14 Die Räume Illustration und Lp

Es sei (E, Illustration, µ) ein Maßraum. Analog zu den integrierbaren Funktionen Illustration führen wir nun die p-fach integrierbaren Funktionen ein. Diese Räume spielen auch in der Funktionalanalysis eine große Rolle.

 

14.1 Definition. Es sei p ∈ [1, ∞). Dann sind

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die Räume der p-fach integrierbaren Funktionen. Wir schreiben

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Je nachdem, ob wir das Maß µ, die Grundmenge E oder die Messbarkeit bezüglich Illustration hervorheben möchten, schreiben wir auch Illustration, Illustration, Illustration oder nur Illustration.

Die Abbildung Illustration, verhält sich im Wesentlichen wie eine Norm:

Nur die Dreiecksungleichung für die Norm ist nicht offensichtlich. Dazu benötigen wir eine elementare Ungleichung, die direkt aus Abb. 14.1 abgelesen werden kann.

 

14.2 Lemma (Youngsche Ungleichung). Die Exponenten p, q ∈ (1, ∞) seien konjugiert, d. h. p–1 + q–1 = 1 (also: q = p/(p – 1)). Dann

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(14.1)

Zusatz: In (14.1) gilt „=“ genau dann, wenn Illustration.

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Abb.14.1. Youngsche Ungleichung.

Mit Hilfe der Youngschen Ungleichung können wir die folgende fundamentale Ungleichung für Integrale beweisen.

 

14.3 Satz (Höldersche Ungleichung). Für Illustration und Illustration mit Illustration, p, q ∈ [1, ∞], gilt Illustration und

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(14.2)

Beweis. Die erste Ungleichung in (14.2) ist klar, die zweite Ungleichung folgt so:

 

Fall 1: p, q ∈ (1, ∞). Setze

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Wegen (14.1) erhalten wir

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Wir integrieren nun auf beiden Seiten

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woraus die behauptete Ungleichung durch Multiplikation mit Illustration folgt.

Fall 2: p = 1, q = ∞. Definitionsgemäß haben wir Illustration f. ü., also

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14.4 Korollar (Cauchy–Schwarz Ungleichung). Für u, Illustration gilt Illustration und

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(14.3)

Beweis. Verwende Satz 14.3 mit p = q = 2.

14.5 Korollar (Minkowski-Ungleichung). Für beliebige Illustration und p ∈ [1, ∞] gilt u + wIllustration, sowie

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(14.4)

Beweis. Der Fall p = ∞ ist eine Übung. [✍] Sei p ∈ [1, ∞). Zunächst folgt die p-fache Integrierbarkeit aus

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Weiterhin haben wir

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Da q = p/(p – 1) gilt auch

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und die Behauptung folgt durch Division mit Illustration.

14.6 Bemerkung. a) Korollar 14.5 besagt insbesondere, dass für u, Illustration und α, Illustration wiederum Illustration gilt, d. h. Illustration ist ein Vektorraum.

b) Illustration f. ü., d. h. Illustration ist nur ein quasi-normierter Raum, da nicht notwendig u ≡ 0 gilt. Es gibt aber ein Standardverfahren, um Illustration zu einem echten normierten Raum zu machen.

Und hier ist die übliche Standardschlamperei (der wir uns aber anschließen werden): Es ist üblich, von Lp-Funktionen zu sprechen und [u] mit einem guten Repräsentanten u0 ∈ [u] zu identifizieren. Beachte

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c) u, w ∈ Lp(µ). Dann sind Ausdrücke der Art

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stets bis auf eine Ausnahme-Nullmenge, also „f. ü.“ zu verstehen.

d) Illustration messbar und Illustration.

 

Wir wollen nun Illustration als quasi-normierten Raum studieren.

