Alle ETF im Überblick
Anleger können aus gut 1 800 börsengehandelten Indexfonds die für sie passenden aussuchen. Als Basisanlagen für ein langfristiges Wertpapierdepot eignen sich jedoch nur relativ wenige der vielen Aktien- und Renten-ETF.
„Wer die Wahl hat, hat die Qual.“
Diese Redensart trifft bei ETF ins Schwarze. Sobald Sie sich dafür entschieden haben, für Ihre Geldanlage ETF zu verwenden, fängt die Sucherei an. Sie müssen wählen, welche der mehr als 1 800 ETF, die an den deutschen Börsen gehandelt werden, für Sie infrage kommen. Dazu müssen Sie zuerst herausfinden, welche Indizes für Ihre persönlichen Ziele besonders geeignet sind.
Für die Mehrzahl der Anleger macht es Sinn, beim Auf- und Ausbau eines Wertpapier-Portfolios ihre Ersparnisse auf die beiden wichtigsten Anlageklassen aufzuteilen: Aktien und Anleihen. Aktien decken den risikoreichen, aber dafür langfristig renditestarken Teil der Vermögensanlage ab, Anleihen, auch Renten genannt, den sicheren. Kein Wunder, dass Aktien-ETF und Renten-ETF die Schwerpunkte des gesamten ETF-Angebots bilden. Von den Anfang 2020 an der Börse Frankfurt gehandelten 1 464 Aktien- und Renten-ETF basieren fast drei Viertel auf Aktien- und gut ein Viertel auf Anleihen-Indizes. Was gilt es bei der Suche nach den „richtigen“ ETF zu beachten?
Aktien-ETF: Es müssen nicht Dax oder Dow Jones sein
Mit globalen und große Regionen umfassenden Aktien-ETF können Anleger bequem ihre Investments breit streuen. Hier erfahren Sie, welche Indizes sich auch für Einsteiger eignen.
Aktien, das zeigen viele Studien
und Statistiken aus aller Welt, sind langfristig die ertragreichste Wertpapierform. Wie kommt es aber, dass trotz dieser überzeugenden Faktenlage Aktien bei deutschen Anlegern einen denkbar schlechten Ruf genießen?
Das mag daran liegen, dass es in den vergangenen 25 Jahren eine derart große Häufung an Börsencrashs gegeben hat wie selten zuvor: Der Asien-Crash 1997, der Internetaktien-Crash 2000, der durch die Terrorangriffe in New York und Washington bis 2003 verlängert und verschärft wurde, der Finanzcrash 2007, der Euro-Schuldencrash 2011 und zuletzt der Corona-Crash 2020. Diese rasche Folge von Kursstürzen hat die Wahrnehmung der Anleger von Aktien negativ mitgeprägt.
Aktien gelten vielen als reine Spekulationsobjekte – aber sie sind genau das Gegenteil: Über sie können sich Anleger an Unternehmen beteiligen und am Wachstum sowie an Produktivitätsfortschritten teilhaben. Und unternehmerischer Erfolg ist in der Regel langfristig angelegt.
Langfristig sind Aktien Trumpf
Gerade für die Altersvorsorge sind Aktien erste Wahl, weil dieser Sparprozess meist langfristig ausgerichtet ist, Aktien also ihre Ertragsvorteile voll ausspielen und Rückschläge wettmachen können. Dazu kommt, dass die Altersvorsorge üblicherweise ein regelmäßiger Sparprozess ist. Je früher man damit anfängt, desto besser. Das Timing, also der Versuch, optimale Ein- und Ausstiegskurse zu finden, spielt keine Rolle, dafür der Langfristtrend umso mehr. Der weist, wie uns die Historie lehrt, nach oben. Aktien-ETF sind ideale Instrumente, um langfristige Renditevorteile zu nutzen, auch mit kleinen Beträgen. Das Pantoffel-Portfolio und der Pantoffel-Sparplan (siehe „Bequem anlegen“ ab
S. 70
) zeigen, wie das konkret klappt. Aber welche Aktien-ETF eignen sich für welche Zwecke? Um das zu beantworten, betrachten wir die wichtigsten Aktienindizes, die mit ETF nachgebildet werden.
Natürlich kennen viele den Dax, den amerikanischen Dow Jones oder den japanischen Nikkei 225. Diese Leitindizes der führenden Aktienmärkte in den Industrienationen
repräsentieren jeweils die bedeutendsten börsennotierten Aktiengesellschaften ihres Landes, die „Blue Chips“. Wenn Medien und Banken die Marktentwicklung beschreiben, beziehen sie sich meistens auf diese renommierten Börsenbarometer. Da ist es kein Wunder, dass es zahlreiche ETF auf diese Indizes gibt. Allerdings weisen sie einen Makel auf: Sie umfassen nur Aktien der ganz großen Konzerne. Mittlere oder gar kleine Unternehmen bleiben völlig außen vor. Und sie sind zudem branchenmäßig nicht breit gestreut.
Die Schwächen des beliebten Dax
Für die deutschen Anleger ist der Dax der Superstar. Er repräsentiert als Stimmungsbarometer der heimischen Wirtschaft die 30 größten deutschen Aktiengesellschaften. Die sind im Index aber nicht alle gleich gewichtet. Vielmehr hängt der Anteil von ihrer Marktkapitalisierung ab. Mit anderen Worten: vom Börsenwert des Unternehmens. Anfang 2020 war SAP das gewichtigste Dax-Mitglied, der Anbieter von Softwarelösungen machte rund 12 Prozent des Dax-Wertes von 1,25 Billionen Euro aus, gefolgt von Linde, das mit rund 8,5 Prozent vertreten war. Gemeinsam mit Siemens, Allianz, Bayer, Adidas und Deutsche Telekom bestimmen diese sieben Aktien gut die Hälfte der Dax-Entwicklung. Die andere Hälfte verteilt sich auf die übrigen 23 Firmen.
