Anatomie & Physiologie im Fokus
(nach Schwegler u. Lucius 2016)
Herz-Kreislauf-System im Überblick
Das Herz ist ein muskulöses Hohlorgan und etwas größer als die geschlossene Faust des jeweiligen Menschen. Es wiegt ca. 250 – 350 g und liegt im Mittelfellraum (Mediastinum) zwischen den beiden Lungenflügeln. Das Herz hat die Funktion, den gesamten Organismus mit Blut zu versorgen. Täglich werden mehr als 7000 Liter Blut durch den Körper gepumpt ( ▶ Abb. 32.1).
Das Herz versorgt im Sinne einer Saug- und Druckpumpe den gesamten Organismus mit Blut.
Abb. 32.1
Aufbau des Herzens
Von außen nach innen können 4 Gewebeschichten differenziert werden:
Perikard: derbes Bindegewebe, das das Herz umschließt
Epikard: fein strukturierte und glatte Schicht. Zwischen Perikard und Epikard befindet sich ein Spalt mit Flüssigkeit, der für die Reibungslosigkeit der Bewegung des Herzens sorgt
Myokard: besteht aus glatter und quer gestreifter Muskulatur
Endokard: flache einzellige Gewebsschicht, die die Herzwände innen auskleidet
Zwischen Vorhöfen und Kammern ( ▶ Abb. 32.2) und zwischen den Kammern und den daran anschließenden Arterien befinden sich Herzklappen ( ▶ Abb. 32.3). Sie bestehen aus Falten des Endokards und arbeiten wie Ventile. Sie gewährleisten, dass das Blut in die richtige Richtung gepumpt wird und nicht zurückfließen kann ( ▶ Tab. 32.1 ).
Herzklappe |
Klappenart |
Funktion |
Trikuspidalklappe |
Dreizipflige Segelklappe |
Einlassventil zwischen rechtem Vorhof und rechter Herzkammer |
Mitralklappe |
Zweizipflige Segelklappe |
Einlassventil zwischen linkem Vorhof und linker Herzkammer |
Pulmonalklappe |
Taschenklappe |
Auslassventil von der rechten Herzkammer in den Lungenkreislauf |
Aortenklappe |
Taschenklappe |
Auslassventil zwischen linker Herzkammer und Körperkreislauf |
Aufbau.
Abb. 32.2 Rechtes und linkes Herz sind durch die Herzscheidewand getrennt. Die Hohlräume jeder Herzhälfte werden als rechter und linker Vorhof sowie rechte und linke Herzkammer bezeichnet.
Aufbau.
Abb. 32.3 Mitralklappe und Trikuspidalklappe werden als Segelklappen bezeichnet; Aortenklappe und Pulmonalklappe als Taschenklappen.
Herzaktion
Damit das Herz effektiv pumpen kann, muss gewährleistet sein, dass alle Herzmuskelzellen koordiniert zusammenarbeiten. Der Arbeitszyklus umfasst 4 Phasen ( ▶ Tab. 32.2 ), die kontinuierlich nacheinander ablaufen:
Bezeichnung |
Phase |
Diastole |
Entspannungsphase: Blut strömt aus den Venen in beide Vorhöfe. Alle Herzklappen sind geschlossen. |
Füllungsphase: Die Muskulatur der Kammern ist erschlafft. Aufgrund des niedrigeren Drucks in den Herzkammern öffnen sich die Segelklappen. Die Taschenklappen bleiben verschlossen. |
|
Systole |
Anspannungsphase: In den Kammern zieht sich die Muskulatur zusammen. Da die Taschenklappen geschlossen bleiben, steigt der Druck in den Herzkammern weiter an, sodass sich die Segelklappen schließen. |
Austreibungsphase: Mit zunehmendem Druck in den Ventrikeln öffnen sich die Taschenklappen und das Blut kann in den großen und kleinen Kreislauf ausgestoßen werden. |
Entspannungs- und Füllungsphase (Diastole)
Anspannungs- und Austreibungsphase (Systole)
Funktion des Herz-Kreislauf-Systems
Zusammen mit den Blutgefäßen bildet das Herz das Herz-Kreislauf-System. Es hat die Funktion einer zentralen Pump- und Verteilungsstation. So wird Sauerstoff- und nährstoffreiches Blut zu den Körperzellen hin- und Stoffwechselendprodukte abtransportiert. Folgende Blutgefäße werden nach ihrer Funktion unterschieden:
Arterien: Sie transportieren das Blut vom Herzen weg.
Kapillare (Haargefäße): Hier findet der Austausch von Sauerstoff, Nährstoffen und Stoffwechselendprodukten statt. Sie bilden die Verbindung zwischen Arterien und Venen.
Venen: Sie führen das Blut zum Herzen hin.
Die rechte Herzhälfte versorgt den kleinen Kreislauf (Lungenkreislauf) und die linke Herzhälfte den großen Kreislauf (Körperkreislauf). Der große Kreislauf beginnt mit der Austreibung sauerstoffreichen Blutes aus der linken Herzkammer in die Aorta und das Blut gelangt von dort über das weit verzweigte Arteriennetz in den gesamten Körper bis in die kleinsten Arteriolen hin zu den Kapillaren. Nachdem Sauerstoff an die Zellen abgegeben und Kohlendioxid aufgenommen wurde, wird das Blut über Venolen zu den Venen in die obere und untere Hohlvene (V. cava superior und V. cava inferior) transportiert. Über den rechten Vorhof gelangt das Blut in die rechte Herzkammer ( ▶ Abb. 32.4).
Die Herzkranzgefäße.
Abb. 32.4 Es entspringen 2 Koronargefäße über der Aorta kurz oberhalb der Aortenklappen. Die linke und rechte Herzkranzarterie teilen sich in mehrere Äste. Die rechte Herzkranzarterie, Arteria coronaria dextra, versorgt die Hinterwand des Herzens und das Septum. Die Arteria coronaria sinistra versorgt die Vorderwand des Herzens und den vorderen Teil des Septums sowie die äußere Seite der linken Kammer. Das linke Herzkranzgefäß teilt sich nach ca. einem Zentimeter, weshalb von 3 Koronararterien gesprochen wird. Die abgehenden Äste nennt man Ramus (Ast) circumflexus und Ramus interventricularis anterior.
(Abb. aus: Schünke M., Schulte E., Schumacher U.: Prometheus LernAtlas aus Anatomie. Illustrationen von Voll M. und Wesker K., 5. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2018.)
Blutfluss.
