Kapitel 11

Narzisstische Aggressionen

IN DIESEM KAPITEL

  • Verstehen, warum Narzissten aggressiv werden
  • Die Wutausbrüche von Narzissten näher betrachten
  • Den Zusammenhang zwischen bösartigem Narzissmus und anderen Persönlichkeitstypen verstehen
  • Die Folgen narzisstischen Missbrauchs erkennen

In Kapitel 2 sind die verschiedenen Ausprägungen von Narzissmus beschrieben. Manche Menschen haben leichte narzisstische Züge, die keine großen Auswirkungen auf ihr tägliches Leben haben. Treten diese narzisstischen Züge stärker in den Vordergrund, entwickelt sich ein Kampf um die Aufrechterhaltung des überlegenen Status, um dringend benötigte Bewunderung und Sonderbehandlung. Um ihren Willen durchzusetzen, greifen narzisstische Menschen häufig zu aggressivem Verhalten (Schädigung, Verletzung oder Einschüchterung anderer Personen).

Interessanterweise wird Aggression oft mit leicht narzisstischen, mäßig narzisstischen und stark narzisstischen Personen in Verbindung gebracht. Schon ein wenig Narzissmus erhöht die Wahrscheinlichkeit von antagonistischem, feindseligem und manchmal gewalttätigem Verhalten.

In diesem Kapitel wird erklärt, warum Narzissten aggressiv werden. Alle vier Typen von Narzissten (grandios, verletzlich, bösartig und gemischt) legen mit größerer Wahrscheinlichkeit aggressives Verhalten an den Tag als Nicht-Narzissten. Das Kapitel erörtert die Formen des aggressiven Verhaltens von Narzissten und empfiehlt Strategien zum Umgang mit narzisstischer Aggression.

Bedrohte Egos: Wenn Narzissten aggressiv werden

Das Ego vieler Narzissten scheint zerbrechlich oder instabil zu sein. Sie sind oft sehr dünnhäutig und reagieren bei negativen Rückmeldungen schnell verletzt. Sie werden aggressiv, wenn sie lächerlich gemacht, gedemütigt oder in Verlegenheit gebracht werden. Dabei haben die Menschen, von denen die gefühlte Demütigung ausgeht, oft keine Ahnung, was sie getan haben, um den Narzissten zu verärgern. Das liegt daran, dass Narzissten ein sehr empfindliches Gespür für die kleinsten Beleidigungen oder Angriffe auf ihr Überlegenheitsgefühl haben.

Reaktive Aggression

Der häufigste Grund für narzisstische Aggression ist das Gefühl, provoziert zu werden. Provokationen werden in der Regel als Bedrohung für das aufgeblasene Ego des Narzissten empfunden. Dabei reagieren sie auch auf milde Provokationen, die bei nicht narzisstisch veranlagten Menschen nur selten zu Aggressionen führen. Dieser Akt der Aggression nach einer Provokation wird als reaktive Aggression bezeichnet.

Narzissten entschuldigen ihr Verhalten mit einer realen oder wahrgenommenen Bedrohung. Sie müssen reagieren oder werden verlieren, und zu verlieren ist für einen Narzissten nicht akzeptabel. Ihre Reaktionen sind impulsiv und von hoher emotionaler Erregung geprägt, die sich gewöhnlich in Wut entlädt.

