Anatomie und Physiologie im Fokus
(nach Schwegler u. Lucius 2016)
Die Schwangerschaft im Überblick
Eine Schwangerschaft dauert durchschnittlich 40 Wochen (280 Tage), gerechnet vom Zeitpunkt des 1. Tages der letzten Regelblutung oder 38 Wochen (266 Tage) ab dem Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle. In der Schwangerschaft verändert sich die Größe und Form des Bauches sowie der Fundusstand (Höhenstand der Gebärmutter).
Entwicklung von Embryo und Fetus
Die Zeit von der Befruchtung bis zur 8. Woche wird als Embryonalperiode bezeichnet. Ab der 4. Woche p.c. (post conceptionem) entwickeln sich aus den 3 Keimblättern alle Organanlagen, weshalb Schädigungen in der Frühschwangerschaft zu Fehlbildungen führen können. Die Fetalperiode ist gekennzeichnet durch Zellvermehrung und Wachstum und dauert von Beginn des 3. Monats bis zur Geburt. Entsprechend vervielfacht sich das Gewicht des Fetus von knapp 10 g zu Beginn der Fetalperiode auf das Geburtsgewicht von durchschnittlich 3,5 kg.
Plazenta
Die Plazenta (Mutterkuchen) wird gemeinsam von Mutter und Embryo bzw. Fetus gebildet. Zum Zeitpunkt der Geburt besitzt die reife Plazenta einen Durchmesser von 15 – 20 cm und wiegt 450 – 600 g. Der größte Teil (2 – 4 cm) entfällt auf die fetalen Zottenbäume ( ▶ Abb. 35.1). An der Oberfläche, die von einer dünnen Zellschicht umgeben ist (Plazentaschranke), findet der eigentliche Stoffaustausch zwischen mütterlichem und kindlichem Blut statt. Die Plazenta übernimmt die Versorgung des Fetus mit Nährstoffen, Sauerstoff (O2), Wasser, Elektrolyten etc. und die Entsorgung von Abbauprodukten und Kohlendioxyd (CO2). Außerdem gelangen mütterliche igG-Antikörper zum Kind und sorgen für den sog. „Nestschutz“. Die Plazentaschranke verhindert den Übertritt bestimmter Medikamente und Bakterien, jedoch nicht den von Alkohol, Nikotin und vielen Viren, z.B. dem Röteln-Virus. Weiterhin hat sie die Aufgabe, Hormone (Östrogen, Progesteron, humanes Choriongonadotropin (HCG) und humanes Plazentalaktogen (HPL) zu bilden.
Fetale Zottenbäume.
Abb. 35.1 In den beiden Nabelarterien fließt sauerstoffarmes Blut vom Kind zur Plazenta, in der dickeren Nabelvene sauerstoffreiches Blut von der Plazenta zum Kind.
Fetaler Kreislauf
Der Blutkreislauf im Uterus unterscheidet sich grundsätzlich von dem nach der Geburt. Sauerstoff- und Nährstoff-angereichertes Blut gelangt über die Nabelvene (Vena umbilicalis) von der Plazenta zum Feten. Abbauprodukte und Kohlendioxyd fließen über 2 Nabelarterien (Arteria umbilicalis) zurück. Da Lunge und Leber noch keine Funktion haben, fließt der größte Teil des Blutes über 3 Shunts (Kurzschlüsse) und umgeht dadurch beide Organe ( ▶ Abb. 35.2). Mit dem ersten Atemzug des Neugeborenen erfolgt die Umstellung des fetalen Kreislaufs auf die Verhältnisse des Erwachsenen, indem sich die Kurzschlusswege (Foramen ovale, Ductus arteriosus (Botalli) und Ductus venosus (Arantii) schließen. Erfolgt dies nicht, so entstehen Herzfehler, z.B. der Vorhof-Septum-Defekt.
Fetaler Kreislauf.
