In dieser üppigen und warmen Sommerzeit gibt es für die Bauern und Bäuerinnen zwischen der harten Arbeit auf den Feldern, dem Pflügen und Aussähen und der baldigen Erntezeit eine Ruhepause. Derzeit ist einzig das Heu erntebereit, verströmt seinen intensiven Duft und brachte dem Juli so den Namen „Heumond“ oder „Heuert“. Die alten Namen „Würzmond“ und „Kräutermond“ erinnern uns wiederum daran, dass es nun Zeit ist, die Küchenkräuter zu sammeln und ihr wildes Aroma für die Wintermonate haltbar zu machen. Die Luft ist erfüllt von allerlei süßen Düften, die Tiere bewegen sich eher träge, und selbst die Vögel zwitschern nun eher in den Dämmerstunden und schweigen bei Tage im Schatten. Nach all den Wachstumsschüben der Natur in den Monden zuvor lädt uns die Sommersonne des Wärmemonds nun zum Verweilen ein. Lange Tage bis in die späten Abendstunden im Freien genießen, sich im See oder Wald abkühlen, laue Nächte unterm Sternenhimmel verbringen und Tagträumen nachhängen – für all dies ist jetzt die richtige Zeit.
Es zeigen sich außerdem gerade die ersten Fruchtstände, und damit wird so langsam der Lohn für alle Mühen sichtbar, auch wenn noch Reifezeit benötigt wird. Für uns Menschen wird im Jahreskreis nun deutlich, welche Pläne bzw. Projekte gut gedeihen und welche Samen aus den ersten Monaten des Jahres aufgehen. Wir können in dieser Zeit eine erste Bestandsaufnahme machen, doch mehr noch lädt uns die pralle Sonne ein, dass auch wir unseren strahlenden Platz in der Familie aller Dinge ganz und gar einnehmen und in unsere volle Größe und Macht hineinwachsen. Oftmals ist das negativ belegt, doch im Grunde hilft es der gesamten Gesellschaft, wenn wir als einzigartige Persönlichkeit wachsen, unsere eigene Macht annehmen und sie zum Wohle aller einsetzen. Wir übernehmen Verantwortung für all das, was unsere Gaben mit sich bringen. Der alte Name „Segensmond“ möge dich in diesem Sinne daran erinnern, welch ein Segen du mit deinem ganzen Sein für das Gesamtgefüge bist.
Vielen Menschen fällt es aus unterschiedlichsten Gründen schwer, dies alles anzunehmen oder auch nur über sich selbst in dieser Weise zu denken. Deshalb helfen die Rituale in diesem Monat dabei, dein Licht neu erstrahlen zu lassen und Wunden mit warmer Geborgenheit zu halten, bis hin zu einer Neugeburt in die liebenden Arme von Mutter Erde und unter dem lächelnden Schutz von Vater Sonne (Himmel).
Dieser Monat lädt uns so sehr dazu ein, in all der Wärme zu baden und ganz und gar in uns selbst, in unserem Körper und auf der Erde anzukommen. Unser Körper ist unser Zuhause, unser heiliger Tempel, der uns jeden Tag mit Wundern beschenkt, uns mit allen Sinnen fühlen lässt und uns ermöglicht, Berührung zu erfahren. Mit und in diesem Körper sind wir hier auf Erden zu Hause und zuvor waren wir dies im Körper unserer Mutter. Und weil all diese Themen so grundlegend und existenziell sind, können wir diese entspannte Pause im Jahreskreis dazu nutzen, uns ihnen in aller Hingabe zu widmen. Aus diesem Grunde gebe ich diesem Kapitel sehr viel Raum und wünsche dir von Herzen, dass du die Einladung des Julimondes und all seine Segnungen annehmen kannst.
Vorbereitung
Für dieses Ritual brauchst du keinerlei Zutaten im üblichen Sinne, jedoch lege ich es dir ans Herz, einen oder mehrere vorbereitende Spaziergänge zu unternehmen, um den stimmigen Ort für dein Ritual zu finden. Es wäre wunderbar, wenn du einen Platz in der Natur findest, an dem du dich (vor neugierigen Blicken) sicher fühlst und ganz frei einfach sein kannst. Ich persönlich nutze dazu ein sehr abgelegenes kleines Waldstück – und empfehle dir entsprechend auch, in den Wald zu gehen, um die wilde, urwüchsige Seite in dir zu stärken –, jedoch eignet sich auch ein grüner Hügel jenseits allen menschlichen Treibens, das Ufer eines verwunschenen Sees o. Ä.
