Ei, bin ich denn darum achtzig Jahre alt geworden, dass ich immer dasselbe denken soll? Ich strebe vielmehr, täglich etwas anderes, Neues zu denken, um nicht langweilig zu werden. Man muss sich immerfort verändern, erneuen, verjüngen, um nicht zu verstocken.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832) [164]
Die im Jahr 2019 publizierte TRIIM-Studie markiert einen Quantensprung in der Anti-Aging-Forschung [117]. Sie entstand unter der Federführung von Dr. Gregory Fahy von „Intervene Immune, Inc.“ und unter der Mitwirkung zahlreicher renommierter US-amerikanischer Forschungseinrichtungen, darunter so berühmte Universitäten wie der Stanford University und der University of California.
Obwohl diese Studie nur ein erster Schritt und die Teilnehmerzahlen mit 9 Probanden gering war, es außerdem keine Placebo-Gruppe gab, machen doch mehrere Meilensteine die TRIIM-Studie zu etwas Besonderem:
Es gibt auch einige wenige andere Wirkstoffe, bei denen ein ähnlicher Effekt auf das epigenetische Alter festgestellt wurde (insbesondere CaAKG und Omega-3). Hier jedoch gibt es im Gegensatz zur TRIIM-Studie zum genauen Wirkungszusammenhang nur Vermutungen. (Das soll diese anderen Wirkstoffe aber nicht abwerten.)
Aber beginnen wir ganz von vorne, um die Idee hinter der TRIIM-Studie zu verstehen und zu erkennen, warum das Ergebnis so bahnbrechend ist. Ein guter Startpunkt ist der Name der Studie.
„TRIIM“ ist die Abkürzung für „Thymus Regeneration, Immunorestoration, and Insulin Mitigation” – also zu Deutsch „Thymus-Regeneration, Immunwiederherstellung und Insulin-Minderung“.
Das beschreibt schon recht gut, worum es geht: Um die Wiederherstellung des Thymus.
Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, was denn der „Thymus“ überhaupt ist. Nur wenige Organe sind so unbekannt, und ich muss gestehen, dass ich vor der TRIIM-Studie auch nur wusste, dass es ein Organ dieses Namens gibt. Mir war völlig schleierhaft, wozu das Organ dient und wo es genau ist.
Der Thymus (volkstümliche Bezeichnung „Wachstumsdrüse“) befindet sich direkt hinter dem Brustbein (Sternum) und ist damit gut geschützt, aber auch schwer von bildgebenden Verfahren wie z.B. Sonographie abzubilden.
Trotz der Bezeichnung „Wachstumsdrüse“ hat der Thymus nichts mit dem Wachstum zu tun. Der Name könnte daher stammen, dass er in der Wachstumsphase des Körpers aktiv ist und dann mit zunehmendem Alter abgebaut wird, bis er im Alter von ca. 70 Jahren vollständig durch Fettgewebe ersetzt ist.
Abbildung 30: Die Lage des Thymus hinter dem Brustbein und zwischen den Lungenflügeln [165]. Die Grafik zeigt den Zustand in jungen Jahren. Im Erwachsenenalter verschwindet der Thymus langsam und stellt seine Funktion ein.
Eine Studie zur Auswirkung des Alters auf die Thymusfunktion kommt zu der Aussage, dass „der altersbedingte Abbau des Thymus und die damit assoziierte Veränderung der peripheren T-Zellen eine bedeutende Ursache für die nachlassende Immunabwehr (Immunseneszenz) [sind]. […] Dies ist verbunden mit erhöhtem Infektionsrisiko, Autoimmunerkrankungen und Krebs.” [166]
Eine beängstigende Diagnose, die sich leider im Leben bestätigt: Alte Menschen haben um ein Vielfaches häufiger Krebs und andere Krankheiten, und nun kennen wir auch einen wichtigen Grund dafür. Aber warum macht die Natur das so?
Abbildung 31: Umwandung des Thymus in Fettgewebe mit zunehmendem Alter. Im grauen, funktionalen Thymus werden T-Zellen (T-Lymphozyten) erzeugt, die wesentlich für die Immunabwehr sind. Ab ca. 70 Jahren ist der funktionale Bereich fast verschwunden, und die Produktion von neuen T-Zellen kommt um Erliegen [167].
