18. Der Prinz

D er Erste, der Speke im Herbst 1860 in Sansibar willkommen hieß, war derselbe, den er bei seinem Abschied von der Insel gut ein Jahr zuvor zuletzt gesehen hatte. Weder Speke noch Burton würden jemals vergessen, wie Sidi Mubarak Bombay am Ufer gestanden hatte, um ihnen Lebewohl zu wünschen, ehe ihr Schiff in See stach. Bei seiner Rückkehr wurde Speke von Bombay in Empfang genommen, standhaft, ehrlich und tapfer wie eh und je. Und bereit, sich noch einmal mit ihm zum Nyanza aufzumachen.

Wieder vereint mit Bombay, konnte Speke es kaum erwarten, den Mann aufzusuchen, mit dem er im Laufe des vergangenen Jahres eine Fernallianz geschmiedet hatte. Er führte Grant daher rasch zum britischen Konsulat, wo Rigby die beiden willkommen hieß. »Er war erfreut, uns zu sehen«, [1] schrieb Speke, »und hatte in Erwartung unserer Ankunft bereits Zimmer für uns vorbereiten lassen, damit Captain Grant und ich in den Genuss seiner Gastfreundschaft kämen, bis alles arrangiert wäre und wir endlich ins Landesinnere aufbrechen konnten.« Der Konsul nahm Speke beiseite, um ihm eine, wie er glaubte, antike Landkarte der Hindus zu zeigen, die etwa sechzig Jahre zuvor veröffentlicht worden war. Seiner Ansicht nach stützte sie Spekes Theorie, der zufolge sich die Mondberge südlich des Nyanza-Sees befanden und den Nil somit nicht vom See abschotten konnten, wie einige seiner Kritiker behauptet hatten. »Colonel Rigby reichte mir nun [2] eine höchst interessante Abhandlung über den Nil und die Mondberge, mit einer dazugehörigen Karte … aus den ›Puranas‹, den heiligen Schriften der Hindus«, schrieb Speke. »Sie bestätigt in gewissem Maße meine Hypothese.« Die wahre Quelle alten Wissens über Ostafrika, glaubte Speke nun, läge nicht bei den Ägyptern, sondern bei denjenigen, die diese Karte gezeichnet hatten. »All unsere früheren Informationen [3] hinsichtlich der Hydrographie dieser Regionen sowie der Mondberge gingen von den alten Hindus aus, die sie an die Priester am Nil weitergaben«, so sein Argument. »Jene umtriebigen ägyptischen Geographen, die ihr Wissen verbreiteten, um Berühmtheit für ihren Weitblick zu erlangen, wenn sie das tiefreichende Mysterium lösten, das die Quelle ihres heiligen Flusses verhüllte, waren allesamt hypothetische Schwindler.«

Speke war nach seinen ersten Eindrücken von der Gegend so zuversichtlich, tatsächlich die Quelle des Weißen Nils gefunden zu haben, dass er diese bereits umgetauft hatte. Nach seiner Rückkehr nach England erhielt der größte See Afrikas den Namen der britischen Monarchin Victoria. »Weil die Königin sich nach meiner Heimkehr so höflich nach meiner Gesundheit erkundigt hatte«, erklärte er einem Freund, »habe ich den See nach ihr benannt.« [4] Natürlich hatte der See bereits einen Namen. Sogar mehrere. Bei den Swahili hieß er Nyanza, während all jene, die in seiner unmittelbaren Nähe lebten und sich in der Bantusprache Luganda verständigten, den See Nalubaale nannten und ihm, da er ihre Gemeinschaft so reich beschenkte, den Geist einer Frau oder Mutter zuschrieben. Die Luo, die auf dem Gebiet des heutigen Kenia und Tansania lebten, nannten ihn im Dholuo-Dialekt Nam Lolwe, was auf eine endlose Wasserfläche verweist. Keiner dieser Menschen wusste, dass ihr See in der westlichen Welt nun plötzlich Victoria Nyanza und schließlich Victoriasee hieß.

Speke war gewiss nicht der erste Forscher, der ein geographisches Merkmal auf einem anderen Kontinent mit einem neuen Namen versah, und würde auch nicht der letzte bleiben. Seen, Bergketten, Inselgruppen, ja ganze Länder wurden nach Personen benannt, die sie vielleicht ein einziges Mal oder noch nie gesehen hatten. Die Menschen vor Ort, die dankbar waren für die Nahrung, das Wasser, den Schutz oder die Schönheit, die diese geographischen Besonderheiten ihnen boten, von ihnen zuweilen mit Furcht, stets aber mit Respekt betrachtet, wurden kaum je gefragt. Doch nicht jeder Forscher billigte diese Praxis. Burton empfand die Umbenennung des Nyanza nicht nur als anmaßend, sondern geradezu als grotesk, genau wie Spekes Entscheidung, bestimmte Stellen am Tanganjika-See als »Speke Channel« und »Burton Point« zu bezeichnen. »Ich vertrete nach wie vor die Auffassung [5]  …, dass die Nomenklatur der Einheimischen auf jeden Fall beizubehalten ist«, schrieb Burton und zitierte dann den Geographen James Macqueen: »Was könnte wohl absurder sein, als irgendeinem Teil dieser Welt, zumal im tiefsten Afrika, einen englischen Namen aufzudrücken.«

Für Speke war der See bereits der Victoria Nyanza, und seine einzige Aufgabe bestand nun darin, ihm – und sich selbst – einen Platz in der Geschichte der Geographie zuzuweisen. Dazu musste er möglichst viele Männer anheuern. Als Karawanenführer stellte er erneut Said bin Salim an, obwohl dieser am Tanganjika-See den Großteil ihrer Vorräte verschachert hatte, so dass Burton sich gezwungen sah, ihn durch Bombay zu ersetzen. Als sein Faktotum, Dolmetscher und Gefährte kam für Speke kein Anderer in Frage als Bombay. Bombay wiederum wollte seinen Sklaven Mabruki bei sich haben, den er drei Jahre zuvor für Burtons Expedition gekauft hatte. So wie Speke sich nicht vorstellen konnte, ohne Bombay durch Ostafrika zu reisen, wollte Bombay Sansibar nicht ohne Mabruki verlassen.