Wenn du einen für dich passenden Ort gewählt hast, stimme dich gebührend ein, damit das Ritual seine volle Kraft entfalten kann. Dazu habe ich dir hier vielfältige Informationen zusammengetragen, damit du die sommerliche Mitte des Jahres dazu nutzen kannst, ganz in dir und deiner Mitte anzukommen.51
Hintergrundwissen zur Verbindung von Wald und Mensch
Im Laufe der menschlichen Evolution verbrachten die Menschen einen Großteil der Zeit in den Wäldern und lebten von dem, was diese ihnen darboten. So spielen auch die „Herrin der Tiere“ und der „Herr des Waldes/der Tiere“ bis heute in ihren göttlichen Emanationen weltweit eine große Rolle. In Nepal gibt es u.a. den bekannten und beeindruckenden Pashupatinath-Tempel, der zu den wichtigsten hinduistischen Verehrungsstätten zählt und in dem Gott Shiva als eben jener Herr alles Lebendigen/der Tiere und des Waldes verehrt wird.
Der keltische Gott Cernunnos, auch „der Gehörnte“ genannt, der „Grüne Mann“ mit seinem Blättergesicht, die römische Diana, die Göttin der Jagd, aber auch des Mondes, der Geburt (und Beschützerin der Frauen), die ihr entsprechende griechische Artemis, die gallische Artio, die slawische Devana (Mutter des Waldes), der finnische Gott Tapio und seine Tochter Tuulikki u. v. a. m. zeugen noch heute deutlich davon, dass die Menschen den Wald als Heimat betrachteten und die dort wirkenden göttlichen Kräfte hoch verehrten.
Heutzutage erfreut sich Shinrin Yoko, das sogenannte Waldbaden, immer größerer Beliebtheit und zeigt letztlich, dass wir noch immer gut daran tun, uns entspannt und achtsam in den Wäldern aufzuhalten und deren heilsame würzige Terpene tief einzuatmen – wie so viele Lebewesen seit jeher. Inzwischen belegen viele wissenschaftliche Studien, dass schon zwanzig Minuten Aufenthalt/Spaziergang im Wald unser Immunsystem stärken und auch darüber hinaus einen positiven Einfluss auf die Gesundheit haben.
Die Heiligen Haine unserer Vorfahren kamen ganz ohne gebaute Kirchen/Häuser aus. Ihre Art der Götterverehrung (die zugleich auch Naturverehrung war) fand häufig auf Lichtungen oder an besonderen Plätzen in Wäldern statt, teils auch in eigens dazu gepflanzten „Baumkreisen“.
Vom Wald lernen
Der Naturverehrung wurde eine immense Wichtigkeit beigemessen, und es wäre schön, wenn wir dies mehr und mehr wieder in unsere urbane Lebensweise zurückholen könnten. Das bedeutet nicht, dass wir unsere komplette Art zu sein ändern und wieder in den Wald ziehen müssen. Doch kann es uns vielleicht eine Erinnerung sein, um nachhaltiger, achtsamer und liebevoller mit der Natur umzugehen und unser Bestes zu geben, um unseren Fußabdruck hier auf Erden möglichst klein und unauffällig zu halten, während unsere Dankbarkeit und Wertschätzung Ausdruck finden kann; und dies kann schon in „kleineren“ täglichen Alltagsritualen geschehen, wie z. B. Müll im Wald aufzusammeln, Gaben für die Tiere auszulegen oder auch indem wir dem Wald ein Lied singen.
Der Heilige Hain spielte eine große Rolle für unsere Ahnen, und all die uralten grünen Riesen, die an vielen Orten noch immer stehen, waren möglicherweise Zeugen der alten Naturverehrungs-Rituale. Als solche können diese alten Bäume uns wertvolle Vertraute sein, die uns an das ursprüngliche zyklische Wissen unserer Vorfahren erinnern, weil sie es miterlebten und darum wissen und auch weil sie die Weisheit von Wachstum (auch unter widrigsten Umständen) und gemeinschaftlichem Zusammenhalt in sich tragen.