Abb. 32.5 Die rechte Herzkammer führt Blut zur Lunge; die linke Herzkammer zu den übrigen Organen.
Das sauerstoffarme Blut fließt nun in den Lungenkreislauf, weiter in die rechte und linke Lungenarterie (A. pulmonalis), wo es über Kapillaren zu den Alveolen fließt ( ▶ Abb. 32.5). Dort erfolgt der Gasaustausch, indem das Blut Kohlendioxid abgibt und Sauerstoff aufnimmt. Das mit Sauerstoff angereicherte Blut gelangt über die 4 Lungenvenen (Vv. pulmonales) zum linken Vorhof und zurück zur linken Herzkammer wieder in den großen Kreislauf.
Erregungsbildung und Erregungsleitung
Die Herzarbeit wird durch elektrische Impulse ausgelöst und gesteuert. Diese beiden Funktionen übernimmt das Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem ( ▶ Abb. 32.6). Das Herzleitungssystem hat folgenden Aufbau:
Sinusknoten: Er besteht aus einer Ansammlung spezialisierter Zellen im rechten Vorhof und wird auch als „natürlicher Schrittmacher“ des Herzens bezeichnet, weil er elektrische Erregungen bildet und als Taktgeber der Herzmuskulatur fungiert. Die Eigenfrequenz des Sinusknotens beträgt in Ruhe etwa 70–80 „Erregungen“ in der Minute.
Atrioventrikularknoten (AV-Knoten): Die elektrischen Erregungen des Sinusknotens breiten sich in den Vorhöfen bis zum AV-Knoten, einem Zellverband am Übergang der Vorhof-Kammer-Grenze, aus. Hier wird die Erregung verzögert und von dort weitergeleitet.
His-Bündel: Es liegt direkt unterhalb des AV-Knotens und leitet die Erregungen bis in die Innenschicht der Muskulatur der Herzkammern. Dort teilt sich das His-Bündel in 3 Äste auf.
Tawara-Schenkel: 2 linke und 1 rechter Schenkel leiten die Erregungen bis zur Papillarmuskulatur und zu den noch weiter verzweigten Purkinje-Fasern.
Um sich an wechselnde Anforderungen und an einen wechselnden Sauerstoffbedarf anpassen kann, wird die Herzfunktion über hormonelle und neurale Regelkreise gesteuert. Sie beeinflussen die Pumpfunktion des Herzens und regulieren den Blutfluss über eine Weit- bzw. Engstellung der Blutgefäße. Das Zentralnervensystem (ZNS) hat durch Nerven des Sympathikus und des Parasympathikus (N. vagus) Einfluss auf die Reizleitung des Herzens. Der Sympathikus gibt Signale, wenn die Leistung des Herzens gesteigert (z. B. Frequenzerhöhung) und der Parasympathikus, wenn die Arbeit des Herzens gedrosselt werden soll (z. B. Frequenzsenkung).
Erregungsbildung und Erregungsleitung.
Abb. 32.6 Die elektrische Erregung beginnt im Sinusknoten, breitet sich über die Vorhöfe zum AV-Knoten aus und wird von dort weitergeleitet.
Aufgabe des Herz-Kreislauf-Systems
Zusammenfassend hat das Herz-Kreislauf-System folgende Aufgaben:
Versorgung des Organismus mit Sauerstoff und den aufgenommenen Nährstoffen aus dem Verdauungstrakt.
Abtransport von Kohlenstoffdioxid und anderer Stoffwechselendprodukte aus dem Organismus.
Transport von Hormonen zwischen einzelnen Organsystemen sowie von Komponenten der Immunabwehr und der Blutgerinnung.
Thermoregulation über Wärmetransport und -verteilung.
Lebensphase Kind
Mechthild Hoehl
Pflege von Kindern mit angeborenen Herzfehlern
Medizinischer Überblick
Angeborene Herzfehler (auch Vitien genannt) sind mit einer Häufigkeit von 0,8% die häufigsten Fehlbildungen des Menschen. Zu ihnen gehören Fehlbildungen des Herzens oder der großen Gefäße, der Herzscheidewand, pathologische Shunts, Fehlbildungen von Herzanteilen sowie Erkrankungen der Herzklappen.
Die Auswirkungen der angeborenen Herzfehler sind entsprechend unterschiedlich. Zum Teil handelt es sich um einfache Fehler, die das Herz-Kreislauf-System wenig beeinträchtigen und sich mit der Zeit spontan zurückbilden können. Circa 40% der Fehlbildungen benötigen jedoch eine besondere ärztliche Betreuung und mitunter mehrere Operationen. Sie sind ohne Therapie lebensbedrohlich, häufig auch nach mehreren Operationen weiterhin lebensbeeinträchtigend. Mittlerweile erreichen jedoch durch die Fortschritte der modernen Medizin in den Bereichen Kinderkardiologie, Herzchirurgie und Kardioanästhesie 90% der Patienten mit angeborenen Herzfehlern das Erwachsenenalter.
▶ Tab. 32.3 zeigt die Häufigkeit einzelner Herzfehler auf und stellt die häufigeren Formen in einer Kurzbeschreibung dar.
Abkürzung |
Bezeichnung |
Häufigkeit |
VSD |
Ventrikelseptumdefekt (Kammerdefekt)
|
31% |
ASD |
Atriumseptumdefekt (Vorhofseptumdefekt)
|
7% |
PDA |
Persistierender Ductus arteriosus
|
7% |
PaV |
Pulmonalklappenstenose
|
7% |
ISTA |
Aortenisthmusstenose
|
5–8% |
AoV |
Aortenklappenstenose
|
3–6% |
TOF |
Fallot-Tetralogie
|
5,5% |
AVSD |
Atrioventrikulärer Septumdefekt
|
4,8% |
TGA |
Transposition der großen Gefäße
Achtung: Die Gabe von Sauerstoff bei Zyanose kann in den ersten Lebensstunden das Verschließen der pränatalen Shunts beschleunigen! |
4,5% |
HLHS |
Hypoplastisches Linksherzsyndrom
|
3,8% |
weitere, seltenere Herzfehler sind: |
||
PA+VSD |
Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt |
2,5–3,4% |
PA |
Pulmonalatresie ohne Ventikelseptumdefekt |
2,4% |
TrA |
Trikuspidalatresie |
1–2% |
DIV |
Double inlet left ventricle (singulärer Ventrikel) |
1,5% |
DORV |
Double outlet right ventricle |
1,2% |
CCT |
Angeboren-korrigierte Transposition der großen Gefäße |
1% |
TAC |
Truncus arteriosus communis |
0,5–1% |
HOCM |
Hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie |
0,4% |
Suprav. AS |
Supravalvuläre Aortenstenose (Williams-Beuren-Syndrom) |
0,4% |
Pflege- und Behandlungsplan
Erstmaßnahmen nach der Geburt
Beobachtung und Vitalzeichenkontrolle
Ist der Herzfehler nicht schon durch die pränatalen Ultraschalluntersuchungen bekannt, ist es eine zentrale Aufgabe des betreuenden Pflegepersonals, Herzkrankheiten bei Kindern zu erkennen und rasch einer geeigneten Diagnostik und Therapie zuzuführen.