In England war Speke von Murchison unterstützt worden, in Sansibar stand ihm Rigby tatkräftig zur Seite. Nach der leidigen Auseinandersetzung um Hamertons Versprechen, die einzulösen Rigby als Hamertons Nachfolger abgelehnt hatte, notierte sich der Konsul nun sorgfältig jede Abmachung, auf die Speke sich einließ. »Die Entlohnung dieser Männer [6] im ersten Jahr sowie die Vertragsbedingungen wurden nun mit freundlicher Bewilligung durch Colonel Rigby in die Konsulatsbücher eingetragen«, schrieb Speke, »als Sicherheit für beide Parteien und als Vorkehrung gegen Streitigkeiten auf dem Weg.«

Speke hatte sich nicht nur auf das Wiedersehen mit Rigby und Bombay gefreut, sondern auch auf die gemeinsame Reise mit Grant. »Er ist ein sehr guter Freund«, [7] schrieb er, »und weil er auch für den Jagdsport zu haben ist, kommen wir wunderbar durch die Tage.« Grant pflichtete ihm von Herzen bei und schrieb später, es habe zwischen ihm und Speke »niemals auch nur einen Schatten von Neid, [8] Argwohn oder schlechter Laune« gegeben. Von Anfang an sei ihr Verhältnis zueinander nicht nur von ungezwungener Kameradschaft geprägt gewesen, sondern auch von ihrer klaren Auffassung davon, wer innerhalb der Expedition das Sagen hatte. Sie waren Altersgenossen – Grant war sogar ein paar Wochen älter als Speke – und hatten beide ähnliche Militärkarrieren durchlaufen, dennoch stand außer Frage, dass Speke der Kommandant und Grant sein Untergebener war. Im Gegensatz zu Speke, der nicht zur zweiten Geige taugte, hatte Grant kein Problem mit dieser Rolle und vergaß auch nie die Vereinbarung, die er in England unterzeichnet hatte. Er war ein äußerst begabter Künstler und hatte sein Skizzenbuch nach Sansibar mitgebracht. Darin stand folgender Eintrag: »Mitteilung. Falls ich sterbe, [9] soll dieses Buch mit Spekes Erlaubnis meiner Schwester übergeben werden.«

Bevor sie Sansibar verließen, wurde Speke auf eine Flusspferdjagd eingeladen. Grant, selbst ein erfahrener und begeisterter Jäger, sollte auf ihn warten. Während er sich also in Geduld übte, [10] wurde er aufgefordert, der Hinrichtung zweier Männer beizuwohnen, die beschuldigt wurden, wenige Monate zuvor unweit des Nyasa-Sees den deutschen Forscher Dr. Albrecht Roscher ermordet zu haben. Als der Vollstreckungsbefehl des Sultans eine Weile auf sich warten ließ, richtete ein Mann in der Menge das Wort schließlich an Grant. »Darf man beginnen?«, fragte er. »Ja«, erwiderte Grant, »nur zu; fahren Sie fort«, und sah zu, wie die beiden Gefangenen, einer nach dem anderen, durch einen Schwerthieb nahezu enthauptet wurden. »Beide erschienen wie in einem süßen Schlummer; zwei Hühner hüpften auf die noch zuckenden Leiber, und die Kühe auf dem offenen Platz blieben unbeeindruckt liegen«, schrieb Grant später. »In der Hoffnung, niemals wieder eine solche Szene mitansehen zu müssen, verließ ich die Stätte; dennoch empfand ich eine gewisse Befriedigung, da der Gerechtigkeit Genüge getan war. Wäre ich nicht zugegen gewesen, wären diese Mörder ihrer Strafe wohl entgangen.«

*

Speke, der es nicht erwarten konnte, den Nyanza zu erreichen, und in nur eineinhalb Jahren Petherick in Gondokoro zu treffen gedachte, brach gut einen Monat nach seiner Ankunft auf Sansibar zum Festland auf. »In der absoluten Gewissheit, das große Nilproblem [11] in Bälde ein für alle Mal gelöst zu haben, machte ich mich auf den Weg«, schrieb er. Doch mit Beginn der Expedition fingen zu seiner großen Enttäuschung auch die Desertationen an. »Ich startete in Sansibar mit zweihundert Gefolgsleuten«, beschwerte er sich. »Als wir in Kazeh eintrafen, vierhundertdreißig Meilen westlich der Meeresküste, waren von den zweihundert nur noch vierzig Mann übrig. Drei Viertel hatten uns im Stich gelassen.« Als Burton sich damals weigerte, auch die Deserteure zu belohnen, hatte Speke ihm vorgeworfen, er sei zu streng. Für seine eigenen Männer aber verlangte Speke jetzt eine weitaus härtere Bestrafung. »Die Männer des Sultans schleichen [12] sich davon und lassen uns im Stich. Ich habe dem Scheich gesagt, er möge dem Sultan einen Brief schreiben und sich über die Leute beschweren. Ihr Verhalten muss streng geahndet werden, damit nicht andere ihrem Beispiel folgen«, schrieb er an Rigby. »Sie sind faktisch Diebe, was umso schlimmer ist, als sie mir Treue geschworen haben, und ich wünsche, dass man sie entsprechend bestrafe. … Ich schicke eine Liste mit den Namen der siebzehn Männer, die sich davongemacht haben, dann können Sie mit ihnen verfahren, wie Sie es für richtig erachten.« Seine Warnung an die verbliebenen Männer war klar: Auf dem Spiel stand nicht nur ihre Prämie, sondern auch ihre Freiheit. Sollten sie desertieren, [13] ließ er sie wissen, »wäre mein Arm lang genug, um sie an der Küste zu ergreifen und ins Gefängnis zu stecken«.