Wildes Embodiment im ursprünglichen Zuhause
Die Bäume eines Waldes erinnern uns mit ihrem bloßen Sein daran, uns zu vernetzen, einander zu unterstützen, zu beschirmen und wertvolle Informationen miteinander zu teilen. Sie können uns lehren, mit dem Wind sanft zu tanzen und den Stürmen des Lebens zu trotzen, uns nach dem Hellen, Lichtvollen auszurichten und uns mit tiefen Wurzeln selbstbewusst in die volle Größe zu erheben. Sie flüstern uns liebevoll zu, dass uns eine einzigartige natürliche Schönheit innewohnt, auch wenn wir Narben davongetragen haben oder das Leben uns gekrümmt, gezeichnet, herausgefordert hat. Der Wald und seine Wesen urteilen nicht über uns, sie scheinen uns mit offenen Armen zu empfangen und uns einfach so anzunehmen, wie wir sind. Damit helfen sie uns, es ihnen gleich zu tun und ganz und gar in unserem Körper anzukommen, was immer ihn auch geformt oder verändert hat (oder wir ihn uns anders gewünscht hätten).
Es ist in aller Munde, Selbstliebe zu praktizieren, und die „Body Positivity“- und „Diversity“-Bewegungen ermutigen uns, unseren Körper in seiner Einzigartigkeit sowie unser Wesen voll und ganz anzunehmen und uns liebevoll zu begegnen. Warmherzige Selbstakzeptanz ist so viel wichtiger, als danach zu streben, sich in eine perfektionistische Gesellschaft voller (vermeintlich) makelloser Schönheit einzufügen, und lässt uns das Konzept von Selbstoptimierung vergessen. Unser ursprüngliches menschliches Zuhause (nachdem wir das nährende Wasser in der Gebärmutter verlassen haben und geboren wurden), der Wald, unterstützt uns zutiefst, in unserem Körper anzukommen, ihn anzunehmen und entspannt durchzuatmen.
Im folgenden Ritual wird es um all das gehen, und du kannst damit einen Nährboden bereiten, auf dem jegliche weitere Embodiment-Rituale und Selbstannahme-Praxis fruchtbar gedeihen kann (oder diese heilsam ergänzt). Dazu kannst du zur Vorbereitung auch noch tiefer in deine Ursprünge hineinspüren und dich einem weiteren wichtigen Thema widmen, das viele von uns noch sehr beeinflusst.
Hintergrundwissen zur Mutterwunde
Man spricht von einer „Mutterwunde“, um die grundlegende Wunde zu benennen, in der sich eine regelrechte Quelle von Traumata, hinderlichen Glaubenssätzen und aus destruktiven Mustern des Patriarchats entstandene Verletzungen befinden. Diese Wunde tragen sowohl Frauen als auch Männer. Sie besteht aus einer Lücke, die entsteht, wenn die Einheit zwischen Mutter und Kind sich auflöst und sich daraus eine tiefe, nicht gestillte Sehnsucht nach einer Mutter und der mit ihrer natürlichen Funktion verbundenen Qualitäten wie Wärme, Geborgenheit, bedingungslose Akzeptanz, Zärtlichkeit, Liebe, Nahrung und Heimat ergibt. Oft werden diese Qualitäten dann in anderen Menschen oder auch Dingen gesucht, vor allem dann, wenn wir diese Lücke nicht anerkennen und versorgen. Manche Menschen versuchen, sich diese wohligen Gefühle z. B. über das Essen zu geben, oder indem sie sich immer wieder „etwas gönnen“ und dabei über ihre Verhältnisse leben. Auch ungesunde Partnerschaften und Co-Abhängigkeiten können eine Folge dieser nicht wirklich gesehenen bzw. verstandenen Lücke sein.
So ist unsere „Mutterwunde“ in ihrem tiefsten Kern eine echte „Lebenswunde“, eine absolut grundlegende Wunde in unserem heiligen Kern. Sie wurde (und wird noch immer) unbewusst weitergegeben von Generation zu Generation und beeinflusst maßgeblich, wie wir unser Leben und vor allem unsere Beziehungen gestalten. Dies ist so, da Beziehungsgeflechte sich energetisch aus dem Bauchbereich (dem Sakralchakra) herausbilden. Auch die Interaktionen mit anderen Frauen, die Themen Selbstliebe und Selbstwert, Geborgenheit im eigenen Körper usw. sind mit diesem Körperbereich verbunden. Und diese Wunde ist so fundamental, dass letztlich alles, was wir empfinden und tun, damit in Zusammenhang steht.
Wir sind alle betroffen, denn wir haben alle eine Mutter, doch die Wunde drückt sich in allen ganz unterschiedlich aus. Setzen wir uns mit dieser sehr persönlichen Wunde, die aus der eigenen Ahnenlinie kommt, auseinander, ist das wie ein Schlüssel zu mehr Freiheit, Wahrheit und der eigenen Bestimmung – letztlich zu dem Kern dessen, was unser ureigenes Wesen wirklich ausmacht. Wenn wir uns vorstellen, welch lange Zeit wir in unserer Mutter verbracht haben, über die Nabelschur verbunden waren und darüber auch genährt wurden, können wir erahnen, wie groß der Einfluss all dessen sein kann, was wir über die Großmutter mütterlicherseits und unsere Mutter aufgenommen haben in der Zeit, in der sich unser winziger Körper überhaupt erst entwickelte und aus Eizelle und Samen ein Mensch wurde.