Anzeichen eines Herzfehlers können sein:
Trinkschwäche, schnelle Ermüdung, Schwitzen beim Trinken
Tachy-Dyspnoe bei Belastung
blasse Hautfarbe
Zyanose bei Belastung oder bereits in Ruhe bei „zyanotischen Vitien“
geringe Sauerstoffsättigung bei der Pulsoxymetrie
Herzrhythmusstörungen, abweichende Herzfrequenzen
auffällige Herzgeräusche bei der U2
Bei auffälligen Neugeborenen muss eine gewissenhafte Vitalzeichenkontrolle mit Erfassung von Pulsfrequenz und -qualität durchgeführt werden sowie eine Blutdruckmessung an allen 4 Extremitäten. Besteht der Verdacht auf eine Herzerkrankung, wird das Kind so rasch wie möglich in eine neonatologische Abteilung überführt und an eine Dauer-EKG-Monitorüberwachung mit Pulsoxymetrie angeschlossen. Die weitere Diagnostik mithilfe der Echokardiografie muss so bald wie möglich folgen.
Merke: Bei zyanotischen Vitien kann die Gabe von Sauerstoff zum Verschluss der pränatalen Shunts führen und die Situation verschlechtern. Daher sollte eine Sauerstoffgabe bei Verdacht auf eine kardiale Fehlbildung immer ärztlich angeordnet werden!
Ernährung
Viele kleine Mahlzeiten sind nicht nur wegen der Trinkschwäche hilfreich, sondern auch um den Bauch nicht zu sehr zu füllen und die Atembeschwerden durch einen vollen Magen zu erhöhen. Trink- oder Stillversuche sind sinnvoll und ratsam, da sie das Kind beruhigen, sie sollen jedoch das Kind nicht zu sehr belasten. Bei einem erschöpften oder schlafenden Kind kann es hilfreich sein, die Nahrung per Magensonde zu verabreichen.
Bei größeren Kindern mit schweren Herzfehlern liegt häufig eine Gedeihstörung vor. Eine Kalorienanreicherung der Nahrung erleichtert nach Rücksprache mit den Ärzten und Ökotrophologen das Wachsen und Gedeihen der Kinder.
Durch tägliche Gewichtskontrollen wird das Gedeihen neugeborener herzkranker Kinder überprüft, allerdings können Flüssigkeitseinlagerungen die ermittelten Körpergewichte verfälschen.
Atmung
Die Atmung wird gewissenhaft auf Anzeichen einer pulmonalen Belastung, pulmonalen Hochdruck, aber auch auf beginnende pulmonale Infekte hin überprüft. Diese stellen bedrohliche Komplikationen bei einem herzkranken Kind dar. Pflegende und Besucher mit Infekten sollten sich den Kindern – wenn überhaupt – nur mit Mundschutz nähern. Der Kontakt zu infektkranken Krankenhauspatienten sollte unterbunden werden. Eine RSV-Prophylaxe auf ärztliche Anordnung bewahrt herzkranke Säuglinge vor schweren viralen Atemwegsinfekten.
Ist die Atmung erschwert, wird das Kind mit dem Oberkörper erhöht gelagert. Bei hypoxischen Krisen, wenn das Kind schlagartig blau oder fahlgrau anläuft, werden dem Kind die Beine an den Körper gedrückt oder es in eine Hockstellung gebracht, um den Kreislauf wieder zu normalisieren ( ▶ Abb. 32.7).
Abb. 32.7 Hypoxie.
Als Erstmaßnahme bei einem Säugling mit einer hypoxischen Krise werden die Knie des Kindes an seine Brust gepresst. Dadurch wird die Durchblutung der Beine vermindert, der Widerstand im Körperkreislauf erhöht und es wird mehr Blut in die Lunge gepresst.
(Abb. aus: Hoehl M, Kullick P. Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Thieme; 2012)
Ausscheidung
Zudem wird die Flüssigkeit bilanziert, um eine verminderte Diurese durch die Kreislaufschwäche rechtzeitig zu erkennen und ggf. auf ärztliche Anordnung diuretisch zu behandeln. Ödeme, v.a. ein Lungenödem, stellen eine bedrohliche Komplikation bei herzkranken Kindern dar.
Eine auftretende Oligurie kann bei einer Aortenisthmusstenose auf eine akute Minderdurchblutung der Niere bei einem Verschluss der Stenose hinweisen.
Neben der reduzierten Urinausscheidung kann es auch zur Obstipation kommen. Da das Pressen beim Stuhlgang kardiale Probleme oder pulmonale Hypertonien verstärken kann, sollte auf erste Anzeichen einer Obstipation mit stuhlregulierenden Maßnahmen reagiert werden.
Medikamentengabe
Die Verabreichung von Medikamenten gestaltet sich bei Kindern mit Herzproblemen mitunter schwierig. Die Medikamente sind hochwirksam, aber auch nebenwirkungsreich, die therapeutische Breite bei Digitalis, ausschwemmenden oder blutdrucksenkenden Medikamenten ist gering, Herzrhythmusstörungen, Übelkeit, Erbrechen, Elektrolytverschiebungen, Müdigkeit und andere Nebenwirkungen sind häufig. Daher ist eine genaue Dosierung und sichere Anwendung zu beachten. Die Einführung der Medikamente erfolgt unter Monitorkontrolle im Krankenhaus, um bei auftretenden Problemen schnell reagieren zu können. Medikamententropfen werden mit einem Löffel oder vermischt mit ein wenig (sehr wenig) Wasser oder Tee mit einer Spritze verabreicht. Sollte das Kind das Medikament ausspeien oder verweigern, muss eine eventuell andere oder erneute Gabe mit dem Kinderkardiologen abgesprochen werden. Pflegende und Bezugspersonen des Kindes müssen über Wirkungen und Nebenwirkungen der Medikamente informiert sein. Eltern sollten rechtzeitig vor der Entlassung in die Gabe der dauerhaft benötigten Medikamente mit einbezogen werden.