Hier können wir nur vermuten: Die Evolution hat keinen Vorteil darin, alte Menschen vor Krankheiten zu schützen. Die Fortpflanzung war ja abgeschlossen, und Individuen mit längerlebigem Thymus hatten deshalb nie einen evolutorischen Vorteil.
Mit den T-Zellen – das „T“ steht übrigens für „Thymus“ – hat es noch eine Besonderheit auf sich, die wir hier noch erwähnen sollten: Sie haben ein Gedächtnis und sind ziemlich langlebig.
Wenn sie also einmal produziert wurden, können sie sich an Krankheitserreger „erinnern“ und diese ausschalten, und das tun sie für weitere rund 12 Jahre, bevor sie ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können. (Die Wissenschaft spricht hier von „Halbwertszeit“, wie lange sich die T-Zellen noch erinnern können – diese beträgt 8-15 Jahre [168], im Mittel also 11,5 bzw. gerundet 12 Jahre.)
Das gibt uns im Alter noch eine Art „Gnadenfrist“: Auch wenn mit 70 oder 80 keine T-Zellen mehr hergestellt werden können, bleiben doch die bestehenden T-Zellen im Körper noch mehr als ein Jahrzehnt aktiv und schützen uns weiter. Doch dann ist irgendwann Schluss.
Mit 90 oder 100 ist dann jede einfache Infektion potenziell gefährlich, und ein grippaler Infekt kann dann schnell zur Lungenentzündung und zum Tode führen.
All das deckt sich (leider) mit unserer Lebenserfahrung.
Jetzt sollte klar sein: Wenn wir es schaffen, den Thymus zu regenerieren und/oder den T-Zellen ein längeres Leben zu ermöglichen, halten wir die Funktion unseres Immunsystems aufrecht und erhöhen unsere Chancen auf ein längeres Leben.
Erste Studien zeigen, dass auch eine Lebensverlängerung für T-Zellen möglich ist. Die Universität Basel hat dazu Ergebnisse veröffentlicht, die eine Wirkung des Proteins Coronin-1 auf T-Zellen nachweist, allerdings nur „in vitro“, also in der Petrischale. Hier ist demnach noch viel Forschungsarbeit zu leisten [168].
Ein anderer Weg ist da schon weiter: Die Wiederertüchtigung des Thymus. Dass das möglich ist, haben zahlreiche Versuche an Säugetieren gezeigt, und dazu gibt es sogar mehrere Methoden.
In einem Videobeitrag [118] erklärt Dr. Fahy, warum er den Einsatz des menschlichen Wachstumshormons Somatropin für den besten Weg hält:
Diesen 10 Vorteilen stehen allerdings auch einige, potenzielle Nebenwirkungen oder Risiken gegenüber:
Um diesen Faktoren entgegenzuwirken, wurde in der TRIIM-Therapie das Somatropin mit Metformin (einem Diabetes-Medikament) und DHEA (Dehydroepiandrosteron, eine Vorläufer-Hormon) verabreicht. Metformin und DHEA hatten dabei die Hauptfunktion, den Zuckerhaushalt optimal zu halten.
Praktisch ist, dass die Zusatzwirkstoffe ebenfalls seit langer Zeit bekannt und im regulären medizinischen Einsatz sind, so dass auch hier keine weiteren Risiken entstanden, und alle Wirkstoffe gut auf dem freien Markt erhältlich sind. Das erleichterte auch eine Zulassung der Studie durch die amerikanischen Behörden (FDA).
Ein weiterer Vorteil von Metformin und DHEA ist, dass bei beiden Substanzen eigene, auf die Lebenserwartung positive Wirkungen vermutet werden, die teilweise auch belegt werden konnten (v.a. bei Metformin, siehe Anhang).
Gegen die Risiken 2 und 3 oben wurden regelmäßige Blutbilder erstellt, die zeitnah eine Verschlechterung der Werte angezeigt hätte.
Im Ergebnis gab es keinerlei Komplikationen bei einer der oben genannten Risikofaktoren.