Abb. 35.2 Sauerstoffreiches Blut (rot), sauerstoffarmes Blut (blau), Mischblut (hellrot). Der Pfeil gibt die Fließrichtung des Blutes an.
(Abb. nach: Quirin-Harder H. Aus: Stiefel A, Geist C, Harder U. Hebammenkunde. Lehrbuch für Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Beruf. Hippokrates; 2013)
Geburt
Im letzten Schwangerschaftsmonat treten in zunehmender Häufigkeit Wehen auf. Wehen sind schmerzhafte Kontraktionen der Uterusmuskulatur, die ca. 40 – 60 Sekunden anhalten und deren Ursache eine verstärkte Abgabe von Oxytocin aus dem Hypophysenhinterlappen ist. Die Wehentätigkeit ist das wichtigste subjektive Zeichen für den erwarteten Geburtsbeginn: Regelmäßige Wehen im Abstand von 15 – 20 Minuten sprechen eindeutig dafür, dass die Eröffnungsphase der Geburt eingeleitet ist. Auf diese langsame 1. Phase folgt die schnelle Austreibungsphase. In der Nachgeburtsphase treiben Nachwehen die Plazenta und die Eihäute aus.
Die Freude über eine Schwangerschaft ist bei vielen Frauen bzw. Paaren groß, besonders wenn sie lange Zeit auf dieses Ereignis gewartet haben. Durch eine Schwangerschaft werden viele Bereiche des Lebens berührt. Die Frau wird mit Veränderungen in ihrem Körper und ihrer Seele konfrontiert, die oft von ihr selbst, aber auch von der Umwelt wenig verstanden werden. Am Anfang der Schwangerschaft sind es sicherlich erst einmal die materiellen Veränderungen, wie Gestaltung der Wohnung, größeres Auto, berufliche Veränderungen etc., die bedacht werden. Im weiteren Verlauf stehen Überlegungen bezüglich Lebensgestaltung, Betreuung, Ernährung, Pflege und Erziehung des Kindes im Vordergrund.
Ein Kind zu bekommen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Das geschieht nicht erst, wenn das Kind auf der Welt ist, sondern beginnt schon während der Schwangerschaft. Wurde bis dahin ein eher ungesunder, lockerer Lebensstil geführt, beginnt nun eine Zeit des Umdenkens und Umlernens.
Merke
Der Konsum von Alkohol, Nikotin, Medikamenten und Drogen sollte völlig unterlassen werden. Eine ausgewogene, gesunde Ernährung ist anzustreben ( ▶ Abb. 35.3). Zur Verhinderung von Neuralrohrdefekten wird eine zusätzliche Einnahme von täglich 400 µg Folsäure 4 Wochen vor und 8 Wochen nach der Konzeption empfohlen.
In der Schwangerschaft ist eine ausgewogene, gesunde Ernährung wichtig.
Abb. 35.3
(Foto: nadianb/adobe.stock.com)
Tritt eine Schwangerschaft ungewollt oder zum falschen Zeitpunkt ein, ist die Frau gezwungen, sich mit der neuen Situation auseinanderzusetzen. Sie muss sich Gedanken machen, was ein Kind für ihr weiteres Leben hinsichtlich Berufsausbildung, Finanzen, Wohnsituation etc. bedeutet. Ist die Partnerbeziehung labil oder nicht vorhanden, bedeutet dies für die Frau eine zusätzliche Belastung. Der Frau muss klar werden, dass sie u. U. 24 Stunden am Tag allein für das Kind verantwortlich sein wird und sich eventuell um Hilfe und Unterstützung bemühen muss. Frauen, die sich in dieser Situation befinden, brauchen eine ganz besondere Zuwendung und Verständnis, denn sie sind oft unglücklich und verzweifelt. Lässt eine Frau in einer solchen Situation einen Abbruch vornehmen, wird sie ihre ganz persönlichen Gründe dafür haben. Pflegende, Hebammen und Ärzte sollten sich bemühen, nicht über sie zu urteilen. Gerade diese Frauen brauchen Verständnis und Mitgefühl. Sie sollten mit Sorgfalt begleitet werden und müssen weiterreichende Unterstützung erhalten (z. B. durch pro familia).