Zahlreiche ETF bilden den Dax nach. Gemessen an den Handelsumsätzen im vollelektronischen Handel auf Xetra (das nach eigenen Angaben über 90 Prozent aller ETF-Umsätze in Deutschland abwickelt) war er 2019 der mit Abstand beliebteste Index bei den Anlegern, gefolgt vom Euro Stoxx 50, dem global investierenden MSCI World, dem S&P 500 und dem breiten europäischen Index Stoxx Europe 600.
Gut zu wissen
Der Börsenwert,
auch Marktkapitalisierung genannt, zeigt an, wie hoch ein Unternehmen an der Börse bewertet wird. Dazu wird der aktuelle Kurs mit der Anzahl der ausgegebenen Aktien multipliziert. Ein Beispiel: SAP wies im Januar 2020 einen Börsenwert von rund 152 Milliarden Euro auf: 1 229 Millionen Aktien mal dem Kurs von knapp 124 Euro. Der Streubesitz, auch Free Float genannt, umfasst nur den Börsenwert der Aktien, die sich nicht im Festbesitz befinden, also keinem Aktionär mit mehr als 5 Prozent Anteil am Aktienkapital gehören. Die Gewichtung richtet sich beim Dax und anderen Indizes der Deutschen Börse nach dem Streubesitz. Im Januar 2020 lag der für das Dax-Gewicht entscheidende Streubesitz von SAP zum Beispiel bei 85,5 Prozent.
Dabei ist der Dax ganz anders als viele Indizes. Im Gegensatz zu den meisten Leitindizes wie Dow Jones oder Nikkei hat er eine Besonderheit in der Berechnung: Der Dax steigt Jahr für Jahr automatisch um den Wert der ausgeschütteten Dividenden, sie werden rechnerisch wieder in den Index investiert. Mit den Dividenden zeigt er sozusagen die gesamte Performance und wird daher als Performanceindex bezeichnet. Seine Konkurrenten Dow Jones, S&P 500, Nikkei oder Euro Stoxx sind hingegen Kursindizes, weil sie lediglich die Preisveränderungen der einzelnen Aktien widerspiegeln, Dividendenabschläge und andere Ausschüttungen wie Bezugsrechte werden dagegen wie Verluste behandelt. Wenn man die Wertentwicklung von Kursindizes wie dem S&P 500 oder dem Euro Stoxx 50 mit Performanceindizes wie Dax oder MDax vergleicht, muss man also genau nachrechnen.
Beim Dax hilft dabei die Deutsche Börse. Sie veröffentlicht parallel zum Performanceindex einen Dax-Kursindex. Er lag im Januar 2020 bei nicht einmal der Hälfte des Dax-Performanceindex von rund 13 400 Punkten, nämlich bei rund 6 000 Zählern. Dividenden haben also mehr als die Hälfte zum Gesamtergebnis beigetragen. Diese große Differenz zeigt, wie entscheidend Dividenden langfristig für die gesamte Wertentwicklung von Aktien und damit auch von Aktien-ETF sind. Und wie wichtig es ist, sie sofort nach der Ausschüttung wieder anzulegen und den Zinseszinseffekt zu nutzen. Der große Unterschied beweist zudem, dass es nur Sinn macht, Indizes zu vergleichen, wenn sie auf demselben Berechnungsschema fußen.
Gut zu wissen
Der Index lebt.
Üblicherweise mehrmals pro Jahr wird die Indexzusammensetzung nach den Kriterien Marktkapitalisierung und Börsenumsatz überprüft. Für die Dax-Familie, also Dax, MDax, TecDax und SDax, erfolgt das quartalsweise. Wer unter einen festgelegten Ranglistenplatz rutscht, muss weichen und wird von einer besser platzierten Aktie ersetzt. ETF vollziehen diese Änderungen nach. Eine sehr große Umstellung gab es im Herbst 2018. Seither dürfen Aktien, die im TecDax gelistet sind, gleichzeitig auch in einem der anderen drei Indizes vertreten sein.
Dividenden sind Ausschüttungen
von Aktiengesellschaften an die Aktionäre als Ertrag für das Kapital, das man in Aktien investiert hat. Zudem besteht bei Aktien die Chance auf Kursgewinne.
Der Dax ist zwar eines der liebsten Anlageziele, als Basisinvestment geeignet ist er aber nicht. Zum einen, weil er nur 30 Unternehmen enthält und damit im Vergleich zu umfassenderen Börsenbarometern wie dem S&P 500 oder dem Stoxx Europe 600 einen Bruchteil. Zudem ist er mit Finanzkonzernen und Industriefirmen übergewichtet – mit Branchen, die sehr konjunkturabhängig sind. Er ist deshalb schwankungsintensiver (volatiler) als die Leitindizes vieler anderer großer Industrieländer. Auch fehlen wichtige Sektoren wie Nahrungsmittel und Rohstoffe ganz oder weitgehend, und die „New Economy“ ist mit SAP, Infineon und Wirecard lediglich dünn vertreten. Der Dax spiegelt also die sehr vielschichtige Branchen- und Größenstruktur deutscher Firmen nur unzureichend wider. Der Mittelstand, oft als Rückgrat der deutschen Wirtschaft bezeichnet, fehlt ganz.
Ein ETF auf den Dax, ebenso wie auf andere Leitindizes, kann sinnvoll sein, wenn er mit anderen ETF im Rahmen einer durchdachten Strategie kombiniert wird. Wenig geeignet ist ein Dax-ETF jedoch als Basis eines langfristig ausgerichteten Aktiendepots, beispielsweise für die Altersvorsorge, egal, ob als Einmalanlage oder ETF-Sparplan. Dafür gibt es wesentlich bessere Lösungen.
