14. Das Messer steckt in der Scheide

B ald nachdem sie im Herbst 1858 Kazeh verlassen hatten, erkrankte Speke erneut und war kurz vor Ende der Expedition dem Tode nah. Er hatte bereits bei der zweiten Etappe [1] Anzeichen von Fieber gezeigt und »im grausamen Ostwind« gefröstelt. Als sie das nächste Dorf erreichten, Hanga, klagte er über einen mysteriösen Schmerz oberhalb der rechten Brust, der sich anfühlte, als würde ihm ein Brandeisen aufgedrückt. Der Schmerz wanderte dann nach links, erfasste mit scharfen, pulsierenden Stichen sein Herz, ehe er seinen rechten Lungenflügel umklammert hielt und sich schließlich wie eine bösartige Wolke über seine Leber legte.

Sie fanden keine Bleibe in Hanga, nur einen kleinen Unterstand, der zuvor offenbar Kühe beherbergt hatte. Er war »voller Ungeziefer«, [2] schrieb Burton, und »der Wut der kalten Stürme schutzlos ausgesetzt«. Die Tage vergingen, und Speke ging es zusehends schlechter. Eines Morgens erwachte er jäh aus einem Albtraum, in dem ihn eine Meute Tiger und Leoparden, die vor eiserne Haken gespannt waren, mit sich fortgeschleift hatte. Auf der Bettkante sitzend, die Seiten mit beiden Händen umklammernd, »vom Schmerz halbbenommen«, [3] rief er nach Bombay.

Der erkannte auf den ersten Blick, dass Speke an etwas litt, was man in dieser Gegend als »kleine Eisen« bezeichnete, eine äußerst schmerzhafte Krankheit, für die es weder Heilung noch Trost gab. Als eine weitere Abfolge heftiger Krämpfe Spekes mageren Körper peinigte, ergriff Bombay seinen rechten Arm und bog ihn über Spekes Kopf nach hinten, bis an sein linkes Ohr. »Indem die Lunge von der Leber gehoben wird, lassen sich die auszehrenden, quälenden Stiche [4] lindern«, schrieb Burton. Die Krämpfe indes hielten an, jeder schmerzhafter und grausamer als der vorhergehende. »Er wurde einmal mehr von einer Meute hässlicher Teufel, Riesen und löwenköpfiger Dämonen gejagt, [5] die mit übernatürlichen Kräften die Sehnen und Flechsen seiner Beine bis zu den Knöcheln herabrissen«, schrieb Burton. »Die Glieder von Krämpfen zermartert, die Gesichtszüge grässlich verhärmt, der Körper starr und reglos, die Augen trüb und glasig, gab er plötzlich ein bellendes Geräusch von sich; dabei vollführte er mit Mund und Zunge, die Lippen vorgestülpt, eine eigentümliche Hackbewegung – eine Folge seiner Atembeschwerden –, was sein Aussehen bis zur Unkenntlichkeit entstellte und den Schrecken der Beschauer vervollständigte.«

Burton, von Spekes Leiden entsetzt, wich ihm nicht von der Seite und half ihm nach Kräften. Wohl wissend, dass die Araber ihre eigene Arznei gegen die »kleinen Eisen« hatten, schickte er nach Snay bin Amir, der einen Umschlag aus pulverisierter Myrrhe, Mehl von der Mungobohne und Eidotter auf Spekes Seite legte. Als dieser keine Linderung brachte, bestand Snay auf einem Medizinmann. Die Ligatur, die dieser um Spekes Leib band, verfehlte jedoch nicht nur ihre Wirkung, sie drückte so schmerzhaft auf seine gepeinigten Organe, dass der Patient sie schon bald zerriss.