Überliefertes Wissen über Schwangerschaft und Geburt wurde lange innerhalb der Familie von Frau zu Frau und in der Verwandtschaft weitergegeben. Heute wachsen „junge Eltern“ i. d. R. nicht mehr im Rahmen ihres Familiensystems in ihre neue Rolle hinein. Die damaligen Bindungen und Beziehungen stellten zwar einerseits eine Einschränkung dar, andererseits haben sie auch Halt und Orientierung gegeben. Das Gelingen der Familienwerdung kann keinesfalls als selbstverständlich vorausgesetzt oder dem Zufall günstiger Umstände überlassen werden. Das „Elternwerden“ wird als Zeit des Übergangs und der Lebenskrise bezeichnet. Studien haben gezeigt, dass Eltern nach der Geburt zu belastet sind, um sich gegenseitig zu unterstützen. Die Hebamme hat daher die wichtige Aufgabe, bereits in der Schwangerschaft die ▶ werdende Mutter und Paare auf das veränderte Leben vorzubereiten. Besonders werdende Väter benötigen Unterstützung, die durch Veränderungen in ihrer Lebensgestaltung und der Beziehung zu ihrer Partnerin gegeben sind, was durch die relativ hohe Trennungs- und Scheidungsrate (15–20%) in den ersten Lebensjahren der Kinder deutlich wird.
Schwangerschaft bedeutet für den gesamten Körper ein Sich-Ein- und Sich-Umstellen auf das heranwachsende Leben. Er stellt in dieser Zeit viel von seiner Vitalität und Energie zur Verfügung.
Wenn eine Befruchtung erfolgt, haben viele Frauen eine Vermutung oder ahnen eine Veränderung, auch wenn die Schwangerschaft nicht geplant war. Die Vermutung wird in der darauf folgenden Zeit bestärkt durch folgende unsichere Zeichen:
Spannungsgefühl und/oder vermehrte Berührungsempfindlichkeit der Brüste
Empfindlichkeit gegen bestimmte Gerüche und Speisen
morgendliche Übelkeit und große Müdigkeit, die den Alltag beeinträchtigt
Das deutlichste Zeichen ist das Ausbleiben der monatlichen Regelblutung bei einem sonst regelmäßigen Zyklus.
Ein Schwangerschaftstest kann hier Sicherheit geben ( ▶ Abb. 35.4). Er weist das durch die Befruchtung produzierte Schwangerschaftshormon β-HCG (human chorionic gonadotropine = humanes Choriongonadotropin) im Urin nach. Im Blut kann dieses Hormon jedoch sicherer nachgewiesen werden. Neben diesem Test gibt es noch die Möglichkeit, die Schwangerschaft per Ultraschall festzustellen. Dabei wird eine Fruchthöhle sichtbar. Lebenszeichen, z. B. die Herzaktivität, sind aber erst ab der 6. Woche nach der Befruchtung zu erkennen.
Schwangerschaftstest.
Abb. 35.4 Ein handelsüblicher Schwangerschaftstest zum Nachweis des Schwangerschaftshormons β-HCG im konzentrierten Morgenurin (Femtest, Deutsche Chefaro Pharma GmbH).
(Foto: K. Oborny, Thieme)
Sobald eine Schwangerschaft feststeht, kann der Geburtstermin bestimmt werden. Die Dauer einer Schwangerschaft beträgt i. d. R. 280 Tage, d. h. 40 Wochen = 10 Mondmonate (28 Tage) = 9 Kalendermonate. Der Geburtstermin (ET = errechneter Termin) kann bestimmt werden nach/durch:
Naegele-Regel
Anamnese bei unregelmäßigem Zyklus
Nachweis von β-HCG
Ultraschall
Naegele-Regel ET = 1. Tag der letzten Periode + 7 Tage – 3 Monate + 1 Jahr. Beispiel: 15. 03. 2017 + 1 Jahr – 3 Monate + 7 Tage = 22. 12. 2017.