Was zeichnet einen Basis-ETF aus?
Finanztest versteht darunter Fonds, die als Grundlage für ein Portfolio dienen. Mit ihnen können auch Börsenmuffel nichts falsch machen. Aktienindizes, die von Basis-ETF nachgebildet werden, müssen breit gestreut sein und eine Vielzahl an Branchen und Ländern beinhalten. Die internationale Streuung schützt vor allzu kräftigen Kursausschlägen und sorgt langfristig für relativ stabile und hohe Erträge.
Fünf gut geeignete Indizes für das langfristige Sparen
Für Anleger, die langfristig einen Buy-and-Hold-Ansatz (das bedeutet „kaufen und liegenlassen“) bevorzugen und die den Aktienteil ihres Depots mit nur einem oder einer sehr geringen Zahl an ETF abdecken wollen, hält Finanztest fünf marktbreite Indizes für besonders geeignet: den MSCI World, den MSCI All Country World, den MSCI Europe und den Stoxx Europe 600. Hinzu kommt der FTSE All World, der mit dem MSCI All Country World vergleichbar ist. Die Renditeentwicklung beider Indizes verläuft seit Jahren nahezu parallel. Von Vanguard, dem Indexfonds-Pionier, werden seit Ende Oktober 2017 zahlreiche ETF an der Frankfurter Börse gehandelt. Wie im Kapitel „ETF verstehen“, ab
S. 11
, beschrieben, verwendet
Vanguard aus Kostengründen keine MSCI-Indizes, sondern Indizes des britischen Anbieters FTSE Russell.
Diese fünf Indizes sorgen zwar in den Medien selten für Schlagzeilen, aber sie weisen dafür viele Vorteile auf. Welche sind das, und was zeichnet diese Indizes im Detail aus?
Der MSCI World bündelt die Industrieländer
Der MSCI World ist der renommierteste und älteste globale Aktienindex, berechnet vom US-Finanzdienstleister MSCI (siehe „Die großen Indexanbieter“,
S. 161
). Viele Großanleger verwenden ihn seit Jahrzehnten als Vergleichsmaßstab (Benchmark), an dem sie ihren Investmenterfolg messen. Sie schauen also, ob sie mit ihren Anlagen besser oder schlechter abschneiden als der MSCI World. Sein Ausgangswert von 100 Punkten wurde per 31. Dezember 1969 festgesetzt. Mitte April 2020 hatte er über 2 000 Punkte erreicht, also 20-mal so viel.
Wenn Sie in einen ETF auf den MSCI World investieren, sind Sie an über 1 600 Aktien großer und mittelgroßer Unternehmen aus 23 Industrieländern beteiligt. Gewichtet werden die Aktien nach ihrem Börsenwert. Den größten Anteil am Index hatten Ende März 2020 die US-Technologiekonzerne Microsoft und Apple mit je gut 3,2 Prozent, gefolgt von Amazon (2,3 Prozent), Alphabet (2,0 Prozent) und Facebook (1,2 Prozent).
Die sieben größten MSCI-World-Mitglieder kommen zusammen nur auf einen Anteil von rund 13 Prozent, während die sieben größten Dax-Unternehmen knapp die Hälfte des deutschen Leitindex ausmachen. Dementsprechend ist die Volatilität, also die Schwankungsbreite, des Dax in der Regel deutlich höher als beim breit aufgestellten MSCI World. Die durchschnittlichen jährlichen Renditen (jeweils einschließlich der wieder angelegten Dividenden) sind langfristig beim MSCI World besser (siehe Grafik „Stabiler Weltindex“). Also klarer Vorteil MSCI World: Die Renditen waren höher und ein Investment weniger riskant.
Stabiler Weltindex
Der Weltaktienindex MSCI World hat auf Zehnjahressicht den Dax bei der Wertentwicklung deutlich hinter sich gelassen – und das bei wesentlich geringeren Wertschwankungen.
Untersuchungszeitraum: 29.1.2010 bis 31.1.2020,
Aber auch der MSCI World ist nicht ohne Fehl und Tadel: US-Aktien sind mit rund 64 Prozent sehr hoch gewichtet, deutsche mit 2,78 Prozent dagegen weitaus weniger stark vertreten, als es ihrem Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung entspricht. Der beläuft sich auf rund 5 Prozent. Grund dafür: Hierzulande ist der Anteil von Unternehmen, die nicht an der Börse gehandelt werden, höher als in anderen Ländern, weil viele deutsche Mittelständler den Gang an die Börse scheuen. Deshalb ist die Marktkapitalisierung, also der Börsenwert aller deutschen Aktiengesellschaften, vergleichsweise gering. Aber daran orientiert sich das Ländergewicht im MSCI World. Das wirtschaftlich deutlich kleinere Großbritannien dagegen ist mit 4,9 Prozent im MSCI World Index fast doppelt so stark vertreten.
Der MSCI World ist vorbildlich: Geringeres Risiko dank Streuung
Ein Index mit möglichst vielen Aktien aus verschiedenen Ländern und Branchen bietet den besten Schutz vor hohen Wertschwankungen. Der MSCI World ist vorbildlich, Dax und Euro Stoxx 50 sind es nicht.
Quelle: Indexanbieter. Stand 31. Januar 2020
MSCI All Country World: Die Schwellenländer nicht vergessen
Aktien aus den aufstrebenden Schwellenländern wie China, Indien oder Südkorea fehlen im MSCI World sogar völlig – allerdings bewusst. Sie sind in einem eigenen Index, dem MSCI Emerging Markets, enthalten, der über 1 400 Unternehmen (Stand Ende März 2020) aus 26 Schwellenländern umfasst. Das größte Gewicht mit 7,1 Prozent weist hier der chinesische Internetkonzern Alibaba auf, der im volkreichsten Land der Erde den Online-Handel dominiert, gefolgt von Tencent (5,9 Prozent), das in China mehrere Social-Media-Dienste anbietet, sowie von Taiwan Semiconductors (4,7 Prozent) und Samsung Electronics (3,9 Prozent). China hat mit über 40 Prozent den höchsten Anteil vor Taiwan mit 12 Prozent.
