gehen? Ist eine erste Auslotung des Ziels. Während Sie jetzt mit Ihrem Gegenüber in die Klärung gehen, kann es sein, dass sich das Ziel noch einmal schärft und dadurch verändert. Bleiben Sie also flexibel, bis der Auftrag wirklich feststeht.
  • Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass dieses Gespräch nach dem, was wir jetzt zusammengetragen haben, folgendes Ziel … haben soll? Vergewissern Sie sich durch Rückfragen. Ihr »Auftraggeber« wird in die Mitverantwortung genommen und Sie sichern sich ab, nicht doch falsch abzubiegen.

    Halten Sie so lange inne, bis der Auftrag geklärt ist. Halten Sie sich auch zurück, vorwegzunehmen, was Ihr Gegenüber möchte. Natürlich dürfen Sie Hilfestellung geben, formulieren Sie dies jedoch als Angebot.

  • Geht es Ihnen um so etwas wie …?
  • Ist Ihnen eher wichtig, dass … oder …?

Manchmal entwickelt sich im Gespräch trotz Auftragsklärung eine eigene Dynamik, die stört. Dies kann zum Beispiel sein, wenn es verdeckte Aufträge gibt, die mit hineinwirken. Verdeckte Aufträge sind indirekte Anweisungen oder Botschaften, die in der Kommunikation enthalten sind, aber nicht explizit ausgedrückt werden. Sie können subtil sein und oft implizit oder durch Tonfall, Körpersprache oder Kontext vermittelt werden.

Im Elterngespräch kann die Formulierung der Lehrkraft: »Ihre Tochter hat in letzter Zeit Schwierigkeiten, ihre Hausaufgaben pünktlich abzugeben«, den verdeckten Auftrag enthalten: »Kümmern Sie sich darum, dass Ihre Tochter ihre Hausaufgaben macht.«

Aufträge können und dürfen auch abgelehnt werden! Nicht jedes Anliegen fällt in Ihren Zuständigkeitsbereich. Ein Elternteil möchte beispielsweise, dass Sie täglich Rückmeldung geben. Das können Sie unter normalen Umständen nicht leisten. Gibt es einen konkreten Anlass für diesen Wunsch? (Das Kind bedarf beispielsweise aktuell mehr Beobachtung, weil im familiären Umfeld eine Trennung ansteht, und man möchte aufmerksam sein, wie sich das auf das Kind auswirkt, um zeitnah zu unterstützen.)

Aufträge dürfen auch an Unterstützungssysteme von außen weitergegeben werden. Wenn Sie auf externe Hilfe angewiesen sind, ist es notwendig, diese Hilfe als Ressource einzubinden. Die Expertise von außen (Beratungslehrer, Kooperationslehrer, sozialer Dienst, Jugendamt …) gibt es aus genau diesem Grund, Ihre Arbeit zum Wohl des Kindes ergänzend zu unterstützen.

Die sechs Etappen im systemisch-orientierten Gespräch

Ähnlich wie Aufsätze ihren Textverlauf in Einleitung, Hauptteil und Schluss einteilen werden, können auch Gesprächsverläufe gegliedert werden. Wenn Sie im Bild der Reise bleiben, dann können Sie den Gesprächsverlauf als Route verstehen. Diese Route besteht aus sechs Etappen (siehe Abbildung 17.2).

Entlang dieser Route treffen Sie die Entscheidung an einer wichtigen Wegmarke: Um nicht in der Kurve der Klagen zu landen, müssen Sie rechtzeitig in Richtung Panorama-Punkt abbiegen. Dort gelingen ein zieldienlicher Überblick sowie ein Ausblick, sodass Möglichkeiten entdeckt und Lösungen gefunden werden können. Mit dem Gefühl dieser Aussicht gehen Sie zuversichtlich über in Abmachungen und steigen abschließend insgesamt gestärkt wieder aus dem Gespräch aus und zurück in den Alltag.

Ein Diagramm zeigt einen sechsstufigen Kreislaufprozess mit Symbolen und Beschriftungen für jede Etappe systemischer Gesprächsführung.