Merke
Der errechnete Termin ist wichtig für die Bestimmung des Mutterschutzes, das richtige Zuordnen der Untersuchungsbefunde zum Schwangerschaftsalter und die Vermeidung irrtümlicher Diagnosen wie Frühgeburt oder Übertragung.
Das 1. Schwangerschaftsdrittel (bis zur 15. Woche) wird als Zeit des Anpassens bezeichnet. Darauf folgt die Zeit des Wohlbefindens (16. – 28. Woche). Das letzte Drittel ist eher die Zeit der Belastung. Die Beschwerden nehmen aufgrund des steigenden Körpergewichtes und der Zunahme des Bauchumfangs mit entsprechender Leistungsbeeinträchtigung zu. Folgende Veränderungen durch die Schwangerschaft sind zu beobachten:
Vulva und Vagina zeigen mit Schwangerschaftsbeginn aufgrund verstärkter Blutfülle livide Verfärbungen der Schleimhaut. Oft schwellen die äußeren Labien an.
Die Brust vergrößert sich durch Ausbreitung des Brustdrüsengewebes. Oberflächliche Venen sind deutlich sichtbar. Das Hormon HPL bereitet die Brust auf die Laktation vor. Ab der 20. SSW. wird Kolostrum gebildet.
Eine physiologische Ödembildung erklärt sich aus der vergrößerten Wassermenge im Interstitium und dem verlangsamten Blutrückfluss durch Kompression der Beckenvene durch den Uterus. Ödeme sind besonders im Bereich der Knöchel und Schienbeinkanten zu beobachten.
Die Haut verändert sich durch vermehrte Pigmentierung, besonders im Bereich der Brustwarzen, des Nabels und alter Narben und durch gelbbraune Verfärbungen der Gesichtshaut (Chloasma uterinum). Striae (Schwangerschaftsstreifen) an Brust, Bauch, Hüften und Gesäß entstehen durch passive Dehnung und Anstieg des Kortisolspiegels.
Das Herz sowie die Gefäße müssen die Gebärmutter verstärkt mit Blut versorgen. Die Uterusdurchblutung steigert sich während der Schwangerschaft von 50 auf 500 – 750 ml/Min.
Die Blutmenge nimmt um 30 – 40 % (1,5 – 2 Liter) zu.
Der Wassergehalt im Blut erhöht sich. Folge: Blutverdünnung mit Verminderung der Hämoglobinkonzentration und des Hämatokrits.
Es besteht eine verbesserte Gerinnungsfähigkeit, die nach Loslösung der Plazenta eine schnelle Blutgerinnung gewährleistet. Eine starke Varikosis (Krampfadern) oder eine längere Bettruhe erhöhen das Thromboserisiko.
Im Verdauungstrakt verursacht das Hormon Progesteron eine Tonusverminderung der glatten Muskulatur in allen Hohlorganen. Folge: Darmträgheit und Sodbrennen.
Der gesamte Stoffwechsel muss mehr Belastungen bewältigen, die mütterlichen Regelmechanismen für das Glukosegleichgewicht werden stärker beansprucht.
Der Eisenbedarf erhöht sich (Depots der Mutter werden genutzt und abgebaut).
Schwangere benötigen mehr Jod (30 – 60 μg), da sie sich und das Kind damit versorgen müssen.
Zu Beginn der Schwangerschaft kommt es zur Gewichtsabnahme bzw. zu keiner Zunahme. Ursache: Übelkeit und Erbrechen. Die angestrebte gesamte Gewichtszunahme beträgt 12 – 15 kg.