Begleitung und Anleitung
Eine Herzerkrankung des Kindes löst bei den Eltern zu Recht existenzielle Ängste um ihr Kind aus. Bindungsschwierigkeiten können während des Krankenhausaufenthaltes oder danach auftreten. Eine gute Begleitung, eine ausführliche Aufklärung der medizinischen Themen, aber auch die Anleitung im bindungsförderlichen Umgang mit dem Kind sind wichtig, um das Leben der Kinder auch längerfristig förderlich zu gestalten. Eine sozialmedizinische Nachsorge, Überleitungspflege oder Betreuung durch eine Familienkinderkrankenschwester erleichtert den Familien den Übergang in die relative Normalität des Familienlebens nach einem längeren Krankenhausaufenthalt. Zudem kann der Kontakt der Familien zu Selbsthilfegruppen sehr hilfreich sein.
Bei der koronaren Herzkrankheit (KHK, ischämische Herzkrankheit) kommt es durch atherosklerotische Veränderungen in den Koronararterien ( ▶ Abb. 32.4) zu einer Verengung (Stenose) der Arterien. Die Stenose führt zu einer Durchblutungsstörung im entsprechenden Herzmuskelareal, wodurch ein Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und Sauerstoffangebot entsteht. Die Schwere dieses Missverhältnisses ist abhängig vom Ausmaß und von der Lokalisation der arteriosklerotischen Veränderungen.
Die Minderversorgung kann kurzfristig auftreten oder über längere Zeit bestehen, sodass der Herzmuskel geschädigt wird. Durch die Myokardischämie kommt es zu unterschiedlichen Manifestationsformen (Herold et al. 2016):
Asymptomatische KHK (stumme Ischämie)
Symptomatische KHK mit unterschiedlicher Ausprägung
Stabile Angina pectoris – Brustschmerzen (Stenokardien) infolge der reversiblen Myokardischämie
Akutes Koronarsyndrom (ACS) – instabile Angina pectoris
Ischämische Herzmuskelschädigung (Herzinfarkt)
Herzrhythmusstörung
Plötzlicher Herztod
In den Industrienationen ist die KHK die häufigste Todesursache. In Deutschland werden jährlich 20 % der Todesfälle durch eine KHK verursacht.
Ursächlich für eine KHK ist die Arteriosklerose. Ihre Entstehung ist in ▶ Abb. 32.8 dargestellt. Ablagerungen in den Gefäßen, sog. Plaques, können das Gefäßlumen verstopfen, sodass die Koronarperfusion dramatisch eingeschränkt bzw. komplett unterbrochen wird (Herzinfarkt).
Lebensphase alter Mensch
Arteriosklerose
Die Arteriosklerose (auch Atherosklerose) ist eine Systemerkrankung der Arterien, in denen es zu Ablagerungen von Blutfetten, Thromben und bindegewebigen Verhärtungen kommt.
Dieser Prozess kann den normalen Elastizitätsverlust der Gefäße im Alter beschleunigen und nahezu in allen Gefäßen des Körpers zu Engstellen und Verschlüssen führen, die die Durchblutung einschränken. Diese chronisch fortschreitende Veränderung der Gefäßwände kann in großen und kleinen arteriellen Gefäßen auftreten und z.B. beim Befall
zerebraler Arterien zum Schlaganfall,
der Koronararterien zur KHK oder
der Beinarterien zu einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) führen.
Kommt es zum Aufbrechen einer Plaque und zur Thrombusablagerung in einem Koronargefäß, kann das Gefäßinnere verstopft und die Koronardurchblutung dramatisch eingeschränkt bzw. komplett unterbrochen werden (Herzinfarkt).
Schematische Darstellung der Atherogenese.
Abb. 32.8 a Intaktes Gefäß, b Schädigung im Bereich des Endothels (violett), c Lymphozyten und Monozyten heften sich an und wandern in die Media ein. d Lipide werden in der Intima angehäuft. e Gefäßmuskelzellen wandern in die Plaque ein, f durch Anlagerung von Thrombozyten wächst die Plaque. g Die Plaque reißt und kann das Gefäß verschließen.
Erst ab einer Gefäßlumeneinengung von über 70 % kommt es unter Belastung zur Unterversorgung des Myokards. Deshalb treten Symptome erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Sklerose auf. Je nachdem wie viele der 3 Koronargefäße eine Stenose von mehr als 70 % aufweisen, wird von einer 1-Gefäß-, 2-Gefäß- oder 3-Gefäß-Erkrankung gesprochen.
Das Leitsymptom der koronaren Herzkrankheit ist der Angina-pectoris-Schmerz. Durch den Sauerstoffmangel kann es zur Übersäuerung im Herzmuskelgewebe kommen und Schmerzen verursachen, was als Angina pectoris bezeichnet wird (Brustenge – Stenokardie). Der Angina-pectoris-Schmerz wird folgendermaßen beschrieben:
Zeitpunkt: im Anfangsstadium der KHK v.a. bei körperlicher bzw. psychischer Belastung oder z. B. durch einen Kältereiz oder nach einer opulenten Mahlzeit
Empfinden: vernichtendes Engegefühl in der Brust, Druck oder Engegefühl retrosternal (hinter dem Brustbein), evtl. ausstrahlend in den linken Arm, den Hals, Unterkiefer, Rücken oder Oberbauch ( ▶ Abb. 32.9)
Mögliche Schmerzausstrahlung bei Angina-pectoris-Beschwerden.
Abb. 32.9
Intensität: bohrend, brennend, drückend
Dauer: lässt meist bei körperlicher Entlastung innerhalb weniger Minuten nach
Merke
Bei Frauen können sich im Vergleich zu Männern andere Symptome der KHK zeigen. Bei ihnen ist die Diagnosestellung häufig erschwert, weil nicht selten unspezifische gastrointestinale Beschwerden im Vordergrund stehen.
Die Anzahl der KHK-Neuerkrankungen (Inzidenzrate) nimmt mit dem Alter zu. In Deutschland sind ca. 1,5 Millionen Menschen betroffen. Davon sind ca. 80% über 65 Jahre alt. In den Industrienationen ist die KHK die häufigste Todesursache. In Deutschland werden jährlich 20% der Todesfälle durch eine KHK verursacht.