Speke erwartete Gehorsam von seinen Männern, aber vor allem wollte er rasch vorankommen. Immer wieder wurde seine Expedition in frustrierender, ja gefährlicher Weise ausgebremst. In Kazeh, dem Handelsposten, wo er und Burton wegen dessen Erkrankung fünf Wochen hatten pausieren müssen, wurde Speke aufgrund von Problemen mit Gesundheit, Logistik und durch Verhandlungen fast doppelt so lang aufgehalten. Als die Expedition sich endlich wieder auf den Weg machen konnte, steckte sie gleich darauf fast drei Monate lang im Königreich Uzinza fest, weil dessen Herrscher, Lumeresi, ihr die Weiterreise verweigerte. Mittlerweile war es Oktober geworden; in wenigen Monaten sollte die Expedition auf Petherick stoßen, und hatte noch immer Hunderte Meilen vor sich.

Bald würden die Vorräte zur Neige gehen. In einem verzweifelten Schreiben an Rigby gestand Speke, er sei zutiefst besorgt, wisse sich kaum noch zu helfen. Die Männer waren darauf angewiesen, kleine Beutetiere zu jagen, für gewöhnlich Spatzen und Tauben. »Wir mussten auf den Zufall hoffen [14] und auf unsere Gewehre vertrauen«, so Grant. »Eines Abends bestand unsere ganze Mahlzeit aus zwei Maiskolben, die wir mit Salz verzehrten.« Während die anderen auf Holzkisten hockten [15] und sich deprimiert über ihre Blechteller beugten, schlich Bombay sich davon und kam kurz darauf mit einem »sehr kleinen und seltsam platt gewalzten toten Huhn« wieder zurück. Dann verschwand er erneut und stöberte irgendwo fünf lebende Hühner auf, von denen sie sich die folgenden zwei Tage ernährten.

Fast jeder der Männer war schon krank gewesen. Speke und Grant zogen sich Erkrankungen zu, die ihre kräftigen, gesunden Körper in humpelnde, hustende, schlotternde Hüllen verwandelten. Speke fing sich eine so heftige Erkältung ein, dass er kaum noch schlafen oder stehen konnte. »Die Symptome waren insgesamt [16] ziemlich beunruhigend«, gab er später zu. »Mein Herz schien entzündet zu sein und war zum Bersten gespannt, drückte und stach bei jedem Atemzug, was durch fortwährendes Husten, bei dem Ströme von Schleim und Galle ausgeworfen wurden, noch stark verschlimmert wurde.« Wie am Tanganjika-See, als ihm ein Käfer ins Ohr gekrabbelt war, nahm Speke die Sache schließlich selbst in die Hand. »Indem ich mir überlegte, wie ich [17] die Krankheit, die mich befallen hatte, am besten kurieren könnte«, schrieb er, »versuchte ich, eine Packnadel als Haarseil durch meine Seite zu ziehen.« Zu schwach, das stumpfe Ende ins Fleisch zu treiben, bat er einen der Männer um Hilfe, doch auch ihm gelang es nicht.

Grant litt immer wieder an Fieberschüben, [18] doch am meisten behinderte ihn eine Infektion in seinem rechten Oberschenkel, der sich »durch die Entzündung stark verformte«. Monatelang hatte er keine Ahnung, wodurch diese extreme Schwellung verursacht wurde und wie ihr beizukommen war. Der »intensive Schmerz … ließ durch einen tiefen Schnitt und reichlich Eiterfluss vorübergehend nach«, schrieb er. »Dann aber bildeten sich neuerliche Abszesse, und wieder wurden Schnitte gemacht. … Um die angesammelte Flüssigkeit abzulassen, ritzte ich täglich mein Bein auf, als sei ich ein Blutegel.« Als die anderen Männer sahen, wie sehr Grant litt, versuchten sie nach Kräften, seine Schmerzen zu lindern. Bombay verpasste ihm sogar einen Umschlag aus Kuhdung, Salz und Schlamm, aber nichts schien zu helfen. Sein Bein wurde nur noch schlimmer.

*

Um Spekes Furcht und Frust noch zu verschärfen, erreichte ihn die Nachricht, dass Burtons Buch über die Ostafrika-Expedition, The Lake Regions of Central Africa , mittlerweile erschienen war. Obwohl Burton darin den Mut und die Stärke seines Weggefährten lobend hervorhob, erwähnte er auch dessen Fehler und Unzulänglichkeiten, zum Beispiel, dass er weder die arabische noch irgendeine afrikanische Sprache beherrsche, und unfähig gewesen sei, am Tanganjika-See ein Boot zu beschaffen. Nachdem er von Burtons Buch und den Vorwürfen darin erfahren hatte, schlug Spekes Gereiztheit in Wut um, und er schwor Vergeltung. »Ich habe heute von Rigby erfahren, [19] … dass Burton im Zusammenhang mit der See-Expedition einige Bosheiten über mich veröffentlicht hat. … Sollte er in irgendeiner Weise meine Ehre beschmutzt haben, täte es mir doch sehr leid, in den letzten Beiträgen, die ich Ihnen zur Veröffentlichung schickte, etliche seiner Transaktionen beschönigt zu haben«, schrieb er an seinen Verleger John Blackwood. »Dass sie in meiner Abwesenheit publiziert werden, finde ich überaus bedauerlich. Vielleicht könnten Sie, ohne sich selbst Schaden zuzufügen, die Öffentlichkeit bis zu meiner Rückkehr auf die Folter spannen.« Blackwood, der Speke bereits geraten hatte, seine Angriffe gegen Burton in den Magazinbeiträgen zu mäßigen, flehte ihn an, keine Änderungen mehr vorzunehmen. Sogar Spekes Mutter sollte sich an Blackwood wenden und ihn bitten, er möge ihren Sohn davon abhalten, seine Fehde mit Burton vor aller Augen auszutragen. »Man hat uns dringend empfohlen, [20] Hanning diesen Streit nicht an die Öffentlichkeit bringen zu lassen, und so möchten wir ihm die Möglichkeit dazu entziehen«, schrieb sie. »Auch Mr. Speke und meine anderen Söhne halten es für angeraten, dieses Buch in unveränderter Form zu veröffentlichen.«