Ein „echter“ Weltindex, der diesen Namen verdient, ist der MSCI ACWI. Er fasst den MSCI World und den MSCI Emerging Markets und damit fast die gesamte Börsenwelt der großen und mittleren Aktiengesellschaften zusammen. Der Zusatz ACWI steht für All Country World Index. Er enthält über 3 000 Aktien. US-Unternehmen haben hier „nur“ gut 56 Prozent Anteil, Schwellenländer etwa 11 Prozent und Deutschland 2,5 Prozent. Auf den MSCI ACWI gibt es jedoch nicht so viele ETF wie auf seine beiden Einzelteile, zudem liegen die jährlichen Kosten etwas höher. Aber er eignet sich als Basisinvestment, da er auch die wachstumsstarken Schwellenländer umfasst. Die Alternative des Indexanbieters FTSE Russell, der FTSE All World, enthält sogar fast 4 000 Aktien, die Länderanteile unterscheiden sich nur geringfügig vom MSCI All Country World.
HÄTTEN SIE’S GEWUSST?
Der
Dow Jones
, auch nur „Dow“ genannt, ist zwar der bekannteste Index der Welt, aber nach heutigem Maßstab wenig sinnvoll konstruiert.
Korrekt heißt er Dow Jones Industrial Average, also Durchschnitt – und wurde 1896 erstmals publiziert. Er wird nicht nach wissenschaftlichen Methoden berechnet wie moderne Indizes und gewichtet die Aktien nicht wie diese nach dem Börsenwert (der Marktkapitalisierung), sondern nach dem Aktienkurs.
Je höher der Kurs, desto größer der Anteil am Indexniveau. Das wirkt antiquiert – aber der Popularität des Dow tut das keinen Abbruch. Es gibt ETF auf ihn, aber bei Weitem nicht so viele, wie es seinem Bekanntheitsgrad entspricht.
MSCI Europe und Stoxx Europe 600 für den Europafokus
Gerade für deutsche Anleger bieten sich neben dem MSCI World, dem MSCI All County World und dem vergleichbaren FTSE All World auch andere Indizes als Basisanlagen an. Der Grund ist klar: Einen Deutschland-Anteil von weniger als 3 Prozent halten viele für zu gering. Sie können die beiden vorgestellten ETF auf die globalen Indizes mit breiten europäischen ETF ergänzen: auf den MSCI Europe und den Stoxx Europe 600.
Der MSCI Europe enthält rund 440 Aktien großer und mittelgroßer Unternehmen aus 15 europäischen Industrieländern. Großbritannien ist mit knapp 26 Prozent am stärksten vertreten, gefolgt von Frankreich mit 18 Prozent, der Schweiz mit 15 Prozent und Deutschland mit knapp 14 Prozent. Die drei Indexwerte mit der höchsten Gewichtung kommen allesamt aus der Schweiz: Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé mit 3,6 Prozent und die Pharmariesen Roche Holding und Novartis mit 2,6 und 2,2 Prozent. SAP ist als einzige deutsche Aktie mit 1,7 Prozent als siebtgrößter Wert in den Top Ten vertreten.
Die Marktanteile der ETF-Anbieter
Der größte ETF-Anbieter ist iShares. Dahinter verbirgt sich BlackRock, der weltgrößte Vermögensverwalter. Mehr über die einzelnen Anbieter und wer hinter ihnen steckt, erfahren Sie auf
S. 162
.
Quelle: Deutsche Börse, Stand: 31. Dezember 2019
Bei der Branchenverteilung hat der Finanzsektor das höchste Gewicht (rund 18 Prozent), dahinter weisen Konsumgüter, Industrie und Gesundheitswesen jeweils Anteile von rund 14 Prozent auf. Internetunternehmen sind sehr schwach vertreten – ein großer Unterschied also zu den MSCI-World-Indizes. Anleger mit einer Vorliebe für die Technologiebranche sind daher beim MSCI Europe nicht so gut aufgehoben.
Gleiches gilt für den Stoxx Europe 600. Sowohl die Länderaufteilung als auch die größten Indexmitglieder ähneln denjenigen des MSCI Europe. Aber es gibt gravierende Unterschiede: Der Stoxx Europe 600 enthält auch kleine Unternehmen, denn die 600 Aktien sind in jeweils 200 große, mittlere und kleine aufgeteilt. Da Small Caps auf lange Sicht meist bessere Ergebnisse brachten (siehe „Faktoren und Strategien“,
S. 138
) als der Gesamtmarkt, können Anleger auch beim Stoxx Europe 600 auf diesen Effekt setzen, müssen aber auch auf stärkere Kursschwankungen gefasst sein. In den vergangenen fünf und zehn Jahren hat der Stoxx Europe 600 tatsächlich etwas höhere Erträge erzielt als der MSCI Europe.
Welche Basis-ETF gibt es?
Auf alle genannten Basis-Indizes gibt es ETF von mehreren Fondsgesellschaften. Eine ETF-Auswahl finden Sie in der Tabelle „ETF auf diese fünf Aktienindizes eignen sich als Basisanlage“,
S. 54
/
55
. Von den seltsam anmutenden Namen sollten Sie sich nicht beunruhigen lassen, dahinter stehen namhafte Adressen. So verbirgt sich hinter dem Markennamen iShares mit BlackRock die mit Abstand größte Fondsgesellschaft. Das US-Unternehmen ist gleichzeitig weltgrößter Vermögensverwalter und dominiert das deutsche und europäische ETF-Geschäft. Es folgen Xtrackers und und Lyxor mit deutlich geringeren Anteilen (siehe Grafik „Die Marktanteile der ETF-Anbieter“,
S. 53
). Ein Kurzporträt der wichtigsten Fondsgesellschaften finden Sie im Abschnitt „Die großen ETF-Anbieter“ auf
S. 162
. Auf der
S. 161
erhalten Sie auch eine Übersicht über die wichtigsten Indexanbieter.