Der wahrgenommene Angriff versetzt den Narzissten sofort in die Position eines Opfers und ermöglicht damit, die Verantwortung für die aggressive Reaktion anderen zuzuschieben. Die Rechtfertigungen sehen dann etwa so aus:

  • Er hat mich beim Überholen geschnitten. Er brauchte eine Lektion, also zeigte ich ihm den Stinkefinger, schnitt ihm den Weg ab und trat auf die Bremse.
  • Er hat mit mir Schluss gemacht, also habe ich allen meinen Online-Freunden gesagt, sie sollen ihm beleidigende Nachrichten schicken. Ich habe sogar seine Handynummer veröffentlicht, damit sie ihm gemeine Nachrichten schicken konnten.
  • Er hat mir vor der Party nicht einmal gesagt, dass ich attraktiv aussehe, also habe ich mich die nächsten zwei Wochen geweigert, mit ihm zu sprechen.
  • Ich hätte gewinnen müssen. Die anderen haben wahrscheinlich geschummelt. Das Spiel war manipuliert, aber ich werde es mir zurückholen.
  • Ich hätte eine dickere Gehaltserhöhung verdient. Aber als ich das meinem Chef so sagte, drohte er mir im Grunde damit, dass ich gefeuert werden könnte. Ihm musste eine Lektion erteilt werden, also habe ich ihn bei der Geschäftsleitung angeschwärzt.
  • Diese Typen halten sich für so was von cool. Als ich suspendiert wurde, wollte ich ihnen genau zeigen, wie cool ich bin.
  • Sie hat es darauf angelegt, sich wie eine Schlampe angezogen und mit mir geflirtet, und sie meinte eigentlich »Ja«, auch wenn sie »Nein« sagte.
  • Diese Leute dringen in unsere Wohnviertel ein und nehmen uns die Arbeitsplätze weg. Sie müssen ausgeschaltet werden.

Narzissten reagieren jähzornig auf Provokationen. Ihre Reaktionen sind aggressiv und übertrieben und äußern sich in verbaler Aggression, körperlicher Aggression, passiver Aggression und Einschüchterung. Sie üben Vergeltung, um ihren überlegenen Status oder ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe aufrechtzuerhalten.

Proaktive Aggression

Im Gegensatz zur reaktiven Aggression ist die proaktive Aggression eine bewusste Handlung. Proaktive Aggression ist im Voraus geplant und besonders kaltblütig. Narzissten setzen sie ein, um das zu bekommen, was sie wollen. Während die reaktive Form der Aggression häufiger vorkommt, ist die proaktive Aggression oft grausamer und gewalttätiger.

Beispiele für proaktive Aggression sind:

  • Raub, um Geld oder Waren zu erlangen
  • Bei Kindern: andere Kinder zu Boden stoßen, um einen gewünschten Gegenstand zu bekommen
  • Manche Vergewaltigungen, obwohl die meisten Vergewaltigungen nicht im Voraus geplant sind
  • Manche Morde, obwohl viele Morde impulsiv sind
  • Geplantes Cybermobbing, um sich zu rächen
  • Mobbingverhalten, um einen höheren Status zu erlangen

Proaktive Aggression steht im Zusammenhang mit mangelndem Einfühlungsvermögen und dem Glauben an die Unterlegenheit anderer. Proaktive Aggression bei Jugendlichen zieht oft antisoziales Verhalten im Erwachsenenalter nach sich.

Die Formen narzisstischer Aggression erkennen

Aggression nimmt verschiedene Formen an, beispielsweise Beschimpfungen, körperliche Gewalt, passive Aggression oder Mobbing. Die Aggression richtet sich gegen ein bestimmtes individuelles Ziel oder eine bestimmte Gruppe. Sie kann auch unschuldigen Personen schaden, die zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort sind, etwa am Arbeitsplatz, in einem Kino, einem Einkaufszentrum, einem Lebensmittelgeschäft, einer Demonstration, einem Nachtclub, einem Park, einer Gemeindeveranstaltung, einer Schule oder einem Gotteshaus.

Narzissten sehnen sich zutiefst nach Aufmerksamkeit und wollen ihren vermeintlich überlegenen Status aufrechterhalten. Daher kann jede Bedrohung ihres aufgeblähten Egos zu einer aggressiven Reaktion führen. Diese Reaktionen können impulsiv reaktiv oder proaktiv sein und Formen wie geplante Feldzüge oder Verschwörungen annehmen.

