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Größer, jünger und besser aussehend: Die Götter des Olymp

In diesem Kapitel

arrow Zeus, König der Götter

arrow Poseidon, der Gott des Meeres

arrow Im Reich der Toten mit Hades, dem Gott der Unterwelt

arrow Die neueren und jüngeren Götter: Apoll, Hermes, Ares und Dionysos

Die meisten griechischen Götter lebten der Sage nach auf dem Berg Olymp. Der Berg liegt in Nord-Griechenland. Die Wahl der Götter fiel wahrscheinlich deswegen auf ihn, weil er besonders hoch und damit dem Himmel sehr nahe ist. Außerdem ist die Bergspitze häufig von Wolken verhangen, was ihm einen Anschein des Geheimnisvollen verleiht.

In der Vorstellung der Griechen war die Welt in mehrere Gebiete unterteilt: Himmel, Erde, Meer und Unterwelt. Jedes Gebiet hatte seine dafür zuständigen Götter. Die Götter teilten die Welt unter sich auf. Zeus war der Oberste aller Götter. Andere Götter waren dazu da, sich um die unterschiedlichsten menschlichen Belange zu kümmern: Medizin, Musik, Liebe, Wein und die Sonne. Sie sorgten alles in allem dafür, dass die Menschen ihr Leben einigermaßen gut leben konnten. Gelegentlich griffen sie in deren Leben direkt ein.

Dieses Kapitel handelt von den Hauptgöttern in der griechischen Mythologie. Mitunter tauchen aber auch andere Figuren in den Mythen auf. Es konnte passieren, dass alte Gottheiten in zeitlich neueren Göttern aufgingen. Nicht immer verloren sie dabei auch ihre Namen. Es genügt zu erwähnen, dass es sehr, sehr viele Gottheiten gab, für jeden denkbaren Zweck eine.

Zeus, Poseidon und Hades: Der übermächtige Vater und seine Brüder

Der Überlieferung der meisten antiken Autoren zufolge waren Zeus, Poseidon und Hades Brüder, die Söhne von Rheia und Kronos. Nachdem sie die Titanen und andere Ungeheuer besiegt hatten (vergleiche Kapitel 3), teilten sie die Welt untereinander auf. Die Frage, wer was bekommen sollte, entschieden sie per Los. Hier das Ergebnis:

check.gif Poseidon erhielt die Meere und Ozeane.

check.gif Hades bekam die Unterwelt und die Toten.

check.gif Zeus schließlich wurde der Himmel zugeteilt.

Als Herr über den Himmel erlangte Zeus automatisch den Titel »König aller Götter«.

Icon_techniker.jpgViel von dem hier Geschilderten verdanken wir einem überlieferten Gedicht des griechischen Dichters Hesiod mit dem Titel Theogonie (»Die Geburt der Götter«).

König Zeus, Liebhaber der Frauen und Herr über die Blitze

Als Herr über die himmlischen Kräfte kontrollierte Zeus den Donner, den Blitz, die Wolken und den Regen. Man sprach von ihm als dem Himmelsgott. Wie jeder Gott und jede Göttin hatte auch er ein besonderes Symbol – den Adler und das Blitzbündel. In der Vorstellungswelt der Griechen entstanden Blitze dann, wenn Zeus einen solchen wie einen Speer vom Himmel zur Erde schleuderte. Außerdem war ihm die Eiche heilig.

Zeus hatte viele Namen

Wie die meisten anderen griechischen Götter hatte auch Zeus verschiedene Beinamen. Je nachdem, welche Eigenschaft oder Kraft man an Zeus betonen wollte, nannte man ihn:

check.gif Zeus Xenios: Bedeutet »Zeus, Schützer des Gastrechts«. Reisende benutzten diesen Beinamen, wenn sie ihn in einem Gebet um eine sichere Bleibe und einen freundlichen Gastgeber baten.

check.gif Zeus Brontaios (der Donner Erzeugende): Bauern, die um Regen beteten, verwendeten diesen Beinamen.

check.gif Zeus Eleutherios: Bedeutet »Zeus, Bewahrer der Freiheit«. Die in einem demokratisch organisierten Stadtstaat lebenden Athener riefen Zeus immer dann mit diesem Namen an, wenn in Kriegszeiten ein angreifendes Heer ihre Freiheit in Gefahr zu bringen drohte.

check.gif Zeus Nephelegerata: Bedeutet so viel wie »Zeus der Wolkensammler«. Diesen Namen trug Zeus in seiner Funktion als Herr über Blitz und Donner. Man nannte ihn dann auch Zeus Keraunos oder »Zeus des Blitzes«.