In diesem Zusammenhang ein kleiner Exkurs zur Urkeimzelle:
Jeder Mensch war bereits in der Gebärmutter seiner Großmutter mütterlicherseits physisch angelegt, und zwar schon ab der 21. Schwangerschaftswoche, als sie mit unserer Mutter schwanger war. Als sich die Eierstöcke unserer Mutter in der 21. SSW entwickelten, entstand bereits damals die Urkeimzelle, aus der sich dann später die Eizelle entwickeln konnte, aus der wir eines Tages hervorgegangen sind! Alles, was ab diesem Schwangerschaftsmoment mit uns passiert, hat eine Wirkung auf uns. Das damalige Leben und Erleben unserer Großmutter und auch die Entwicklung unserer Mutter in deren Mutterleib betrifft uns dadurch ebenfalls unmittelbar. Dies ist ganz schön versinnbildlicht in den russischen Matroschka-Puppen. Wir waren als Urkeimzelle/Ei schon im Embryo, der unsere Mutter war – die zu diesem Zeitpunkt im Leib unserer Großmutter war. Da wir alle also sehr geprägt sind von unserer Mutter und Großmutter mütterlicherseits, kann die rituelle Neugeburt ein wichtiger Grundstein für unsere nachhaltige sinnliche und ganzheitliche Embodiment-Praxis sein.
Absolut alle Beziehungen beginnen und enden in der Individualität (man könnte auch sagen: in der „Trennung“) – mit der einen und einzigen Ausnahme: die Beziehung zur Mutter. Diese Beziehung beginnt in Einheit, in Verschmelzung – ein Körper innerhalb eines Körpers, verbunden durch die Nabelschnur und über diese auch mit vorverdauter Nahrung genährt und versorgt. Diese erste Verbundenheit, die so einzigartig anders ist als jene zu allen anderen Menschen, prägt unsere Wahrnehmung aller anderen Beziehungen im Leben – mit allen Defiziten, denen wir nicht erneut begegnen möchten, allen daraus folgenden Vermeidungsstrategien und auch allen wundervollen Dingen, die diese Einheit ausmachte.
Daraus ergibt sich und kannst du dir sicherlich vorstellen: Du kannst möglicherweise nicht in der kurzen Zeit eines Neumond-Rituals jede erdenkliche Mutterwunde „heilen“ (es wäre eher vermessen, dies zu behaupten). Doch erste wichtige Schritte können getan werden und dir helfen, dir selbst heilsamer zu begegnen.52
Es ist äußerst unterstützend, immer wieder auch Übungen zu machen, in denen wir unser inneres Kind liebevoll halten und wir letztlich zur eigenen inneren Mutter für uns selbst werden. So wird es möglich, bewusst in diese nährende Rolle zu treten, die keinen Raum für die unbewussten Muster lässt. Wir können schwerlich von Wunden heilen, die wir nicht als Wunden anerkennen und entsprechend versorgen. Sich mit der Mutterwunde und auch mit der Lücke, die das Verlassen der innigen Verschmelzung hinterlassen hat, auseinanderzusetzen ist ein Weg mit Höhen und Tiefen, vielschichtig, voller Stolpersteine und Schatten, und gleichzeitig ist es ein Weg zum Erlösen ganzer energetischer Familienstrukturen in alle Richtungen der Ahnenlinie. Es nährt unsere Wurzeln, sodass wir und unser ganzer Lebensbaum wachsen und erblühen können. Es ist die Knochenarbeit also immer wert.
In der bewussten Beschäftigung mit dieser Wunde liegt also ein Schlüssel zur vollen Annahme des eigenen Lebens, mit allem, was dazugehört. Es ist auch ein Schlüssel zu diesem zauberhaften, heilen Kind, das wir alle einst waren. Denn dieses unbeschadete, so innig verbundene Kind, mit all den in ihm angelegten Talenten, Stärken und Wundern und der Einheit mit allem Leben, ist noch immer tief in unseren Zellen verankert und in unserer stärksten Substanz, unseren Knochen und Zähnen, aus schamanischer Sicht immer gegenwärtig.