Mobbing

Narzissten setzen Mobbing strategisch ein, um ihre Überlegenheit gegenüber anderen zu behaupten. Das kann zu Hause, am Arbeitsplatz, im Internet oder auf dem Schulhof geschehen.

Narzissten sind hervorragende Mobber. Sie halten sich für überlegen und haben kein Einfühlungsvermögen. Mobber schikanieren ihre Opfer nicht nur körperlich, sondern auch mit Worten, indem sie Gerüchte über sie verbreiten. Cybermobbing hat sich zur bevorzugten Form des Mobbings für feige Narzissten entwickelt, die ihren verletzlichen Opfern anonym unermessliches Leid zufügen.

Verbaler Missbrauch

Manche Mobber beschränken sich auf verbale Beschimpfungen, die ihre Opfer necken, verhöhnen, bedrohen oder einschüchtern. Sie nehmen eine aggressive Körperhaltung ein und klingen laut und bedrohlich. Diese Tyrannen nutzen in der Regel Situationen, in denen keine Autoritätspersonen anwesend sind, und werden daher selten erwischt. Wenn man ihr Verhalten meldet, leugnen sie alles und beschuldigen das Opfer der Lüge. Da das Verhalten verbal ist, ist es ziemlich schwer zu beweisen.

Soziale Aggression

Soziale Aggression richtet sich auf die Position einer Person innerhalb einer Gruppe und äußert sich beispielsweise in der Verbreitung von Lügen und Gerüchten, in Rufschädigung oder offener Demütigung vor anderen Gruppenmitgliedern. Kinder, die soziales Mobbing betreiben, fügen ihren Opfern ernsthaften Schaden zu, indem sie sie aus der Gruppe ausschließen oder andere auffordern, keine freundschaftlichen Beziehungen mehr zu dem jeweiligen Opfer zu pflegen.

Soziales Mobbing kommt in verschiedenen Gruppen vor, auch in einigen religiösen Organisationen. Mitglieder der einen Gruppe meiden möglicherweise Mitglieder der anderen Gruppe oder Personen, die in irgendeiner Weise gegen die Normen der Religion verstoßen haben. So kann beispielsweise geschiedenen Personen nach einer erneuten Heirat die Teilnahme an bestimmten religiösen Ritualen untersagt werden. Es hat sich gezeigt, dass die Ausgrenzung für die Betroffenen emotional besonders belastend ist.

Physisches Mobbing

Physisches Mobbing kann von mild bis schwerwiegend reichen. Ein narzisstischer Mobber, der bei einem Fototermin ganz vorne stehen will, schiebt eine andere Person zum Beispiel einfach zur Seite, um sein narzisstisches Ego zu befriedigen. Physische Aggression kann zu häuslicher Gewalt, Übergriffen und sogar Mord eskalieren. Wenn sich ein Narzisst bedroht fühlt, sind die Folgen oft unvorhersehbar.

Cybermobbing

Narzissten verbringen viel Zeit im Internet. Onlineplattformen ermöglichen es ihnen, ihre überzogene Selbstdarstellung zu verbreiten und aufzupolieren. Je mehr Klicks und Likes sie erhalten, desto besser fühlen sie sich.

Darüber hinaus bietet das Internet narzisstischen Personen ein Gefühl der Anonymität – sie betrachten sich als unsichtbar für andere. Der Schutz der Anonymität gibt Narzissten, besonders den verletzlichen, ein stärkeres Machtgefühl. Sie können alle Hemmungen fallen lassen und ihre Feindseligkeit und ihren Mangel an Empathie offen zeigen.

Die Auswirkungen von Cybermobbing bei Teenagern sind besonders dramatisch, weil zumeist die gesamte Schulgemeinschaft über soziale Medien miteinander verbunden ist. Damit vergrößert sich die Reichweite der Demütigung und die mobbenden Narzissten können ihre Anerkennung schon am gleichen Tag persönlich genießen. Das ist eine enge Feedbackschleife mit schlimmeren Folgen als beim Cybermobbing durch Fremde.