Die Griechen wussten durchaus, dass es in anderen Kulturen andere Namen für die Götter gab. Sie konnten sich aber nicht vorstellen, dass der König der Götter ein anderer als Zeus sein könnte. Die Griechen verwendeten daher die Namen fremdartiger Götter aus anderen Kulturen als Beinamen für Zeus. Der Gott Ammon etwa war die Hauptgottheit in der ägyptischen Stadt Theben. (Die Griechen waren von dieser Stadt besonders beeindruckt.) Die Griechen sprachen aber von diesem Gott immer nur als Zeus-Ammon.

Icon_techniker.jpgDie Mythenexperten sind heute der Ansicht, dass der Gott Zeus in Wirklichkeit aus einer Kombination verschiedener Götter aus unterschiedlichen Ländern der Antike entstanden ist. Wenn der Zeuskult sich in einer Stadt zu verbreiten begann, deren Bewohner bereits einen Gott anbeteten, so wurden die Namen beider Götter verbunden. Zeus’ Name bildete dabei immer das Zentrum des neuen Namens. Dies mag einer der Gründe dafür sein, warum Zeus so viele Affären mit sterblichen Frauen nachgesagt wurden. Die Herrscher über Städte der Antike leiteten ihre Herkunft gerne von einem Gott als unmittelbarem Vorfahren ab. So kam es also, dass Zeus als Ahn all dieser Sterblichen herangezogen wurde.

Zeus und seine Frau Hera

Zeus war mit der Göttin Hera verheiratet. Hera erscheint uns heute als recht komplexe Göttin. Man verehrte sie mal als Göttin des Landes (der Gärten und Tiere) und mal als Schutzpatronin der Städte (besonders der Stadt Argos). Nach ihrer Heirat mit Zeus hatte sie hauptsächlich die Aufgabe, das Königtum zu repräsentieren. Königin Hera ist ihr am häufigsten anzutreffendes Beiwort. Die Menschen verbanden mit Hera darüber hinaus die Institution der Ehe, was in gewisser Weise ironisch erscheint, war doch ihre eigene Ehe mit Zeus nicht unbedingt glücklich. In Kapitel 5 werden wir ihrer Beziehung zu Zeus etwas genauer auf den Grund gehen. Heutzutage würde man die beiden wahrscheinlich als Gäste in gewissen nachmittäglichen Talkshows antreffen können.

Darf ich vorstellen: Mein Name ist Zeus!

Zeus liebte die Menschenfrauen und besuchte die Damen seiner Wahl recht oft. Stieg er zur Erde hinab, änderte er dabei häufig seine Gestalt, damit man ihn nicht erkennen konnte. Mitunter geriet seine Verkleidung recht merkwürdig. Die Nachkommen, die Zeus mit den Frauen auf der Erde zeugte, waren normalerweise Halbgötter. Hera tobte wegen der außerehelichen Eskapaden ihres Göttergatten regelmäßig vor Eifersucht.

Icon_techniker.jpgIm Folgenden eine Liste mit einigen seiner bekannteren Gespielinnen auf Erden:

check.gif Danaë: Er erschien ihr in Form eines goldenen Schauers. Sie gebar den Helden Perseus.

check.gif Alkmene: Die Mutter des Herakles. Zeus suchte sie in der Gestalt ihres Ehemanns auf. Sie verbrachten eine Nacht zusammen. Später erschien ihr Gatte und schlief auch mit ihr. Sie gebar Zwillinge; Herakles war Zeus’ Sohn; das andere Kind war das ihres Ehemanns.

check.gif Leda: Zeus verwandelte sich in einen Schwan, als er Leda besuchte. Sie war die Frau des Tyndareos, des Königs von Sparta. Zusammen hatten sie zwei unsterbliche Kinder:

• Helena, die später den Trojanischen Krieg auslöste, und

• Pollux, einen der beiden Dioskuren Kastor und Pollux

 Weil er Leda als Vogel erschienen war, schlüpften die beiden Kinder aus einem Ei! (Mehr über Helena erfahren Sie in Kapitel 7.)

check.gif Io: Bei seiner wunderschönen Geliebten Io war es nicht Zeus, sondern Io, die ihre Gestalt änderte; sie wurde von Zeus in eine weiße Kuh verwandelt. Zeus eifersüchtige Frau Hera bat ihren Gemahl, ihr die Kuh Io als Geschenk zu überlassen. Sodann sandte sie eine Stechmücke, um Io zu quälen. Schließlich verwandelte sich Io wieder zurück in eine Frau und wurde die Stammmutter des Herakles. Das Ionische Meer ist nach ihr benannt. Der römische Dichter Ovid erzählt in seinen Metamorphosen ausführlich die Geschichte der armen Io.