14.7 Definition (LP-Konvergenz). Es seien Illustration, Illustration, p ∈ [1, ∞].

14.8 Bemerkung. a) Jede in Lp konvergente Folge Illustration ist auch eine Cauchy-Folge. Wenn u den Lp-Grenzwert bezeichnet, dann sehen wir mit der Minkowski-Ungleichung Illustration; die rechte Seite konvergiert für m, n → ∞ gegen Null.

b) Es sei Illustration eine Folge, die für alle (oder µ-fast alle) x ∈ E einen punktweisen Grenzwert u(x) = limn→∞ un(x) hat. Dann folgt i. Allg. nicht die Lp-Konvergenz!

Hinreichend wäre, wenn zusätzlich Illustration (Satz 11.3 bzw. Satz 14.12).

Wir zeigen nun die Umkehrung von 14.8.a): Der Raum Illustration, p ∈ [1, ∞], ist vollständig. Zur Vorbereitung brauchen wir folgendes Hilfsresultat.

 

14.9 Lemma. Es seien Illustration, p ∈ [1, ∞], un ≥ 0. Dann

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Beweis. Wir verwenden die Minkowski-Ungleichung N mal:

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Da Illustration , folgt mit Beppo Levi

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14.10 Satz (Riesz-Fischer). Der Raum Illustrationp ∈ [1, ∞], ist vollständig d. h. jede Cauchy-Folge Illustration konvergiert gegen ein Illustration.

 

Beweis. 1°) Hauptproblem: Wie sieht der Grenzwert u aus? Nach Annahme ist Illustration eine Cauchy-Folge, und daher existieren natürliche Zahlen

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mit

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Wir finden u, indem wir un(k+1) als Teleskopsumme schreiben:

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Falls Illustration gilt, dann gilt auch Illustration, d. h.

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ist ein Kandidat für den Grenzwert.

 

2°) u ist wohldefiniert. Das folgt aus

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Also ist u f. ü. definiert, und auf der Ausnahmemenge setzen wir u = 0.

 

3°) Wir zeigen: Illustration. Es gilt

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4°) Wir zeigen: Illustrationun. Für alle ∈ > 0 und n, n(k)N gilt

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Der Beweis von Satz 14.10 zeigt auch:

 

14.11 Korollar. Es sei Illustration, p ∈ [1, ∞], Illustration, dann existiert eine Teilfolge Illustration, so dass Illustration für fast alle x.

Wir notieren noch die Lp-Version des Konvergenzsatzes von Lebesgue (Satz 11.3).

 

14.12 Satz (LP-dominierte Konvergenz). Es sei Illustration, p ∈ [1, ∞). Wenn

dann ist Illustration und es gilt

Beweis. [✍] Hinweis: Illustration ⇐⇒ messbar & Illustration. Beachte wo Nullmengen auftreten und wie sie sich aufbauen. Wende den Satz von der dominierten Konvergenz auf Illustration an.

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Konvergenz in IllustrationLp ≠ Konvergenz der LP-Normen Illustration

Den genauen Zusammenhang zwischen der „Normkonvergenz“ und „Konvergenz der Normen” gibt der folgende Satz von F. Riesz.

14.13 Satz (Riesz). Es sei Illustration, p ∈ [1, ∞). Wenn Illustration f.ü. und Illustration, dann gilt

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Beweis. „⇒“: Es ist Illustration. Indem wir die Rollen von un und u vertauschen, erhalten wir die Dreiecks-Ungleichung „nach unten

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woraus die Behauptung unmittelbar folgt.

„⇐“: Wegen

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können wir Fatous Lemma auf die Funktionen 2p(|un|p + |u|p) – |un – u|p ≥ 0 anwenden, und erhalten

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Daher ist Illustration, da für positive Folgen an ≥ 0 aus lim supn an = 0 sofort limn an = 0 folgt.

14.14 Beispiel. Es sei Illustrationdas Zählmaß auf (Illustration). Der zugehörige Lp-Raum ist ein Folgenraum, der Raum der p-summierbaren Folgen:

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Die Hölder- und Minkowski-Ungleichungen für das Zählmaß werden dann zu den aus der Analysis bekannten Ungleichungen für Reihen.

