Kapitel 20

Denk- und Verhaltensweisen mit kognitiver Verhaltenstherapie ändern

IN DIESEM KAPITEL

  • Gemeinsame Ziele für die Veränderung festlegen
  • Alte Verhaltensmuster infrage stellen
  • Hindernisse auf dem Weg zur Veränderung überwinden
  • Wie Gedanken Emotionen steuern

Stellen Sie sich vor, Sie spielen ein Kartenspiel mit einem Freund. Sie haben nur wenig Interesse am Ausgang des Spiels und wollen sich einfach die Zeit auf angenehme Weise vertreiben. Sie sind ein ziemlich guter Kartenspieler. Also gewinnen Sie das erste Spiel mit Leichtigkeit. Sie schauen auf und lächeln Ihren Mitspieler an.

Ihr Mitspieler lächelt definitiv nicht, er sieht sogar wütend aus. Sie erklären ihm, dass es nur ein Spiel ist. Nein, das ist es nicht. Für einen Narzissten ist Gewinnen die einzige Option. Verlieren ist nicht in Ordnung. Niemals. Auch nicht beim Kartenspiel oder bei anderen Gelegenheiten, die andere vielleicht für unwichtig halten.

Seufzend denken Sie, dass es anstrengend sein muss, wegen eines Kartenspiels so angespannt zu sein. Sie haben recht. Ein Spiel zu verlieren, ist für Narzissten deshalb so schwierig, weil es für sie wirklich schrecklich ist zu verlieren. Darum werden sie dann so ungehalten. Jede Bedrohung ihres zerbrechlichen Selbstwertgefühls löst Wut aus. Nichts ist für einen Narzissten schlimmer, als dass er als Verlierer bezeichnet werden könnte.

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) geht davon aus, dass das Denken die Art und Weise beeinflusst, wie man sich fühlt. Da Narzissten denken, sie seien besser als andere und verdienten eine Sonderbehandlung, kann die KVT einem narzisstischen Klienten helfen, diese Gedanken zu hinterfragen und zu verändern. In diesem Kapitel werden einige KVT-Techniken und ihre mögliche Anwendung bei Personen mit narzisstischen Zügen oder einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung beschrieben.

Dieses Kapitel kann nicht alle Techniken darstellen, die ein KVT-Therapeut einsetzt. Vielmehr soll es Ihnen eine Vorstellung davon vermitteln, wie diese Therapie aufgebaut ist. Auf diese Weise können Sie feststellen, ob sie für Sie oder jemanden, der Ihnen wichtig ist, geeignet sein könnte.

Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die KVT ein wirksamer Ansatz für die Behandlung von Menschen mit narzisstischen Zügen oder einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung sein kann. Es fehlen jedoch randomisierte, kontrollierte Studien, die den Goldstandard der Forschung darstellen. Andererseits wurden bereits viele Probleme von Menschen mit Narzissmus, etwa mangelndes Einfühlungsvermögen, Wut, Beziehungsprobleme und schlechte Impulskontrolle, in kontrollierten Studien erfolgreich mit KVT behandelt.

Klient und Therapeut als Partner

Jede Psychotherapie setzt den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Klient und Therapeut voraus. Im Falle der KVT ist eine partnerschaftliche Beziehung die Grundlage für den Fortschritt. Der Therapeut und der Klient gehen eine Partnerschaft ein, um gemeinsam an den Problemen zu arbeiten. Zu einer guten Arbeitsbeziehung gehören Offenheit, Vertrauen und gemeinsam vereinbarte Ziele.

Dieser kooperative Ansatz kann für Narzissten eine Herausforderung darstellen. Erinnern Sie sich an das alte Sprichwort: »Man kann ein Pferd zum Wasser führen, aber man kann es nicht zum Trinken zwingen.« Das Gleiche gilt für einen Narzissten, der eine KVT beginnt. Wenn Sie einen Narzissten zum Wasser (oder zur Therapie) führen können, haben Sie den halben Weg geschafft. Narzissten dazu zu bringen, an ihren Problemen zu arbeiten, ist jedoch ein langsamer, mühsamer und schwieriger Prozess. Viele von ihnen wollen sich bei einem Therapeuten vor allem darüber auslassen, dass sie von anderen nicht ausreichend gehört, bewundert oder bestätigt werden.

Darüber hinaus widerstrebt es grandiosen, narzisstischen Klienten möglicherweise, einem als untergeordnet betrachteten Therapeuten auf Augenhöhe zu begegnen. KVT-Therapeuten brauchen ein dickes Fell, viel Geduld und solide Fähigkeiten, um eine gute Zusammenarbeit zu gewährleisten. Die Aufrechterhaltung von Empathie ist schwierig, aber notwendig für ein gutes Ergebnis.

Gemeinsam Behandlungsziele festlegen

Ein erster Schritt bei der Bildung eines therapeutischen Teams besteht darin, Ziele für die Behandlung festzulegen. Da sich Narzissten überlegen, einzigartig und privilegiert fühlen, geben sie nur ungern zu, dass sie Probleme haben. Treten in ihrem Leben Probleme auf, haben sie fast immer eine Ausrede parat, und meistens ist jemand anders schuld.

Es ist selten, dass ein Narzisst sich eingesteht, ein Narzisst zu sein. Aber glücklicherweise muss während einer Therapie keine Diagnose ausgesprochen werden. In den meisten kognitiven Verhaltenstherapien stehen die problematischen Verhaltensweisen und Gefühle im Vordergrund und nicht die Diagnose. Die Behandlung zielt darauf ab, die alltäglichen Abläufe zu verbessern.

Der Therapeut muss dem Klienten möglicherweise helfen, die Notwendigkeit bestimmter Veränderungen zu erkennen. Dafür kann es erforderlich sein, dass der Therapeut viele Fragen dazu stellt, welche Verhaltensweisen den Klienten beunruhigen und welche Lebensbereiche schwierig sind. Selbst bei der Neigung von Narzissten, anderen die Schuld zu geben, kann der Therapeut in der Regel einige spezifische Probleme identifizieren. Erfahrene Therapeuten konzentrieren sich eher auf problematische Ergebnisse als auf die Unangemessenheit der Einstellungen und Verhaltensweisen des narzisstischen Klienten. Dieser praktische Fokus ist bei der Arbeit mit Narzissten wichtig, da diese selten glauben, dass sie sich ändern müssen.