Speke, der von den Bedenken seiner Familie und dem Widerwillen seines Verlegers nichts ahnte, setzte von Ostafrika aus seine Schimpftiraden gegen Burton fort. »Auf in den Kampf, ich bin bereit«, [21] schrieb er an Blackwood, nachdem er seine Gegendarstellung formuliert hatte. »Ich ertrug es nicht länger, also habe ich tüchtig auf Burton eingedroschen, wie er es verdient.« Grant sei nicht minder erzürnt über Burtons Buch, so Speke. »Der gute alte Grant meint, der Mann müsste hängen«, schrieb er, »ich bin schon längst zu diesem Schluss gelangt, um ehrlich zu sein.« Weil er wusste, dass er bei Rigby offene Türen einrannte, erging Speke sich in jedem seiner Briefe an den Konsul in bitteren Beschwerden über Burton. »Würde die Society ihn kennen, [22] wie ich ihn kenne, und sehen, wie sehr sie seiner wahnwitzigen Eitelkeit auf den Leim gegangen ist, hätte sie seinen Reisebericht niemals angenommen«, schrieb er in einem langen, weitschweifigen Brief, in dem er zwischen vergangenen Kränkungen und Plänen für eine künftige Rache hin und her wechselte. »Sie nennen ihn zu Recht einen gemeinen, bösartigen Hund, und ich kann es gar nicht erwarten, nach England zurückzukehren und zum Gegenschlag auszuholen. Er hat ohne meine Erlaubnis mein Reisetagebuch aus Somaliland drucken lassen, um damit seine Ersten Schritte aufzublähen – dabei versprach er, mir die Ausgaben zu erstatten, die ich in Somaliland hatte. … Die Wurzel allen Übels ist seine Selbstsucht, aus ihr erwachsen Eitelkeit, Täuschung und jede andere Abscheulichkeit, die er immer schon meisterhaft beherrschte und wohl auch immer beherrschen wird … Burtons Behauptung, ich hätte in ›untergebener Funktion‹ agiert, zeigt doch nur, wie sehr ihn der Eindruck quält, die Leute seien zu Recht zu dem Schluss gelangt, dass nicht er, sondern ich bei der letzten Expedition die ganze Arbeit verrichtet hatte. Wann immer es Streit gab im Lager, musste ich ihn schlichten, weil Burton überfordert war. Wozu musste er erwähnen, ich sei weder des Arabischen noch des Französischen mächtig, und meine fehlenden Kenntnisse der Sitten und Gebräuche seien ein guter Grund gewesen, mich aus Kazeh fortzuschicken?«

*

Mittlerweile lagen nur noch zwei Königreiche [23] zwischen der Expedition und dem Nyanza-See, aber es waren zwei der größten und mächtigsten in Ostafrika – Karagwe und Buganda, in dem das heutige Kampala liegt, die Hauptstadt der Republik Uganda. In der Hoffnung auf bessere Unterkünfte und mehr Respekt seitens ihrer Könige gab auch Speke sich als königliche Hoheit aus. Als man ihm die übliche Unterkunft für arabische Händler anbot, spielte er den Gekränkten; er sei schließlich kein Kaufmann, erklärte er, sondern ein Prinz. »Ich bestand auf meinen Ansprüchen [24] als fremder Prinz«, schrieb er, »dessen königliches Blut eine solche Unwürdigkeit nicht ertragen könne. Der Palast sei meine Sphäre.« Als er, wie es der Brauch war, stundenlang warten musste, um den König zu sehen, brüllte er vor Zorn und drohte wieder abzureisen. »Ich hatte beschlossen, [25] mich niemals auf den Boden zu setzen, wie es die Einheimischen und die Araber tun müssen«, erklärte er, »oder meine Ehrerbietung auf andere Art zu zeigen als es in England üblich ist.« Mit Bombay als Dolmetscher offerierte er seine kuhonga auf einem Eisenhocker sitzend, in der Hand einen Sonnenschirm, der ihn vor der Hitze schützte. »Ich konnte weder in der Sonne sitzen, [26] noch in der Hütte eines armen Mannes wohnen«, schrieb er. »Es war unter meiner Würde.«