Obwohl die Wunde in so vielen von uns gegenwärtig ist, haben wir doch auch etwas, das wir selbst dieser Verletzung entgegensetzen können – eine „Medizin“ für uns und andere, die uns und die Kraft unserer Seele, unseres Wesens ausmacht. Wir alle tragen eine solche „Medizin“ in uns, die für irgendwen heilsam ist – und sie auszuüben, zu verschenken und mit der Welt – oder sei es nur mit dieser einen anderen Person – zu teilen heilt auch uns selbst, weil wir dann spüren, dass wir das Leben voll auskosten und das leben, was in uns steckt.
Darum: Welche Familienverstrickungen oder transgenerationalen Muster sich auch immer um dich herum gewebt haben – deine ureigene Medizin kann dir niemals genommen werden. Vielleicht hast du deine so wertvollen Anteile aus Angst oder Scham versteckt oder hast dich bei deinem Heranwachsen bzw. in deinem bisherigen Leben nicht genug in Sicherheit, unterstützt und ermutigt gefühlt, doch diese Medizin ist weiterhin tief in dir, im Gewebe deines Körpers, im Leuchten deiner Augen und im Klang deiner Stimme.
Genau daran wollen wir uns in diesem Ritual wieder anbinden und dazu beitragen, diese Wunde zu versorgen und uns selbst noch einmal neu zu gebären.
Vorbereitung
Wenn du in dir also eine Mutterwunde spürst – sei es in Bezug zu deiner (biologischen) Mutter oder in Bezug darauf, dass du selbst, aus welchen Gründen auch immer, (bisher) keine Mutter geworden bist und dein Kinderwunsch noch unerfüllt blieb –, hat es eine große Kraft, sich in alter Tradition wie die „Saligen Frauen“53 zu betten und dabei zugleich etwas ganz Neues in deine Erfahrung hineinzuweben: dich selbst voll und ganz als Kind der Mutter Erde zu spüren und diese einstige Empfängnis zu zelebrieren.
Vor vielen Jahren erlebte ich selbst in Initiationen meiner schamanischen Ausbildung, wie kraftvoll es ist, wenn wir uns unseren naturspirituellen Eltern, Mutter Erde und Vater Sonne/Himmel, hingeben. Dieser Seelenbalsam kann sich heilsam auf die Herkunftsfamilie und die damit einhergehenden Wunden auswirken und den inneren Frieden nähren.
Obwohl wir zu Neumond eher Wünsche platzieren und nicht so viele alte Themen beleuchten, kommt uns in diesem Falle die Leuchtkraft der Sommersonne zu Hilfe. Ihre warm umhüllende Kraft unterstützt einen tiefen Blick in die Herkunftsfamilie und schenkt uns gleichzeitig Energie für all die Wünsche, die sich aus diesem Blick heraus ergeben.
Diese Impulsfragen können helfen, deine Wünsche zu erkennen und auszuformulieren:
–Was ist noch nicht so, wie es sein könnte?
–Wünschst du dir einen Ausweg aus deiner eigenen Überfürsorge für andere?
–Wünschst du dir, ohne jegliche Schuldgefühle deinen Raum einnehmen zu können und für dich zu sorgen?
–Welche Wünsche bilden sich aus deiner Mutterwunde heraus?
–Welche Wünsche hast du als Mutter?
–Wie kannst du ganz in dir selbst und auf dieser Erde zu Hause sein?
Der tiefe Wunsch nach Geborgenheit, inniger Bindung, liebevoller Harmonie und einem wundervollen Heim kann nun ebenso gut ausgesendet werden wie der Wunsch nach einem guten Kontakt zu den eigenen Gefühlen, damit einhergehender inniger Selbstfürsorge und schließlich auch nach einem guten Kontakt zur Familie. Insbesondere wenn es in der Herkunftsfamilie zu Brüchen gekommen ist oder wir unter der sogenannten Mutterwunde leiden, unterstützt uns das folgende Ritual sehr.
Nach all diesen Ausführungen ist dir sicher längst klar, dass es in diesem Ritual um mehr als „einfaches Waldbaden“ geht und dass es dir helfen kann, dich mit der Ursprünglichkeit d(ein)er Natur zu verbinden und dich wild, roh und innig selbst anzunehmen.
Am Anfang unseres Lebens sind wir nackt (und damit auch verletzlich), natürlich und völlig individuell geborgen im Bauch der Mutter. An dieses Gefühl (und an alle zuvor beschriebenen Themen) kannst du nun anknüpfen und dich ganz und gar als Kind der Mutter Erde in ihren Bauch, in ihren Schoß legen.