Quellen: Index- und ETF-Anbieter, Thomson Reuters, Finanztest eigene Berechnungen
Stand: 31. Januar 2020
Was ist mit dem Währungsrisiko?
Wer einen global ausgerichteten Aktien-ETF kauft, sollte wissen, dass er auch ein Währungsrisiko eingeht. Denn zum Kaufzeitpunkt wird der Kurs jeder Aktie oder Anleihe im Heimatland stets mit dem aktuellen Wechselkurs umgerechnet. Im MSCI World beispielsweise notierten Anfang 2020 gut 63 Prozent der Aktien in US-Dollar, rund 11 Prozent in Euro, 8 Prozent in japanischen Yen und 6 Prozent in Pfund. Es ist jedoch relativ egal, ob ein ETF in Euro oder – wie beim MSCI World – die Mehrzahl der Aktien in US-Dollar gehandelt wird. Die Umrechnung aus der Währung der einzelnen Wertpapiere in die Fondswährung verändert den Börsenwert der im Index enthaltenen Aktien nicht. Das ist eine reine Rechenoperation.
Das Risiko – und die Chance – auf Währungsveränderungen ergibt sich einzig und allein aus den Heimatwährungen der einzelnen Aktien. Wenn beispielsweise das britische Pfund an Wert verliert, verliert der Kurs des Pharmakonzerns AstraZeneca oder des Ölriesen BP bei der Umrechnung in Euro oder Dollar in gleichem Maß, und das wirkt sich negativ auf den Kurs eines ETF auf den MSCI World aus.
Ausnahme: Der ETF ist währungsgesichert. In diesem Fall findet sich üblicherweise im Namen des ETF ein Zusatz wie „currency hedged“. Für einige globale oder internationale Indizes wie den MSCI World gibt es die Möglichkeit, währungsgesicherte ETF zu kaufen. Devisenkursschwankungen gleicht der ETF-Anbieter aus, egal ob Gewinne oder Verluste gegenüber dem Euro entstehen. Wechselkursschwankungen spielen dann für die Wertentwicklung keine Rolle mehr.
Doch das hat seinen Preis, die Kosten dieser ETF sind höher als ohne Absicherung. Und da sich zum einen Währungsschwankungen über lange Zeit ausgleichen und zum anderen Gebühren am Ertrag zehren, schaffen es die währungsgesicherten ETF nicht in die Favoritenlisten von Finanztest.
Renten-ETF sorgen für Stabilität
Staatsanleihen senken das Risiko im Depot, weil sie als sicher gelten und die Kurse geringer schwanken als bei Aktien. Die Minizinsen stellen Anleger aber vor neue Herausforderungen.
Jeder langfristig ausgerichtete
Privatanleger sollte neben Aktien, die für den Ertragsanteil zuständig sind, auch auf risikoarme Anlagen setzen. Welche Wertpapiere versteht man darunter? Heimische Staatsanleihen oder Geldmarktanlagen wie Festgeld und Tagesgeld bergen wenig Risiko. Sie bringen feste Zinsen, und am Ende wird das Geld wieder zurückgezahlt. Derzeit sind die Zinsen extrem niedrig, aber dennoch bringen manche Anleihen mehr und andere weniger. Wie viel, hängt vornehmlich von zwei Faktoren ab: zum einen, wie solide ein Schuldner ist, sprich, wie gut dessen Bonität ist (siehe „Gut zu wissen“,
S. 58
), und zum anderen, wie lange das Kapital gebunden ist. In der Regel gilt: Je solider der Schuldner, desto niedriger sind die Zinserträge, und je länger das Geld angelegt wird, desto höher der Zinssatz.
Solide Zinsanlagen zeichnen sich dadurch aus, dass sie üblicherweise viel geringere Wertschwankungen verzeichnen als Aktien und dass sich ihre Kurse zeitweise gegenläufig zu Aktien bewegen. Damit stellen sie eine Art Sicherheitsnetz für jedes Portfolio dar: Das Gesamtdepot gewinnt dadurch an Stabilität. Mithilfe von Renten-ETF (Anleihen werden auch Renten genannt) lässt sich der risikofreie Teil des Depots bequem, breit gestreut und kostengünstig bestücken. ETF haben gegenüber Festgeld oder dem direkten Kauf von Anleihen den Vorzug, dass ihre Laufzeit quasi unbegrenzt ist. Sie als Sparer müssen sich also nicht um die Wiederanlage kümmern. Das Festgeld muss hingegen verlängert werden, die Anleihe wird am Ende der Laufzeit getilgt. Hinzu kommt, dass Sie Renten-ETF für kleine Beträge kaufen können. Der direkte Kauf von Anleihen, insbesondere von Unternehmensanleihen, erfordert dagegen häufig einen relativ hohen Betrag, da sich die Mindeststückelung auf 10 000 Euro oder gar 50 000 Euro belaufen kann. Zudem ist der Börsenhandel bei vielen dieser Wertpapiere nicht sehr liquide, bei ETF dagegen schon.