Während er sich vor Schmerzen wand und krümmte, verfiel Speke in ein fast durchgängiges Delirium. Zu Burtons Überraschung wurde aus seinem Gestammel bald eine zornige Abfolge von Anschuldigungen gegen seinen Kommandanten. »Er machte all seinem Unmut über vermeintliche Missetaten meinerseits Luft, von denen ich nicht die geringste Ahnung gehabt hatte«, schrieb Burton. Er habe ihm sein Reisetagebuch und seine naturgeschichtliche Sammlung aus Somaliland gestohlen, geiferte Speke und offenbarte dann sein verborgenstes Ressentiment. »Er war außer sich, [6] weil ich drei Jahre zuvor in Berbera im Eifer des Gefechts zu ihm gesagt hatte: ›Nicht zurückweichen! Sonst glauben die noch, wir wollen uns ergeben!‹«, schrieb Burton, der sich wunderte, wie nachhaltig diese wenigen Worte, in höchster Gefahr geäußert, seinen Begleiter gekränkt hatten. »Ich weiß nicht, was ich ihm unbewusst noch alles angetan hatte. Das Fass zum Überlaufen brachte ich wohl, indem ich seine lautstarke Behauptung, er habe die Quellen des Nils entdeckt, nicht sofort widerspruchslos akzeptierte«, erinnerte sich Burton später, fassungslos angesichts des Ausmaßes von Spekes Verbitterung. »Ich hätte nie erfahren, was ihm alles auf der Seele lastete, hätte er es nicht im Delirium ausposaunt.«

Nach einem weiteren Schüttelkrampf verlangte Speke, der das Ende nahen sah, nach Feder und Papier. »Da er befürchtete, die zunehmende Schwäche [7] von Geist und Körper werde bald jegliche Anstrengung verhindern«, erinnerte sich Burton später, »schrieb er einen zusammenhanglosen Abschiedsbrief an seine Familie.« Jener Krampfanfall markierte jedoch glücklicherweise den Anfang vom Ende der »kleinen Eisen«, und Speke begann sich langsam zu erholen. Mehrere Wochen sollten vergehen, bis er wieder auf der Seite liegen konnte, aber immerhin konnte er, auf Kissen gestützt, im Sitzen schlafen, wobei der Schmerz, wenn auch immer noch vorhanden, bald nachließ. Ohne zu ahnen, dass er seine lang versteckte Wut im Fieberwahn preisgegeben hatte, wandte Speke sich erleichtert und erschöpft an Burton. »Das Messer«, [8] sagte er, »steckt wieder in der Scheide.«

*

Als Speke schließlich kräftig genug war, um den Marsch fortzusetzen, hatte die Expedition einen neuen Karawanenführer. Da er die Geduld mit Said verloren hatte, beschloss Burton, ihn durch Bombay zu ersetzen. »Said bin Salim hatte durch seine Achtlosigkeit [9] und seinen Hang zur Verschwendung schon lange mein Vertrauen verwirkt«, schrieb er. »Dazu kam das Verschwinden der Ausrüstung, die ihm in Ujiji anvertraut worden war.« Er rief Said also zu sich, und gemäß dem persischen Sprichwort »Fälle nicht den Baum, den du gepflanzt hast«, versuchte er ihm die Nachricht möglichst schonend beizubringen. Er sei mittlerweile klüger geworden, was das Reisen durch Ostafrika betraf, teilte er Said mit, deshalb wolle er ihn von »seinen ärgerlichen Pflichten befreien«. Said nahm die Nachricht mit »ausgesprochen säuerlicher Miene« entgegen. Als ihm zu Ohren kam, dass von nun an Bombay für die begehrten Stoffe zuständig sein sollte, war er umso wütender und tat von Stund an sein Möglichstes, um Bombay zu diskreditieren. »Jedes böse Gerücht, das mir zugetragen wurde, hatte den unschuldigen Bombay zum Gegenstand«, erinnerte sich Burton später. »Man wollte ihn in meiner Wertschätzung herabsetzen.« Doch Bombay hatte nichts zu befürchten. Mit seiner »unermüdlichen Tatkraft«, so Burton, seiner »unbeirrbaren Redlichkeit und Herzensgüte« hatte er sich das Vertrauen seines Kommandanten längst verdient.

Anfang Dezember begegnete die Expedition einer Karawane, die von der Küste kam und Briefe für Burton und Speke mit sich führte. »Die Männer in der Karawane tauschten [10] feierlich Neuigkeiten mit uns«, schrieb Burton, »und überreichten uns dann einen Packen Briefe und Dokumente, die wie üblich Unannehmlichkeiten verhießen.« Obwohl diese Karawane im Gegensatz zu den anderen keine weitere Todesnachricht im Gepäck hatte, löste sie in Burton sofort eine böse Vorahnung aus. Einer der Briefe, die man ihm überreichte, stammte von dem neubestellten britischen Konsul in Sansibar: Christopher Palmer Rigby. »Dieser Name«, schrieb Burton, »verströmte einen unangenehmen Geruch.«