Es wird zwischen einer latenten KHK, die ohne Symptome verläuft (stumme Ischämie), und einer manifesten KHK mit Symptomen unterschieden. Hier sind die beiden wichtigsten manifesten Formen aufgeführt:
Stabile Angina pectoris Sie ist belastungsabhängig, d.h., der Angina-pectoris-Anfall tritt in körperlichen oder seelischen Stresssituationen auf (z.B. beim Treppensteigen oder in Konfliktsituationen). Die Beschwerden vergehen nach wenigen Minuten in Ruhe oder durch den Einsatz von Medikamenten (z.B. Nitrospray). Diese Form der Angina pectoris kann über viele Jahre „stabil“ bleiben.
Instabile Angina pectoris Nehmen die Beschwerden gegenüber den vorausgegangenen Angina-pectoris-Anfällen in ihrer Intensität oder Dauer zu bzw. nimmt die Auslöseschwelle ab, dann wird von einer instabilen Angina pectoris gesprochen. Die instabile Situation kann sich auch dadurch auszeichnen, dass der Angina-pectoris-Schmerz spontan in Ruhe auftritt, z.B. nachts aus dem Schlaf heraus. Häufig liegt eine fortgeschrittene koronare Mehrgefäßerkrankung vor. Die betroffenen Patienten sprechen nur verzögert auf nitrathaltige Medikamente an. Intensität, Anfallsdauer und Häufigkeit der Schmerzen nehmen zu. Es besteht eine erhöhte Herzinfarktgefahr!
Folgende Risikofaktoren können zur Schädigung der Gefäßinnenwand beitragen:
Lebensalter (Männer: > 45 Jahre, Frauen: > 55 Jahre)
ungesunder Lebensstil (ungesunde Ernährung, Rauchen)
familiäre Disposition
Übergewicht, Bewegungsmangel
Stress
Bluthochdruck (arterielle Hypertonie)
Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 (> 50 % aller KHK-Patienten haben eine gestörte Glukosetoleranz oder leiden an Diabetes mellitus)
Fettstoffwechselstörung (Hypercholesterinämie) – Gesamtcholesterin und LDL-Cholesterin sind hoch, HDL-Cholesterin ist niedrig, Triglyzeride hoch
Weitere Risikofaktoren:
Entzündungszustände bei KHK-Patienten wie z.B. Parodontitis
Hyperfibrinogenämie
Obstruktive Schlafapnoe
Die Diagnostik der koronaren Herzkrankheit erfolgt durch:
Anamnese: Erhebung der Angina-pectoris-Symptomatik und der KHK-Risikofaktoren
Ruhe-, Belastungs- und Langzeit-EKG (Elektrokardiogramm)
Echokardiografie (Ultraschalluntersuchung des Herzens)
Myokardperfusionsszintigrafie (Darstellung der Durchblutung des Herzmuskels durch nuklearmedizinisches Verfahren)
Kardio-MRT und CT (Technik zur Darstellung innerer Organe und Gewebe mittels Magnetfeldern und Radiowellen)
Herzkatheteruntersuchung mit Koronarangiografie (Darstellung der Herzkranzgefäße mittels Kontrastmittel) und Ventrikulografie (röntgenologische Darstellung der Ventrikelfunktion)
Fallbeispiel
Herr D. ist 56 Jahre alt und geht in seiner Freizeit gerne wandern. Heute hat er eine körperlich anspruchsvolle Tour ausgewählt, als er plötzlich einen heftigen Druck im Brustkorb spürt. Der Druck zieht in den Rücken hinein und fühlt sich an, als würde eine schwere Last seinen Brustraum einengen. An einer Bank macht er Halt und versucht, gleichmäßig und ruhig durchzuatmen. Der Schmerz lässt langsam nach.
Nach einer Mittagspause fühlt sich Herr D. wieder wohler, doch die Wanderung will er nicht mehr fortführen. Er macht sich mit seiner Frau auf den Rückweg, den er ohne Schwierigkeiten bewältigt.
In der nächsten Zeit treten die Beschwerden immer wieder auf, doch da sie schnell wieder vorübergehen, denkt er nicht weiter darüber nach. Im Winter spürt Herr D. eines Morgens beim Einatmen der Kaltluft wieder diese Schmerzen in seinem Brustraum. Diesmal halten die Beschwerden länger an und Herr D. entschließt sich, seinen Hausarzt aufzusuchen.
Eine KHK ist mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko verbunden. Die häufig auftretenden Angina-pectoris-Beschwerden schränken die Betroffenen meist stark in ihrer Lebensqualität ein.
Das Therapiekonzept umfasst:
Schmerzsymptomatik beim akuten Koronarsyndrom beheben
medikamentöse Langzeittherapie anstreben
thrombotisch bedingtem Koronarverschluss vorbeugen
Voranschreiten der KHK durch Ausschalten der Risikofaktoren verhindern (Sekundärprävention)
Revaskularisation mittels ▶ Ballonkatheterdilatation (evtl. mit Stentimplantation) oder mittels ▶ operativer Therapie (Bypass-OP)
Arzneimittel im Fokus
Medikamentöse Therapie der Angina pectoris (Herold 2016)
Basistherapie zur Verhinderung eines Myokardinfarktes und Senkung der Sterblichkeit:
Acetylsalicylsäure bzw. Clopidogrel (Hemmung der Thrombozytenaggregation, um Koronarthrombosen zu verhindern)
Betablocker (s.u.)
Statine (Cholesterinsenker)
Durch eine antiangiöse Therapie soll der Sauerstoffverbrauch des Herzens gesenkt und das Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und -angebot positiv beeinflusst werden. Es werden folgende Substanzen verabreicht:
Betarezeptorenblocker
Nitrate
Kalziumantagonisten
ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptorantagonisten
Ivabradin
Ranolazin
Betarezeptorenblocker
Durch Blockierung der Beta-Rezeptoren des sympathischen Nervensystems senken sie Blutdruck und Herzfrequenz und somit den myokardialen Sauerstoffbedarf in Ruhe und unter Belastung. Die Arbeit des Herzens wird vermindert und Herzrhythmusstörungen vorgebeugt. In der Praxis gebräuchliche Medikamente sind Atenolol (z. B. Tenormin), Metoprolol (z. B. Beloc-Zok) und Bisoprolol (z. B. Concor).
Nitrate
Sie erweitern die Koronargefäße und senken durch eine Erweiterung der peripheren venösen Gefäße den Rückstrom zum Herzen (Senkung der Vorlast). Durch die Senkung des peripheren Gefäßwiderstandes wird die Pumpleistung des Herzens erleichtert (Senkung der Nachlast). Beim akuten Anfall wird Glyzeroltrinitrat (z. B. Nitrolingual) verabreicht.