Renten-ETF bilden wie Aktien-ETF einen bestimmten Index nach, sie sind einem breiten Anlegerkreis allerdings weit weniger bekannt. Dabei gibt es eine große Auswahl, denn Versicherer, Pensionsfonds oder Stiftungen legen einen erheblichen Teil ihrer Kundengelder in Zinspapieren an, meistens einen weitaus größeren als in Aktien. Renten-ETF gewinnen bei ihnen zunehmend an Bedeutung. Entsprechend werden immer neue Rentenindizes konstruiert, um die Bedürfnisse der Großanleger zu erfüllen. Davon profitieren auch Privatanleger, denn ETF-Anbieter offerieren auch ihnen viele davon. Renten-ETF gibt es für Staatsanleihen, Unternehmensanleihen und für Mischungen aus beiden. Und es gibt sie für unterschiedliche Laufzeitsegmente, Währungen und Kreditqualitäten der Schuldner.
Gut zu wissen
Bonität bezeichnet
die Kreditwürdigkeit von Schuldnern. Bei Herausgebern von Anleihen, den „Anleiheemittenten“, wird sie in Noten angegeben. Sie werden von speziellen Ratingagenturen vergeben – für Staats-, Unternehmens- und sonstige Anleihen. Die größten Agenturen sind Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch, alle mit Sitz in den USA. Bei Standard & Poor’s ist AAA die Höchstnote. Dieses „Triple A“ erhalten nur die sichersten Schuldner wie der Staat Deutschland. Frankreich hat AA (Stand März 2020), Italien BBB. Bis BBB– reicht die Skala des „Investmentgrade“, die eine relativ hohe Sicherheit von Zins- und Rückzahlungen ausdrückt. Unterhalb davon beginnen die Hochzinsanleihen, auch „Ramsch-Anleihen“ (englisch Junk Bonds) genannt, mit erhöhtem Risiko. Die schlechteste Note ist D.
Ein Kurzporträt der Anbieter von Rentenindizes finden Sie im Abschnitt „Die großen Indexanbieter“ auf
S. 161
. Besonders viele Renten-ETF gibt es auf die Indizes von Barclays Indices und Markit iBoxx.
Nicht alle Staatsanleihen sind „sichere Häfen“
Als sicherste festverzinsliche Wertpapiere gelten Staatsanleihen. Sie werden von Regierungen aufgelegt, die damit ein Minus im Staatshaushalt finanzieren. Anleger, die Staatsanleihen kaufen, geben dem entsprechenden Land einen Kredit für eine bestimmte Laufzeit – beispielsweise fünf Jahre – und erhalten dafür Zinsen. Da die meisten Staaten pro Jahr mehr Geld ausgeben als sie einnehmen, sind sie auf die Emission von Staatsanleihen angewiesen, um diese Defizite auszugleichen.
Bei Anlegern sind Staatsanleihen beliebt, weil Nationen normalerweise sichere Zahler sind. Sie können schließlich, anders als Unternehmen, über Steuern und andere Abgaben ihre Einnahmen zwangsweise erhöhen und damit Zins- und Rückzahlungen finanzieren. Vor allem in Zeiten wirtschaftlicher Krisen erweisen sich Staatsanleihen oft als
Hort der Stabilität. Viele Anleger trennen sich in diesen Phasen vorsichtshalber von risikobehafteten Investments wie Aktien und flüchten mit dem Geld in Staatsanleihen als „sichere Häfen“. Unternehmensanleihen sind dann wenig gefragt, weil die Risiken einer nicht fristgerechten Rückzahlung durch die Firmen mit einer schwächeren Konjunktur zunehmen und das ihre Kurse drückt. Staatsanleihen dagegen gleichen die Verluste von Aktien mit Gewinnen teilweise aus und sorgen so für ein gewisses Maß an Stabilität des Gesamtdepots.
Allerdings hat die Sicherheit von Staatsanleihen während der Euro-Staatschuldenkrise ab 2011 erhebliche Schrammen abbekommen, weil Griechenland so hohe Kredite aufgetürmt hatte, dass an eine Rückzahlung nicht zu denken war. Mit einem Schuldenschnitt entledigte sich Griechenland zu Lasten der Anleger, darunter auch viele deutsche Sparer, von rund 100 Milliarden Euro Schulden.
Wie hoch die Zinsen sind, die Staaten für Anleihen bezahlen müssen, hängt von der Bonität des jeweiligen Landes ab, also seiner Kreditwürdigkeit. Je höher die Wahrscheinlichkeit eingeschätzt wird, dass Zinsen und Rückzahlungen pünktlich geleistet werden, desto besser fallen die Bonitätsnoten aus. Sie werden von Ratingagenturen wie zum Beispiel Standard & Poor’s vergeben. Die höchste Bonitätsstufe lautet AAA, Triple A genannt, die niedrigste D (siehe „Gut zu Wissen“,
S. 58
).
Die Staatsanleihen der Euro-Länder weisen unterschiedliche Bonitätsnoten auf. Deutschland steht mit AAA an der Spitze, Italien schafft es mit BBB (März 2020) gerade noch in den Investmentbereich. Das ist deshalb wichtig, weil viele Großanleger laut ihren Statuten nur Anleihen mit Investmentgrade kaufen dürfen. Griechenland weist schlechtere Noten als BBB– auf. Und das wirkt sich auch auf Renditen von Renten-ETF aus. Dazu später mehr.
Bundesanleihen bringen negative Renditen
Da Deutschland im EU-Vergleich eine relativ geringe Staatsverschuldung und bis zur Corona-Krise jahrelang Überschüsse in den Haushalten ausgewiesen hat, sind die Renditen deutscher Staatsanleihen am niedrigsten. Mitte April 2020 lagen sie für Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit bei minus 0,5 Prozent, für Frankreich-Bonds bei 0,0 Prozent; Spanien musste 0,8 Prozent bezahlen und Italien 1,8 Prozent. Für Bundesanleihen mit zwei Jahren und mit fünf Jahren Laufzeit gab es Minus-Renditen von jeweils rund 0,7 Prozent. Kaum zu glauben: Anleger zahlen also kräftig drauf, damit sie deutsche Staatsanleihen mit kurzen, mittleren und langen Laufzeiten kaufen dürfen.