Trotz seiner Abhängigkeit von Bombay, [27] der seine Treue und Unersetzbarkeit immer wieder unter Beweis gestellt hatte, hatte Speke zugelassen, dass sich ein Zerwürfnis zwischen ihnen anbahnte. Alles hatte mit der unentwegt brodelnden und zuweilen explodierenden Spannung zwischen Bombay und einem weiteren Expeditionsmitglied begonnen, einem äußerst tüchtigen, aber überheblichen und ehrgeizigen Menschen namens Baraka, der Bombay schon länger seine Machtposition neidete. Obwohl Speke wusste, dass Baraka Bombay »unentwegt schikanierte« und alles in seiner Macht Stehende tat, um die anderen Männer, vor allem die Wanguana-Träger, gegen ihn aufzuhetzen, geriet er in Rage, als Bombay sich aus Verzweiflung an einen Medizinmann wandte und ihn um Hilfe bat. Er tauschte kostbare Perlen gegen einen Trank, von dem er sich erhoffte, er möge »die Herzen der Wanguana erweichen und sie für ihn einnehmen«, träufelte ihn in ein Gefäß mit Pombe und stellte es neben Baraka. Als Baraka herausfand, dass das Pombe-Bier kontaminiert war, beschuldigte er Bombay des versuchten Mordes an ihm. Wütend auf Bombay, weil er »an solch abwegigen Hokuspokus glaubte«, gab Speke nun zur Strafe Baraka den Vorzug und besuchte mit diesem statt mit Bombay den König. Diese eine Handlung war, »so geringfügig sie anderen erscheinen mochte, für die verfeindeten Parteien von großer Bedeutung«, so Speke.

In seiner rastlosen Ungeduld, den Nyanza zu erreichen, ging Speke sogar selbst auf Bombay los. Eines Morgens, als der regionale Wegführer nicht auftauchte, erteilte Speke Bombay den Befehl, das Lager abzubrechen. »Wie können wir denn gehen?«, [28] fragte Bombay, wohl wissend, dass sie dem Zeitplan hinterherhinkten und Gefahr laufen würden, sich in dem ihnen unbekannten Gelände zu verlaufen. Statt ihm zu antworten, wiederholte Speke seinen Befehl: »Brich die Zelte ab.« Nicht gewillt, blindlings Befehle auszuführen, deren Konsequenzen ihm Sorge bereiteten, fragte Bombay erneut: »Wer wird uns führen?« Wieder verweigerte Speke die Antwort und befahl ihm schroff, die Zelte abzubrechen. Als Bombay noch immer nicht gehorchte, rief Speke erzürnt einige Männer herüber und riss das Zelt eigenhändig nieder, so dass es Bombay unter sich begrub. Da »geriet er in Wut«, wie Speke sich später erinnerte, »und beschimpfte die Männer, die mir behilflich waren, da sich Feuer und Pulverkästen unter dem Zelt befänden. Ich musste nun natürlich meinerseits in Wut geraten und Bombay zurechtweisen.« Sie würden noch das ganze Zelt in die Luft jagen, rief Bombay da und traute seinen Ohren nicht, als Speke wütend entgegnete: »Wenn ich beschließe, mein Eigentum in die Luft zu jagen, dann ist das meine Sache; und wenn du nicht sofort spurst, sprenge ich dich gleich mit!« Er lasse sich nicht beleidigen, gab Bombay wütend zurück. Da schlug Speke vor aller Augen auf ihn ein. Wieder und wieder. Blutüberströmt schlich Bombay davon und schwor, nie mehr für Speke zu arbeiten, ein Vorsatz, den er nicht einhalten würde.

Bombay verzieh Speke schließlich den Gewaltausbruch und die Demütigung, kam ins Lager zurück und setzte den gemeinsamen Marsch fort. Speke bereute sein Handeln nicht. Was auf dem Spiel gestanden habe, davon schien er überzeugt, sei nicht etwa Bombays Sicherheit oder Selbstachtung gewesen, auch nicht seine Freundschaft zu Speke, nicht einmal seine ungebrochene Loyalität der Expedition gegenüber, sondern Spekes eigene Würde. »Es war das erste und letzte Mal, [29] dass ich mich veranlasst sah, meine Würde zu gefährden, indem ich eigenhändig Schläge verteilte«, schrieb er später. »Aber in dieser Situation konnte ich nicht anders, sonst hätte ich Befehlsgewalt und Respekt eingebüßt; denn obwohl ich oft Gelegenheit hatte, meinen Männern wegen Diebstahls hundert oder gar hundertfünfzig Peitschenhiebe zu diktieren, konnte ich der Rangfolge wegen keinem der Untergebenen gestatten, Bombay zu schlagen, und musste die Arbeit daher selbst erledigen.«

*

Speke, der es kaum erwarten konnte, den Nyanza zu erreichen und den Beweis zu erbringen, dass diesem See der Weiße Nil entsprang, hatte keine Sorge, Petherick in Gondokoro zu verpassen. Er war sicher, der Händler werde [30] geduldig auf ihn warten und nötigenfalls sogar nach ihm suchen. Da er England vor Petherick verlassen hatte, ging Speke davon aus, dass dieser die erforderlichen Geldmittel erhalten hatte. Darüber hinaus sah er Petherick in der Pflicht, ihm jede erdenkliche Unterstützung angedeihen zu lassen, und sei dies noch so unbequem, kostspielig oder gefährlich für Petherick selbst. Im Januar war Speke zu Ohren gekommen, dass »fremde Besucher« auf dem Nil gesichtet worden waren. Hocherfreut nahm er an, dass es sich dabei um Petherick und seine Männer handeln müsse. »Das neue Jahr«, [31] schrieb er, »begann mit einer überaus spannenden Nachricht, die uns alle in helle Aufregung versetzte. Wir glaubten fest, dass sich Mr. Petherick den Nil heraufkämpfte, um uns entgegenzukommen.«