Wähle dazu den Neumond-Tag im Monat Juli oder einen dem Neumond sehr nahen Tag und begib dich mit viel Zeit und Raum, gern auch mit ein paar Gaben (Samen, Nüssen o. Ä.), einer Wolldecke, einem Getränk in den Wald. Lass dich von deiner Intuition dorthin leiten, wo keine anderen Menschen heute deinen Weg kreuzen werden. Sollte dich die Sorge vor Zecken oder eine starke Reaktion auf Mückenstiche nervös machen, creme/spraye dich vorher entsprechend ein, damit du dich leichter in die Erfahrung hineinbegeben und im Zweifel auch diesen Bewohnern des Waldes begegnen kannst (wenn es denn dem Prozess zuträglich wäre).
•Gehe zu dem Wald, den du für dein Ritual ausgewählt hast. Bitte an der Schwelle zwischen Waldrand und Wald in deinen Worten um Einlass und darum, dass du heute heilsame Erfahrungen in seinen schützenden Armen machen darfst.
•Betritt dann mit einem klaren Schritt den Wald.
•Eröffne an der von dir gewählten abgelegenen Stelle auf deine Weise einen heiligen Raum (zur Orientierung kannst du dafür die Hinweise im Kapitel „Grundsätzliches zur Ritualvorbereitung und Öffnung des heiligen Raumes“ auf den Seiten 63 ff. noch einmal ansehen). und lade alle hilfreichen Spirits zu dir ein, die du dir zu deiner Unterstützung wünschst.
•Sieh dich nun nach einer natürlichen Mulde im Waldboden um, in die du dich sanft einfügen kannst. Erschaffe dir deinen Raum im Schoß von Mutter Erde und sorge dafür, dass er dir ein sicheres Nest ist. Warte also gern, bis du dich in und mit dieser Umgebung vertraut fühlst.
•Wenn du so weit bist, besinne dich auf deine Intention: „Ich möchte mich als wahrhaftiges Kind der Mutter Erde erleben und in ihrem Bauch gehalten sein.“ Bitte Mutter Erde darum, dich in ihr spüren und später neu geboren hinausschlüpfen zu dürfen.
•Lege dann achtsam deine Kleidung ab. Lege dich nackt und hingebungsvoll wie ein Embryo in die Erdmulde.
Spüre nun eine ganze Weile allem nach, was in dir geschieht. Welche Sorgen, Ängste, Scham, Ekel, Gedanken (vielleicht an Krabbeltierchen an dem Ort, wo du liegst, oder an andere Menschen und was sie über dich denken könnten etc.) tauchen in dir auf?
Erlaube dir, auch vor dir selbst jetzt einfach nackt, pur und verletzlich zu sein. Lass all das da sein, was sich nun zeigen mag, und spüre zugleich die pure Erde an deiner zarten Haut. Vielleicht ist es überraschend warm und angenehm? Vielleicht eher rau? Erweckt es in dir archaische oder animalische Gefühle und Urinstinkte? Sollte leichte Panik aufkommen, atme tief durch und spüre noch bewusster, wie die Erde dich umarmt.
•Lass es nach und nach immer stiller in dir werden und genieße dein pures Sein als Erdenkind.
Wann immer du ganz in dieser innigen Verbundenheit angekommen bist, Ruhe in dir spürst (bis hin zu einem wohlig-schläfrigen Gefühl) und dich bereit fühlst, wie neugeboren die Welt wieder zu betreten, krabbele langsam und achtsam auf allen Vieren aus dem Schoß der Mutter Erde heraus. In einigen Kulturen wird von Stirn zu Stirn initiiert und kraftvoll übertragen. Deshalb knie auch du nun gern nieder und berühre mit deiner Stirn die Erde, wenn es sich für dich stimmig anfühlt. Lass so die Kraft und Weisheit der Erde durch deine Stirn in dich hineinfließen und dich ganz und gar davon erfüllen. Lass dich daran erinnern, dass du eines ihrer Kinder und als solches gehalten, getragen und in deinem ganzen Sein angenommen bist.
•Wenn du spürst, dass alles getan ist, dann hülle dich in deine gemütliche Decke, um dieser tiefen nackten Erfahrung nachzuspüren, dich selbst zu halten und deine Erlebnisse sanft zu integrieren. Trinke dann etwas, um wieder ganz in deinem Körper anzukommen und ihn „durchzuspülen“.
•Wann immer es für dich stimmig ist, danke dem Wald, diesem Ort im Besonderen, Mutter Erde/der Großen Göttin und all den Spirits, die du zu Beginn eingeladen hast.