Damit Anleger überhaupt Erträge erzielen, müssen sie also bei Bundesanleihen lange Laufzeiten akzeptieren oder einen Korb mit Anleihen verschiedener Euro-Staaten kaufen. Das lässt sich mit Renten-ETF einfach bewerkstelligen. Warum sollen die Anleihen aus den Euro-Staaten sein und nicht aus Japan oder den USA? Weil es im Euroraum kein Währungsrisiko gibt. Da Staatsanleihen den Sicherheitsanker im Portfolio bilden, sollten Wechselkursrisiken vermieden werden – zumindest bei Basisanlagen für langfristige Sparprozesse.
So haben sich Anleiherenditen seit der Euro-Einführung entwickelt
Der längerfristige Trend zeigt abwärts. Ausnahme war die Eurokrise, als die Renditen von Krisenländern wie Italien kräftig stiegen. Besonders stark fielen die Renditen von Bundesanleihen. Die Wertentwicklung von Renten-ETF ging dadurch nach oben.
Quelle: Thomson Reuters. Stand 31. Dezember 2019
Die Renten-ETF mit sicheren Staatsanleihen aus den Euro-Ländern, die Finanztest als „1. Wahl“ empfiehlt, erfüllen diese Anforderungen. In den Bezeichnungen der Fonds stehen dafür oft die englischen Begriffe für Staatsanleihen: Treasuries, Government Bonds oder Sovereign Bonds. Die in der Tabelle „ETF auf diese Anleiheindizes eignen sich als Basisanlage“,
S. 62
/
63
, aufgeführten ETF enthalten nur Staatsanleihen – mit einer Ausnahme: Der iShares Euro Aggregate Bond, der einen Rentenindex des Anbieters Barclays nachbildet, ist mit Staatsanleihen, Unternehmensanleihen und verbrieften Anleihen (wie Pfandbriefen) bestückt. Der eb.rexx wiederum beschränkt sich auf 25 hochliquide deutsche Staatsanleihen. Die anderen vier Renten-ETF bilden Indizes der Anbieter Barclays und Markit iBoxx nach, die Anleihen aus Euro-Ländern mit Investmentgrade enthalten. Griechische und portugiesische Anleihen fehlen damit völlig.
Alle diese vier Indizes bestehen zu einem hohen Prozentsatz aus Anleihen Italiens, Frankreichs und Spaniens. Da dort wegen der geringeren Bonität höhere Zinsen als in Deutschland gezahlt werden, heben sie die Erträge der ETF klar über die Null-Linie. Die Gewichtung der Länder resultiert aus dem ausstehenden Volumen an Staatsanleihen. Da Frankreich und vor allem Italien viel höher verschuldet sind als Deutschland, stammt beim Barclays Euro Treasury Index und beim Markit iBoxx EUR Sovereigns Eurozone jeweils rund ein Viertel des Index aus Anleihen der beiden Länder, Deutschland
kommt auf rund 16 Prozent, Spanien auf rund 14 Prozent (Ende Januar 2020). Die Laufzeiten sind breit gestreut und liegen meist zwischen 1,5 bis 15 Jahren. Durch die langen Laufzeiten wird gewährleistet, dass die Renten-ETF noch eine akzeptable Rendite erwirtschaften, und durch die kurzen, dass das Zinsänderungsrisiko, also die Gefahr von Kursverlusten, nicht zu groß wird.
Steigende Renditen lassen die Anleihekurse fallen
Das waren noch Zeiten für Zinsjäger: 1982 brachten italienische Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit mehr als 15 Prozent Rendite, deutsche zehnjährige Bundesanleihen über 9 Prozent. Danach aber ging es mit den Anleihezinsen in Etappen immer weiter bergab – bis zu minus 0,9 Prozent im März 2020 für deutsche Staatsanleihen. Dieser Zinsabbau hat dafür gesorgt, dass die Anleihenkurse stetig gestiegen sind. Denn die Kurse der Anleihen bewegen sich gegenläufig zu den Renditen. Fallen die Marktzinsen, steigen die Kurse der Anleihen, klettern die Marktzinsen, dann verlieren die Anleihen an Wert. Das klingt komplizierter, als es ist.
Beispiel: Anleger A hat eine Anleihe mit einem Zinssatz von 1,0 Prozent gekauft. Nun aber steigt die Marktrendite für das entsprechende Anleihesegment auf 2,0 Prozent. Seine Anleihe ist damit weniger wert geworden. Er könnte sie nicht mehr verkaufen, weil andere Anleger natürlich Anleihen mit 2 Prozent Rendite einem Papier mit einem Prozent vorziehen. Der Renditeausgleich erfolgt über den Kurs der Anleihe von Anleger A: Er fällt so lange, bis die Rendite das neue Zinsniveau von 2 Prozent erreicht. Die Kursveränderungen der Anleihen sind umso stärker, je länger die Laufzeit ist.
4 TIPPS ZU RENTEN-ETF
1
Mix.
Ob Zinsen steigen, niedrig bleiben oder fallen, weiß keiner. Mit einem Mix aus Tagesoder Festgeld sowie Renten-ETF sind Sie für alle Fälle gewappnet.
2
Auswahl.
Mit ETF legen Sie am bequemsten in Anleihen an. Wählen Sie ETF mit Anleihen, die auf Euro lauten. Achten Sie auf einen Mix aus Staats- und Unternehmensanleihen unterschiedlicher Laufzeiten. Geeignete ETF finden Sie in der Tabelle „ETF auf diese Anleiheindizes eignen sich als Basisanlage“ auf
S. 62
/
63
.
3
Zinswende.
Rechnen Sie mit Kursverlusten bei Renten-ETF, wenn die Zinsen steigen. Wie stark und lange sie ins Minus rutschen, hängt von der Höhe und der Dauer des Zinsanstiegs, der Anleihenart und dem Ausgangsniveau ab.