check.gif Europa: Für Europa verwandelte sich Zeus in einen wunderschönen Stier. In dieser Gestalt trug er Europa über das Ägäische Meer nach Kreta. Einer ihrer gemeinsamen Söhne war Minos, der König von Kreta. Der Kontinent Europa wurde nach ihr benannt.

check.gif Ganymed: Nicht alle von Zeus’ Liebhaberinnen waren weiblichen Geschlechts. Ganymed war ein schöner Prinz aus Troja. Zeus brachte ihn in Gestalt eines Adlers zum Olymp, wo Ganymed ihm Wein reichen und andere Dienste erweisen sollte. Ganymeds Vater erhielt im Gegenzug einige prachtvolle Pferde als Geschenk.

König zu sein ist wahrlich nicht einfach

Auch wenn Zeus der oberste aller Götter war, so war er doch nicht allmächtig. Nicht nur, dass seine Frau ihm einigen Kummer bereitete – in einigen überlieferten Texten heißt es außerdem, dass er ebenso wie die Sterblichen auf der Erde an das Schicksal gebunden war. So kämpfte beispielsweise während des Trojanischen Krieges (vergleiche Kapitel 7) einer seiner vielen unehelichen Söhne mit Namen Sarpedon auf Seiten Trojas. In der Ilias wird erzählt, wie Zeus erfährt, dass sein Sohn in der kommenden Schlacht getötet werden würde. Er vertraut seiner Frau Hera an, dass er versucht sei, das Leben seines Sohnes zu retten. Hera antwortet ihm daraufhin: »Tu, was du für richtig hältst. Wenn du aber gegen das Schicksal handelst, werden dir die Götter nicht mehr gehorchen.« Zeus konnte dem Schicksal wohl trotzen, wenn er es nur wollte; tat er es aber, so verlor er seine Autorität den anderen Göttern gegenüber.

Poseidon, Gott des Meeres und mit Leib und Seele Macho

Poseidon war der Gott des Meeres. Zu seinem Verantwortungsbereich gehörten aber auch die Pferde und die Erdbeben, manchmal auch die Stiere. Er entfachte die Stürme und glättete hinterher die aufgewühlte See. Seine Frau Amphitrite, eine der fünfzig Töchter des Flussgottes Nereus, gebar ihm eine Tochter namens Benthesikyme.

Warum der Meeresgott auch mit Pferden assoziiert wurde, das wissen nur die Götter. Manche Mythenexperten haben die Ansicht vertreten, dass die Verehrung Poseidons gleichzeitig mit der Verbreitung der Pferde in Griechenland auftrat. Die Griechen brachten ihm jedenfalls Pferdeopfer dar, insbesondere Hengste wurden ihm zu Ehren geopfert (Poseidon galt als Gott von enormer Manneskraft). Das geflügelte Pferd Pegasus war sein Nachkomme. Es entstand, als Medusas Blut sich ins Meer ergoss. (Mehr über Pegasus erfahren Sie in Kapitel 6.)

Poseidons Beinamen

Einer von Poseidons Beinamen war Erd-Erschütterer – eine angemessene Bezeichnung für den, der die Erdbeben erzeugt. Andere Beinamen für ihn lauten Wellen-Aufwühlender, der die Welt Haltende, Ernährer, Voraussehender, Beschützender oder auch Pelagaeus (der zum Meer Gehörende).

Wer Poseidon besonders verehrte

Besonders Seefahrer und Fischer – aufgrund ihrer natürlichen Beziehung zu diesem Gott nur zu verständlich – beteten Poseidon an. Viele Küstenstädte nannten sich nach ihm Poseidonia und wählten ihn zu ihrem Schutzpatron.

Abbildung 4.1 zeigt Poseidon, der oft mit Dreizack in der Hand dargestellt wurde. Die Fischer der Antike verwendeten den Dreizack, um mit ihm Fische zu jagen.

 

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Abbildung 4.1: Poseidon mit fehlendem Dreizack

In der Antike konnten die Menschen die Plastiken und Bildnisse der Götter leicht an deren Attributen erkennen, die sie in der Hand hielten oder am Körper trugen. Die Darstellung eines Mannes in mittlerem Alter mit einem Blitz war Zeus; hielt er aber einen Dreizack in der Hand, handelte es sich um Poseidon. Ein hübscher Jüngling mit einem Kranz aus Lorbeer war Apoll; war er mit Efeu geschmückt, so stand man vor Dionysos.