Die Behandlungsziele müssen auf bestimmte Probleme ausgerichtet sein. Anstelle des umfassenden Ziels, den Narzissmus zu mildern, können die Ziele also auch Folgendes umfassen:

  • Konstruktiverer Umgang mit Wut
  • Verbesserung der Beziehungen zu Familienmitgliedern
  • Verringerung des negativen Feedbacks von anderen
  • Erlernen angemessener Problemlösungsfähigkeiten für den Umgang mit Frustrationen am Arbeitsplatz
  • Verstehen des Zusammenhangs zwischen Gedanken und Gefühlen
  • Pflege von unterstützenden Freundschaften
  • Entdeckung neuer Methoden zur Stressbewältigung

Die Ziele müssen zwischen dem Therapeuten und dem Klienten vereinbart werden. Sie sollen einigermaßen konkret sein und zur Verbesserung der Lebensqualität des Klienten beitragen. Während der gesamten Therapie sollten sich beide auf die Ziele beziehen und die Fortschritte würdigen.

Die Motivation im Auge behalten

Perfekte, überlegene und privilegierte Narzissten sehen eigentlich keinen Grund, sich zu ändern. Sie glauben, dass alle ihre Probleme mit Sicherheit die Schuld der anderen sind.

Narzissten kommen nur selten zur Therapie, wenn sie nicht von außen unter Druck gesetzt werden, beispielsweise durch einen Partner, der mit Trennung droht, durch eine gescheiterte Geschäftsbeziehung oder in einigen wenigen Fällen durch eine rechtliche Angelegenheit. In Kapitel 18 finden Sie weitere Informationen darüber, wann und warum Narzissten Hilfe suchen.

Wie also kann ein KVT-Therapeut dem narzisstischen Klienten helfen, sich Ziele zu setzen und an seinen Problemen zu arbeiten? Im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Klienten muss der Therapeut ihn dabei unterstützen, die Vorteile einer Veränderung zu erkennen. Um die Zusammenarbeit zu fördern, verzichtet der Therapeut darauf, den Klienten zu sehr unter Druck zu setzen, und vermeidet harte Konfrontationen. Es geht um ein Gleichgewicht zwischen Akzeptanz und Veränderung.

Insbesondere zeigt der Therapeut dem narzisstischen Klienten auf, was er durch die Änderung bestimmter Denk- oder Verhaltensmuster gewinnen wird. Unter Bezugnahme auf die Ziele erläutert der Therapeut dem Klienten, wie die Arbeit an den Problemen zu einer Verbesserung seines Lebens führen wird. Diese Übung erhöht die Therapiemotivation.

Selbst wenn ein narzisstischer Klient sich weigert, die Verantwortung für seine Probleme zu übernehmen, kann er in der Regel davon überzeugt werden, dass eine Therapie ihm helfen wird, seinen zwischenmenschlichen Umgang zu ändern oder seine Situation so umzugestalten, dass er bessere Ergebnisse erzielt.

Grenzen setzen

Narzissten erwarten von allen eine Sonderbehandlung, auch von ihren Therapeuten. Zu Beginn des Aufbaus einer partnerschaftlichen Beziehung ist es unerlässlich, dass die Therapeuten die Regeln für die Zusammenarbeit eindeutig festlegen.

Diese Regeln müssen im Voraus klar und deutlich formuliert werden. Was geschieht mit einer Sitzung, wenn der Klient zu spät kommt, nicht erscheint oder in letzter Minute absagt? Wie wird die Kommunikation zwischen den Sitzungen gehandhabt? Sind Kurznachrichten oder Telefonanrufe erlaubt? Wenn ja, zu welchem Zweck und zu welchen Zeiten? Wie sind die Öffnungszeiten der Praxis?

Selbst wenn die Regeln klar sind und der narzisstische Klient zustimmt, ist damit zu rechnen, dass die Grenzen ausgetestet werden und es in jedem Fall zu Grenzüberschreitungen kommen wird. Da Narzissten sich für privilegiert halten, erwarten sie eine Sonderbehandlung. Mit der Durchsetzung der vereinbarten Richtlinien während der Therapie kann der Therapeut dem Klienten zeigen, wie er andere Perspektiven wahrnehmen kann. Diese Regelungen, die klar besprochen werden, können Selbstkontrolle und Frustrationstoleranz lehren und das Einfühlungsvermögen für die Rechte anderer fördern.

Therapeuten nutzen Informationen über Grenzverletzungen, damit der narzisstische Klient besser versteht, wie sich sein Verhalten auf andere auswirkt. Diese Grenzverletzungen müssen dem Klienten ausdrücklich erklärt werden.

Schauen Sie sich zum Beispiel den folgenden Dialog zwischen einem Therapeuten und einem Klienten an.

Klient sendet Text: Ich muss den heutigen Termin um 10 Uhr absagen. Ich habe einige Dinge zu besorgen.

Therapeutin beim nächsten Termin: Ich habe zwar volles Verständnis dafür, dass unerwartete Dinge eintreten, aber wenn Sie einen Termin ohne Vorankündigung absagen, bedeutet das, dass ich in dieser Stunde keinen anderen Klienten mehr einplanen kann. Anstatt also andere Klienten zu empfangen, die mich gerne sehen würden, bin ich nicht verfügbar.

Klient: Manchmal kommen andere Dinge dazwischen. Ich kann mein Leben nicht anhalten, nur weil Sie vielleicht etwas Geld verlieren.

Therapeut: Es geht nicht um Geld. Es ist wichtig, dass Sie mir rechtzeitig Bescheid geben. Ich weiß, dass wichtige Dinge dazwischenkommen können, aber wenn Sie im letzten Moment absagen, bereiten Sie mir Unannehmlichkeiten und verweigern anderen meine Dienste.

Klient: Sie sind wirklich ein verklemmter Mensch. Ich dachte, Therapeuten sollten ruhig und unterstützend sein.

Therapeut: Kann es sein, dass es Sie ärgert, dass ich Sie auf dieses Thema anspreche? Denn meine Absicht ist nur, Ihnen zu helfen, die Auswirkungen Ihres Verhaltens auf andere zu erkennen.

Klient: Nun, es ärgert mich schon. Ich dachte, ich sei etwas Besonderes für Sie. Sie scheinen gerne zu hören, was ich zu sagen habe.

Therapeut: Ich arbeite gerne mit Ihnen, und alle meine Klienten sind für mich etwas Besonderes. Ich möchte Ihnen nur die wichtigsten Regeln und Grenzen aufzeigen. Auf diese Weise lernen Sie, dass Ihre Handlungen nicht nur für Sie, sondern auch für andere Konsequenzen haben.

Es müssen Dutzende solcher Interaktionen stattfinden, bevor eine tatsächliche Veränderung eintritt. Die meisten Narzissten haben fast ihr ganzes Leben lang Grenzen überschritten. Der Therapeut hilft, Veränderungen herbeizuführen, indem er ein paar Samen in ein trockenes Feld pflanzt und hofft, dass einige davon aufgehen.