Merke: Im Akutfall wird Nitrolingual als Spray (sublingual – unter die Zunge) oder als Zerbeißkapsel verabreicht. Die Wirkung erfolgt innerhalb von 1 – 5 Min. und hält ca. 30 Min. an.
Neben den schnell wirksamen Nitraten gibt es auch Langzeitnitrate. Sie haben einen verzögerten Wirkungseintritt und werden zur Vermeidung des Angina-pectoris-Anfalls eingesetzt. Langzeitnitrate können sowohl oral eingenommen (z. B. Corangin, Ismo, Mono-Mack, Iso-Mack, Isoket) als auch transdermal verabreicht werden (z. B. Nitro-Pflaster-ratiopharm TL).
Kalziumantagonisten
Durch die Vasodilatation (Gefäßerweiterung) kommt es zur arteriellen Blutdrucksenkung und damit ebenfalls zur Verminderung des Sauerstoffbedarfs des Herzens. In der Praxis gebräuchliche Medikamente sind Nifedipin (z. B. Adalat), Amlopidin (z. B. Norvasc) und Felodipin (z. B. Munobal).
ACE-Hemmer/AT1-Rezeptor-Antagonisten
Bei bestehendem Bluthochdruck und/oder ventrikulärer Funktionseinschränkung wird die Nachlast und somit die Herzarbeit gesenkt.
Ivabradin (z.B. Procoralan)
Senkt die Herzfrequenz, ohne das Erregungsleitungssystem, die Muskelkraft des Herzens (Inotropie) oder den Blutdruck zu beeinflussen. Der Wirkstoff wird zur Behandlung der chronisch stabilen Angina pectoris eingesetzt, wenn Patienten z.B. Betablocker nicht vertragen oder die Herzfrequenz trotz Betablockade weiterhin erhöht ist.
Ranolazin (z.B. Ranexa)
Behandelt die Symptome der Angina pectoris und verbessert die körperliche Leistungsfähigkeit. Zusätzlich sollen bei einem akuten Koronarsyndrom das Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse reduziert werden.
Invasive Maßnahmen Die Wahl der invasiven therapeutischen Maßnahmen ist davon abhängig, welche und wie viele Koronargefäße verengt sind und welchen Schweregrad die Verengungen aufweisen. Eine Revaskularisation kann unterschiedlich erfolgen:
mittels Ballonkatheterdilatation (Erweiterung der Koronarstenose mittels eines eingeführten Ballonkatheters, der innerhalb der Stenose mit Druck aufgeblasen wird), evtl. mit Stentimplantation (Gefäßprothese) oder
mittels operativer Therapie (Bypass-Operation: Verengte Herzkranzgefäße werden durch einen Gefäßersatz überbrückt, um die Blutversorgung zu gewährleisten).
Ziel ist es, ein Fortschreiten der Arteriosklerose und damit eine Verschlechterung der chronischen Erkrankung vorzubeugen. Der Betroffene ist gefordert, seine Lebensführung anzupassen und Medikamente einzunehmen, die die Koronardurchblutung verbessern. Er sollte Verhaltensweisen, die bei ihm Angina-pectoris-Schmerzen auslösen (z.B. Spazierengehen an kalten Tagen), meiden und durch andere gesundheitsfördernde Verhaltensweisen (z.B. Besuch einer Gymnastikgruppe) ersetzen. Die medikamentöse Therapie führt bei vielen Menschen zur Beseitigung von Angina-pectoris-Beschwerden und zur Erhöhung der körperlichen Belastbarkeit. Eine vollständige Heilung erfolgt in der Regel nicht.
Pflegende haben folgende Aufgaben:
medikamentöse Behandlung unterstützen und Wirkung überwachen
beim akuten Koronarsyndrom professionell handeln
zur Vorbeugung eines Angina-pectoris-Anfalls ( ▶ Abb. 32.10) und zum Abbau der beeinflussbaren Risikofaktoren beraten
Informationsblatt zur Gesundheitsberatung bei koronarer Herzkrankheit.
Abb. 32.10
(Fortsetzung)
Der Patient erhält i. d. R. individuell abgestimmte Medikamentenkombinationen. Sie werden in Abhängigkeit vom klinischen Befund und der subjektiven Befindlichkeit ggf. im Laufe der Behandlung umgestellt oder ergänzt. Die Aufgaben der Pflegeperson sind dabei folgende:
Aufklärung über die zeit- und dosisgerechte Medikamenteneinnahme bei Therapiebeginn
Überwachung des Patienten auf Medikamentenwirkungen und mögliche Nebenwirkungen
Arzneimittel im Fokus
Nebenwirkungen von Arzneimitteln bei KHK und Angina pectoris
Nitrate
Zu Beginn der Nitrateinnahme kann es aufgrund der gefäßerweiternden Wirkung zu sog. „Nitrat-Kopfschmerzen“ kommen. Sie werden mit nicht-opioiden Schmerzmitteln (Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Paracetamol) therapiert. Außerdem können durch die Senkung von Vor- und Nachlast Hypotonien (Blutdrucksenkungen) und Tachykardien (beschleunigte Pulsfrequenzen) auftreten, die in manchen Fällen Schwindel- und Schwächegefühl auslösen.
Zur Dauerbehandlung können Nitratpflaster eingesetzt werden. Das Pflaster sollte wegen der möglichen Toleranzentwicklung nicht länger als 12 Stunden auf der Haut kleben. Mögliche Platzierungen sind Brust-, Bauch- oder Schulterbereich, Oberarm bzw. Oberschenkel. Die ausgewählte Hautstelle sollte gesund, faltenarm und wenig behaart sowie frisch gereinigt und trocken sein. Das Pflaster sollte täglich an einer anderen Stelle geklebt werden.
Betarezeptorenblocker
Die Wirkungen bzw. Nebenwirkungen der Betarezeptorenblocker sowie die daraus resultierenden pflegerischen Überwachungsmaßnahmen werden in ▶ Tab. 32.4 dargestellt.
Kalziumantagonisten
Sie senken den arteriellen Blutdruck und können Brady- bzw. Reflextachykardien auslösen. Deshalb erfolgt auch hier eine regelmäßige Kontrolle von Blutdruck und Pulsfrequenz. Auch nach der Einnahme von Kalziumantagonisten kann der Patient unter Kopfschmerzen oder Schwindel leiden und es kann zu einer Gesichtsröte (Flush) kommen sowie ein allgemeines Wärmegefühl auftreten. Manche Präparate verursachen eine Obstipation, sodass eine Obstipationsprophylaxe notwendig wird.