Lege zum Abschied und zum Dank gerne deine (biologisch abbaubaren) Gaben nieder.
Danke dir auch selbst für deinen Mut und dafür, dass du dir so viel Zeit und Raum für die Entfaltung deiner Selbstliebe und Selbstannahme geschenkt hast.
•Zieh dich dann wieder an, packe deine Sachen zusammen und gehe schließlich genauso wieder aus dem Wald hinaus, wie du gekommen bist – mit einem bewussten Schritt am Waldrand.
Willkommen zurück!
Mögest du dich ganz und gar geborgen fühlen in diesem Leben, in deinem Körper und auf diesem wunderschönen Planeten. Mögest du dich als Kind der Erde geliebt und gehalten fühlen, inmitten all deiner einzigartigen und so unterschiedlichen Geschwister. Mögest du tief in dir die Gewissheit spüren, dass du niemals aus diesem Familienverbund herausfallen kannst.
Nimm ein Salzbad oder eine warme Dusche mit Salzpeeling, da Salz uns energetisch reinigt und uns ebenfalls ganz und gar in uns ankommen und im Leben verankert sein lässt. Halte deine Erlebnisse im Wald und die Gefühle, die dazu aufgestiegen sind, in deinem Tagebuch fest. Vielleicht mag zu diesem Mond auch ein Segen oder Gedicht für dich und deine Neugeburt oder die Erde entstehen. Solche Sinneserfahrungen berühren Körper, Geist und Seele und helfen dabei, neue Perspektiven einzunehmen und deine wahre Natur zu nähren.
Komm wieder, wenn es dich ruft.
ALLTAGSZAUBER-TIPP
FÜR DEIN
SANFTES HERANTASTEN
Falls du vor lauter Sorge um Krabbelgetier oder Blicke anderer Menschen oder aus welchen ganz persönlichen Gründen auch immer diese Erfahrung nicht nackt machen magst, zwinge dich keinesfalls dazu! Es ist ebenfalls sehr bereichernd, wenn du das Ritual wie beschrieben durchführst, jedoch dabei bekleidet bleibst und in einer liebevoll ausgelegten Mulde (wie in einem Nest) liegst. So spürst du natürlich keinen Hautkontakt zur Erde, liegst jedoch wie ein Embryo in ihrem Schoß und kannst natürlich deinen Handrücken oder deine Handflächen währenddessen die Erde spüren lassen.
Auch dieses Erlebnis wird dich transformieren.
Vorbereitung und Materialien
Du benötigst lediglich eine Kornähre und einen Platz in der Natur, der dir Kraft für dich und deine Mitte schenkt. Du kannst natürlich gern auch dein Smartphone oder einen MP3-Player mitnehmen, wenn du Musik dazu abspielen magst. Dazu kannst du am Feldrand eines Kornfeldes spazieren gehen und eine bereits vom Wind umgeknickte oder am Boden liegende Pflanze suchen und darum bitten, dass du diese verwenden darfst. Nimm diese dankbar an dich. Bitte knicke keine Kornähre nur zu diesem Zweck ab, denn im Zweifel kann das Ritual auch ohne sie stattfinden.
Hintergrundwissen um Ähre und Mitte
Früher wurde zur Erntezeit eine einzelne Kornähre auf dem Feld belassen, die Zuflucht für die Spirits (in diesem Falle Korngeister) bieten sollte und die Wertschätzung der Menschen für die Ernte und den fruchtbaren Acker bezeugte.
Wir verbinden hier diese Wertschätzung für das Wachstum und die Fülle mit einem uralten Symbol: dem Kreis.
Neben vielen anderen Symbolen54 gelten Kreise, das Rund oder Halbrund (Schale, Mondsichel) und die Spirale oder später auch die beiden einander zugewandten Halbrunde, die eine Art Mandel bilden (Mandorla in der Ikonographie), als weibliche Symbole. Sie alle sind Sinnbilder für den mütterlichen Leib, insbesondere die Nachformung des heiligen Schoßes, die Leben und Segen spendende Yoni.
Ein Kreis ist etwas Umfassendes, Haltendes und hat in sich eine Mitte, ein Zentrum. Begeben wir uns in einen Kreis, spüren seine Symbolik und tanzen diese gar nach, ordnet und schützt uns dies. Es lässt uns unsere eigene innere Mitte wieder erspüren, hilft uns, uns zu sammeln und zu unserem eigenen (spirituellen) Zentrum zu werden. Wenn wir den Kreis tanzen, ihn also selbst bilden, und uns dann in die Mitte bewegen, hilft es uns zudem, aufrichtig aus unserem Zentrum heraus zu sprechen.