Abbildung 17.2: Die sechs Etappen systemischer Gesprächsführung

  • Etappe 1: Check-in

    Fokus und Intention: Ankommen und in Kontakt kommen

    • Beziehung aufbauen (Pacing, Leading, Rapport)
    • Atmosphäre schaffen und Haltung wahrnehmbar machen
    • Bei externen Beteiligten: Gegenseitiges Vorstellen (und Funktion transparent machen)
  • Etappe 2: Info-Point

    Fokus und Intention: Die Gestaltung des Gesprächs transparent machen

    • Struktur des Gesprächs, Zweck der Zusammenkunft, zeitlichen Rahmen transparent machen
    • »Regeln« zum Umgang miteinander und besondere Hinweise zu Jammern, Klagen, Beschuldigen
    • Anliegen der Beteiligten wiederholen
  • Etappe 3: Auf zum Ziel

    Fokus und Intention: Auftrag klären und Ziel(e) formulieren

    • Ziel(e) formulieren, Auftragsklärung
    • Was soll heute hier geklärt werden?
    • Wobei kann ich behilflich sein?
    • Wann hat sich das Gespräch für Sie gelohnt?
    • Womit würde ich Sie enttäuschen?
  • Etappe 4: Panoramablick mit Aussicht auf Lösungen

    Fokus und Intention: Blick auf Möglichkeiten und Lösungen weiten

    • Vom Problem zur Lösung, Einbinden der Lösungsschleife
    • Problemsicht erweitern
    • Möglichkeitsraum erweitern
    • Neue und andere Wege entdecken: Lösungswege erkunden, Lösungen ermöglichen und konstruieren, Wirklichkeitsbeschreibungen abgleichen, Perspektiven erweitern, Perspektiven wechseln
    • Hypothesen bilden, Impulse geben, Frageformen
    • Unter Umständen zweitbeste Lösung einbringen
    • Lösungsweg wählen und einschlagen
  • Etappe 5: Souvenir

    Fokus und Intention: Vereinbarungen und Abmachungen treffen

    • Klärung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten für den gewählten Lösungsweg
    • Formulieren und Fixieren der Vereinbarungen und der damit verbundenen Aufgaben
    • Zeitlichen Rahmen stecken: (Wann) soll ein nächster Termin stattfinden?
    • In welcher Form erfolgt die Überprüfung der nächsten Schritte? (Präsenztermin, Gespräch nur mit einzelnen Beteiligten, Telefonat …)
  • Etappe 6: Check-out

    Fokus und Intention: Der Lösung zufrieden entgegengehen

    • Gesprächsverlauf zusammenfassen und bündeln
    • Reflexion: Zufriedenheit aller Beteiligten abfragen

Herausforderungen und Hürden unterwegs

Auch mit bester Intention und gewissenhafter Vorbereitung können in Gesprächssituationen Hindernisse auftauchen. Mitunter kann es sehr emotional werden oder die Zeit wird knapp, weil sich ein Nebenthema auftut. Auch hier hilft es, sich mit gewissen Hürden und Herausforderungen schon im Vorfeld zu befassen und sich dafür zu wappnen, sowohl mental als auch rein praktisch. Ein bisschen so, als wenn Sie Verbandkasten, Warnweste und Warndreieck auf jeden Fall zur Stelle haben, wenn der Bedarf besteht.

Zeitliche Abweichungen

Eine gute Gesprächsführung hat die Zeit immer im Blick. Rechnen Sie die zur Verfügung stehende Zeit grob in die Etappen um und legen Sie zeitliche Marker fest. Ein abruptes Ende eines Gesprächs lässt sich verhindern, wenn Sie von hinten her rechnen. Wie viel Zeit brauchen Sie bezogen auf Ihr Thema, um gute Abmachungen und Vereinbarungen zu treffen? Machen Sie den Zeitverlauf transparent: »Mit Blick auf die Uhr, sollten wir nun übergehen in die nächste Etappe …« oder »Wir haben jetzt noch gut 15 (x) Minuten, ich schlage vor, wir gehen über in die nächste Etappe … Ist das für Sie in Ordnung?« Der Abschluss (Check-out) soll so sein, dass Sie sich in Ruhe verabschieden können.