Ivabradin
Es senkt die Herzfrequenz, mit einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern. Zudem können lichtbedingte visuelle Symptome (Phosphene) auftreten.
Ranolazin
Unter der Therapie können Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Obstipation (Prophylaxe) und Schwächegefühl auftreten.
Thrombozytenaggregationshemmer
Sie können Magen-Darm-Beschwerden wie Sodbrennen, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfälle auslösen. Auch geringfügige Blutverluste aus dem Magen-Darm-Bereich (Mikroblutungen) sind zu beobachten.
Statine
Unter der Einnahme sind Kopfschmerzen und Muskelschmerzen möglich.
Merke: Betarezeptorenblockersowie einige andere Medikamente, bei denen es zur Blutdrucksenkung kommt, können aufgrund von Durchblutungsveränderungen im Urogenitalbereich die Libido vermindern und bei Männern Potenzstörungen hervorrufen. Wenn ein Patient im Gespräch diese Situation andeutet, kann darauf hingewiesen werden, dass sich diese Störungen evtl. durch einen Präparatewechsel beseitigen lassen (auf Arztgespräch verweisen).
Organ |
Wirkung bzw. Nebenwirkung |
Pflegemaßnahme |
Herz |
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Bronchien |
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Stoffwechsel |
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psychische Befindlichkeit |
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Bei Menschen, die unter Angina-pectoris-Beschwerden leiden, wird mit dem behandelnden Arzt die Bedarfsmedikation und das genaue Vorgehen im Schmerzanfall abgesprochen und schriftlich in der Pflegedokumentation festgehalten.
Die Patienten werden darüber informiert, geringste pektanginöse Beschwerden anzugeben. Kommt es trotz verordneter Basisbehandlung zu einem Angina-pectoris-Anfall, wird der Patient gebeten, im Bett eine Ruheposition einzunehmen, und es werden die Vitalzeichen gemessen ( ▶ Abb. 32.11), s. auch ▶ „ATL Körpertemperatur regulieren“.
Der Patient sollte ruhig und tief atmen. Die Pflegeperson wirkt beruhigend auf ihn ein, bis die Schmerzen nachlassen. Können die pektanginösen Beschwerden nach wenigen Minuten gelindert werden, wird der Anfall dokumentiert und der Arzt informiert.
Beim akuten Koronarsyndrom werden umgehend Blutdruck und Puls kontrolliert.
Abb. 32.11
(Foto: P. Blåfield, Thieme)
Merke
Bei einem systolischen Blutdruck unter 100 mmHg und einer ausgeprägten Tachykardie ist Glyzeroltrinitrat kontraindiziert. Der behandelnde Arzt muss unverzüglich informiert werden!
Lässt der Schmerz nach wenigen Minuten nicht nach oder nimmt die Intensität der Angina-pectoris-Beschwerden zu, leiten Sie unverzüglich die folgenden Sofortmaßnahmen (nach Anordnung) ein:
Arzt informieren
Sauerstoffgabe über Nasensonde (4–8 l)
Nitroglyzerin ggf. über Perfusor verabreichen
bei starken Schmerzen Morphingabe
bei Übelkeit und Erbrechen Gabe von Antiemetika
Thrombozytenaggregationshemmung mittels ASS oder Heparin
Lassen sich die Beschwerden unter der Therapie nur schlecht beeinflussen und weisen EKG-Befund und Anstieg der Herzenzyme auf einen Myokardinfarkt hin, erfolgt in der Regel eine Herzkatheterdiagnostik und ggf. eine revaskularisierende Therapie.
Bei einer Herzkatheterisierung handelt es sich um einen minimalinvasiven Eingriff, bei dem ein Katheter über ein arterielles oder venöses Gefäß z.B. über die Leiste, die Ellenbeuge oder das Handgelenk eingeführt wird. Je nach Untersuchungsziel wird zwischen einer Rechtsherz- und Linksherzkatheterisierung unterschieden. Am häufigsten wird eine Linksherzkatheterisierung durchgeführt, bei der die Herzkranzgefäße im Rahmen einer Koronarangiografie zudiagnostischen bzw. therapeutischen Zwecken mit dem Katheter aufgesucht und röntgenologisch dargestellt werden.
Merke
Am häufigsten erfolgt die Linksherzkatheterisierung über die Punktion der A. femoralis.
Im Rahmen der Linksherzkatheterisierung ( ▶ Abb. 32.12) kommen als diagnostische Verfahren die Koronarangiografie sowie die Ventrikulografie (Lävokardiografie) zur Anwendung.
Sie dient dem Nachweis von Verschlüssen oder Stenosen der Koronararterien. Der Herzkatheter wird mit der Katheterspitze bis zum Abgang der linken und rechten Herzkranzarterie eingeführt. Danach wird ein Kontrastmittel injiziert. Die Herzkranzarterien können so röntgenologisch dargestellt, unter Durchleuchtung beobachtet und aufgezeichnet werden. Neben Nachweis, Lokalisation, Schwere, Form und funktioneller Bedeutung der arteriosklerotischen Veränderungen geben die Aufzeichnungen Aufschluss über die anatomischen Strukturen und die Versorgungsleistung der 3 Koronargefäße.
Ein Rechtsherzkatheter gelangt mit dem Blutstrom in das rechte Herz. Ein Linksherzkatheter wird entgegen der Blutstromrichtung in das linke Herz eingeführt.
Abb. 32.12
Sie wird meist zusammen mit der Koronarangiografie durchgeführt. Die Ventrikulografie gibt Auskunft über Septumdefekte sowie die Funktionsfähigkeit von
linkem Vorhof,
linkem Ventrikel (Kontraktionsfähigkeit einzelner Wandabschnitte) und
Mitral- und Aortenklappe.
Der therapeutische Einsatz der Herzkatheteruntersuchung erfolgt häufig mit dem Ziel einer Ballondilatation oder Stenteinlage.
Definition
Bei der Ballondilatation wird der Herzkatheter als Führungskatheter an das arteriosklerotisch veränderte Herzkranzgefäß herangeführt und dort platziert. Ziel ist es, die Engstelle des Gefäßes aufzudehnen, um den Blutdurchfluss zu verbessern.