*

Am 2. Februar 1859 sahen die Männer der Ostafrika-Expedition nach eineinhalb Jahren zum ersten Mal wieder die Küste. »Jack und ich erblickten das Meer«, [11] schrieb Burton. »Wir lüfteten unsere Hüte und stießen ein Dreimalhoch aus.« Nachdem sie ein kleines Schiff aus Sansibar angefordert und erhalten hatten, um den in Europa noch unbekannten Rufiji-Fluss zu erkunden, machten sie auf Kilwa halt, der Insel, auf die Bombay als Kind verschleppt worden war, ehe er den gnadenlosen Sklavenmarkt in Sansibar erreicht hatte. Dann aber mussten sie ihr Vorhaben aufgrund einer rasch um sich greifenden Cholera-Epidemie aufgeben. »Wir verloren fast unsere gesamte Mannschaft. [12] Die Seuche hatte zunächst die Ostküsten von Arabien und Afrika sowie die Inseln Sansibar und Pemba heimgesucht und dann die südlichen Siedlungen auf dem Festland nahezu entvölkert«, schrieb Burton. »Niemand wagte es, auf dem infizierten Schiff anzuheuern.«

Einen Monat später kamen die Männer auf Sansibar an. Obwohl sich alle freuten, wieder hier zu sein, war sofort zu spüren, dass sich die Insel »in höchster Verwirrung« befand, wie Burton es ausdrückte. Das entsetzliche Wüten der Cholera-Epidemie hatte täglich zweihundertfünfzig Menschenleben gefordert. »Die Toten werden inmitten der Lebenden begraben«, [13] hatte Rigby am 1. Februar in seinem Tagebuch vermerkt, »man verscharrt sie in langen Reihen am Wegesrand, in Gräbern so flach, dass die Erde kaum die Zehen bedeckt.« Sansibar war auch politisch in Aufruhr. Thuwaini bin Said, Sultan des Oman und Bruder von Majid, Sultan von Sansibar, hatte Kriegsschiffe entsandt und drohte der Insel mit Invasion. Wütend, weil sein Bruder den Tribut nicht mehr zahlte, den er ihm gut zwei Jahre zuvor zugesagt hatte, wollte er sich nun nehmen, was ihm seiner Meinung nach von Rechts wegen zustand. Rigby kam Majid zu Hilfe, indem er einem britischen Kreuzer befahl, den Angriff abzuwehren, ehe Thuwainis Schiffe Sansibar erreichten.

Zu schwach, um sich über das, was um sie herum vor sich ging, groß Gedanken zu machen, begaben sich Burton und Speke geradewegs zum britischen Konsulat. Für Burton hatte sich das große weiße Gebäude mit Blick auf die See, in dem Hamerton ihn zwei Jahre zuvor so freundlich begrüßt hatte, grundlegend und unwiderruflich verändert. »So betrat ich denn krank und reisemüde [14] und nicht ohne ein Gefühl der Wehmut das Haus, das meine Erinnerung mit einem alten Freund verband«, schrieb er. »Bald hätte ich noch mehr Grund, seinen Verlust zu bedauern.« Plötzlich befiel ihn eine große Mattigkeit, die wenig mit der langen Reise zu tun hatte, die er hinter sich gebracht, oder mit den Krankheiten, die er durchlitten hatte. Wie immer nach einer Expedition erschien ihm deren Ende umso schwieriger, je erfolgreicher sie war. »Der Aufregung des Reisens folgte ein Gefühl tiefster Niedergeschlagenheit an Körper und Geist«, schrieb er, »selbst das Sprechen war zu mühsam.«

Da Burton nichts weiter wollte als seine Wunden zu lecken und sich mit französischen Groschenromanen »à vingt sous la piece « zu verkriechen, wich er dem neuen Konsul aus, so gut es ging. Rigby wiederum war ohnehin nicht sonderlich erpicht auf Burtons Gesellschaft und außerdem schwer beschäftigt, zumal er sich erst seit sieben Monaten in Sansibar aufhielt. Im März des vorausgehenden Jahres, [15] als Burton und Speke ein Boot mieten wollten, um den Tanganjika-See zu erkunden, war Rigby in Bombay in rasender Fahrt aus einer Kutsche geschleudert worden. Er war zwei Monate lang ans Bett gefesselt gewesen und hätte um ein Haar beide Beine verloren. In dieser Zeit hatte er von seiner Ernennung zum Konsul erfahren. Ende Juni war er zwar noch immer dünn und schwach gewesen, aber doch kräftig genug, um die Reise nach Sansibar anzutreten. Erst im Juli hatte er das Konsulat übernommen und zum ersten Mal seit Hamertons Tod die britische Fahne hissen lassen.