Zur Durchführung der Studie wurden 9 Männer im Alter von 51 bis 65 Jahre ausgewählt, die in allen wesentlichen Aspekten gesund waren.
Wichtig war vor allem: Keine Krebs- oder Diabeteshistorie in der Familie. 2015 begann die Rekrutierung, 2017 war die Studie abgeschlossen und 2019 erschienen die Ergebnisse, die wir uns nachfolgend einmal näher anschauen werden [117], [118].
Der wichtigste Erfolgsfaktor ist natürlich, ob das eigentliche Studienziel einer (Teil-)Wiederherstellung der Thymusfunktion erreicht wurde.
Über die Bedeutung dieses Ergebnisses sagt Dr. Fahy in einer Präsentation: „Wenn wir nicht die Thymusfunktion wiederherstellen, werden letztlich alle anderen Interventionen (Anm. d. A.: zur Verbesserung der Lebensspanne und der Gesundheit im Alter) vergeblich sein – wir werden durch unser geschwächtes Immunsystem sterben.“ [119]
Das ist zwar drastisch formuliert, sagt aber klar aus, dass viele andere Altersfaktoren wie z.B. die Telomerverkürzung erst sehr viel später kritisch würden. Die Schwächung des Immunsystems und damit die Angreifbarkeit für Viren und Bakterien ist vermutlich der wichtigste Faktor, der die Lebensspanne und die Gesundheit im Alter gefährdet.
Keine Maßnahme wäre demnach so unmittelbar wirksam für ein gesünderes, längeres Leben wie die (Teil-)Wiederherstellung der Thymusfunktion.
Ein ganz klares Studienergebnis mit statistischer Signifikanz ist, dass durch die TRIIM-Behandlung Fettgewebe durch funktionales Thymus-Gewebe ersetzt wurde (siehe folgende Abbildung).
Eindrucksvoll ist, dass der Effekt der Wiederherstellung offenbar davon abhing, wie stark die Thymusfunktion bereits eingeschränkt war. Bei den Probanden mit dem größten Fettanteil und damit mit dem geringsten Anteil funktionsfähigen Thymus-Gewebes waren die Verbesserungen besonders groß.
Bei 2 Probanden gab es nur geringe Verbesserungen. Genau diese beiden hatten bereits zu Studienbeginn den geringsten Fettanteil im Thymus.
Abbildung 32: Ergebnisse der TRIIM-Studie im Hinblick auf den Anteil von Fettgewebe im Thymus [117], S.→]. Hier gilt: Je weniger Fettgewebe, desto besser, denn das Fettgewebe verdrängt das funktionale Thymusgewebe. Spannendes Ergebnis: Das fettfreie Gewebe (linke Grafik) hat bei fast allen 9 Probanden zugenommen. Bei 2 Probanden allerdings nur wenig – das waren genau diejenigen, die bereits bei Studienbeginn sehr wenig Fettgewebe im Thymus hatten (rechte Grafik). Man kann also sagen: Der Behandlung hat besonders gut bei denen gewirkt, deren Thymus-Funktion bereits stark eingeschränkt war. Die Zahlen an den Linien im linken Grafen sind das Alter der Probanden.
2. Stärkung des Immunsystems
Wenn der Thymus regeneriert wurde, so muss das ja noch nicht bedeuten, dass das auch messbare Effekte auf das Immunsystem hat.
In der Theorie müssten ja bei erneuerter Thymusfunktion die T-Zellen zunehmen. Hier gibt es verschiedene Arten, und im Zusammenhang mit der Thymusfunktion interessiert uns hier besonders die Entwicklung der sogenannten „naiven“ T-Zellen. Das sind sozusagen die frisch produzierten T-Zellen, die noch keine „Prägung“ auf bestimmte Erreger haben – daher der Zusatz „naiv“.
Eine Zunahme genau dieser naiven T-Zellen wurde in der Studie festgestellt – um ca. 12% nach 12 Monaten. Damit wird das Repertoire der T-Zellen, die sich noch neu auf Erreger ausrichten können, also gestärkt.