Der Kalorienbedarf steigt nur unwesentlich an, dafür aber der Bedarf an lebenswichtigen Vitaminen.
Zahnfleischveränderungen, z.B. Gewebehypertrophie, Entzündungen und Zahnfleischbluten, entstehen vermutlich durch den erhöhten Progesteronspiegel. Eine Anfälligkeit für Karies ist bedingt durch den verminderten Speichelfluss und den niedrigen pH-Wert des Speichels, der durch Erbrechen noch verstärkt wird. Durch Zahnfleischbluten wird häufig die Mundpflege vernachlässigt. Eine Beratung der Schwangeren ist hier sehr wichtig.
Die Schwangerschaftshormone HCG, HPL, Östrogene und Progesteron werden von der Plazenta gebildet.
Mutterpass.
Abb. 35.5 Im Mutterpass tragen Arzt und Hebamme alle wichtigen Daten über die Frau und ihre Schwangerschaft ein.
(Foto: K. Oborny, Thieme)
Die Schwangerschaft ist geprägt vom Auftreten widersprüchlicher Gefühle. Einerseits fühlen sich die Frauen stark, haben mehr Durchsetzungskraft und formulieren, was sie wollen. Andererseits fühlen sie sich schwach und müde. Die Schwangerschaft bedeutet sowohl körperlich als auch seelisch eine tiefgreifende Veränderung. Die Umwelt bringt leider häufig für diese Zeit wenig Verständnis auf. Die Frau soll möglichst so weiter funktionieren wie bisher, v. a. im Beruf. Die Frauen erleben den inneren sowie den äußeren Druck überhöhter Leistungsanforderung als starkes Problem. Denn obwohl das Muttersein in der Gesellschaft positiv dargestellt wird, wird es in der Realität nicht unbedingt praktisch unterstützt und gefördert. Für manche Frauen wird der Leistungsdruck bzw. der Anspruch an sie zu hoch. Sie reagieren dann mit Symptomen bis hin zu Krankheit oder vorzeitigen Wehen. Die Krankschreibung erlaubt ihnen eine Pause.
Schwangerschaftsvorsorge und -beratung ist durch Hebamme und Arzt möglich. Ziel der Vorsorge ist das frühzeitige Erkennen von Erkrankungen und Risikoschwangerschaften bzw. -geburten. Es werden regelmäßig alle 4 Wochen folgende Befunde erhoben:
Schwangerschaftswoche und Fundusstand ( ▶ Abb. 35.6)
Kindslage, -bewegung und kindliche Herztöne
Ödeme, Varizen, Gewicht
Blutdruck, Urinkontrolle
Blutuntersuchung, Bestimmung der Blutgruppe und Rhesusfaktor
vaginale Untersuchung
Ultraschall (jeweils in der 9.– 12., 19.– 22., 29.– 32. SSW; ▶ Abb. 35.7)
Höhenstand des Gebärmutterfundus.
Abb. 35.6 12. Schwangerschaftswoche: Symphysenoberkante, 24. SSW: Nabel, 36. SSW: am Rippenbogen, 40. SSW: 1 – 2 Finger unter dem Rippenbogen.
Ultraschall.
Abb. 35.7 Die Ultraschalluntersuchung dient der Kontrolle des Wachstums und dem Ausschluss von Fehlbildungen.
(Foto: K. Oborny, Thieme)
Im Mutterpass ( ▶ Abb. 35.5) werden die Blutgruppe der Mutter sowie die Ergebnisse weiterer serologischer Untersuchungen (Antikörper-Suchtest, Luessuchreaktion, Nachweis von Röteln Antikörpertiter, Toxoplasmosetiter und, mit Erlaubnis der Frau, auch ein HIV-Test festgehalten. Der Mutterpass ist Eigentum der Frau. Sie sollte ihn immer bei sich tragen.