Das KVT-Modell verstärken

Ein großer Teil der KVT besteht darin, dem Klienten zu verdeutlichen, wie er sich selbst, die Welt und die Zukunft wahrnimmt. Dann werden Wege aufgezeigt, wie man diese Gedanken identifizieren und feststellen kann, ob sie verzerrt sind oder nicht. Diese Lektion wird während der gesamten Therapie wiederholt. Eine Prämisse der KVT ist, dass die Klienten durch Übung und korrigierendes Denken schließlich in der Lage sind, ihre eigenen Therapeuten zu werden.

Die KVT geht davon aus, dass die Art und Weise der Reaktion auf bestimmte Situationen davon abhängt, wie man über diese Situationen denkt. Menschen nehmen Situationen nicht immer korrekt wahr. Ihre Gedanken oder Wahrnehmungen können durch fehlerhaftes Denken getrübt sein. Diese verzerrten Wahrnehmungen führen zu Reaktionen, die nicht hilfreich sind. Eine Situation tritt auf, und es gibt eine Wahrnehmung, die zu einer Reaktion führt. Diese Reaktion kann Gefühle, Verhaltensweisen und körperliche Reaktionen umfassen.

Narzissten glauben zum Beispiel, dass sie Anspruch auf eine Sonderbehandlung haben. Wenn sie diese nicht erhalten, werden sie wütend. In der KVT hinterfragt der Therapeut schrittweise die zugrunde liegenden Überzeugungen und führt den Klienten zu realistischeren Einschätzungen. Wenn die Anspruchsüberzeugung hinterfragt wird, lassen Frustration und Wut möglicherweise nach. Weitere Informationen finden Sie im Abschnitt Dysfunktionale Denkweisen mit KVT angehen weiter unten in diesem Kapitel.

Mit KVT problematische Verhaltensweisen ändern

Das »V« in KVT steht für Verhalten. Problematisches Verhalten ist dadurch gekennzeichnet, dass es das Zusammenleben mit anderen Menschen und die Bewältigung der vielen Herausforderungen des Lebens im Alltag, bei der Arbeit und mit wichtigen Bezugspersonen beeinträchtigt. Die Änderung des Verhaltens ist manchmal der wichtigste Teil der Therapie und führt zu einem besseren Funktionieren und stabileren, positiven Gefühlen.

Die erste Aufgabe der Therapie mit einem Narzissten, der problematische Verhaltensweisen an den Tag legt, besteht darin, den Klienten zu der Einsicht zu bringen, dass diese Verhaltensweisen Probleme verursachen. Was sind problematische Verhaltensweisen, die häufig bei Menschen mit narzisstischen Zügen auftreten? Hier einige Beispiele:

  • Unverschämte Prahlerei
  • Andere aus dem Weg drängen, um voranzukommen
  • Andere erniedrigen oder beleidigen
  • Andere beschuldigen
  • Keine Verantwortung übernehmen (bei der Arbeit oder zu Hause)
  • Ungerechtfertigte Wut und körperliche Aggression
  • Übermäßige Konzentration auf den eigenen Status
  • Respektlosigkeit gegenüber anderen
  • Verletzen anderer durch gefühllose Nichtbeachtung
  • Stehlen von Ideen und Beanspruchen der Anerkennung für die Leistungen anderer
  • Unverhohlenes Lügen
  • Rachsucht
  • Stalking

Es gibt sicherlich noch andere Verhaltensweisen, die ich nicht in dieser Liste aufgeführt habe. Jeder Mensch hat unterschiedliche Verhaltensweisen. Es würde viele Seiten brauchen, um alle möglichen Verhaltensweisen zu berücksichtigen. Der erste Schritt in der KVT bleibt jedoch derselbe: die Konzentration auf einige Kernverhaltensweisen, die im Leben des Klienten besonders problematisch sind.

In der KVT werden üblicherweise mehrere Techniken eingesetzt, um diese Herausforderungen anzugehen. In den folgenden Abschnitten werden einige davon kurz beschrieben und mit Beispielen verdeutlicht. Narzissten können, auch wenn sie die Verantwortung für ihre Probleme abstreiten, durch die KVT nützliche Fähigkeiten erwerben, die sie zu effektiveren Verhaltensweisen und neuen inneren Einstellungen führen.

Neue Strategien für anhaltende Probleme entwickeln

Wenn ein Narzisst über wiederholte Probleme bestimmter Art berichtet, wie zum Beispiel Streit am Arbeitsplatz, Ehekonflikte, finanzielle Probleme oder Auseinandersetzungen mit Freunden, kann eine Problemlösung erforderlich sein. Selbst wenn ein Narzisst leugnet ein Problem zu haben, kann diese Strategie ein beunruhigendes Muster aufdecken.

Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass das Problemlösen ein wirksames Mittel ist, um Menschen mit emotionalen Problemen, insbesondere Depressionen, zu helfen. Diese Technik wird auch in vielen anderen Bereichen zur Problemlösung oder zur Entwicklung neuer Strategien eingesetzt, beispielsweise in Unternehmensteams, akademischen Fakultäten, im Ingenieurwesen, im Marketing sowie anderen technischen Bereichen. Darüber hinaus kann die Technik für jeden, der mit einem schwierigen Problem oder einer komplexen Entscheidungsfindung konfrontiert ist, von großem Nutzen sein.

Der Problemlösungsprozess in Kurzfassung

Menschen mit narzisstischen Zügen glauben in der Regel, dass sie mit den täglichen Problemen, die sie erleben, nichts zu tun haben. Sie handeln impulsiv, ohne Alternativen, andere Perspektiven oder mögliche Konsequenzen ihres Handelns in Betracht zu ziehen. Die Unterweisung narzisstischer Klienten in dieser Technik kann ihnen helfen, sich zu bremsen und nachzudenken.

Es gibt vier spezifische Schritte oder Strategien zur Problemlösung. (Hinweis: Es gibt mehrere ähnliche Modelle). Die Strategien sollten bei jedem Problem der Reihe nach befolgt werden. Sie lauten:

  1. Die Situation identifizieren.

    Definieren Sie alle Aspekte des Problems. Denken Sie über die Ursache des Problems nach. Berücksichtigen Sie emotionale Reaktionen auf das Problem. Achten Sie auf Überzeugungen, die die Problemlösung behindern, wie etwa die Annahme, dass es keine Lösung gibt oder dass das Problem nicht wirklich etwas mit Ihnen zu tun hat.

  2. Alternativen ausloten.

    Machen Sie ein Brainstorming über alle möglichen Lösungen für das Problem. Seien Sie kreativ und schließen Sie nichts aus. Überlegen Sie, wie sich jede Option auf das Problem, auf Sie selbst und auf andere auswirken könnte. Was sind die wahrscheinlichen Konsequenzen?