Ebenfalls zugenommen hat das Verhältnis von Lymphozyten zu Monozyten. Ohne den genauen Grund zu kennen, hat sich dieses Verhältnis als Indikator für das Risiko herausgestellt, an diversen Krebsarten zu erkranken. Dieses Verhältnis sollte also ansteigen, und das tat es in der Studie auch.
Ohne zu sehr ins Fachdetail zu gehen, lässt sich also sagen, dass die Studienergebnisse eine verstärkte Funktion und Aktivität des Thymus bei den 9 Probanden nachweisen konnte.
3. Epigenetische Verjüngung
Im Endergebnis stellte sich die Frage, ob denn diese Verbesserungen auch am epigenetischen Alter ablesbar sein würden (siehe Kapitel 16).
Glücklicherweise war der „Papst“ der epigenetischen Altersbestimmung und einer seiner Erfinder, Prof. Dr. Steve Horvath, Teil des Wissenschaftlerteams der TRIIM-Studie.
Prof. Horvath und sein Team führten bei allen Probanden mehrere Alterstests durch, die von der Genauigkeit her die derzeit bestverfügbaren sind.
Das Ergebnis war nicht nur erstaunlich, sondern auch im Detail interessant (siehe folgende Abbildung).
Alle 4 epigenetischen Messungen zeigten ähnliche Verbesserungen von im Durchschnitt 2,5 Jahren im Vergleich zur Messung bei Studienbeginn.
Da man aber nach 12 Monaten logischerweise 1 Jahr älter geworden ist, bedeutet ein Gesamteffekt von 2,5 Jahren vor den Stand vom Studienbeginn einen Nettoeffekt von immerhin -1,5 Jahren. Die Probanden waren also bei Studienende biologisch um 1,5 Jahre jünger als zu Studienbeginn, obwohl zwischenzeitlich 1 Jahr vergangen war. Sie waren sozusagen „rückwärts“ gealtert – also verjüngt!
Abbildung 33: Der gemessene Verjüngungseffekt der TRIIM-Studie bei 4 verschiedenen Bestimmungsverfahren für das epigenetische Alter. Gezeigt ist der Unterschied des gemessenen Alters im Vergleich zum Studienbeginn. Alle Messungen zeigen eine Verjüngung an. Die Studie endete nach Monat 12. Der letzte Wert zeigt, inwieweit die Verjüngung angehalten hat. Nach 18 Monaten (= 1,5 Jahre) war immer noch eine Netto-Verjüngung von 1-2 Jahren verblieben, also blieb die errungene Verjüngung von 2,5 Jahren stabil [117] [119].
6 Monate nach Studienende – also 18 Monate nach Studienbeginn – wurde eine weitere Messung des epigenetischen Alters durchgeführt, damit sichtbar wird, ob der Effekt anhält oder sich etwa wieder zurückentwickelt.
Auch hier wieder zu beachten: Nach 18 Monaten ist im Vergleich zum Studienende nach 12 Monaten ja wiederum ein halbes Jahr vergangen. Tatsächlich zeigen auch die epigenetischen Messungen nach „oben“, d.h. es tritt keine weitere Verjüngung ein. Das weist darauf hin – mangels einer Kontrollgruppe – dass nach Beendigung der Behandlung die Verjüngung ebenfalls endet. Aber – und das ist die gute Nachricht! – sie wird nicht aufgehoben.
Im Durchschnitt ist die Zunahme des epigenetischen Alters in diesem halben Jahr nach Studienende und ohne Behandlung ziemlich identisch mit dem chronologischen Zeitverlauf. Das heißt: Die epigenetische Altersmessung zeigt ein um ca. ½ Jahr höheres Alter an, während tatsächlich ½ Jahr vergangen ist.
Abbildung 34: Der epigenetisch gemessene Verjüngungseffekt im Durchschnitt aller 4 eingesetzten Verfahren (linke Grafik). Im Vergleich zum chronologischen Alter bedeutet die Behandlung eine Verjüngung um insgesamt -1,5 Jahre nach 1 Jahr, wenn man den Zeitablauf mit berücksichtigt – siehe rechte Grafik [117] [119].
Fazit: Der während der Behandlung aufgebaute Verjüngungseffekt bliebt auch nach dem Ende der Behandlung bestehen.