Bei Burtons Ankunft war sofort klar, dass der alte Groll keineswegs vergessen war. »Das Konsulat war mir unerträglich geworden«, [16] schrieb Burton. »Ich war viel zu erfahren in Lokalpolitik, merkte viel zu deutlich, was vor sich ging, um seinem neuen Bewohner ein angenehmer Gesprächspartner zu sein.« Dass Burton dem französischen Konsul [17] Ladislas Cochet, mit dem Rigby bereits einen diplomatischen Disput geführt hatte, ganz ungeniert einen Besuch abstattete und herzlich von ihm sprach, trug nicht gerade zur Entspannung bei. »Setzen Sie Rigbys Bedenken als Gastgeber [18] in Relation zu Burtons mangelndem Feingefühl als Gast«, schrieb Rigbys Tochter Jahre später noch immer voller Zorn, »als er freundlichen Umgang mit einem Mann pflegte, nämlich M. Cochet, der mit besagtem Gastgeber gesellschaftlich nicht verkehrte.«

Während Burton mit dem Konsul eher auf Kriegsfuß stand, stellte er zu seinem Leidwesen fest, dass Speke und Rigby schnell Freunde wurden. »Nach unserer Ankunft in Sansibar geriet er [19] in schlechte Hände«, schrieb Burton später, »und da er wie die meisten ehrgeizigen Männer dazu neigte, sich benachteiligt und missachtet zu fühlen, solange sich kein Erfolg einstellte, kam man schnell an seinen wunden Punkt: seine Verdienste, die nicht die gebührende Anerkennung fanden.« Speke, der verbissen an seinem Gefühl der Kränkung und seinem verletzten Stolz festhielt, rannte bei Rigby offene Türen ein. Die Herabsetzungen und Demütigungen durch Burton seien umso empörender gewesen, so Speke, als dieser ohne ihn verloren gewesen wäre. »Ohne mich«, schrieb er, »hätte er die Reise [20] niemals unternehmen können.«

Später würde Speke insistieren, dass selbst Hamerton ihn vor Burton gewarnt habe. Der verstorbene Konsul, behauptete er, habe bereits vor ihrer Abreise aus Sansibar seine Tüchtigkeit gelobt und angedeutet, die Expedition sei nur durch ihn zu retten. »Als ich ihn im Vertrauen fragte, [21] ob ich Burton mit Anstand allein lassen könne …, sagte er nein, um Gottes willen, bloß das nicht, Sie würden den Erfolg der Unternehmung aufs Spiel setzen«, behauptete Speke Rigby gegenüber. »Er war sich völlig sicher, dass Burton scheitern würde, sagte jedoch zu ihm: ›Sie haben Glück, dass Speke Sie begleitet, hoffentlich kommen Sie beide gut miteinander aus.‹ Und zu mir sagte er: ›Speke, ich lasse Sie ungern gehen, denn diese Expedition wird vermutlich scheitern. Ich persönlich würde mich diesem Burton unter gar keinen Umständen anschließen.‹«

Speke fand in Rigby einen mitfühlenden Zuhörer, der besorgt jede Kritik in sich aufnahm, die sein neuer Freund an seinem alten Feind äußerte. »Speke ist ein recht umgänglicher, [22] fröhlicher, energischer Bursche«, schrieb Rigby einige Wochen später an einen Freund. »Burton kann ihm nicht das Wasser reichen und hat im Vergleich zu Speke nicht das Geringste zustande gebracht.« Der Konsul wiederum nährte Spekes größte Angst: dass Burton ihm wieder etwas wegnehmen würde, diesmal aber nicht nur sein Tagebuch, sondern seine größte Entdeckung. »Speke ist ein bescheidener, anspruchsloser Mann, aber nicht sehr flink mit der Feder«, schrieb Rigby. »Burton wird lautstark ins Horn blasen und den Ruhm für die Entdeckungen für sich beanspruchen. Speke arbeitet. Burton liegt den ganzen Tag nur herum und holt sich bei anderen seine Ideen.«