Es gibt einige Hinweise darauf, dass Narzissten häufig Cybermobbing betreiben. Sie können auf diese Weise ihr Mobbingverhalten ausleben, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Boshaftes Onlineverhalten oder Onlinebelästigung kann ein ganzes Spektrum an missbräuchlichen Aktivitäten umfassen. Die folgenden Beispiele sind nur einige von vielen:

  • Trolling: Das absichtliche Verfassen von provokativen oder verstörenden Kommentaren im Internet, um emotionale Auseinandersetzungen zu schüren. Trolling zielt in der Regel nicht auf eine bestimmte Person ab, kann aber Schaden anrichten, indem es andere aufhetzt. Trolle ignorieren Beweise, weisen andere schroff zurück und hinterlassen themenfremde Äußerungen.
  • Rache-Porno: Eine Form des Missbrauchs, bei der sexuell eindeutige Bilder oder Videos ohne die Zustimmung einer Person online verbreitet werden. Oft handelt es sich um ehemalige oder aktuelle Partner, die sich rächen oder die andere Person nötigen wollen. Manchmal werden die Opfer ohne ihr Wissen fotografiert oder auf Video aufgenommen. Diese Bilder können dann verwendet werden, um das Opfer zu bedrohen oder zu kontrollieren.
  • Cyberstalking: Eine Form des Stalkings, bei der in die Online-Informationen einer anderen Person eingegriffen wird. Cyberstalker sammeln persönliche Informationen. Sie nutzen diese Informationen manchmal, um ihrem Opfer unerwünschte Nachrichten oder Warenlieferungen zukommen zu lassen und verbreiten Gerüchte. Viele der Opfer sind ehemalige Partner des Stalkers. Es gibt jedoch auch Opfer, die keine Ahnung haben, wer ihnen auf diese Weise nachstellt.
  • Swatting: Eine gefährliche Form des Cybermobbings. Der Täter fingiert einen Anruf bei der Polizei und erfindet eine Geschichte über eine potenziell gewalttätige Situation im Haus eines anderen. Das SWAT-Team (taktische Spezialeinheit) trifft bei der Adresse des ahnungslosen Opfers ein. Swatting kann sich auch gegen öffentliche Einrichtungen richten, etwa wenn jemand eine vorgetäuschte Bombendrohung einreicht. Swatting hat schon zu Verletzungen und sogar zum Tod geführt.
  • Doxing: Bei dieser Art Cybermobbing werden persönliche oder vertrauliche Informationen im Internet offengelegt. Die Veröffentlichung privater Telefonnummern, E-Mail-Adressen oder Wohnadressen kann zu einer massiven Zunahme von Belästigungen oder Gewaltandrohungen führen.
  • Ausschluss: Jemanden aus einer Gruppe ausschließen oder blockieren.

Andere Formen von Cybermobbing umfassen die Verbreitung von Gerüchten oder Lügen über andere sowie das Versenden von Drohungen oder vulgären Inhalten. All diese Aktivitäten können bei den Opfern beträchtlichen Kummer und Leid verursachen.

Die Abkürzung LULZ (oder LOLZ, eine Pluralform der Online-Abkürzung für »laughing out loud«, LOL) bezeichnet die Belustigung oder das Lachen über das Leiden, die Peinlichkeit oder den Schmerz einer anderen Person. Es wird häufig online und in SMS verwendet und bezieht sich auf beleidigendes Verhalten, das den Täter amüsieren und das Opfer verstören soll. Im Prinzip drückt LULZ Schadenfreude über das Versagen oder Leiden einer anderen Person aus.