Zeitliche Abweichungen sind besonders häufig zu Beginn eines Gesprächs, wenn Ihr Gegenüber lange ausholt und das Thema (Problem) dezidiert beschreiben möchte. Rahmen Sie die Erzählphase, indem Sie etwas sagen wie: »Wenn Sie in knapper Form das Wesentliche zum Thema aus Ihrer Sicht erzählen und dazu maximal 5 (oder x) Minuten haben, was ist dann aus Ihrer Sicht wichtig für jetzt?« Damit haben Sie die Zeit gesetzt und können mit Ablauf der Zeit darauf hinweisen. »Die 5 (x) Minuten sind jetzt vorüber. Danke für Ihren Einblick. Ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Mir ist dabei aufgefallen … « (spiegeln Sie Schlüsselformulierungen, also bestimmte Zuschreibungen, Aussagen und Glaubenssätze). »Ich würde Ihnen jetzt gerne meine Sicht darauf geben.«

Zielvielfalt

Je nach Thema und Anliegen und Beteiligten im Gespräch kann es zu einer Vielfalt unterschiedlicher Ziele kommen. Lassen Sie sich dadurch nicht verunsichern. Machen Sie die Ziele transparent, manchmal hilft es, diese zu visualisieren (zum Beispiel auf unterschiedlichen Moderationskarten). Das macht auch den Gesprächspartnern deutlich, dass Prioritäten getroffen werden müssen. »Ich stelle fest, dass wir jetzt ganz unterschiedliche Ziele zusammengetragen haben. Wir können uns nicht allen widmen. Meine Priorität gilt dem Ziel … (x), weil … Welches der Ziele hat denn die größte Dringlichkeit (oder Priorität) für Sie? Welches Ziel können wir getrost hintenanstellen?«

Abweichungen vom geplanten Weg

Abweichungen von der geplanten Route passieren aus unterschiedlichen Gründen: Wurde unter Umständen das Ziel nicht gründlich geklärt? Oder tauchen neue Informationen auf, die verarbeitet werden müssen? Oder lassen sich keine aussichtsreichen Lösungen finden, auf die alle Beteiligten sich einlassen können? Emotional geladene Themen können die Gemüter erhitzen oder in eine Entscheidungsträgheit führen. Auch dann verläuft das Gespräch zunächst anders. Grundsätzlich gilt: Abweichungen müssen nicht zwangsläufig negativ sein. Es zeigt sich, was Aufmerksamkeit fordert, und Sie als Gesprächsführer müssen mit diesen Entwicklungen situativ angemessen umgehen.

Je nachdem, an welcher Etappe die Abweichung geschieht, lassen sich Kurskorrekturen vornehmen. Fahren Sie rechts ran. Geben Sie sich einen Moment des Innehaltens. Formulieren Sie das auch: »Mir fällt auf, dass wir gerade vom geplanten Weg abkommen. Ich muss mich kurz sammeln, um zu einer guten Idee zu kommen, wie wir weiterverfahren.«

Sie können Ihr inneres Abwägen auch laut aussprechen und die Gesprächspartner quasi in Ihren Kopf schauen lassen: »Ich merke gerade, dass wir unterschiedliche Möglichkeiten haben, von hier weiterzugehen. Wir könnten uns jetzt … widmen (Variante A). Das hätte dann zur Folge, dass wir … (ursprüngliches Thema/Ziel) nicht wie geplant weiterverfolgen und das heute nicht endgültig geklärt werden kann.«

Erkunden Sie die Landschaft, die sich Ihnen durch eine solche Abweichung eröffnet. Nehmen Sie wahr, was sich zeigt. Auf welches Bedürfnis können Sie in welcher Form eingehen?

Abweichungen, Hürden und Hindernisse sind nicht umsonst. Nehmen Sie diese Erfahrungen als eine Art Lerngeschenk. Auf manche könnte man zwar verzichten, jeder allzu lange Ärger oder die innere Diskussion im Stil von »hätte« und »wäre« führt jedoch zu nichts. Nehmen Sie die Erfahrung als Souvenir mit in künftige Begegnungen und Gespräche.