4
Tagesgeld.
Wenn Sie Risiken scheuen und mögliche Kursverluste vermeiden wollen, investieren Sie nur in Tages- und Festgeld (Topangebote finden Sie gegen eine Gebühr von 2 Euro unter
test.de/zinsen
).
Was sagen Duration und modifizierte Duration aus?
Duration lässt sich ganz einfach mit Kapitalbindung übersetzen. Die Kennziffer zeigt also, wie lange das Kapital nicht verfügbar ist, oder anders gesagt, wann eine Anleihe zurückgezahlt wird. Für ein ETF-Portfolio zeigt sie den Durchschnitt der Restlaufzeiten. Noch hilfreicher für Anleger ist die modifizierte Duration, die das Kursrisiko oder die Kurschance ausdrückt. Die Kennzahl gibt an, um wie viel sich der Anleihekurs verändert, wenn es zu einer 1-prozentigen Zinssatzänderung kommt. Eine modifizierte Duration von 5 Prozent bedeutet also, dass der Kurs des ETF um etwa 5 Prozent fällt, wenn der Marktzins um 1 Prozent steigt (und entsprechend um 5 Prozent klettert, wenn der Zins um 1 Prozent fällt). Besonders dann wird es wichtig, auf diese Kennzahl zu achten, sobald sich die Anzeichen für eine Zinswende an den Rentenmärkten verdichten. Wie es in Europa und weltweit nach der Corona-Krise mit den Zinsen weitergeht, weiß allerdings keiner.
Unternehmensanleihen locken mit Zinsvorteilen
Nicht nur Staaten, sondern auch viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren Anleihen aufgelegt. Damit können sie das extrem niedrige Zinsniveau für längere Zeit festschreiben, als dies üblicherweise bei Bankkrediten der Fall ist.
Für Anleger bieten Unternehmensanleihen – englisch: Corporate Bonds – eine Möglichkeit, höhere Renditen als mit Staatsanleihen zu erzielen. Auf einzelne Papiere zu setzen ist wegen der geringen Handelbarkeit und der oft hohen Mindeststückelung kaum zu empfehlen oder oft gar nicht möglich. Renten-ETF, die Indizes von Unternehmensanleihen nachbilden, sind eine elegante Lösung, um diese Hürden zu überwinden und mit einer breiten Streuung die Risiken zu verringern. Allerdings hat die Niedrigzinsphase auch die Renditen von Corporate Bonds gedrückt, vor allem seit die EZB ihr Anleihekaufprogramm auf diese Papiere mit einer Bonitätsnote bis zu BBB ausgedehnt hat. Der Renditevorsprung von Unternehmensanleihen gegenüber Staatsanleihen ist seither geschrumpft. Dennoch bieten sie überdurchschnittlich hohe Renditen.
Wer nicht ganz risikoscheu ist, kann als Basisanlage einen ETF wählen, der einen Mix aus Staats- und Unternehmensanleihen gemischter Laufzeiten enthält wie beispielsweise den Barclays Euro Aggregate (siehe Tabelle „ETF auf diese Anleiheindizes eignen sich als Basisanlage“,
S. 63
).
Spezial-ETF für besondere Anlageideen
ETF gibt es nicht nur auf Aktien oder Anleihen, sondern auch auf Rohstoffe wie Gold. Aber auch bewährte Strategien oder neuere Denkansätze eröffnen ETF-Anlegern Möglichkeiten.
Aktive Anleger,
die mehr als nur Aktien- und Anleihen-ETF wollen, weil sie sich viel mit dem Börsengeschehen beschäftigen und eigene Ideen oder besondere Strategien umsetzen möchten, finden eine reichhaltige Auswahl. Denn ETF gibt es für fast alle Länder und Regionen, für viele Branchen und Themen wie zum Beispiel Digitalisierung oder Gesundheit oder auch auf Rohstoffe wie Gold, Silber oder Öl. (Mehr dazu siehe „ETF für Fortgeschrittene“, ab
S. 127
). Auch wer ökologisch anlegen will, findet zunehmend mehr Aktien-ETF, die entsprechende Kriterien berücksichtigen (siehe Abschnitt „Nachhaltig investieren“,
S. 88
).
Spezial-ETF sollten Aktien- und Anleihen-ETF nicht ersetzen, sondern taugen eher als Ergänzung.
Vielleicht haben Sie aber auch von den trendigen Faktor-ETF, auch Smart Beta genannt, gehört? Besonders stark wächst das Angebot an Papieren, die Aktienindizes nachbilden, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen konstruiert sind. So können etwa die Aktien in einem ETF alle mit dem gleichen Gewicht vertreten sein. Stark angesagt sind auch Strategien, mit denen Anleger zum Beispiel auf Small Caps (Nebenwerte) oder Value-Aktien (Substanz) setzen. Zugegeben, uns überzeugen hier nicht alle Ideen. Doch einige Ansätze waren erfolgreich und liefern auch langfristig ordentliche Ergebnisse. Mehr dazu: „Faktoren und Strategien“,
S. 138
.
Spezial-ETF sollten die klassischen Aktien- und Anleihen-ETF nicht ersetzen, sondern taugen eher als Ergänzung. Die Kreativität der Anbieter ist groß, daher sollten Sie abwägen, ob die Papiere Ihre persönlichen Erwartungen erfüllen. Wichtig ist auch zu wissen, dass neben den Aktien- oder Anleihen-ETF auch Indexpapiere angeboten werden, die weniger sicher sind, wie Exchange Traded Commodities (ETC) oder Exchange Traded Notes (ETN). Hier sind Sie nicht an Sondervermögen beteiligt, sondern kaufen eine Schuldverschreibung und sind im Konkursfall des Anbieters wenig geschützt.