  3. Die beste Option auswählen und umsetzen.

    Gehen Sie jede Option im Geiste durch und stellen Sie sich vor, wie sie aussehen könnte. Wählen Sie die Option, die Ihnen am erfolgversprechendsten erscheint, und setzen Sie sie dann um.

  4. Das Ergebnis überprüfen.

    Treten Sie nach der Umsetzung des Plans einen Schritt zurück und bewerten Sie den Erfolg Ihrer Lösung: Hat sie zu einem guten oder schlechten Ergebnis geführt? Hat sich etwas verändert? Wie fühlen Sie sich? Wie haben die Menschen um Sie herum reagiert? Haben sie einen Unterschied bemerkt? Wenn die Lösung nicht funktioniert hat, beginnen Sie wieder mit Schritt 1.

Das folgende Beispiel veranschaulicht, wie dieser Prozess mit einem Narzissten funktionieren könnte, der leugnet ein Problem zu haben. In den nächsten Abschnitten gehe ich die Problemlösungsschritte mit Christine, einer narzisstischen Klientin, durch.

Christines erwachsene Tochter Doris hat ihr vor Kurzem mitgeteilt, dass sie keinen Kontakt mehr zu ihr haben möchte. Christine war fassungslos. Zudem hatte Doris ihr gesagt, dass sie nur dann zustimmen würde sie zu sehen, wenn sie eine Therapie machen und sich wegen ihres Narzissmus helfen lassen würde. Nach reiflicher Überlegung beschloss Christine, eine Therapie zu beginnen, um die Sache zu klären.

Zu der Entfremdung war es nach einem heftigen Streit während eines Festessens gekommen. Doris hatte den ganzen Tag mit Dekorieren und Kochen verbracht. Sie war ein wenig nervös, weil sonst ihre Mutter traditionell dieses Abendessen ausrichtete.

Christine kam zu spät zum Essen, wie immer. Nach ihrer Ankunft riss sie das Gespräch an sich, prahlte damit, dass ihre Kochkünste viel besser seien als die ihrer Tochter, und kritisierte die Tischdekoration. Sie erzählte ungehemmt von dem Lob und der Bewunderung, die sie schon von anderen Freunden und Familienmitgliedern für ihre Fähigkeiten als Gastgeberin erhalten hatte.

Nachdem die Gäste gegangen waren, hielt Doris Christine vor, dass sie sich durch ihre Kritik verletzt fühlte. Christine entgegnete nur, dass Doris aufhören solle sich zu beschweren und sich ein dickeres Fell zulegen solle. Der Streit eskalierte und Situationen aus der Vergangenheit kamen auf den Tisch. Schließlich beschloss Doris, jeglichen Kontakt zu Christine abzubrechen, bis diese sich professionelle Hilfe holt.

Während der ersten Therapiesitzung erklärt Christine dem Therapeuten, dass sie sich mit ihrer Tochter versöhnen möchte. Sie scheint nicht zu verstehen, warum ihre Tochter behauptet, sie sei eine Narzisstin, und bestreitet, dass sie beim Familienessen Ärger verursacht hat.

Die beiden sind sich einig, dass das Hauptziel der Therapie darin besteht, Christines Beziehung zu ihrer Tochter Doris zu verbessern. Ihr Narzissmus ist kein Problem, dessen sie sich bewusst ist oder an dem sie arbeiten will. Später können auch andere Ziele für die Therapie gewählt werden. Christine beeilt sich zu betonen, dass sie unschuldig ist, aber bereit, andere Methoden auszuprobieren, um ihre Beziehung zu ihrer Tochter zu verbessern.

Christine zeigt eine angemessene Motivation und versteht das Grundmodell der KVT. Der Therapeut und Christine einigen sich auf einen problemlösenden Ansatz, um zu sehen, ob sie einen Plan entwickeln können, der Christine in ihrer Beziehung zu Doris hilft.

Die Situation erkennen

Gemeinsam ermitteln der Therapeut und Christine folgendes Kernproblem: Christine sagt, dass sich ihre Tochter aufregt, wenn Christine sie kritisiert, und das habe schließlich dazu geführt, dass Doris ihre Mutter aus ihrem Leben verbannen möchte.

Damit gibt Christine immer noch nicht zu, dass sie Verantwortung für diese Entwicklung trägt, was typisch für eine Narzisstin ist. Dadurch, dass der Therapeut das Gespräch auf die Situation konzentriert, kann er Christine jedoch dazu bringen, die offensichtlichen Tatsachen auszusprechen.

Die Optionen darlegen

Dieser Schritt ist etwas schwieriger und kann eine weitere Sitzung in Anspruch nehmen. Hier stellt Christines Weigerung, in irgendeiner Form Verantwortung zu übernehmen, eine Herausforderung dar. Der Therapeut leitet sie an, indem er sie an ihr oberstes Ziel erinnert, nämlich die Beziehung zu ihrer Tochter wiederherzustellen.

Nach vielen Diskussionen und behutsamen Fragen gelingt es Christine, mehrere mögliche Maßnahmen vorzuschlagen, die sie ergreifen könnte. Der Therapeut schlägt vor, dass Christine ihre Gedanken zu Papier bringt. Tabelle 20.1 enthält mögliche Lösungen für Christines Problem.

Option oder Lösung

Mögliche Konsequenzen

Ich kann die Sache auf sich beruhen lassen und Doris erst mal nicht mehr treffen; sie wird sicher irgendwann vergessen, was sie gesagt hat.

Ich kann so tun, als wäre das nie passiert.

Ich kann ihr sagen, dass sie zu empfindlich ist, und vielleicht wird sie mir zustimmen.

Ich kann zu ihr nach Hause gehen und mich entschuldigen.

Ich kann ihr einen Entschuldigungsbrief schreiben und ihr erklären, dass ich in der Therapie an mir arbeite.

Tabelle 20.1: Christines Problemlösungsoptionen

Auswahl und Umsetzung der Lösung

Christine und ihr Therapeut besprechen die einzelnen Optionen und entscheiden, welche einen Versuch wert ist. Auch hier ist ein sensibles Geben und Nehmen zwischen dem Therapeuten und Christine erforderlich. Jede mögliche Lösung muss sorgfältig erwogen und bewertet werden. In der folgenden Tabelle 20.2 sind die Ergebnisse dargestellt.

Option oder Lösung

Mögliche Konsequenzen

Ich kann die Sache auf sich beruhen lassen und Doris erst mal nicht mehr treffen; sie wird sicher irgendwann vergessen, was sie gesagt hat.

Das wird nicht funktionieren. Doris wird es nicht vergessen, sie hat sich entschieden.

Ich kann so tun, als wäre das nie passiert.

Ich würde gerne diese Möglichkeit wählen und vielleicht komme ich damit durch, dass ich einfach bei Doris auftauche. Aber nicht für lange – sie würde mich festnageln.