Stau, stockender Verlauf, Sackgassen

Sperrig wird es im Verlauf von Gesprächen dann, wenn sich der Gesprächspartner nicht ernst genommen oder wertgeschätzt fühlt. Entsteht der Eindruck, nicht akzeptiert zu sein, bilden sich Brüche im Kontakt. Auch wenn eine gute Absicht hinter bestimmten sprachlichen Formulierungen steckt, ist es wichtig, eine Achtsamkeit für die Gefahr von Wegsperren zu entwickeln. Sie bringen mehr oder weniger deutlich zum Ausdruck, zu meinen, was für den anderen gut ist. Damit erheben Sie sich über Ihr Gegenüber. Das wiederum mindert das Mündigkeitserleben beim Gegenüber sowie die Chance auf eine selbstverantwortliche Problemlösung.

Verhaltensweisen, die Wegsperren und Sackgassen gleichen, sind zum Beispiel:

  • Widersprechen
  • Abwürgen
  • Abwerten anderer Positionen und Sichtweisen

Gespräche systemisch-orientiert zu meistern, berücksichtigt folgende Punkte:

  • Anliegen und Auftrag klären
  • Beziehungskonstellationen aufbrechen
  • Eigene Lösungsstrategien erkennen, finden
  • Neue Denkprozesse ermöglichen, provozieren
  • Neue Handlungsweisen erkennen, formulieren, fördern
  • Perspektive(n) wechseln
  • Selbstwirksamkeit ermöglichen, fördern, erhalten
  • Sichtweisen umdeuten
  • Verhaltensweisen und -muster erkennen

Systemische Basisintervention III: Frageformen und Zirkularität

In der systemischen Kommunikation wird der Art zu fragen besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Ich verwende bewusst nicht den Begriff Fragetechniken, denn der impliziert meines Erachtens, dass man sich diese Fragen leicht aneignen kann und sie technisch anwendet wie ein Handwerksgerät. Die Fragen gehören definitiv zum Handwerkszeug, sie basieren jedoch auf der systemischen Grundhaltung mit ihren Grundannahmen.

Hier die wesentlichen systemischen Grundannahmen:

  • Verhalten ist kontextabhängig.
  • Jedes Verhalten ergibt Sinn innerhalb dieses Kontexts.
  • Probleme sind mögliche Lösungsversuche.
  • Kein Problem tritt immer auf.
  • Wer ein Problem »besitzt«, trägt auch die Fähigkeit zur Lösung in sich.

Ohne diese verinnerlichte Haltung erzeugen die Fragen nicht ihre Wirkkraft und das merkt nicht zuletzt auch Ihr Gegenüber. (Die systemische Haltung ist ausführlich in Kapitel 4 beschrieben.)

Die Art zu fragen dient der Erzeugung von Informationen. Diese Informationen sollen bevorzugt bei Ihrem Gesprächspartner Prozesse und Erkenntnisse anregen und weniger einem Wissenszuwachs bei Ihnen als fragende Person. Es geht also nicht um ein Abfragen und Ausfragen, sondern darum, das Denkfeld des Gegenübers zu weiten und dessen Selbstkompetenzen anzuregen. Darin begründet sich auch die konsequente Ausrichtung auf Ressourcen und Lösungen.

Diese Art der Kommunikation fällt Lehrkräften häufig zunächst schwer(er), da sie tendenziell den Glaubenssatz in sich tragen, alles wissen zu müssen, Sachverhalte und Situationen schnell zu verstehen und eine Lösung unmittelbar parat zu haben.

Zirkularität und zirkuläre Fragen

Im systemischen Ansatz meint Zirkularität, dass alle Elemente eines Systems miteinander in Wechselwirkung stehen und sich gegenseitig beeinflussen. Das betont die Idee, dass Ursache und Wirkung nicht linear sind, sondern sich in einem zirkulären Prozess gegenseitig bedingen. In diesem Sinne können Veränderungen in einem Teil des Systems Auswirkungen auf andere Teile haben, die wiederum auf den ersten Teil zurückwirken. Das führt zu einem dynamischen und sich selbst verstärkenden Prozess.

