Vor sechs Jahren habe ich das erste Rätsel der Woche auf SPIEGEL.de veröffentlicht. Es ging darin um Nudeln, die genau neun Minuten gekocht werden sollen – al dente! Als Zeitmessser standen zwei Sanduhren mit Laufzeiten von vier und sieben Minuten zur Verfügung. Ein Rätselklassiker.
Seitdem ist jede Woche eine mathematische Knobelei erschienen – mehr als 300 sind es inzwischen! Was mich immer wieder aufs Neue überrascht (und natürlich freut), ist das große Interesse der Leserinnen und Leser. 50.000 Abrufe sind normal, manchmal erreicht ein Rätsel auch 100.000 Menschen oder mehr. Und ich bekomme regelmäßig E-Mails. Kein Fehler bleibt unentdeckt. Schon mehrmals musste ich die Aufgabenstellung präzisieren oder auch Lösungen ergänzen.
Das ärgert mich natürlich – aber es ist auch ein gutes Zeichen. Denn niemand ist fehlerfrei. Und vor allem: Mathematik ist immer auch ein Prozess. Wir nähern uns der Wahrheit Schritt für Schritt. Manchmal übersehen selbst professionelle Mathematiker den einen oder anderen Stein am Wegesrand, auf den sie dann aber zum Glück Kollegen hinweisen. Und manchmal nehmen wir einen Umweg zum Ziel, finden also einen Lösungsweg, der komplizierter ist als nötig. Das passiert auch Mathematikern. Die zuerst gefundene Lösung für ein Problem ist oft nicht die eleganteste.
Eine Schwierigkeit, mit der ich immer wieder zu kämpfen habe, ist die präzise Sprache. In meiner Brust schlagen zwei Herzen: das des Journalisten und das des Mathematikers. Als Journalist möchte ich möglichst verständlich schreiben. Klare, eher kurze als lange Sätze. Am besten keine Fachtermini. Aber dieser Stil passt nicht zu jedem mathematischen Rätsel – dafür werde ich auch immer mal wieder von Lesern kritisiert.
Meist geht es darum, einen guten Kompromiss zu finden aus mathematischer Präzision und eher saloppen Formulierungen, die das Rätsel interessanter machen und auch für Laien lesbar.
Wie engagiert meine Leser die Aufgaben angehen, zeigen zwei Beispiele.
Im ersten Rätsel geht es um fünf Damen, die auf einem leeren Schachbrett positioniert werden sollen. Und zwar so, dass jedes freie Feld von mindestens einer Dame in nur einem Zug erreicht werden kann.
Ich hatte zwei verschiedene Stellungen als Lösungen vorgeschlagen. Und zugleich die Leser gebeten, mir ihre Lösungen zu schicken, falls sie weitere gefunden haben.
Das Ergebnis waren Dutzende Mails mit überraschend vielen, sehr unterschiedlichen Lösungen. Zwei davon sehen Sie hier:
Drei Leser schrieben sogar eigens ein Computerprogramm, um nach sämtlichen Lösungen zu fahnden. Sie kamen alle auf dasselbe Ergebnis von 4860 verschiedenen Stellungen. Das Damenrätsel finden Sie hier.
Eine ähnlich große Resonanz hatte die Aufgabe der 16 gitterförmig angeordneten Punkte, die mit sechs geraden Strichen verbunden werden sollten, ohne den Stift dabei abzusetzen – siehe hier.
Ich hatte drei verschiedene Lösungen vorgeschlagen – und auch hier die Leser um eigene Lösungen gebeten. Diese kamen dann zuhauf – siehe folgende Übersicht.
Ich weiß nicht, ob dies bereits alle Lösungen sind, die möglich sind. Es wäre eine interessante Aufgabe für Mathematiker, das herauszufinden. Womöglich lässt sich dieses Problem ebenfalls mit einem Computerprogramm lösen, das alle möglichen Konstellationen durchprobiert. Die 16-Punkte-Aufgabe erscheint mir jedoch schwieriger als das Fünf-Damen-Problem.
Jetzt aber sind Sie dran! Auf den folgenden Seiten finden Sie 100 Knobeleien von Logik über Geometrie bis zu Kombinatorik. Wenn Sie bei einer Aufgabe nicht weiterkommen – geben Sie nicht zu schnell auf. Legen Sie sie zur Seite, lösen Sie erst mal eine andere. Vielleicht kommt ja am nächsten Tag die zündende Idee.
Viel Spaß beim Rätseln!
Holger Dambeck
Hamburg, 10. Januar 2021