*

Noch bevor er wusste, [23] wer Hamertons Nachfolger sein würde, hatte Burton schon geahnt, dass ihm mit dem Tod seines Freundes, vom persönlichen Verlust einmal abgesehen, auch berufliche Nachteile entstehen könnten. Acht Monate zuvor hatte er einen Brief an Shaw von der Royal Geographical Society geschrieben, weil er Sorge hatte, die Versprechen, die der Konsul seinen Männern gemacht hatte, nicht einlösen zu können: »Der verstorbene Lt. Col. Ham. … hat unserem Karawanenführer im Voraus nicht weniger als fünfhundert Taler aus öffentlichen Geldern gezahlt und ihm eine großzügige Belohnung und goldene Uhr versprochen, falls es ihm gelingen sollte, uns lebend zurückzubringen, was damals höchst unwahrscheinlich schien. Derartige Summen konnten wir uns nicht leisten, außerdem sehen wir uns nicht in der Lage, nach unserer Rückkehr die hohen Prämien zu zahlen, die diesen Männern in unserem Beisein in Aussicht gestellt wurden. … Ich gestatte mir, der Expertenkommission der R.G.S. diese Angelegenheit dringendst ans Herz zu legen, da wir in Sansibar, sollten Colonel Hamertons Versprechen von seinem Nachfolger nicht eingelöst werden, in eine äußerst unangenehme Lage geraten.« Um den Tanganjika-See überhaupt zu erreichen, hatten Burton und Speke zu jenem Zeitpunkt bereits Hunderte Taler von ihrem eigenen Geld ausgegeben. Speke hatte sich sieben Monate zuvor mit demselben Anliegen ebenfalls an Shaw gewandt »und in seinem Brief auf die notwendigen Maßnahmen zur Entlohnung unseres Karawanenführers und unserer Gefolgsleute gedrungen«, erinnerte Burton Shaw. Die Gesellschaft hatte bisher keinem der beiden Männer geantwortet.

Burton, der sich nun genötigt sah, Rigby um die Einlösung von Hamertons Versprechen zu bitten, war nicht überrascht, als der neue Konsul dies ablehnte. »Da ich den Eindruck hatte, Colonel Hamerton [24] habe von Regierungsseite keine Befugnis erhalten, auch nur einen Teil der Kosten für diese Expedition zu übernehmen«, würde Rigby später der britischen Regierung in Bombay erklären, »und diese Versprechen wahrscheinlich in dem Glauben gab, dass mit der erfolgreichen Erforschung des unbekannten Landesinneren ein Ziel von großer nationaler Bedeutung erreicht wäre und der Expeditionsleiter mithin großzügig entlohnt würde. Da Captain Burton bereits Gelder erhalten hatte, um seine Ausgaben zu decken, ließ ich ihn wissen, dass ich mich nicht befugt fühlte, ohne Zustimmung der Regierung irgendwelche Zahlungen zu leisten.« Allerdings dürfte Rigby gewusst haben – die Regierung in Bombay und die Royal Geographical Society waren jedenfalls im Bilde –, dass die Unterstützung, die Burton erhalten hatte, kaum reichte, um auch nur die Grundbedürfnisse der Expedition zu decken, geschweige denn die Zusagen einzulösen, die Hamerton im Namen der Regierung gemacht hatte.

Nachdem Burton mittlerweile eintausendvierhundert Pfund von seinem eigenen Vermögen ausgegeben hatte, um diese beklagenswert unterfinanzierte Expedition durchzuführen, hatte er nichts mehr übrig, um den Männern, die ihn begleitet hatten, eine zusätzliche Prämie zu zahlen. Allerdings hatten sie diese seiner Meinung nach auch nicht verdient. »Unsere Gefolgsleute sollten in jedem Fall [25] einen festen Lohn erhalten, der ihnen auch gezahlt wurde, und für den Fall, dass sie sich gut betrugen, noch eine Prämie obendrauf«, argumentierte er. »Unsere Esel, sechsunddreißig an der Zahl, kamen allesamt ums Leben oder gingen verloren; unsere Träger rannten davon; unsere Güter wurden zurückgelassen und gestohlen.«