Einige Monate später – Speke war gerade in Buganda eingetroffen – erreichte ihn erneut eine Nachricht. Diesmal hatten die Kundschafter König Mutesas, des mächtigen Herrschers vor Ort, einen bärtigen Weißen erspäht. Speke war einerseits froh, zugleich aber auch besorgt. Ihm war plötzlich in den Sinn gekommen, Petherick könnte aus Versehen seine List auffliegen lassen und verraten, dass er keineswegs von königlichem Geblüt war. Er beschloss daher, Baraka auf die Suche nach ihm zu schicken und gab ihm einen Brief mit: »Mein lieber Petherick«, schrieb er darin. »Sie werden vorerst Ihre Würde ablegen müssen [32] und mich als Ihren Vorgesetzten betrachten.« Er habe Mutesa erzählt, dass Petherick sein Untergebener sei, erklärte er, und dass »ich Ihnen befahl, den Nil heraufzukommen, um nach mir zu suchen und mich fortzubringen; drei Boote samt Fracht gehörten mir, und Sie dürften sich meinen Befehlen nicht widersetzen.« Außerdem solle Petherick sich nicht wie ein Offizier kleiden. »Erscheinen Sie nicht in Uniform, denn ich habe hier keine«, schrieb Speke. »Aber bringen Sie uns eine Menge der üblichen roten Stoffe und Fes-Hüte her, meine Männer sollen sie als Ehrengardisten tragen.«

Eine weitere Schwierigkeit war Grant. Sein Bein war nicht verheilt, sein Zustand hatte sich im Gegenteil noch verschlechtert, so dass die Expedition nun noch schleppender vorankam. »Jetzt behinderte mich vor allem eines: [33] Grant war übel dran, er würde sich wohl erst in ein, zwei Monaten erholen«, schrieb Speke. »So schnell wie möglich voranzukommen, war aber die einzige Chance, die Reise erfolgreich zu Ende zu bringen.« Speke sah nur eine Lösung und beschloss, Grant mitsamt ihrem Gepäck zum Palast von König Kamrasi in Bunyoro, nördlich des Nyanza, vorauszuschicken, während er selbst ohne ihn in östlicher Richtung weitermarschieren würde, bis er den Nil erreichte und hoffentlich die Stelle, wo dieser dem Nyanza entströmte. Obwohl Spekes Entscheidung später als fragwürdig gälte, als unfair gegen Grant, würde dieser seinen Freund bis zuletzt verteidigen. »Zum damaligen Zeitpunkt war ich [34] definitiv außerstande, zwanzig Meilen am Tag zu marschieren, schon gar nicht in Uganda, durch Sümpfe und über unwegsames Gelände. Ich fügte mich also schweren Herzens der Notwendigkeit unserer Trennung«, erklärte Grant. »Ich möchte eines klarstellen: Es wurde der Verdacht geäußert, mein Weggefährte hätte den Glücksmoment beim Anblick des Flusses nicht mit mir teilen wollen. Doch so war es ganz und gar nicht.« Welchen Grund Spekes Entscheidung auch immer haben mochte, das Resultat bliebe dasselbe, und beide wussten es. Grant, der die Schwierigkeiten, Kosten und Gefahren der Expedition mit Speke geteilt hatte, würde sowohl um den genussvollen Moment beim Anblick des dem Nyanza entströmenden Flusses gebracht, als auch um den nachfolgenden Ruhm.

Drei Wochen, nachdem sie Buganda verlassen und sich von Grant getrennt hatten, erreichten Speke und seine Männer Urondogani und erblickten schließlich den Weißen Nil. »Endlich stand ich an seinem Ufer«, [35] schrieb er. »Die Szene war wunderschön, nichts kam ihr gleich!« Er wandte sich an Bombay und die übrigen Männer und drängte sie, »sich die Köpfe zu rasieren und im heiligen Strom zu baden, [36] der Wiege von Moses.« Bombay lehnte dies höflich ab. »Wir betrachten diese Dinge nicht in derselben phantastischen Weise wie du«, erklärte er Speke. Für Speke war das Land rings um den Nil der ideale Ort sowohl für den europäischen Handel als auch für die christliche Bekehrung. »Wie gemacht für Missionare, dachte ich [37] bei mir!«, schrieb er. Doch wie der Nyanza bereits einen Namen trug, hatten Bombay und die übrigen Expeditionsmitglieder bereits einen Glauben, gab Ersterer Speke sanft zu verstehen, und dieser sei ebenso stark und tief wie der von Speke. »Wir könnten unseren muslimischen Glauben [38] ebenso wenig ablegen«, sagte Bombay, »wie du den deinen.«

Eine Woche später standen Speke und Bombay vor einem tosenden Wasserfall, etwa fünf Meter hoch und nahezu dreihundert Meter breit. Vor ihren Augen gebar Afrikas größter See den längsten Fluss der Welt, auf Tausende Kilometer die Lebensader für Millionen Menschen. Speke fehlte es an Proviant und Zeit, um mittels wissenschaftlicher Messungen und einer vollständigen Erkundung des Nyanza den endgültigen Beweis erbringen zu können, dass dieser See tatsächlich die Quelle des Weißen Nils war; dennoch war er zufrieden, das gesteckte Ziel erreicht zu haben. »Der Zweck der Expedition [39] war nun erfüllt. Ich sah, dass der alte Vater Nil ganz zweifellos im Victoria Nyanza seinen Ursprung hat; dieser See ist folglich, wie ich es vorausgesagt hatte, die große Quelle des heiligen Flusses«, schrieb er mit Genugtuung. »Ich hatte das Gefühl, ich sollte mich zufriedengeben mit dem, was ich erreichen durfte; denn ich hatte gut die Hälfte des Sees gesehen und besaß Informationen über die andere Hälfte, wodurch ich alles über den See wusste, zumindest was die geographisch relevanten Aspekte betraf.«