Merke
Schwangere ohne Toxoplasmoseimmunität werden darauf hingewiesen, kein rohes oder nicht vollständig durchgegartes Fleisch zu essen und Kontakt mit Katzenkot zu vermeiden.
Rhesusprophylaxe Ist eine Schwangere Rhesus-negativ und der Vater des Kindes Rhesus-positiv, erhält die Frau in der 28.–30. SSW. eine Anti-D-Prophylaxe, um eine Sensibilisierung während der Schwangerschaft zu vermeiden. Fetale Erythrozyten können während der Schwangerschaft und besonders unter der Geburt in den mütterlichen Blutkreislauf gelangen und Antikörper bilden. Ist das Neugeborene Rh-positiv, muss der Mutter nach der Geburt erneut Anti-D-Immunglobulin verabreicht werden (bis max. 72 Std. nach Geburt). Jede Anti-D-Gabe wird im Mutterpass vermerkt.
Prävention und Gesundheitsförderung
Ab der 32. SSW (= Schwangerschaftswoche) sind 14-tägliche Vorsorgekontrollen empfohlen.
Kurse für die Geburtsvorbereitung werden von Hebammen und auch Dozenten aus unterschiedlichen Fachbereichen in Teamarbeit gegeben. Eine Frau, aber auch ihr Partner, die über die physiologischen Vorgänge während der Schwangerschaft und der Geburt Bescheid wissen, werden mit mehr Selbstverständnis und größerer Selbstbestimmung Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett erleben. Die Geburtsvorbereitung umfasst:
Vermittlung von Wissen über körperliche und emotionale Veränderungen während der Schwangerschaft und nach der Geburt
Erlernen und Üben verschiedener Körper- und Atemwahrnehmungen
Entspannungsmöglichkeiten und Lockerung
Geburtspositionen für die verschiedenen Geburtsphasen
allgemeine Informationen zur Lebensführung und zu Verhaltensweisen
Merke
Geburtsvorbereitung ist eine Begleitung während der Schwangerschaft, die helfen soll, die körperlichen, emotionalen, psychischen und sozialen Veränderungen anzunehmen und zu verarbeiten.
Anatomie und Physiologie im Fokus
(nach Schwegler u. Lucius 2016)
Während der Gebärmutterhals (Cervix uteri) in der Schwangerschaft fest ist und die Gebärmutter verschließt, lockert und öffnet er sich zum Ende der regulären Schwangerschaft, damit das Kind den Geburtskanal passieren kann. Geschieht diese Zervixreifung vor der 37. SSW, droht eine Frühgeburt. Bei einer Zervixinsuffizienz ( ▶ Tab. 35.1 ) öffnet sich nach und nach ein bereits vor der Schwangerschaft veränderter Gebärmutterhals ( ▶ Abb. 35.8).
Zervixinsuffizienz.
Abb. 35.8 Bei einer Insuffizienz des Gebärmutterhalses kommt es zu einer vorzeitigen Verkürzung mit Eröffnung und Erweichung des Muttermunds. Die Fruchtblase wölbt sich vor, Stabilität ist nicht mehr gegeben.
Ein Kind gilt als Frühgeburt, wenn es vor der 37. SSW auf die Welt kommt. Dabei besteht die Gefahr, dass es aufgrund eines zu niedrigen Geburtsgewichts ( ▶ Abb. 35.9) und der Unreife seiner Organe nicht lebensfähig ist oder Komplikationen entwickelt, die zum Tod oder zu langfristigen Entwicklungsstörungen und Behinderungen führen. Heute gilt ein Kind ab der 24. SSW als extrauterin lebensfähig (Goerke 2006).
Frühgeborenes im Inkubator.
Abb. 35.9
(Foto: K. Oborny, Thieme)
Merke
Eine normale Schwangerschaft dauert 40 SSW (Schwangerschaftswochen). Das Geburtsgewicht des Kindes liegt zwischen 2500 und 4500 g.