Ich kann ihr sagen, dass sie zu empfindlich ist, und vielleicht wird sie mir zustimmen.

Das hört sich für mich auch gut an. Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, habe ich ihr gesagt, sie müsse sich ein dickeres Fell zulegen, aber das ist nicht so gut angekommen.

Ich kann zu ihr nach Hause gehen und mich entschuldigen.

Ich bin nicht gut darin, mich zu entschuldigen, vor allem, wenn ich gar nichts falsch gemacht habe.

Ich kann ihr einen Entschuldigungsbrief schreiben und ihr erklären, dass ich in der Therapie an mir arbeite.

Vielleicht kann ich einen Brief schreiben. Aber ich glaube, ich brauche therapeutische Hilfe dabei. Ich sehe nicht wirklich, dass ich mich für irgendetwas entschuldigen muss.

Tabelle 20.2: Christines Konsequenzen der Problemlösung

Es sieht so aus, als bräuchte Christine ein wenig Hilfe, um zu verstehen, dass sie einen Fehler zugeben und Verantwortung übernehmen muss. Es dauert mehrere Therapiesitzungen, bis sie in der Lage ist, die Sichtweise ihrer Tochter zu verstehen. Nach mehreren Sitzungen erklärt sich Christine bereit, einen Entschuldigungsbrief zu schreiben. Sie schickt ihn per E-Mail ab.

Das Ergebnis auswerten

Christines Tochter antwortet auf die E-Mail und teilt ihrer Mutter mit, dass sie sich freut, dass sie zur Therapie geht. Sie lobt sie für ihre Entschuldigung und bemerkt, dass sie in all den Jahren noch nie gehört hat, dass Christine sich für irgendetwas entschuldigt hätte. Dennoch will sie Christine erst wiedersehen, wenn sie überzeugt ist, dass sich ihre Mutter geändert hat.

Eine Psychotherapie mit jemandem, der narzisstische Züge zeigt, wird wahrscheinlich nicht von kurzer Dauer sein. Denn diese Züge sind tief in der Persönlichkeit verankerte Gewohnheiten. Aber es gibt Hoffnung, dass sich mit intensiver Arbeit und Geduld eine Veränderung einstellen kann.

Durchführung von Verhaltensexperimenten

Ein Verhaltensexperiment bietet die Möglichkeit, die Überzeugungen, Verhaltensweisen und Annahmen einer Person zu testen. Oft ist eine Person der festen Überzeugung, dass bestimmte Verhaltensweisen normal oder zumindest vorteilhaft sind. Dabei sind es gerade diese Verhaltensweisen, die einen Narzissten in Schwierigkeiten bringen.

Bei Verhaltensexperimenten handelt es sich um geplante Aktivitäten, mit denen der Klient tatsächlich testen kann, ob eine bestimmte Überzeugung gültig oder wahr ist. Diese Experimente werden in einer realen Umgebung durchgeführt. Nach Abschluss des Experiments überprüfen der Klient und der Therapeut die ursprüngliche Überzeugung im Licht der neuen Erkenntnis.

Narzissten glauben zum Beispiel, dass sie wunderbare Gesprächspartner wären und dass die Leute ihnen an den Lippen hängen. Tatsächlich empfinden viele Menschen Narzissten nach einiger Zeit als laut, langweilig und schwafelig.

Das nachfolgende Verhaltensexperiment könnte ein Therapeut einem übermäßig redseligen narzisstischen Klienten vorschlagen:

  1. Bestimmen Sie einen Zeitpunkt, an dem Sie mit einer kleinen Gruppe von Menschen sprechen.

    Das kann eine Kaffeepause auf der Arbeit sein, ein Abendessen oder ein Abend mit Freunden.

  2. Suchen Sie einen Timer auf Ihrem Handy.

    Informieren Sie sich im Vorfeld, wie man auf Ihrem Handy einen Timer startet und stoppt. Üben Sie auf jeden Fall damit, damit Sie ihn unauffällig ein- und ausschalten können. Schalten Sie den Ton Ihres Telefons aus, damit es nicht durch Signaltöne auf sich aufmerksam macht.

  3. Stoppen Sie die Zeit des Gesprächs.

    Notieren Sie sich die Zeit, zu der das Gespräch beginnt. Halten Sie das Telefon in Ihrem Schoß, damit andere nicht bemerken, was Sie tun. Starten Sie den Timer, wenn Sie zu sprechen beginnen. Stoppen Sie den Timer, wenn jemand anderes spricht. Starten Sie ihn jedes Mal wieder, wenn Sie sprechen. Nach 30 Minuten stoppen Sie die Zeitmessung.

  4. Überprüfen Sie die Zeit, die Sie gesprochen haben.

    Teilen Sie die Anzahl der Minuten, die Sie gesprochen haben, durch 30. So erhalten Sie den Prozentsatz der Zeit, die Sie gesprochen haben.

  5. Überprüfen Sie, wie dieser Wert im Vergleich zum Rest der Gruppe ausfällt.

    Wenn Ihr Prozentsatz mehr als doppelt so hoch ist wie der Durchschnitt der übrigen Gruppenmitglieder, reden Sie möglicherweise zu viel.

  6. Führen Sie diesen Test ein paar Mal durch und verringern Sie dann bewusst die Zeit, in der Sie sprechen.

    Versuchen Sie, andere zu fragen, was sie denken oder fühlen. Warten Sie in Ruhe ab und lassen Sie den anderen genügend Zeit zum Antworten. Halten Sie während des Gesprächs Augenkontakt mit der Person, an die Sie Ihre Fragen richten. Stellen Sie dann gegebenenfalls Folgefragen.

  7. Stoppen Sie bei dieser neuen Methode erneut Ihre Zeit.

    Sehen Sie die Zeit, in der Sie Fragen stellen, nicht als Ihre Gesprächszeit an. Teilen Sie die Zeit, die Sie gesprochen haben, durch 30 Minuten. Hat sich Ihr Prozentsatz verringert?

  8. Werten Sie die Ergebnisse aus.

    Wie fühlen Sie sich, nachdem Sie versucht haben, sich in Gesprächen nicht dominant zu verhalten? Haben Sie Veränderungen bei Ihren Mitmenschen festgestellt?

Durch dieses Experiment erhält der narzisstische Klient direkte, sachliche Informationen über seine Gesprächsgewohnheiten. Er erkennt dadurch, dass er normalerweise die Gespräche dominiert. Die Verringerung der Redezeit kann zu einer Verbesserung der Beziehungen führen. Dieses einfache Experiment dürfte in den folgenden Therapiesitzungen für reichlich Diskussionsstoff sorgen.