Nutze diesen Segens-Vollmond im Juli, um dich mit dir selbst, deinem Zentrum und deinem Spirit tief zu verbinden.
•Gehe gern mit deiner Kornähre in die freie Natur (oder nutze den Boden deines Zimmers als Verbindung zum Erdboden und webe dich gedanklich darüber in die tieferen Schichten der Erde ein).
•Kreiere auf deine Weise einen heiligen Raum, in dem du ungestört ausreichend Zeit für deine Zeremonie hast.
•Wenn es für dich stimmig ist, dann mach dir gern eine Musik an, die dich dabei unterstützt, nun aufzustehen und alles in dir zu versammeln, was du bist und schon immer warst – wild und frei und wunderbar.
•Halte in einer Hand deine Kornähre und lege deine andere Hand auf die Erde. Spüre eine Weile dem Herzschlag der Erdmutter nach. Spüre, wie dieser Herzschlag und dein eigener sich verbinden. Sie schlagen gemeinsam und doch jeder für sich. Spüre, wie die Kornähre dir Halt und Aufrichtigkeit schenkt.
•Setze nun deine Intention: „Ich bin ganz ich, ganz in meiner Mitte.“ (Du kannst dies auch sehr gern in deinen eigenen Worten formulieren.) Visualisiere, wie du zwischen Himmel und Erde gehalten bist, und stelle dich aufrecht hin.
•Beginne nun langsam einen Kreis für dich abzuschreiten bzw. abzutanzen. Lass deine Füße die Erde küssen und auf ihr den Großen Kreis „malen“, in dem du gehalten bist.
Mach dann einen bewussten Schritt in die Mitte deines Kreises.
Beginne dich dort zu drehen. Drehe dich immer mehr, immer freier, immer wilder, schneller, inniger, wie ein tanzender Derwisch. Erlaube dir Hingabe, das Loslassen aller Kontrolle und auch Schwindel.55 Erlaube dir, vom Kreis und von der Göttin selbst erfasst und bewegt zu werden. Gib dich den Bewegungen hin.
•Drehe dich so lange, bis du sanft zur Erde gleitest.
Berühre mit deiner Stirn die Erde. Spüre die Kraft und Weisheit der Erde durch deine Stirn in dich hineinfließen und dich ganz und gar erfüllen. Spüre, wie sehr du als Erdenkind gehalten, getragen und versorgt bist.
•Richte dich dann langsam und bewusst auf.
Stehe in deiner vollen Größe.
Halte deine Ähre hoch und bitte in deinen eigenen Worten darum, dass all deine Kraft ganz bei dir ist. Spüre, wie sich alles in dir bündelt.
Richte dich bewusst aus und auf. Stehe aufrecht und klar.
Wenn du so weit bist, sprich aus deiner Mitte heraus: „In der Familie aller Dinge stehe ich. Mein Spirit steht für … Dafür stehe ich ein und dafür werde ich gehen (aufstehen).“
Spüre dich und spüre die Ähre in deiner Hand. Wiederhole gern deine Sätze und die Botschaft, wofür du stehst und bereit bist zu gehen, zu handeln, und puste all das von ganzem Herzen dreimal in deine Ähre hinein. Mache sie so zum Kraftgegenstand deiner Mitte und deines Spirits.
•Wenn du spürst, dass alles getan ist und alle Energie in dir gebündelt zur Ruhe kommt, dann verweile gern noch eine Weile verbunden mit Himmel und Erde und mit deiner Kornähre.
•Bedanke dich zum Abschluss deiner heiligen Zeremonie der Mitte bei dem Ort und den hilfreichen Spirits, bei Himmel und Erde und auch bei dir selbst. Schließe auf deine Weise den heiligen Raum.
Natürlich kannst du gern auch wieder eine kleine (biologisch abbaubare) Gabe von dir zum Dank in der Natur zurücklassen.
Nimm deine Kornähre mit nach Hause und lege sie auf deinen Altar oder hänge sie über deine Türschwelle.
Möge die Kornähre dich immer an die Kraft deiner Mitte erinnern und an deinen Platz in der Familie von allem, was ist.
Mögest du aufrecht für dich einstehen und für alles, was dir lieb und wertvoll ist, wann immer dies nottut.
Mögest du in voller Größe leuchtend sichtbar sein, und mögen deine Gaben die Welt beschenken und zugleich für dich Früchte tragen.