Natürlich ist es wichtig zu betonen, dass dies nicht automatisch gleichbedeutend damit ist, 2,5 Jahre länger zu leben als ohne Behandlung. Es gibt ja noch andere Faktoren, die das Lebensende bedeuten können, z.B. Unfälle, plötzlich auftretende Krankheiten oder Ähnliches.
Jedenfalls aber lässt sich wohl sagen: Der Körper ist nach der Behandlung in einem jüngeren Zustand als vorher, und wenn keine anderen Störungen auftreten, besteht die Chance einer Lebensverlängerung um mehrere Jahre.
Eine letzte Auffälligkeit war, dass sich die Verjüngung in den letzten 3 Monaten der Behandlungsdauer beschleunigt hatte. Hochgerechnet auf ein ganzes Jahr war der Verjüngungseffekt hier sogar im Durchschnitt 6,5 Jahre.
Man kann mit Spannung die Ergebnisse der Nachfolgestudie „TRIIM-X“ erwarten, die die Behandlungsdauer auf 15-18 Monate ausgedehnt hat.
4. Weitere Effekte und subjektive Eindrücke der Probanden
Neben der epigenetischen Messung und den anderen genannten Effekten ist es eine interessante Frage, ob und welche anderen Veränderungen den Probanden aufgefallen sind.
Erwähnenswert ist hier in jedem Falle, dass bei 3 der 9 Probanden aus der TRIIM-Studie eine Verbesserung des Haarwuchses stattgefunden hat: Aus grau-weißen Haaren wurden wieder teilweise schwarze Haare (siehe folgende Abbildung).
Die Nachfolgestudie namens „TRIIM-X“ („TRIIM eXpanded“) läuft aktuell (2024) mit 26 Probanden im Alter von 55 bis 80 Jahren, darunter sind auch 6 Frauen.
Die Haarverdunklung ist dort bisher nicht aufgetreten, mit Ausnahme einer Frau, bei der sich die Augenbrauen verdunkelt haben [119].
Abbildung 35: Haarverdunklung nach 12 Monaten TRIIM-Behandlung [118]. Der Effekt trat bei 3 von 9 Probanden auf. (Siehe zum Vergleich auch meine eigene Erfahrung mit dem Entgrauen der Haare auf S. →.)
Dr. Greg Fahy hat einen Zwischenbericht über die Ergebnisse von TRIIM-X gegeben, aus dem Folgendes hervorgeht (Stand 12/2022) [119]:
Damit gelingt der TRIIM-Studie die Indikation einer ganz besonderen Argumentationskette: Ein Wirkstoff (nämlich das Wachstumshormon Somatropin) führt dazu, dass der typischerweise im Alter der Probanden auftretende Abbau des Thymus gestoppt und sogar umgekehrt wurde, dies wiederum führt zur Wiederertüchtigung der Thymus-Funktion, also zur gemessenen Produktion von naiven T-Zellen (Immunabwehr), dies wiederum zur Ertüchtigung des Immunsystems und zur Verminderung der DNA-Methylierung, dies wiederum zur gemessenen Verjüngung um durchschnittlich 2,5 Jahre bei allen Probanden nach der Behandlungsdauer von 1 Jahr. Es gab keinen einzigen Ausreißer, und die Verjüngung in den letzten 3 Monaten der 12 Monate Behandlungsdauer war noch einmal deutlich beschleunigt – auf das Jahr hochgerechnet, war die Verjüngung im letzten Quartal durchschnittlich 6,5 Jahre pro Jahr.
Abbildung 36: Die Wirkung von künftigen Verjüngungstherapien könnte eklatant sein – die TRIIM-Behandlung ist möglicherweise erst der Anfang. Künstlerische Darstellung der KI DALL-E2 [169].
Die Genehmigung dieser Studie war dadurch vereinfacht, dass alle Wirkstoffe bereits lange zugelassen und im Einsatz sind, so dass keine unerwarteten Nebenwirkungen oder unbekannten Gefahren für die Probanden befürchtet werden mussten.