Passive Aggression

Passiv-aggressives Verhalten ist eher eine indirekte als eine offensichtliche Aggression. Es wird oft von Narzissten gewählt, weil die Absicht leicht geleugnet werden kann. Im Folgenden finden Sie Beispiele für passiv-aggressive Reaktionen:

  • Vorsätzliche Verschleppung von Projekten
  • Mit Schweigen bestrafen
  • Sarkasmus
  • Leugnen von Gefühlen
  • Vorgeben, etwas zu vergessen
  • Schmollen
  • Schlechte Leistungen oder absichtliche Fehler
  • Ständiges Zuspätkommen
  • Herabsetzendes Verhalten
  • Verhalten wie lautes Seufzen, Augenrollen oder Türenknallen

Emotionaler Missbrauch

Der emotionale Missbrauch hat in der Regel das Ziel, das Opfer zu kontrollieren. Er zermürbt das Selbstvertrauen, das Selbstwertgefühl und die emotionale Widerstandskraft des Opfers. Da die Opfer immer unsicherer werden, können sie in eine größere emotionale Abhängigkeit vom Täter geraten.

Emotionaler Missbrauch kann ganz offensichtlich oder sehr subtil und schwer zu erkennen sein. Im Folgenden sind einige der Anzeichen für emotionalen Missbrauch aufgeführt:

  • Versuche, das Opfer von Familie und Freunden zu isolieren
  • Übertriebene Eifersucht
  • Ständige Kritik
  • Enge Überwachung und Kontrolle des Aufenthaltsortes der Zielperson
  • Beschuldigungen des Fremdgehens (ohne Beweise)
  • Entzug von Zuneigung
  • Bestrafung durch Schweigen
  • Beschimpfungen
  • Beschuldigung des Opfers
  • Ständige Drohungen, die Beziehung zu beenden
  • Eingriffe in die Privatsphäre, etwa das Überprüfen des Mobiltelefons oder der sozialen Medien
  • Ständige Kontrolle der Aktivitäten des Opfers

Wenn Sie in einer Beziehung mit einem Narzissten leben, kommen Ihnen viele dieser Warnzeichen vielleicht bekannt vor. Die Missbrauchsforschung zeigt, dass emotionaler Missbrauch die gleichen psychischem Schäden anrichten kann wie körperlicher Missbrauch.

Beachten Sie, dass sich viele der Ausdrucksformen von passiv-aggressivem und emotionalem Missbrauch bei Narzissten teilweise überschneiden. Missbrauch kann viele Formen annehmen und ist oft eine Kombination verschiedener Formen.

Körperliche Gewalt

Narzissmus erhöht die Neigung zur Gewalttätigkeit. Gewalt ist definiert als vorsätzliche physische Schädigung einer Person. Studien unter Gefängnisinsassen haben ergeben, dass Häftlinge, die wegen Vergewaltigung, Körperverletzung und Mord verurteilt wurden, in höherem Maße narzisstische Eigenschaften aufweisen als eine vergleichbare Gruppe von Personen, die nicht inhaftiert waren.

Narzissten, die sich für privilegiert halten, denen es an Einfühlungsvermögen mangelt und die impulsiv handeln, neigen möglicherweise eher zu gewalttätigen Aggressionen. Wahrgenommene Bedrohungen ihres Status und Egos sind oft ein wichtiger Grund für Narzissten, gewalttätig zu werden.

Obwohl der Zusammenhang zwischen Narzissmus und Gewalt feststeht, sind weitere Studien erforderlich, die direkt die Typen des Narzissmus sowie die Umstände und die Folgen des gewalttätigen Verhaltens messen.

Bei den meisten Tötungsdelikten handelt es sich um ungeplante Verbrechen im Affekt, die häufig mit Drogenmissbrauch einhergehen. Mörder haben in der Regel keine ausreichende Selbstkontrolle und handeln impulsiv, wenn ihre überzogene Selbsteinschätzung infrage gestellt wird. Manchmal sind Mörder in ein anderes Verbrechen verwickelt, beispielsweise einen Raubüberfall, bei dem Waffen zum Einsatz kommen und der tödlich endet.