Nachdem er beschlossen hatte, den Wasserfall zu Ehren des Ersten Marquess of Ripon, der bei Beginn der Expedition Präsident der Royal Geographical Society geworden war, Ripon Falls zu taufen, kehrte Speke nach Urondogani zurück, wo er den Fluss zum ersten Mal gesehen hatte. Dort kaufte er fünf Holzboote und setzte auf dem Nil die Segel. Er nutzte die begrenzte Menge an Zeit und Ressourcen, die ihm zur Verfügung stand und notierte Längengrad und Breitengrad, den Aufriss des Flusses und der ihn umgebenden Hügel. Sein Boot wich Flusspferden und Krokodilen aus, während seine Männer nach den zwei Meter langen Nil-Barschen mit ihren breiten, klaffenden Mäulern und silbrigen Bäuchen fischten. Speke blickte sich um und nahm sich einen Moment, um nicht nur das Potenzial des Flusses für die kommerzielle Ausbeutung oder christliche Bekehrung, sondern schlicht seine Schönheit zu würdigen. Er habe das Gefühl, schrieb er, »als brauchte ich nichts weiter als eine Frau und Kinder, [40] einen Garten und eine Yacht, ein Gewehr und eine Angelrute, um hier ein Leben lang glücklich zu sein.«

*

Im Februar, dreizehn Monate, nachdem Spekes Expedition Petherick in Gondokoro hätte treffen sollen, erreichte sie endlich die deutsche Mission. Unterwegs hatte er sich in Bunyoro wieder mit Grant zusammengefunden und in einem Lager haltgemacht, von dem er annahm, es sei vielleicht Pethericks. Stattdessen gehörte es Pethericks Handelsrivalen, einem Malteser namens Amabile Musa de Bono. De Bono und Petherick waren keine Freunde. Die beiden Männer waren nicht nur Konkurrenten im Elfenbeinhandel, in seiner Funktion als Konsul des Sudan hatte Petherick den Malteser de Bono und einen seiner ranghöchsten Untergebenen, Kurshid Agha, wegen Sklavenhandels verhaften lassen. Ein Freund hatte Petherick erst vor kurzem gewarnt, dass de Bono versuche, ihn loszuwerden, und sogar Gerüchte streue, Petherick selbst sei in den Sklavenhandel verwickelt. Nun erzählten de Bonos Männer Speke, ihr Kommandant habe von seiner Expedition erfahren und sie geschickt, ihm zu helfen. Speke wurde klar, dass sie vermutlich die weißen Männer gewesen waren, die Mutesas Kundschafter unweit des Nils beobachtet hatten. Er sei de Bono sehr dankbar, aber wo war Petherick, fragte er sie. Die Antwort, schrieb er später, war »ein mysteriöses Schweigen«. [41]

Während Speke in Gondokoro am Fluss entlangschlenderte, vorbei an der leeren Missionskirche und an einigen Booten, die am Ufer vertäut lagen, eilte plötzlich ein Mann auf ihn zu. Schon von fern war zu erkennen, dass es sich um einen Engländer handelte, doch als der Mann näher kam, wurde ebenfalls klar, dass es nicht Petherick war. Stattdessen ergriff Spekes Freund Samuel Baker seine Hand und drückte sie kräftig. »Ich kann gar nicht sagen, welche Freude das war«, schrieb Speke. »Wir sprudelten über vor Begeisterung, so überwältigt waren wir beide von unserem Wiedersehen.«

Baker, ein Ingenieur, Forscher und Großwildjäger, hatte jahrelang versucht, eine eigene Expedition auf die Beine zu stellen, um die Quelle des Weißen Nils zu finden. In dem Bemühen, ihn davon abzuhalten, mit Speke und Grant in Konkurrenz zu treten, hatte die Royal Geographical Society ihn stattdessen zu überreden versucht, den Fluss Sobat im Südsudan zu erkunden. Doch Baker hatte sich nicht abbringen lassen. »Ich hegte in aller Demut die wilde Hoffnung«, [42] schrieb er, »dass ich wie der unbedeutende Wurm, der sich durch die härteste Eiche bohrt, mit Beharrlichkeit zum Herzen Afrikas vordringen könnte.« Weil er wusste, dass er weder von der Royal Geographical Society noch der Regierung Hilfe erhalten würde, verwendete Baker sein eigenes Geld, das er sich mit dem Bau einer Eisenbahn und mehrerer Brücken in Osteuropa verdient hatte. Dort war er, auf einem Sklavenmarkt in Rumänien, auch seiner außergewöhnlichen jungen Frau Florence begegnet. Diese war in Ungarn geboren, als Kind in einem Flüchtlingslager zurückgelassen und an einen armenischen Sklavenhändler verkauft worden und sprach Türkisch, Arabisch und Englisch. Baker war mindestens doppelt so alt wie sie, aber sie hatte darauf bestanden, mit ihm durch Afrika zu reisen. Sie kleidete sich sogar wie er in schwerer Jagdkluft, doch wann immer sie versuchte, ihr langes blondes Haar im Fluss zu waschen, kam es zu Menschenaufläufen.

Da der Royal Geographical Society Gerüchte von Pethericks Tod zu Ohren gekommen waren, hatte sie Baker beauftragt, Speke in Gondokoro zu helfen. Baker hatte zugesagt, aber er und Florence waren nicht etwa deshalb immer noch vor Ort, weil sie jahrelang auf Speke zu warten bereit waren, sondern weil sie einige von de Bonos Männern für ihre eigene Expedition gewinnen wollten. Nachdem Baker ihn über sämtliche Ereignisse informiert [43] hatte, die sich seit seiner Abreise vor zwei Jahren in der westlichen Welt zugetragen hatten – vom Tod des Prinzen Albert, Königin Victorias Ehemann, bis zum Beginn des Amerikanischen Bürgerkriegs –, wollte Speke von ihm wissen, was Petherick zugestoßen war. Petherick habe vor seiner Abreise aus England eintausend Pfund erhalten, erwiderte Baker. Das Geld sei durch Spenden zusammengekommen, gedacht als Unterstützung für Speke. Jetzt handle Petherick ungefähr siebzig Meilen westwärts von Gondokoro mit Elfenbein.