Warum aber wurden dann nicht mehr Probanden rekrutiert? Und warum gab es keine Kontrollgruppe?
Dafür gibt es mehrere Begründungen.
Erstens war ja nicht klar, ob die gewünschte Wirkung eintritt. In einem solchen Fall macht man erst einmal eine Pilotstudie, um die Hypothese durch eine Indikation zu bestätigen, bevor man hunderte oder tausende Menschen dem Risiko der Behandlung aussetzt – denn ja, jede Behandlung hat auch Risiken. Und immerhin waren alle Probanden gesund. Diese Gesundheit sollte nicht aufs Spiel gesetzt werden.
Zweitens sind die Wirkstoffe der Studie – oder ich muss besser schreiben ist ein Wirkstoff der Studie, nämlich Somatropin, ungemein teuer. Die Behandlung über ein Jahr kostet nach damaligen Preisen über 10‘000 € (und heute eher noch mehr). Das liegt daran, dass Somatropin äußerst anspruchsvoll in der Herstellung ist. Da es aber bereits im Verkehr und nicht mehr patentierbar ist, gab es keine interessierten Pharmafirmen, die das finanzieren wollten. Es gab einfach zu wenig Profit-Potenzial. Also musste das aus eigener Kraft finanziert werden, und Dr. Greg Fahy sagte einmal in einem Interview, dass die Probanden das überwiegend aus eigener Tasche bezahlt haben.
Auch zum Fehlen einer Placebo-Gruppe gibt es eine Begründung, die Dr. Fahy in einem Interview nennt: die Behandlung funktioniert mit einer Injektion und einer Wirkstoff-Patrone, die Somatropin enthält. So eine Patrone oder Injektion kann nicht mit einer Salzlösung angeboten werden, denn es gibt seitens Hersteller keine Patronen mit einer einfachen Salzlösung (siehe die Abbildung meines eigenen Injektionspens und der dazugehörigen Patrone im Kapitel 19).
Drittens gibt es aber noch einen Grund, warum mehr Probanden und auch eine Kontrollgruppe schwer umzusetzen waren und sind: Der Transport, die Lagerung und die Anwendung von Somatropin sind ausgesprochen aufwändig. Somatropin muss immer auf 4°-8°C gekühlt werden und per Injektion verabreicht werden. Jeder Proband musste das zuvor lernen, und für ein Jahr auf Urlaub oder längere Dienstreisen verzichten, weil sonst die Behandlung hätte unterbrochen werden müssen.
Keine leichten Randbedingungen!
Ich kann das aus eigener Erfahrung bestätigen, denn schließlich habe ich die Behandlung ja selbst an mir durchgeführt. Es war schwierig und aufwändig. Aber nach einer gewissen Routine wurde es doch einfacher.
Dass diese Therapie in Deutschland überhaupt für im Prinzip jedermann und jederfrau möglich war und ist, sehe ich als Glücksfall an. Denn Ärzte sind hierzulande frei darin zu entscheiden, welche (zugelassenen) Arzneimittel sie ihren Patienten verschreiben.
Einige moderne Ärzte kennen die TRIIM-Studie und teilen die Einschätzung, dass sich hier ein völlig neues Therapiefeld auftut: Gesunde davor schützen, frühzeitig oder im Alter krank zu werden. Und vielleicht sogar bald noch mehr: Gesund älter zu werden, als es Menschen heute für gewöhnlich möglich ist.
So sind die Ergebnisse der TRIIM-Studie also noch nicht automatisch auf alle Menschen übertragbar.
Dennoch sind sie so bahnbrechend und so spannend – und auch so inspirierend für viele Menschen, die derzeit zwischen 50 und 80 Jahre alt sind und das Alter vor Augen haben – dass es sich lohnt, sie zu kennen und mindestens zu verfolgen, ob die Wirkungen sich weiter bestätigen. Dann könnte es in naher Zukunft mehr Ärzte geben, die bereit sind, ihre Patienten entsprechend zu behandeln. Wer noch tiefer einsteigen möchte, findet alles Weitere in der Studie selbst, die (in Englisch) frei verfügbar ist [117] – und natürlich in den Aufzeichnungen meines „Verjüngungstagebuchs“.