Einige Morde werden jedoch sorgfältig im Voraus geplant. Tatsächlich stützen bestimmte Forschungsergebnisse die Annahme, dass Serienmörder eine verletzliche Form des Narzissmus aufweisen könnten. Unterschwellige Gefühle der Unzulänglichkeit zusammen mit einem Überlegenheitsgefühl und einem Mangel an Empathie können einen wichtigen Teil der Persönlichkeit von Serienmördern ausmachen.

Massentötungen und narzisstische Wut

Während manche Menschen eine strengere Kontrolle des Waffenbesitzes und andere mehr Gelder für die psychische Gesundheit fordern, wurde bisher nur wenig getan, um immer wieder vorkommende tragische Massentötungen zu verhindern, insbesondere in den Vereinigten Staaten.

Ein Großteil der Öffentlichkeit geht davon aus, dass Amokläufer ein geringes Selbstwertgefühl haben und psychisch krank sind. Viele dieser Merkmale werden jedoch erst nach der Tat festgestellt und sind möglicherweise mit Vorurteilen behaftet. Auch andere Persönlichkeitsmerkmale, wie Narzissmus, können eine Rolle spielen.

Das Federal Bureau of Investigation (FBI) betont in einer Veröffentlichung über Schulattentäter, dass die Persönlichkeit eines Schülers bei der Beurteilung einer Bedrohung berücksichtigt werden sollte. Zu den als wichtig erachteten Merkmalen gehören

  • die Fähigkeit eines Schülers, sich von einer Demütigung oder anderen negativen Rückmeldungen zu erholen,
  • das Bedürfnis nach Kontrolle, Aufmerksamkeit, Respekt und Bewunderung durch andere,
  • die Feststellung, ob der Schüler andere als minderwertig betrachtet, und
  • mangelndes Einfühlungsvermögen.

Kommen Ihnen diese Merkmale bekannt vor? Ist es möglich, dass Amokläufer nach einer negativen Bewertung oder Bedrohung ihres Egos unter gewalttätiger narzisstischer Wut leiden? Es sind weitere Forschungen erforderlich, insbesondere Längsschnittuntersuchungen, bei denen normale Schülerstichproben über einen längeren Zeitraum hinweg untersucht werden.

Da sowohl Wissenschaftler als auch Strafverfolgungsbehörden davon ausgehen, dass ein narzisstisches Bedürfnis nach Ruhm und Aufmerksamkeit im Spiel sein könnte, wird inzwischen dazu aufgerufen, den Tätern keine Aufmerksamkeit zu schenken. Diese neue Haltung könnte dazu beitragen, potenziellen Nachahmungstätern zu zeigen, dass sie durch das Töten unschuldiger Menschen keinen Ruhm erlangen können.

Suizid und alternde Narzissten

Narzissten begeben sich nur selten in psychiatrische Behandlung. Suizid ist ein seltener, aber schwerwiegender Akt der Gewalt. Begehen Narzissten Suizid? Ja, aber relativ selten.

Bei den meisten Menschen erhöht eine Depression das Suizidrisiko. Bei Narzissten scheint dies nicht der Fall zu sein. Da Narzissmus im mittleren Erwachsenenalter offenbar nicht mit Depressionen verbunden ist, könnte er sogar vor Suizid schützen.

Das Suizidrisiko kann sich jedoch ändern, wenn Narzissten älter werden. Im Rahmen einer Studie wurden ältere Psychiatriepatienten über einen Zeitraum von 15 Jahren beobachtet. Bei den Teilnehmern mit einer Narzissmus-Diagnose lag die Suizidwahrscheinlichkeit höher als bei anderen Teilnehmern. Ihre Suizidversuche waren geplant und in hohem Maße tödlich. Es wird vermutet, dass narzisstische Menschen mit zunehmendem Alter nicht mehr die Aufmerksamkeit und Bewunderung erhalten, die ihnen ihrer Meinung nach zusteht. Deshalb nimmt man an, dass der Suizid für sie ein Ausweg aus ihren Schwierigkeiten mit dem Alterungsprozess ist.