Bombay erhielt alles, was ihm versprochen worden war. Die übrigen Männer jedoch, die während der Reise zwar hin und wieder verängstigt oder frustriert gewesen waren, immerhin aber ihr Leben riskiert hatten, um die Expedition zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, wurden kurzerhand entlassen. Speke hatte Said mit dem Verlust seiner Prämie gedroht, als der sich geweigert hatte, ihn zum Nyanza zu begleiten; jetzt unternahm er keinen Versuch, auch nur einem der Männer eine Belohnung zu sichern. »Jack und ich waren uns vollkommen einig, [26] dass es ein Eingeständnis der Schwäche wäre, schlechtes Betragen zu belohnen«, schrieb Burton. »Man würde es uns nicht als Großzügigkeit, sondern als Feigheit auslegen und jedem künftigen Reisenden übel mitspielen.« Und auch Rigby, der es ablehnte, die von seinem Vorgänger zugesagten Regierungsgelder auszuzahlen, bestand nicht darauf, dass Burton die Verbindlichkeiten Hamertons aus eigener Tasche bestreiten sollte. Stattdessen, so Burton später, sei auch er der Meinung gewesen, »dass die im Voraus gezahlten fünfhundert Taler genügen müssten«.

Burton hatte geplant, noch eine Weile auf der Insel zu bleiben. Er wollte sich auskurieren und die Regierung überzeugen, ihn weiterhin freizustellen und finanziell zu unterstützen, damit er seine Forschungsarbeit fortsetzen konnte. Doch Rigbys unverkennbarer »Wunsch, mich abreisen zu sehen«, [27] und Spekes »nervöser Drang, nach Hause zu eilen«, ließen ihm keine Wahl. »Ich verließ ungern die Stätte [28] meiner Mühen, da noch so viel zu tun war«, schrieb er. »Doch das ängstliche Bestreben meines Gastgebers, sich seines Gastes zu entledigen, dazu die rastlose Ungeduld meines Reisegefährten – der den Gedanken nicht ertragen konnte, auch nur eine Stunde zu verlieren – nötigten mich, meine Vorhaben aufzugeben, auch wenn dies ganz und gar nicht meinem Wunsch entsprach.«

Gut zwei Wochen nach ihrer Rückkehr nach Sansibar gingen Burton und Speke an Bord der Dragon of Salem , ein britisches Segelschiff auf dem Weg nach Aden. Rigby lehnte es ab, die Männer zum Abschied an Deck zu begleiten, obwohl dies »eine im Orient übliche Geste der Höflichkeit« war, sollte Burton später bemerken, in der festen Überzeugung, dass diese Kränkung beabsichtigt und gegen ihn gerichtet war. Bombay dagegen war wie immer zur Stelle, als sie ihn brauchten, wie seit ihrer ersten Begegnung zwei Jahre zuvor. An Rigbys »statt … kam als würdiger Ersatz [29] Seedy Mubarak Bombay«, schrieb Burton, »dessen ehrliches Gesicht in diesem Moment besonders anziehend wirkte.«

*

In Aden wohnten Burton und Speke bei Burtons altem Freund Dr. John Steinhaeuser, der sich der Expedition nicht hatte anschließen können. Da Burton immer noch kränkelte und über anhaltendes Fieber klagte – »es klebte an mir wie das Nessushemd« [30]  –, legte Steinhaeuser ihm nahe, in Aden zu bleiben, bis sein Zustand sich gebessert hätte. Steinhaeuser, selbst Arzt, half ihm nicht nur nach Kräften, gesund zu werden, er hatte auch Sorge, sein Freund könne in unvorhergesehene Schwierigkeiten geraten. Steinhaeuser »warnte mich mehrmals«, [31] würde Burton später schreiben, »dass irgendetwas im Busch sei«.

Am 18. April fuhr eine Fregatte der Royal Navy, die HMS Furious , in den Hafen ein. An Bord befand sich der Achte Earl of Elgin, Sohn des Siebten Earl, nach dem die Elgin-Marbles , heute Parthenon-Marmore , benannt waren. Mit ihm reiste sein Privatsekretär Laurence Oliphant. Dieser machte gerade eine besonders schwierige und verletzliche Phase in seinem Leben durch. Er war monatelang mit Elgin unterwegs gewesen, nach China gereist und wieder zurück und hatte vor kurzem von dem plötzlichen, unerwarteten Tod seines geliebten Vaters erfahren. Nach ihrer Abreise aus China war Oliphant [32] aus einem lebhaften Traum erwacht und hatte anschließend seinen Freunden erzählt, er habe darin seinen Vater gesehen, »und er war tot«. Bald darauf hatte das Schiff in Galle, Ceylon, angelegt. Dort wurde ihm mitgeteilt, dass sein Vater in der Nacht des besagten Traums einem Herzanfall erlegen war.