Andere mögliche Verhaltensexperimente könnten sich mit verschiedenen Themen des Narzissmus befassen. Zum Beispiel wäre es denkbar, dass ein Therapeut einem grandiosen Narzissten vorschlägt, in einem Rollenspiel Bescheidenheit oder leichte Selbstironie zu üben. Wie ein solches Experiment ablaufen könnte, zeigt der nachstehende Kasten Sich um Bescheidenheit bemühen.

Es gibt unzählige Möglichkeiten, Verhaltensexperimente umzusetzen. Gute Therapeuten helfen dabei, indem sie geeignete Experimente unter realen Bedingungen durchführen, die mit den Therapiezielen vereinbar sind. Es ist wichtig, dass der Klient wahrnimmt, wie er sich fühlt und wie sich diese Gefühle im Laufe der Zeit durch Übung verändern.

Dysfunktionale Denkweisen mit KVT angehen

Gedanken sind eine wichtige Triebfeder für problematisches Verhalten. Narzissten denken, dass sie stets an erster Stelle stehen sollten. Sie glauben, dass sie besser oder anderen überlegen seien. Sie verletzen Menschen beiläufig, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass das falsch sein könnte. Auf wahrgenommene Beleidigungen reagieren sie mit Rachegedanken. Deshalb halten sie es für völlig in Ordnung, jemanden verbal oder körperlich anzugreifen, wenn sie sich bedroht fühlen.

Da sie sich für außergewöhnlich großartig halten, glauben sie, dass ihre Handlungen völlig gerechtfertigt sind, weil man ihnen keine Schwäche ansehen darf. So handeln sie ungestraft, übergehen und benutzen andere, als wären diese nur dazu da, ihre Wünsche zu erfüllen.

Narzissten bei der Veränderung ihrer dysfunktionalen Gedanken und Überzeugungen zu unterstützen, ist schwieriger als die Arbeit mit Menschen mit anderen Problemen wie Angstzuständen oder Depressionen. Das liegt daran, dass Narzissten von Natur aus keine Probleme eingestehen. Dazu haben sie möglicherweise eine Gruppe von Menschen um sich herum, die sich um sie kümmern und sie mit positiven Rückmeldungen bei Laune halten.

Die erste Herausforderung bei der kognitiven Verhaltenstherapie besteht also darin, Narzissten davon zu überzeugen, dass ihr Verhalten und die daraus resultierenden Probleme durch ihre Gedanken beeinflusst werden. Was auch immer sie in die Therapie gebracht hat, kann nicht behandelt werden, ohne ihr Denken genau unter die Lupe zu nehmen.

Nicht hilfreiche Gedanken erkennen

Der narzisstische Verstand verzerrt die Realität durch ein Prisma der Grandiosität und des Anspruchsdenkens. Diese Sicht der Welt kann für andere und schließlich auch für den Narzissten selbst eine Herausforderung darstellen. Das Eingeständnis eines Problems erfolgt in der Regel, wenn der Narzisst wichtige Beziehungen oder Gelegenheiten verliert oder auf andere Weise in Schwierigkeiten gerät.

So herausfordernd die KVT auch sein mag, sie erfordert Aufklärung darüber, wie verzerrte Gedanken sich auf Gefühle und Verhaltensweisen auswirken. Ein Therapeut, der mit einem Narzissten arbeitet, muss langsam und geduldig vorgehen und viele Beispiele anführen.

Zu den wichtigsten verzerrten Denkweisen gehören die folgenden:

  • Schwarz-Weiß-Denken: Alles ist entweder gut oder schlecht ist und es gibt nichts dazwischen. Eine narzisstische Person verliebt sich in jemanden und wechselt, wenn diese Person nicht alle ihre Bedürfnisse erfüllt, unvermittelt zum Hass. Diese Verzerrung ist ziemlich verwirrend für diejenigen, die in den Augen eines Narzissten von der Kategorie »gut« zu »böse« wechseln.
  • Katastrophisieren: Ein kleines Ereignis wird zu etwas Schrecklichem oder Unerträglichem aufgeblasen. Narzissten übertreiben vielleicht, wenn sie in einem Restaurant nicht den richtigen Tisch bekommen oder das Essen kalt wird. Diese alltäglichen Vorkommnisse sind zwar ärgerlich, aber für die meisten Menschen letztlich unbedeutend. Narzissten hingegen können mit Wut reagieren. Viele dramatische Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit rühren daher, dass sie kleine Ereignisse katastrophisieren.
  • Ignorieren oder Verdrehen von Beweisen: Wenn Beweise im Widerspruch zu dem stehen, was eine Person glaubt, werden sie zu etwas Unwichtigem gemacht, ignoriert oder wegdiskutiert. Beschuldigt beispielsweise jemand einen Narzissten der Lüge oder des Diebstahls, ignoriert der Narzisst die Information möglicherweise oder versucht, sie wegzuwischen, indem er den Ankläger der Lüge bezichtigt. In anderen Fällen gibt er jemand anderem die Schuld für den Diebstahl oder die Lüge. Das Leugnen der Wahrheit kann zu Verwirrung und Unsicherheit führen (siehe Abschnitt über »Gaslighting« in Kapitel 5).
  • Übergeneralisierung: Auf der Grundlage eines einzigen Vorfalls wird angenommen, dass etwas in allen Fällen zutrifft. Narzissten können ihre Erwartungen, die auf Verwöhnung oder übermäßiger Nachsicht beruhen, verallgemeinern. Sie glauben dann, dass sie unter allen Umständen eine Sonderbehandlung verdienen. Diese Übergeneralisierung führt sowohl bei den Narzissten als auch bei ihren Mitmenschen zu Frustrationen.
  • Gedankenlesen: Manche Menschen meinen, dass andere irgendwie wissen sollten, was sie denken oder wollen. Andere glauben, dass sie wissen, was andere denken. Dazu müssten gar keine Worte gewechselt werden. Manche Narzissten glauben, dass die Menschen in ihrem Umfeld jederzeit wissen müssen, was sie wollen. Sie denken auch, dass andere Menschen sie schätzen und verehren, obwohl das nicht der Fall ist. Falsches Gedankenlesen ist der Zündstoff für zahlreiche Meinungsverschiedenheiten und Streitereien.
  • Emotionales Schlussfolgern: Wenn jemand ein Gefühl oder eine Emotion empfindet und annimmt, dass dies auf Tatsachen beruht, spricht man von emotionalem Schlussfolgern. Diese Verzerrung kommt recht häufig vor. Jemand, der unter sozialen Ängsten leidet, hat zum Beispiel Angst, zu einer Veranstaltung zu gehen, und schließt daraus, dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, zurückgewiesen zu werden, obwohl es sich um eine Gruppe von Freunden handelt. Ein Narzisst ist wütend und kommt zu dem Schluss, dass es jemand auf ihn abgesehen haben muss, beispielsweise im Falle einer positiven, aber nicht perfekten Beurteilung am Arbeitsplatz. Die Person reagiert darauf mit Wut und nimmt an, dass der Chef es auf sie abgesehen hat, weil sie sich wütend fühlt. Emotionales Schlussfolgern geschieht, ebenso wie Gedankenlesen, automatisch und verursacht viel Elend.