Eine drohende Frühgeburt hat vielfältige Risikofaktoren, oft liegt eine Kombination mehrerer Ursachen vor. Sie werden in ▶ Tab. 35.1 dargestellt.
von Seiten der Mutter |
von Seiten der Gebärmutter |
von Seiten des Kindes |
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Es gibt 3 Hauptsymptome, die auf eine drohende Frühgeburt hinweisen. Sie können isoliert oder in Kombination vorliegen bzw. sich gegenseitig beeinflussen:
Vorzeitige Wehen. Mehr als 3 Kontraktionen innerhalb von 60 Minuten vor der 30. SSW oder mehr als 5 Kontraktionen nach der 30. SSW deuten auf eine vorzeitige Wehentätigkeit hin.
Vorzeitiger Blasensprung. Die Fruchtblase, die das Kind umgibt und schützt, reißt nicht zum Geburtstermin sondern vor der 37. SSW. Anzeichen sind ein tropfenweiser bis schwallartiger Fruchtwasserabgang.
Vorzeitige Zervixreife und Zervixinsuffizienz. Eine vorzeitige Zervixreifung entwickelt sich unter dem Einfluss von vorzeitigen Wehen. Eine Zervixinsuffizienz dagegen ist durch eine fortschreitende Öffnung der Zervix ohne Weheneinfluss gekennzeichnet. Die Frauen bemerken dies meistens nicht; allenfalls einen „Druck nach unten“.
Die 3 Hauptsymptome können von folgenden Beschwerden begleitet werden:
Druck bzw. anhaltende ziehende Schmerzen im Unterbauch und/oder Rücken
Hartwerden des Bauches
Schmierblutungen oder leichte Blutungen
allgemeine Müdigkeit und Abgeschlagenheit
Zur Sicherung der Diagnose „drohende Frühgeburt“ werden folgende Verfahren angewandt:
Anamnese: Bestimmung von Risikofaktoren und Ursachen
CTG (Cardiotokogramm): Beurteilung der Frequenz und Stärke der Wehentätigkeit sowie der Herzaktionen des Kindes
abdominelle Ultraschalluntersuchung: Kontrolle der kindlichen Lage und des Wachstums
vaginale Untersuchung: bakteriologischer Abstrich von Scheide und Muttermund zur Abklärung einer möglichen Infektion, Fruchtwasserabgang?
vaginale Sonografie: Beurteilung der Länge und Breite der Zervix sowie der Weite des Zervixkanals
Blutuntersuchung: Bestimmung von Infektparametern
Dopplersonografie: Überprüfung der plazentaren Durchblutung
Arzneimittel im Fokus
Eine Tokolyse (Hemmung der Wehentätigkeit) wird eingesetzt, um die Kontraktionen der Gebärmutter zu hemmen und dabei die Wehenstärke bzw. deren Zervixwirksamkeit zu reduzieren. Dabei werden die sich in der Gebärmutter befindenden β2-Rezeptoren stimuliert und angeregt, die Muskelschicht der Gebärmutterwand ruhig zu stellen. Da sich diese Rezeptoren gleichzeitig auch an anderen Organen befinden, können dabei zahlreiche Nebenwirkungen ausgelöst werden ( ▶ Tab. 35.2 ). Die Tokolyse wird i. d. R. parenteral wie folgt durchgeführt:
Organ |
Wirkung |
Nebenwirkung |
Uterus |
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Herz |
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Gefäße |
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Muskulatur |
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Leber |
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Fettgewebe |
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Harnsystem |
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Magen-Darm-Trakt |
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Tokolyse mit β-Sympathomimetika (Fenoterol) u. a.
Magnesiumgabe zur Unterstützung der wehenhemmenden Wirkung von Fenoterol
▶ kardioselektive Betarezeptorenblocker bei Tachykardien