Bei aller Trauer freute sich Oliphant über das Wiedersehen mit Speke, mit dem er sich vier Jahre zuvor auf einem Schiff angefreundet hatte, beide auf dem Weg in den Krimkrieg. Er interessierte sich auch für Spekes Reisen mit Burton. Mit ihm hatte er damals um militärische Posten und öffentlichen Beifall konkurriert, was Burton allerdings nicht wusste. Lord Elgin bot beiden Männern für die Rückkehr nach England einen Platz an Bord der Furious an. Weil er Burton für zu krank zum Reisen hielt, bestand Steinhaeuser darauf, seinen Freund noch einige Wochen in Aden zu behalten. Speke dagegen sagte sofort zu. Er sei dermaßen erpicht gewesen auf die Rückkehr nach England, schrieb Burton später, dass er sich »von seinem Gastgeber nicht einmal verabschiedete«. [33]

Vor Spekes Abreise sprach Burton ein letztes Mal mit ihm, weil er sich einen Augenblick Zeit nehmen wollte, um das Ende ihrer außergewöhnlichen Expedition zu würdigen. Auch wenn das Verhältnis zwischen den beiden die meiste Zeit sehr angespannt gewesen war und Spekes verbitterte Schimpftiraden während seiner jüngsten Krankheit das Ausmaß seines Grolls offengelegt hatten, waren sie doch immerhin zwei Jahre miteinander unterwegs gewesen, in denen sie sich gegenseitig gepflegt und beschwichtigt, in denen sie Bücher und Ideen ausgetauscht sowie enttäuschende und euphorische Momente geteilt hatten. Als die Furious im Begriff war, die Segel zu setzen, versprach Burton, er werde bald nachkommen. »Ich beeile mich, Jack«, [34] sagte er, »ich komme, so schnell ich kann.« Spekes Worte zum Abschied seien herzlich gewesen, so Burton später: »Leb wohl, alter Knabe; und keine Sorge, ich gehe erst zur Royal Geographical Society, wenn du aufgetaucht bist, dann erscheinen wir dort gemeinsam. Da kannst du ganz beruhigt sein.«

Nunmehr allein in Aden, schrieb Burton erneut an die Royal Geographical Society, diesmal, um ihren Mitgliedern vom Nyanza-See zu berichten. Sowohl vor Spekes und Bombays Reise dorthin als auch nach ihrer Rückkehr, hatte Burton bereits offen die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass nicht der Tanganjika-, sondern der See weiter im Norden das Ziel ihrer Suche sein könnte. Er hatte seine Hoffnung in den Tanganjika noch nicht ganz aufgegeben, schilderte der Society jedoch in seinem Brief Spekes Expedition zum Nyanza und legte den Mitgliedern ans Herz, ihr Beachtung zu schenken. »Captain Speke … wird Ihnen seine Karten, [35] Beobachtungen und zwei Schriften vorlegen, die eine ein Tagebuch von seiner Fahrt auf dem Tanganjika zwischen Ujiji und Kasenge, die andere seine Erkundung des Nyanza«, schrieb er. »Hierauf, mit Verlaub, möchte ich die ernsthafte Aufmerksamkeit des Komitees lenken, da einige Gründe dafürsprechen, dass dieser See den wichtigsten Quellfluss des Weißen Nils speist.«

An Bord der Furious jedoch änderten sich Spekes versöhnlichere Gefühle für Burton schnell, ebenso seine Pläne. »Er ließ sich zu Handlungen hinreißen, [36] die sein eigenes sittliches Empfinden im Nachhinein scharf verurteilt haben dürfte«, würde Burton später schreiben, »wenn es sie überhaupt je verzieh.« So wie er in Sansibar seine Wut und Angst mit Rigby geteilt hatte, zog Speke jetzt seinen alten Freund Oliphant ins Vertrauen. Dieser fühlte sich genau wie der Konsul von Burton ins Unrecht gesetzt und gab Speke nun den Rat, sich vor ihm zu hüten. Jahre später sollte Speke sich an das Gespräch erinnern, das er mit Oliphant an Bord der HMS Furious geführt, und an den Rat, den sein Freund ihm erteilt hatte. »Burton ist ein neidischer Mensch, [37] und als Expeditionsleiter wird er die Lorbeeren für den Nyanza-See selbst kassieren wollen«, hatte Oliphant ihn gewarnt. Wäre er an Spekes Stelle, würde er sich unverzüglich zur Royal Geographical Society begeben und sich das Kommando über die zweite Expedition sichern.