Jede Person ist eingebunden in unterschiedliche Subsysteme, die von außen auf sie einwirken (exogene Systeme). Dies geschieht durch unterschiedliche Aktionen (Begegnungen im unmittelbaren Kontakt, direkte Gespräche, repräsentierte Meinungen, Gesten …).

Zirkuläre Fragen sind auch unter dem Begriff »triadische« Fragen bekannt. Wesentliches Merkmal ist das Einbinden einer dritten (oder vierten) Perspektive. Diese »geliehene Sicht« ermöglicht einen Einblick in die Wechselwirkungen innerhalb eines Systems, in die Interaktion und Kommunikation der Beteiligten. Sie lädt Beteiligte zunächst zum Wahrnehmen anderer Perspektiven ein. Ein Abgleich der unterschiedlichen Sichtweisen gibt unterschiedliche Informationen preis. So erhalten Sie durch zirkuläres Fragen zum Beispiel Einblick in Befindlichkeiten zu einem Problem, aber auch Ressourcen.

Zirkuläre Fragen brechen lineare Denkmuster über Interaktionen auf. Eine Person klagt über das Verhalten einer anderen Person und gibt der Person die Verantwortung für ihr Befinden. Auf die Frage nach der Ursache erklärt sie das Verhalten aus ihrer Sicht. A verhält sich so, weil ... und in der Folge (kausal) Weil A sich so verhält, geht es mir jetzt so. Verhalten ergibt im Kontext des Systems stets Sinn! (Über den Sinn von Verhalten habe ich in Kapitel 4 Der Systemische Ansatz in der Pädagogik bereits geschrieben.) Verhalten ist verursachend und verursacht zugleich. Diese zirkuläre Sichtweise auf Verhalten richtet sich auf die gegenseitigen Wechselwirkungen, die das Problem erzeugen und aufrechterhalten, und weitet gezielt den Blick auf diese Wechselwirkungen, um den Raum für Möglichkeiten und Lösungen zu öffnen oder zu weiten.

Zirkuläre Fragen richten die Aufmerksamkeit …

  • … auf die Beziehungen der Beteiligten eines Systems und ihre Wechselwirkungen.
  • … auf Unterschiede in den Beziehungen untereinander.
  • … auf Unterschiede in den Reaktionen der Beteiligten aufeinander.
  • … auf Unterschiede in den Reaktionen auf das Problem.
  • … auf Unterschiede in den einzelnen Sichtweisen.
  • … auf die Einbeziehung nicht Anwesender.

In Elterngesprächen können Sie zum Beispiel die Sicht des nicht anwesenden Elternteils oder anderer Familienmitglieder einbinden:

  • Für wen in Ihrer Familie ist dieser Fall (zum Beispiel die drohende Nichtversetzung des Kindes) das größte Problem?
  • Wen betrifft es am wenigsten?
  • Was denkt Ihr Mann darüber, wenn Sie mit Ihrem Sohn immer wieder auf dieses Streitthema (zum Beispiel nicht gemachte Hausaufgaben) zurückkommen?
  • Zu wie viel Prozent sind Sie zuversichtlich für eine gute Lösung für das Problem? Wer »überbietet« das?
  • Wer würde unsere getroffene Vereinbarung am meisten unterstützen?
  • Wer hätte die meisten Bedenken?

In Gesprächen mit Schülern können Sie zum Beispiel auch Mitschüler oder andere Kollegen einbinden:

  • Deine Englisch-Lehrerin denkt, du würdest dich zuverlässiger an die Regeln halten als in Deutsch. Dein Deutschlehrer denkt genau andersherum. Welcher Sicht würde dein Sitznachbar (oder bester Freund) zustimmen?
  • Wie würde mir dein Sitznachbar dein Verhalten in der Situation (X) beschreiben?
  • Welcher deiner Mitschüler würde deine Sicht auf das Problem uneingeschränkt teilen? Wer nicht? Was würde diese Person anders sehen?
  • Zu wie viel Prozent siehst du dich mitverantwortlich für das Problem? Zu wie viel Prozent würde dein Sportlehrer das einschätzen?