Die Beziehung zwischen Narzissmus und Suizid ist komplex. Um diese Fragen schlüssig beantworten zu können, sind noch viele weitere Untersuchungen erforderlich.

Bösartige Narzissten kennen keine Grenzen

Bösartige Narzissten weisen Symptome aller Narzissmustypen auf – Grandiosität, das Gefühl der Einzigartigkeit, Machtstreben, das Verlangen nach Aufmerksamkeit, die Erwartung einer Sonderbehandlung, Eifersucht, mangelndes Einfühlungsvermögen und die Neigung, andere auszunutzen. Kombiniert man dies mit Impulsivität, Verantwortungslosigkeit, fehlender Reue und mangelnder Rücksichtnahme sowie der Bereitschaft zu aggressivem oder gar gewalttätigem Handeln zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse, erhält man eine sehr gefährliche Person: einen bösartigen Narzissten.

Trotz dieser negativen Eigenschaften können auch bösartige Narzissten zunächst recht charmant und interessant sein. Sie manipulieren andere mit oberflächlichem Charme, bis sie bekommen, was sie wollen. Bösartige Narzissten können lügen, betrügen und andere verletzen, ohne sich schlecht zu fühlen. Sie kümmern sich wenig um die Auswirkungen der Kränkungen, die ihr Verhalten anderen zufügt. Sie erfreuen sich sogar daran, während sie selbst dabei distanziert und arrogant bleiben.

Obwohl es einige Überlegungen gibt, dass bösartige Narzissten wie verletzliche Narzissten ein zerbrechliches, instabiles Ego verbergen, gibt es kaum empirische Daten über den Kern ihrer Persönlichkeit. Bösartiger Narzissmus ist ein Begriff, der sowohl von Online-Selbsthilfegruppen als auch von den Strafverfolgungsbehörden viel Aufmerksamkeit erhalten hat. Doch wie andere Narzissten nehmen auch bösartige Narzissten nur selten die Dienste von Psychologen in Anspruch und werden sich wahrscheinlich nicht für eine Forschungsstudie anmelden. Das erschwert naturgemäß die weitere Forschung.

Gemeinsamkeiten mit der antisozialen Persönlichkeitsstörung

Es gibt Überschneidungen zwischen bösartigem Narzissmus und der antisozialen Persönlichkeitsstörung. Letztere ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

  • Missachtung von Gesetzen oder sozialen Erwartungen
  • Leichtfertiges Lügen
  • Betrug zum Vergnügen oder aus Profitgier
  • Reizbarkeit und Aggressivität
  • Risiken eingehen, ohne sich über die Konsequenzen Gedanken zu machen
  • Unverantwortliches Verhalten
  • Gleichgültigkeit gegenüber den Verletzungen anderer

Die dunkle Triade von Persönlichkeitsmerkmalen

Als dunkle Triade bezeichnet man seit den frühen 2000er-Jahren eine Kombination dreier unheilvoller Persönlichkeitsmerkmale:

  • Narzissmus: Menschen, die von ihrer Überlegenheit und Anspruchsberechtigung fest überzeugt sind
  • Machiavellismus: Menschen, die ihren Willen mit Gerissenheit, Manipulationen und Geschick durchsetzen
  • Psychopathie (subklinisch): Menschen, denen es an Empathie mangelt und die andere zu ihrem eigenen Vorteil verletzen

Menschen mit diesen Merkmalen zeigen das typische narzisstische Anspruchsdenken zusammen mit Gefühllosigkeit, fehlender Moral, einem Talent zur Manipulation und einem völligen Mangel an Empathie. Diese Kombination wird gewöhnlich von geschmeidigem Reden und charismatischem Charme begleitet. Sie eignen sich hervorragend als Verkäufer.