Hölder-Ungleichung (für Reihen):

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Minkowski-Ungleichung (für Reihen):

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Wir wollen nun noch eine praktische Konvexitätsungleichung herleiten. Dazu benötigen wir ein einleuchtendes - aber unangenehm zu beweisendes - Resultat.

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Abb.14.2. Konvexe Funktion.

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Lemma. ([8, Lemma 12.13, S. 115 f.]). Es sei Illustration konvex. Dann gilt

14.15 Satz (Jensen-Ungleichung). Es sei V: [0,∞) → [0,∞) konvex, µ ein W-Maß auf (Illustration). Dann gilt

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Beweis. Illustration ist messbar, da V|(0,∞) stetig ist. Daher sind alle Integrale definiert. Weiter sei V(∞):= limx→∞ V(x). Ist ∫ V(u) = ∞, dann ist nichts zu zeigen. Sei also ∫ V(u) < ∞.

Für eine affin-lineare Funktion ℓ(x) = αx β gilt

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Somit (l bezeichnet stets eine affin-lineare Funktion)

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Wir erwähnen noch einige wichtige Spezialfälle.

 

14.16 Beispiel. Es sei µ ein W-Maß und v, p beliebige Maße.

Aufgaben

  1. Es sei (Illustration) ein endlicher Maßraum und 1 ≤ q ≤ p ≤ ∞. Zeigen Sie, dass
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    und folgern Sie, dass Illustration für p ≥ q ≥1.
  2. Es sei (Illustration) ein Maßraum, 1 ≤ p ≤ r ≤ q ≤ ∞ und Illustration• Zeigen sie:
    Illustration
  3. (Verallgemeinerte Hölder-Ungleichung) Zeigen Sie, dass in einem Maßraum (Illustration)
    Illustration
    für alle messbaren uiM(Illustration) und alle pi ∈ (1, ∞) mit Illustration gilt.
  4. Es seien (Illustration) ein endlicher Maßraum und u ∈ ℒ1 (µ) mit u > 0 und ∫ u = Zeigen Sie:
    Illustration

    Wie lautet die entsprechende Aussage für ein Wahrscheinlichkeitsmaß?

  5. Es sei (Illustration) ein Maßraum und f, g p(µ). Finden Sie Bedingungen dafür, dass
    • (a) fg, f + g und af, a ∈ IR, wieder in p(µ) sind.
    • (b) Zeigen Sie, dass 1(µ) und 2(µ) keine Funktionenalgebren sind.
    • (c) Zeigen Sie die Dreiecksungleichung nach unten: Illustration
  6. Es sei Illustration eine Menge mit mindestens zwei Elementen und Illustration seien nicht leer.
    • (a) Bestimmen Sie alle messbaren Abbildungen Illustration, wenn (i) Illustration, (ii) Illustration.
    • (b) Charakterisieren Sie für alle p > 0 den Raum Illustration.
  7. Für welche p ≥ 1 ist Illustration, p-fach Lebesgue-integrierbar?
  8. Zeigen Sie, dass Illustrationgenau dann in ℒ2 konvergiert, wenn limn,munum existiert.
  9. Es sei (Illustration) ein Maßraum und u ∈ ∩p≥1p(µ). Zeigen Sie, dass Illustration (für unbeschränktes u gilt Illustration.
  10. Es sei (Illustration) ein Wahrscheinlichkeitsraum und ∥u∥lℒq < ∞ für ein q > 0. Zeigen Sie, dass Illustration (wir setzen e-∞ = 0).
  11. Es seien (Illustration) ein Maßraum, p ∈ (0,1) und Illustration. Zeigen Sie, dass für u, v ∈ P(µ) und Illustrationmit u,v,w > 0
    Illustration