Zirkuläre Fragen sind nicht trennscharf, nur zirkulär. Sie integrieren häufig auch andere Formen systemischer Fragen. Diese werden im folgenden Abschnitt aufgeführt.

Systemische Frageformen

In Kapitel 15 Meine Klasse, ihre Eltern und ich habe ich im Abschnitt zur systemischen Kommunikation die vier Haltungsdimensionen beschrieben. Systemische Frageformen können als Methode ihre volle Wirkung dann entfalten, wenn die Grundhaltung verinnerlicht ist.

Alle Frageformen im vorherigen Abschnitt sind offene Fragen. Das heißt, sie lassen sich nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten.

Systemische Fragen sind offene Fragen. Sie beginnen oft mit den typischen W-Fragewörtern (wer, wie, wodurch, weshalb, wozu, wann, wo …). Sie fokussieren auf Ziel, Ressourcen und Lösungen.

Offene Fragen werden eingeleitet mit einem Fragewort. Sie zielen auf Informationen, die qualitative Unterschiede erkennen lassen. Das erfordert etwas Übung, denn wie Sie fragen, entscheidet, welche Informationen Sie erhalten.

Die Frage: »Wie war der Tag für dich?«, beginnt zwar mit einem Fragewort (wie), lässt jedoch eine eingeschränkte Antwort in Form von »Gut« zu. Damit gewinnen Sie nur eine einzige Information, jedoch keine weiteren Unterscheidungsmarker. Im Vergleich dazu knüpft die Antwort auf die Frage: »Woran merkst du, dass heute ein guter Tag für dich war?«, an einen Kontext an. »Wenn ich alle meine Korrekturen geschafft habe« oder »Ich fühle mich dann schon tagsüber weniger abgehetzt.«

Hören Sie genau und aufmerksam hin. In der Antwort liegen Hinweise, die im weiteren Verlauf aufgegriffen werden können, wenn sie dem Ziel und dem damit verbundenen Auftrag dienen.

Eine systemische Situationsanalyse

Eine systemische Situationsanalyse mit unterschiedlichen Frageformen kann Sie für die Wirkung systemischer Fragen sensibilisieren und macht die Lösungsorientierung und die systemische Haltung spürbar. (Die folgenden Fragen sind abgeleitet aus Sonja Radaatz: Eine Einführung in das systemische Coaching, Carl-Auer compact 20104.)

Ein kleiner Tipp: Führen Sie die Analyse am besten schriftlich durch, damit intensivieren Sie den Prozess, oder finden Sie jemand, der Ihnen die Fragen stellt.

Was genau fordert Sie aktuell heraus? / Was stört Sie? (Beschreiben Sie, ohne zu bewerten.)

Bearbeiten Sie anschließend Ihr Thema anhand der folgenden Fragen:

  • Unterschiede zwischen Problem- und Lösungssituation erarbeiten:
    • Woran würden Sie merken, dass das Problem gelöst ist?
    • Wer würde sich dann anders verhalten?
    • Wie würde sich dann jeder einzelne Beteiligte anders verhalten?
  • Erarbeiten des eigenen Verhaltens, das zur Problemsituation beiträgt:
    • Was könnten Sie tun, um das Problem zu verschlimmern?
  • Herausarbeiten des Verhaltens aller Beteiligten (Mitschüler, Eltern), die die Problemsituation mit herbeiführen:
    • Was könnten die anderen tun, damit die Situation noch schlimmer wird?
  • Erarbeiten der Problemanzeichen zur Früherkennung:
    • Was sind erste Anzeichen des Problems?
    • Woran merken Sie diese ersten Anzeichen?
  • Erarbeiten typischer Verhaltens- und Reaktionsmuster, die mit dem Problem in Verbindung stehen:
    • Was tun Sie meistens, wenn Sie die ersten Anzeichen wahrnehmen (wenn das Problem wieder im Kommen ist?
  • Problemverhaltensmuster ableiten, die in allen Situationen angewendet werden:
    • Was ist allen Problemsituationen, in denen Sie das störende Verhalten bemerken, gemeinsam?
    • Was tut XY da immer gleich?
    • Was machen Sie / andere da immer gleich?
  • Erarbeiten, wer mit wem im Boot sitzt und wer dagegen arbeitet:
    • Wer hat etwas davon, dass das Problem aufrechterhalten bleibt?
    • Wem nutzt das Problem?
  • Vermutete Gründe (Hypothesen) für das fortwährende Bestehen des Problems finden:
    • Wenn wir davon ausgehen, dass jedes Verhalten einen Sinn ergibt – welchen Sinn könnte es für XY ergeben, sich so zu verhalten?
  • Wechselbeziehungen zwischen Problem und Ziel herausstellen:
    • Was müsste wer tun, damit XY das von Ihnen als problemhaft bezeichnete Verhalten nicht mehr anwenden müsste?

Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus dieser Selbstbefragung mit? Welche Fragen sind hilfreich auf dem Weg zu einer Lösung (welche weniger / welche gar nicht)?

Fragen fokussieren Aufmerksamkeit

Im Folgenden finden Sie eine Reihe unterschiedlicher systemischer Frageformen, die sich in den schulischen Alltag integrieren lassen. Sie lassen sich im Kontakt mit Schülern ebenso anwenden wie in Gesprächen mit Eltern. Probieren Sie neugierig aus, welche Fragen zu Ihnen passen und wie sich Ihre Gespräche und Ihr Kontakt dadurch verändern. (Die folgenden Fragen sind abgeleitet aus Carmen Beilfuß (201510): Fragen können wie Küsse schmecken, Carl-Auer.)

Klärende Fragen und Konkretisierungen:

  • Umstände erforschen:
    • Wo / wie genau zeigt sich das Problem? Wer ist beteiligt?
    • Wer würde das Problem noch bemerken? Wie genau?
    • Warum gerade jetzt? Warum gerade so?
  • Nach Hypothesen, Annahmen und Erklärungsmustern fragen:
    • Wie erklären Sie sich, dass …?
    • Warum glaubst du, ist …?
  • Ziele und Wünsche ansprechen:
    • Woran würden Sie einen Erfolg / eine Verbesserung bemerken?
    • Woran würdest du erkennen, dass du dein Ziel erreicht hast?
    • Was soll anders sein, wenn das Problem gelöst / das Ziel erreicht ist?
  • Eigenschaftszuschreibungen verflüssigen (Reframing) und nach Handlungen fragen:
    • Woran merken Sie, dass … (ab und zu den Schongang einlegt)?
    • Was kann dazu führen, dass Sie die Situation wieder im Sinne von »Das Glas ist halb voll« einschätzen?
  • Rangordnung und Skalierung:
    • Hitparade: Welchen Rang nimmt das Problem unter anderen Problemen ein?
    • Auf einer Skala von 1 bis 10(0): Für wie hoch hältst du deine Erfolgschancen?
    • Wenn Sie eine Einschätzung abgeben müssten: Wie viel Prozent der Kollegen unterstützen Ihr Ziel völlig, teilweise, nur wenig, gar nicht?
    • Wer wäre am glücklichsten, wenn sich Y durchsetzt?

Perspektiven erweitern / Unterschiede erfragen:

  • Bedeutung/Intensität:
    • Welche Aspekte sind eher wichtig, welche eher unwichtig?
    • Wann ist das Problem stärker oder schwächer?
    • Wer in der Familie (im Team, in der Klasse) teilt die Meinung eher mehr oder eher weniger?
  • Personen:
    • Wer ist (nicht) betroffen?
    • Macht es einen Unterschied, wenn X (nicht) anwesend ist? Welchen?
    • Wer kann zur Lösung beitragen? Wer kann die Lösung erschweren oder gar behindern?
  • Sichtweisen:
    • Wie zeigt sich das Problem aus der Sicht der unterschiedlichen Beteiligten?
    • Wie zeigt sich das Problem für einen neutralen Beobachter?
  • Zeit:
    • Seit wann besteht das Problem?
    • Wie war es davor?
    • Gab/gibt es ähnliche Probleme (immer, oft, manchmal, nie)?
    • Wann ist das Problem nicht da?
  • Zirkuläres Fragen:
    • Wie würde Y die Situation beschreiben?
    • Wie erklärt sich X, dass Y mit seiner Situation so unzufrieden ist?
    • Wer alles beobachtet das Problem? Wie beschreiben diese Beobachter das Problem?