Im Rahmen der KVT wird den Klienten beigebracht, in ihrem Alltag nach verzerrten Denkweisen zu suchen. Wird diese Technik von einem Klienten abgelehnt, können Verzerrungen auch vom Therapeuten aufgespürt werden, wenn der Klient während der Therapie herausfordernde Situationen beschreibt.

Man muss keine emotionalen Probleme haben, um in verzerrtes Denken zu verfallen. Wie oft haben Sie sich schon über ein Ereignis in Ihrem Leben aufgeregt und dann festgestellt, dass es gar nicht so schlimm war? Oder haben Sie sich schon einmal ohne jeden Grund sehr ängstlich gefühlt? Versuchen Sie, sich selbst zu ertappen, wenn Sie Ihre Gedanken verzerren. Im nächsten Abschnitt finden Sie Tipps, wie Sie diese verzerrten Gedanken mit realistischeren Denkweisen bekämpfen können.

Nicht hilfreiche Gedanken infrage stellen

Sobald ein Klient beginnt, verzerrtes Denken zu erkennen, beginnt die Aufgabe, angemessenere Denkweisen zu finden. Dies wiederum führt zu einem besseren Funktionieren insgesamt.

In der KVT gibt es mehrere Möglichkeiten, Gedanken zu hinterfragen. Im Folgenden werden einige davon beschrieben.

Beweise prüfen

Wenn Narzissten oder Therapeuten verzerrte Gedanken erkennen oder Gedanken, die den Betroffenen unglücklich machen, geht es darum, nach Beweisen dafür zu suchen, ob die Gedanken wahr oder falsch sind. Auf diese Weise können sie die Nuancen ihres Denkens besser verstehen und feststellen, ob es alternative Denkweisen gibt. Hier sind einige Fragen, die sich Narzissten stellen können, um herauszufinden, ob ein Gedanke wahr, verzerrt oder unbegründet ist:

  • Kann ich auf Erfahrungen aus meinem eigenen Leben zurückblicken, die meinem Gedanken widersprechen würden?
  • Habe ich diesen Gedanken schon einmal gehabt und er hat sich nicht bewahrheitet?
  • Katastrophisiere oder übertreibe ich in meinem Denken?
  • Ist dieser Gedanke in irgendeiner Weise verzerrt?
  • Ziehe ich andere Beweise nicht in Betracht, die meinem Gedanken widersprechen könnten?
  • Ist mein Gedanke realistisch und beruht auf Fakten, oder ziehe ich voreilige Schlüsse?

Das Beispiel von Peter, der narzisstische Züge aufweise, veranschaulicht, wie sich diese Technik auf narzisstisches Denken auswirkt.

Peters bester Freund, Felix, lädt ihn zum Mittagessen ein. Peter kommt 20 Minuten nach der vereinbarten Zeit an. Nach dem Essen sagt Felix zu Peter, dass er mit ihm reden muss. Felix holt sein Handy heraus und öffnet seine To-do-Liste, um sich zu merken, was er sagen wollte.

»Das ist nicht einfach, Mann«, sagt Felix. »Ich habe lange darüber nachgedacht, aber ich habe mich einfach nicht getraut. Du bist mir wirklich wichtig, aber du musst wissen, wie unerträglich es ist, dein Freund zu sein. Ich kann das einfach nicht mehr.«

Peter ruft aus: »Was redest du da? Wir sind seit 15 Jahren befreundet!«

Felix antwortet: »Hör zu, heute ist nur ein kleines Beispiel. Du kommst immer zu spät, wenn wir uns treffen. Und manchmal sagst du in letzter Minute ab. Das ist einfach nur unhöflich und rücksichtslos. Die meiste Zeit reden wir über dich, deinen Job und deine Eroberungen. Im Grunde geht es nur um dich. Ich liebe deine Geschichten, Mann, aber ich komme kaum zu Wort.«

»Das ist doch Quatsch, Mann«, sagt Peter und wird merklich lauter. »Erinnerst du dich an den Tod deiner Mutter? Ich war bei der Trauerfeier und habe dich in den Arm genommen, als du geweint hast.«

»Ich sage ja nicht, dass du nie da bist, aber du nutzt mich aus. Wenn wir essen gehen, bezahle ich meistens, und ich habe den Eindruck, du erwartest das. Ich könnte noch viel mehr aufzählen, aber das werde ich nicht. Ich musste dir einfach sagen, wie ich mich fühle.«

Peter wirft seine Serviette hin und verlässt den Tisch – ohne seinen Anteil an der Rechnung zu bezahlen.

Das ist Peter schon öfter passiert, mit Freunden, Kollegen und in mehreren Liebesbeziehungen. Er hat das Gefühl, dass die Leute ihn überhaupt nicht zu schätzen wissen. Nach seiner letzten Trennung geht er zu einer Therapeutin und schildert ihr, was passiert ist. Gemeinsam beschäftigen sie sich mit den folgenden Möglichkeiten.

Die Therapeutin fragt Peter, ob sich andere Leute über seine Unpünktlichkeit beschwert haben. Er gibt zu, dass er oft zu spät kommt, entschuldigt dies aber damit, dass er viel zu tun habe. Die Therapeutin erinnert sich, dass sie dieses Thema mit ihm in der ersten Sitzung besprochen hat. Peter hat die Informationen, die er von anderen erhält, verzerrt: Das heißt, er ist unhöflich, wenn er routinemäßig zu spät zu Terminen erscheint.

Sie identifizieren den potenziell verzerrten Gedanken und überprüfen dann die Beweise. Die Ergebnisse finden Sie in Tabelle 20.3.

Fragen

Antworten

Gibt es in meinem eigenen Leben Erfahrungen, die meinen Gedanken widersprechen würden?

Ich muss zugeben, dass ich mich ärgere, wenn Leute zu spät kommen, während ich selbst pünktlich bin.

Ist dieser Gedanke in irgendeiner Weise verzerrt?

Das glaube ich nicht; ich bin beschäftigt, und ich habe wichtige Arbeit zu erledigen.

Ziehe ich andere Beweise, die meinen Gedanken widersprechen könnten, nicht in Betracht?

Ich nehme an, dass andere Leute auch beschäftigt sind, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie so wichtig sind wie ich.