Menschen mit diesen Merkmalen nutzen ihre eigene Familie, Freunde oder Kollegen ohne Reue aus. Sie können erfahrene Lügner, Selbstdarsteller und Hochstapler sein. Wie der bösartige Narzisst sind Personen mit der dunklen Triade oft schwer zu erkennen.

Die dunkle Triade ist oft eine fatale Kombination. Personen mit diesen Merkmalen können gefährlich aggressiv werden. Stellen Sie sich den bösartigen Narzissten als einen Narzissten hoch drei vor. Auch er kann als geschmeidiger Manipulator auftreten, aber er wird Sie verletzen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.

Der Begriff Machiavellismus geht auf Niccolò Machiavelli zurück, einen italienischen Philosophen und Adligen aus dem 16. Jahrhundert. Er war als Meister der Manipulation bekannt. Seine Schriften hatten in der Vergangenheit großen Einfluss und werden auch heute noch von Machthabern herangezogen. Eine seiner bekanntesten Aussagen war, dass es besser sei, gefürchtet als geliebt zu werden. Er glaubte, dass Angst ein zuverlässigeres Mittel zur Manipulation von Menschen sei als Liebe. Kein heiterer Zeitgenosse, der Herr Machiavelli.

Umgang mit narzisstischer Aggression

Wenn Narzissten aggressiv werden, verletzen sie ihre Mitmenschen – sowohl Menschen, die sich um sie sorgen, als auch völlig Fremde. Von häuslicher Gewalt bis hin zu Wutausbrüchen im Straßenverkehr – Narzissten können gefährlich sein.

Wenn Sie Opfer narzisstischen Missbrauchs geworden sind, sollten Sie Ihre langfristigen Optionen sorgfältig abwägen. In Kapitel 9 finden Sie Anregungen, wie Sie sich schützen können, wenn Sie sich entscheiden, die schädliche Beziehung zu beenden.

Manchmal kann man nicht viel tun, um Aggressionen in einer Beziehung mit einem Narzissten im Vorfeld zu verhindern. Die folgenden Tipps helfen Ihnen, die Situation zu meistern und Eskalationen zu vermeiden.

  • Körperliche Distanz ist die beste erste Reaktion auf narzisstische Wut. Wenn die Aggression deutlich wird, entfernen Sie sich nach Möglichkeit langsam und bedächtig. Versuchen Sie nicht, den Aggressor physisch zu konfrontieren.
  • Wenn eine physische Distanzierung unmöglich ist, bewahren Sie Ruhe. Versuchen Sie, körperlich entspannt zu bleiben und Ihre Hände seitlich am Körper zu halten.
  • Vermeiden Sie Überreaktionen. Sprechen Sie ruhig und langsam.
  • Wenn Sie sich an einem öffentlichen Ort befinden, versuchen Sie, näher an andere heranzutreten.
  • Auch wenn Sie Angst haben, versuchen Sie, Ihr Gesicht entspannt und neutral zu halten.
  • Wenn möglich, erkennen Sie die Gefühle der Betroffenen an, indem Sie beispielsweise sagen: »Ich sehe, dass Sie verärgert sind.«
  • Hören Sie zu, ohne zu argumentieren, um Ihrem Gegenüber die Möglichkeit zu geben, sich Luft zu machen und sich möglicherweise zu beruhigen.
  • Wenn Sie allein sind und das Gefühl haben, dass die Situation eskalieren könnte, rufen Sie so diskret wie möglich den Notruf an und lassen Sie das Telefon eingeschaltet, damit man am anderen Ende der Leitung hören kann, was vor sich geht.

Mit einem wütenden Narzissten kann man weder argumentieren noch konstruktiv diskutieren. Versuchen Sie gar nicht erst, einen Streit zu gewinnen. Sparen Sie sich die Mühe.