Während er Baker zuhörte, schlug Spekes Verwirrung allmählich in Gereiztheit um. »Ich war natürlich sehr ärgerlich [44] auf Petherick«, schrieb er später, »denn ich war aus Uganda fortgeeilt und hatte mich von Grant getrennt, … nur um die Verabredung mit ihm einzuhalten.« Drei der Boote, die am Flussufer vertäut lagen, gehörten Petherick, wie er erfuhr. Dieser habe sie für Speke dort zurückgelassen, angefüllt mit Vorräten und von seinen eigenen Männern bewacht. Es war jedoch Pethericks Abwesenheit, die Speke so zornig machte. Da seine Expedition schwer dezimiert war, [45] akzeptierte er grollend fünfundneunzig Ellen Tuch von Pethericks Männern, aber nur vom »schlichtesten Zeug«, insistierte er, »als Notbehelf für Moskitonetze für meine Männer, dazu vier Matrosenhemden für meine Vorarbeiter«. Den Rest lehnte er ab und nahm stattdessen die Vorräte und Boote, die Baker ihm anbot.

Vier Tage später trafen Petherick und seine Frau [46] Katherine in Gondokoro ein. Ihre Reise, die sechs Wochen hätte dauern sollen, hatte sich über sieben Monate hingestreckt und Petherick nicht doppelt, sondern fünfmal so viel Geld gekostet wie die Royal Geographical Society ihm zur Verfügung gestellt hatte. Er und seine Frau hatten mit knapper Not überlebt, anders als mehrere Mitglieder ihrer Expedition. Pethericks Botaniker James Brownell und sein junger Assistent Foxcroft waren beide am Fieber gestorben. Sie hatten Schiffbruch erlitten, Boote über Hunderte Meilen Ödland und durch hüfttiefe Sümpfe geschleppt, hatten nahezu all ihre Vorräte verloren und schließlich ausgehungert und zerlumpt die Handelsstation Wayo erreicht. Dort waren sie nicht, um Handel zu treiben, wie Baker behauptet und Speke geglaubt hatte, sondern in dem verzweifelten Versuch, Nahrung und medizinische Hilfe zu erhalten. Obwohl die auszehrende Reise aus dem starken, gesunden Forscher Petherick »einen hilflosen Invaliden« gemacht hatte, hatte er niemals aufgegeben, war fest entschlossen, »jedes Hindernis zu überwinden und auf Teufel komm raus meine Verabredung mit Speke einzuhalten«.

Noch ehe Petherick in Gondokoro [47] aus seinem Boot gestiegen war, sah er Speke am Ufer stehen. Überrascht und erleichtert, denjenigen zu begrüßen, dessen Gesundheit und Wohlergehen in den vergangenen sieben Monaten seine Hauptsorge gegolten hatte, wollte Petherick ihm gleich zeigen, was er alles für seine Expedition beschafft hatte. Doch seine Freude wich bald blankem Entsetzen. Speke ließ Petherick unverzüglich wissen, dass er keinerlei Dankbarkeit für die Mühen zu erwarten hatte, die er seinetwegen auf sich genommen hatte, da er der Meinung war, Petherick habe nicht genug getan. »Statt der … herzlichen Begrüßung, die ich mir von den Reisenden erhofft hatte, die wir nach fieberhafter Suche nun endlich gefunden hatten«, schrieb Petherick, »wurde uns ein recht frostiger Empfang zuteil.« Petherick drängte Speke, sich von den Vorräten, die er für ihn zurückgelassen hatte, zu nehmen, was immer er brauchte, aber Speke lehnte ab. Er wollte »von unserem Proviant oder unserer Hilfe nur das Allernötigste in Anspruch nehmen, um seinen dringendsten Bedarf zu decken, sollte es anderweitig nicht zu bekommen sein«, wunderte sich Petherick. Er brauche seine Hilfe nicht mehr, ließ Speke ihn wissen. »Baker hat mir seine Boote zur Verfügung gestellt.«

In jener Nacht willigte Speke ein, [48] mit Petherick und seiner Frau zu Abend zu essen, doch Katherine würde ihm seine verächtliche Haltung ihnen gegenüber niemals verzeihen. Sie hatten einen großen Schinken aus England mitgebracht und ihn Hunderte Meilen quer durch Afrika geschleppt. Während andere wertvolle Vorräte verlorengegangen waren, hatten sie diese Delikatesse retten können und auch dann nicht gegessen, als sie kaum noch das Nötigste hatten, um sich am Leben zu erhalten. Den Schinken wollten sie für ein Festmahl mit Speke aufbewahren, wenn sie in Gondokoro wieder mit ihm vereint wären. Während des Essens bat Katherine Speke noch einmal eindringlich – wie zuvor schon ihr Ehemann –, er möge ihre Hilfe annehmen. »Doch er entgegnete nur hochnäsig: ›Ich bin nicht gewillt, Ihre faulen Ausreden anzuerkennen‹«, erinnerte sie sich später voller Abscheu. Da sie ihre Entrüstung kaum noch verbergen konnte, verließ sie den Tisch und lehnte es ab, jemals wieder mit Speke zu speisen. Monate später schrieb sie, noch immer gekränkt bei der Erinnerung an jenen Abend, einen Brief aus Khartum, in dem sie Spekes Benehmen bei ihrer Ankunft in Gondokoro schilderte. »Nach all unserer Mühe!«, schrieb sie. »Aber sei’s drum, seine Herzlosigkeit wird auf ihn selbst zurückfallen.«