Tabelle 20.3: Überprüfung der Beweise für Peters Gedanken: »Ich bin ein viel beschäftigter Mensch; es ist nicht schlimm, zu spät zu kommen.«

Offensichtlich haben Peter und seine Therapeutin einen Anfang gemacht, aber sie haben noch viel Arbeit vor sich. Peter begreift kaum, dass er ein Problem hat, aber er zeigt erste Einsicht.

Die Therapie mit Menschen, die narzisstische Züge haben, braucht Zeit. Rasche therapeutische Durchbrüche sind selten. Aber mit vielen Wiederholungen und einem konstanten Strom von Empathie sind erfolgreiche Resultate möglich.

Innehalten, um einen besseren Überblick zu bekommen

Viele Narzissten handeln impulsiv. Sie sprechen unüberlegt und reagieren schnell, besonders wenn sie frustriert sind. Die Wutbewältigung ist häufig ein erklärtes Ziel der KVT mit narzisstischen Personen. Therapeuten schlagen oft diese drei einfachen Techniken vor, um impulsive, wütende Reaktionen zu verhindern. Sie lauten in aller Kürze:

  • Still sein. Pressen Sie die Lippen aufeinander. Sagen Sie nichts. Atmen Sie tief durch. Atmen Sie zehnmal langsam ein und aus. Ihre Chancen, in einer emotional aufgeladenen Situation etwas Nützliches zu sagen, stehen etwa eins zu einer Million.
  • Geduldig sein. Grandiose Narzissten reden viel. Und sie reagieren auf Drohungen mit Worten, die oft aggressiv sind. Diese Worte schüren häufig das Feuer der Wut. Eine einfache Methode, um zur Ruhe zu kommen, besteht darin, bis 100 zu zählen oder, noch besser, mit 100 zu beginnen und immer 7 abzuziehen, bis man auf 30 oder weniger kommt.
  • Ein Bonbon lutschen. Nehmen Sie ein Pfefferminz oder ein Bonbon in den Mund und lutschen Sie daran, ohne es zu kauen. Das ahmt den Nuckelreflex eines Babys nach und kann Ihnen einen Moment Zeit verschaffen. Genießen Sie das Bonbon ein paar Minuten lang und lassen Sie sich Zeit mit Ihrer Reaktion.

Dies sind nur ein paar kurze, leicht zu erlernende Strategien zur Bewältigung von Wut. Die KVT bietet viele weitere Strategien, die auf verzerrtes und nicht hilfreiches Denken abzielen. In meinem Buch Nicht Ärgern Für Dummies (Wiley) finden Sie weitere Informationen darüber, wie man Wut kontrollieren kann.

Gewohnte Reaktionen sind schwer zu durchbrechen. Nehmen Sie sich immer nur einen Tag oder ein Experiment nach dem anderen vor.

Verzerrte Gedanken ersetzen

Sobald ein Klient begonnen hat, verzerrte Gedanken zu erkennen, kann er im nächsten Schritt nach Möglichkeiten suchen, diese Gedanken durch logischere und vernünftigere Alternativen zu ersetzen.

Bei einem Narzissten mit möglicherweise tief verwurzelten Denkmustern erfordert die Einführung alternativer Gedanken viel Geduld und Durchhaltevermögen. Sie können Ihren Partner unterstützen, indem Sie seine Versuche, sich zu ändern, wahrnehmen und anerkennen.

Einige häufige verzerrte Gedanken und mögliche Alternativen finden Sie in Tabelle 20.4.

Verzerrter narzisstischer Gedanke

Alternativer Gedanke

Ich bin besser als andere Menschen.

Ich bin hoch qualifiziert, aber das macht mich nicht überlegen.

Ich verlange, dass andere mir jederzeit Respekt und Bewunderung entgegenbringen.

Das wäre zwar schön, aber viele Leute werden das nicht tun. Damit muss ich zurechtkommen.

Ich verdiene immer eine Sonderbehandlung.

Ich denke, ich sollte eine Sonderbehandlung bekommen, aber in Wirklichkeit wird das nicht immer der Fall sein. Ich muss das einfach gelassen hinnehmen.

Es ist in Ordnung, anderen Leuten auf die Füße zu treten, um weiterzukommen.

Selbst wenn es in Ordnung wäre, kann es mir zum Verhängnis werden, wenn ich andere verärgere.

Ich will mehr, als alle anderen um mich herum haben. Ich hasse es, wenn jemand, den ich kenne, etwas Besseres bekommt als ich.

Ich will diese Dinge vielleicht, aber Neid und Eifersucht fühlen sich nicht gut an. Und das meiste, was ich kaufe, wird irgendwann weggeworfen.

Tabelle 20.4: Verzerrte narzisstische Gedanken identifizieren und ersetzen

Dies sind nur wenige Beispiele und es kann lange dauern, bis sie sich bei einer narzisstischen Person entwickeln und verinnerlicht werden. KVT-Therapeuten arbeiten mit ihren Klienten auf sanfte, spielerische Art und Weise und leiten sie allmählich an, Gedanken zu entwickeln, die mit der Zeit immer angemessener werden.

Fortschritte verfolgen

Rechnen Sie damit, dass die Fortschritte des Ihnen nahestehenden Menschen langsam und ungleichmäßig verlaufen werden. Mit anderen Worten: zwei Schritte vorwärts, ein Schritt zurück. Dieses Muster wird variieren. Manchmal bewegt sich der Narzisst in einem Bereich vorwärts und in einem anderen zurück. Der Fortschritt ähnelt eher der Entwicklung an der Börse als einer allmählichen, gleichmäßigen Aufwärtsbewegung.

Bei der Verfolgung der Fortschritte sollte man sich auf die ursprünglichen Behandlungsziele konzentrieren, die in der Anfangsphase der Therapie festgelegt wurden. Der narzisstische Klient sollte zum Beispiel

  • die Anzahl der täglichen Auseinandersetzungen aufzeichnen.
  • die Stimmungslage im Laufe der Zeit beobachten. Rechnen Sie eine Zeit lang mit unbehaglichen Gefühlen.
  • die Beziehungen zu nahestehenden Personen einmal im Monat bewerten.

Leider wird nicht jeder Narzisst von einer Therapie profitieren. Es besteht jedoch die Hoffnung, dass einige positive Verhaltensänderungen das Leben sowohl für Narzissten als auch für diejenigen verbessern werden, die sich um sie sorgen.

Wenn Ihr geliebter Mensch sich aufrichtig um Veränderungen bemüht, unterstützen Sie ihn mit einem Lächeln der Ermutigung und Dankbarkeit für seine Bemühungen. Seien Sie bereit zu vergeben und bewahren Sie eine positive, optimistische Einstellung. Veränderungen sind immer schwierig, besonders für Menschen mit narzisstischen Zügen.