Der Ballon wird in Höhe der Verengung fixiert, um das arteriosklerotische Material mit Druck in die Gefäßwand der jeweiligen Koronararterie zu pressen ( ▶ Abb. 32.13). Die Ballondilatation wird auch PTCA genannt: Perkutane (= durch die Haut hindurch), transluminale (= durch die Gefäßlichtung hindurch), coronare (= des Herzkranzgefäßes) Angioplastie (= Aufdehnung).
Ballondilatation.
Abb. 32.13 a Ballon wird bis zur Stenose vorgeschoben, b Dilatation, c Zustand nach Ballondilatation.
In manchen Fällen wird auch eine röhrenartige Metall- oder Kunststoffspirale (Stent) als Gefäßstütze eingesetzt (Stentangioplastie), die innerhalb einiger Wochen vom Endothel ausgekleidet wird ( ▶ Abb. 32.14). Problematisch ist, dass sich Stents in 20 – 30 % der Fälle durch die Neubildung von Gewebe (Endothelbildung) verschließen können. Deshalb gibt es medikamentenfreisetzende Stents, die eine Restenose verhindern sollen.
Stenteinlage.
Abb. 32.14 a Stenose, b Zustand nach Implantation des Stents.
In Herzzentren mit hoher Untersuchungsfrequenz liegt die Gesamtkomplikationsrate unter 2 %. Die Sterblichkeitsrate liegt um 1 ‰. Tödliche Komplikationen können (sehr selten) durch die Untersuchung selbst ausgelöst werden, z. B.: Myokardinfarkte oder therapieresistente Rhythmusstörungen (Kammerflimmern oder Asystolie). Weitere Komplikationen können sein:
periphere Embolien einschließlich zerebraler Insulte durch katheterbedingte Thrombenablösung
Kontrastmittelnebenwirkungen, z. B. Sehstörungen, Niereninsuffizienz oder allergische Reaktionen mit Urtikaria und anaphylaktischem Schock
Bei der Ballondilatation kann es zusätzlich zur Dissektion (Einriss, Aufspaltung) des Endothels im Bereich der Dehnungsstelle kommen. Das Endothel kann sich abheben und die Durchblutung einschränken. Im schlimmsten Fall wird die Koronargefäßdurchblutung komplett unterbrochen (Myokardischämie). Tritt dieser Fall ein, muss entweder nochmals katheterisiert und dilatiert (erweitert), ein Stent eingesetzt oder eine sofortige Bypass-Operation durchgeführt werden.
Die arterielle Punktion kann folgende Komplikationen verursachen:
arterieller Verschluss
Nachblutungen
lokales Hämatom
Bildung eines Aneurysmas (Aussackung einer Arterie)
arterio-venöse Fistel
Infektionen
Nervenverletzungen
Eine Herzkatheteruntersuchung kann ambulant oder stationär erfolgen und wird in der Regel unter örtlicher Betäubung in Kombination mit einer Sedierung des Patienten durchgeführt. Die Pflegenden bereiten den Patienten auf die Untersuchung vor. Sie überwachen den Patienten nach der Herzkatheterisierung und führen eine Entlassungsberatung durch.
Aufklärung über die Notwendigkeit des Eingriffes, den Ablauf und die potenziellen Gefahren und Komplikationen sowie die Frage nach einer Kontrastmittelallergie erfolgen durch den behandelnden Arzt. Er entscheidet, ob der Patient die verordneten Herzmedikamente am Untersuchungstag einnehmen soll. Vor der Untersuchung sollten dem Patienten keine ausscheidungsfördernden Mittel verabreicht werden, um einen unangenehmen Harndrang während der Herzkatheterisierung zu vermeiden. In manchen Kliniken wird am Morgen des Untersuchungstages kein Heparin s. c. verabreicht. Eine Heparingabe erfolgt dann routinemäßig über den Herzkatheter während der Untersuchung. Der Patient sollte mindestens 4 Std. vor dem Eingriff nüchtern bleiben, um Erbrechen während der Untersuchung bzw. einer Aspiration bei erforderlichen Notfallmaßnahmen vorzubeugen. Patienten mit Diabetes mellitus werden darüber informiert, dass sie kein Insulin injizieren bzw. keine oralen Antidiabetika einnehmen sollen.
Je nach ausgewählter Punktionsstelle erfolgt die Rasur. Bei der Katheterisierung der A. femoralis wird die rechte und linke Leiste, bei der Punktion der A. brachialis oder A. radialis der rechte und linke Arm rasiert (bei einer Fehlpunktion wird auf die gegenüberliegende Extremität ausgewichen). Bei der Rasur der Leisten erfolgt die Haarentfernung auch am Unterbauch bis zur Oberschenkelmitte. Zur Infektionsprophylaxe ist eine gründliche Intimtoilette am Untersuchungstag wichtig.
Patientenunterlagen Vor der Untersuchung werden alle Patientenunterlagen bereitgestellt:
Patientenakte und -kurve
Einverständniserklärung des Patienten
Röntgenbilder
EKG
aktuelle Laborwerte (Hb, Hk, Leuko- und Thrombozyten, Nieren- und Gerinnungswerte)
evtl. vorherige Herzkatheterbefunde
Größe und Gewicht des Patienten
Unmittelbar vor der Untersuchung sollte der Patient seine Harnblase entleeren. Der Patient erhält das verordnete Beruhigungsmittel, bevor er von der Pflegeperson im Bett zum Herzkatheterlabor gebracht wird.
Bei einer Koronarangiografie wird die Führungsschleuse des Herzkatheters noch im Herzkatheterlabor entfernt. Der Patient erhält einen Druckverband und die Herztätigkeit wird für weitere 6–8 Std. kontinuierlich überwacht.
Wurde eine Ballondilatation durchgeführt, verbleibt die Führungsschleuse für die nächsten Stunden in der Leiste, da dem Patienten i. d. R. gerinnungshemmende Medikamente verabreicht wurden (Gefahr der erhöhten Blutungsneigung!). Außerdem kann bei auftretenden kardialen Komplikationen (z. B. Dissektion oder Thrombosierung) über die Schleuse erneut eine Herzkatheterisierung und PTCA erfolgen. Sind die Gerinnungswerte stabil und sind keine Komplikationen aufgetreten, wird die Schleuse vom behandelnden Arzt entfernt und erst anschließend der Druckverband angelegt. Dieser Zeitpunkt wird dokumentiert. Der Druckverband verbleibt in der Regel 24 Std. und der Patient hält strenge Bettruhe ein.