Erkundungen außerhalb des Gewohnten:

  • Kontext verändern:
    • Wie ist es, wenn die Situation nicht so (anders) ist?
    • Wie würde die Situation (das Problem) aussehen, wenn X das Sagen hätte?
  • Bilder und Metaphern:
    • Wie kann man das Problem bildlich beschreiben?
    • Welche neue Sichtweise ermöglicht die Vogelperspektive? Was würde eine Ameise sehen?
    • Welchen Schlüssel zu welcher Türe hätten Sie gerne für Ihr Thema?
  • Zeit verändern
    • Angenommen, du schaust in zwei Monaten auf die Situation zurück, was ist dann anders und wie würdest du die Situation dann beschreiben?
  • Wirkung zur Absicht erklären:
    • Wer hätte Nachteile, wenn es das Problem nicht mehr gibt?
    • Worin liegt für Sie der positive Nutzen Ihres Problems?
    • Wer hat Vorteile durch das Problem?
  • Paradoxe Fragen:
    • Angenommen, das Problem ist morgen gelöst – wie könnte man es wieder herstellen?
    • Wie könnten Sie das Problem noch verschärfen?
    • Wenn ich dir dein Problem verschreibe, wären fünf Mal am Tag machbar?
    • Was könnte dich am besten daran hindern, dein Ziel zu erreichen?

Konstruktive, lösungsorientierte Fragen:

  • Angestrebter Zustand – problemfreier Zustand:
    • Du sagst, dass du dich in der Klasse nicht mehr wohlfühlst. Was konkret müsste anders sein, dass du dich wieder wohl(er) fühlst?
    • Wie soll die Situation künftig aussehen?
    • Mit welcher zweitbesten Lösung wärst du auch zufrieden?
    • Wie wäre es, wenn das Problem gelöst wäre?
    • Was würde passieren, wenn Sie Y, den Sie als unzuverlässig beschreiben, loben würden?
  • Ressourcen:
    • Was wurde bisher unternommen in dem Versuch, das Problem zu lösen?
    • Wo kommt die Energie für Lösungen her?
    • Worauf können Sie sich stützen?
    • Welche Eigenschaften und Fähigkeiten braucht es, damit das Problem überwunden werden kann?
    • Wie hast du bisherige (ähnliche) Herausforderungen gemeistert?
    • Welche Möglichkeiten sind noch nicht ausgeschöpft?
  • Positive Sichtweise:
    • Was ist das Gute am Schlechten?
    • Wofür könnte die Situation gut sein?
    • Welche positiven Wirkungen hätte das auf andere?

Die systemische Gesprächsführung zeichnet sich durch einen bunten Strauß an Fragen aus. Sie öffnen die Welt der Möglichkeiten, das beinhaltet Möglichkeiten, anders über eine Situation zu denken sowie die eigene Handlungsfähigkeit zu erkennen und anzuregen. Stellen Sie sich Ihren Lieblingsstrauß für den pädagogischen Alltag zusammen und genießen Sie die Wirkung auf sich und auf andere.

Je nach der jeweiligen Intention lassen sich die Frageformen zusammenfassen in problemorientierte Fragen, lösungsorientierte Fragen, ressourcenorientierte Fragen und zielorientierte Fragen. Unterformen davon sind beispielsweise zirkuläre Fragen, hypothetische Fragen, Skalierungsfragen, Fragen nach Ausnahmen und Unterschieden und der Klassiker, die Wunderfrage nach Steve de Shazer (siehe hierzu Kapitel 4).

Systemische Kommunikation …

  • … zielt mehr auf die Erzeugung von Informationen,
  • … zielt weniger auf die Erhebung von Informationen,
  • … stößt einen reflexiven Prozess an,
  • … bindet verschiedene Perspektiven mit ein,
  • … relativiert bestehende Perspektiven,
  • … erweitert eingeschränkte/eingefahrene Wahrnehmung,
  • … agiert mit öffnenden Fragen (W-Fragen).