Aber ich wollte diese Stadt haben!

Poseidon geriet einmal mit Athene in einen Wettstreit darüber, wer von beiden Schutzpatron der Stadt Athen werden würde (Athen hatte zu dem Zeitpunkt noch keinen beziehungsweise einen anderen Namen). Poseidon versprach den Bewohnern der Stadt viele Pferde und ließ eine Quelle entspringen, deren salziges Wasser vom Berg Akropolis hinunter in das Zentrum der Stadt floss. Athene wiederum versprach, der Stadt viele Olivenbäume zu schenken. Nun ja, Pferde erschienen den Bewohnern keine so gute Gabe, bei dem felsigen Land, das die Stadt ringsum umgab. Eine Salzwasserquelle hatte auch keinen rechten praktischen Nutzen. Olivenbäume dagegen waren ein großartiges Geschenk. Selbst als es noch keinen Wodka Martini gab, waren Oliven schon eine begehrte Handelsware, hauptsächlich wegen ihres Öls. Olivenöl wurde als Öl für Lampen verwendet, als Ausgangsmaterial für Seifen, als Haarwaschmittel und als Nahrungsmittel (es ist lecker, voller Kalorien und billiger als Fleisch). Athene gewann also das Rennen. Die Hauptstadt Griechenlands (beziehungsweise Hellas’, wie die Griechen ihr Land nennen) heißt heute daher »Athen« und nicht »Poseidonia«.

Nicht immer der Glücklichste unter den Göttern

Poseidon hegte einen großen Groll gegen den sterblichen Helden Odysseus, weil dieser seinem Sohn – dem Zyklopen Polyphem – das Augenlicht genommen hatte (vergleiche Kapitel 6). Ein weiterer seiner Söhne war der riesenhafte Jäger Orion, der von Artemis getötet wurde. Am nördlichen Himmel ist Orion heute eines der auffälligsten Sternbilder. Besonders die drei hellen Gürtelsterne des Sternbilds sind deutlich zu sehen. Ihr Auftauchen am Himmel kündigt den Winter an.

Hades, Gott der Unterwelt: Das Land unter der Erde (weit unter der Erde!)

Hades war der Gott der Unterwelt und König der Toten. Das Totenreich, dem er vorstand, trug ebenfalls den Namen Hades. Die Verantwortung für die Toten und die Unterwelt war offenbar so anstrengend, dass Hades anders als seine Brüder Poseidon und Zeus keine so lange Liste an Zuständigkeiten hat.

Die Pforten der Unterwelt wurden von dem dreiköpfigen Hund Kerberos (auch Zerberus geschrieben) bewacht. Kerberos wedelte mit seinem Schwanz, wann immer ein Neuankömmling in seinem trauten Heim aufgenommen werden sollte. Wollte aber einer der Unglücklichen sein Reich wieder verlassen, so fraß er ihn kurzerhand auf. Die Unterwelt selbst war kalt, dunkel und absolut freudlos. Die Toten veranstalteten dort nicht gerade Picknicks.

Der Tod macht vielleicht keinen Urlaub, er reist aber unter verschiedenen Namen

Hades trug mitunter auch den Namen Pluto, ein Wort, das mit dem griechischen Wort »plutos« verwandt ist, was so viel wie Reichtum bedeutet. Gold, Silber und Edelsteine kommen aus der Erde, also aus Hades’ Reich. Hades wird manchmal in Anspielung auf den goldenen Streitwagen, in dem er herumfuhr, auch »der mit den goldenen Zügeln« genannt. Er trägt außerdem den Beinamen »Der Wärter«, da es ja seine Aufgabe ist, über die Toten in der Unterwelt zu wachen. Diese Beinamen geben einen Hinweis darauf, dass Hades damals keinen so üblen Ruf gehabt haben kann, was man ja bei einem wie ihm leicht vermuten könnte. Man darf ihn sich nicht als eine griechische Ausgabe von Satan vorstellen; sein Totenreich ist auch nicht mit der christlichen Vorstellung der Hölle vergleichbar.

Die Straße ins Nichts

Der Weg in die Unterwelt war der gleiche für alle Sterblichen. Es gab keine Trennung in gute und schlechte Menschen. Mitunter aber erfuhren besonders böse Menschen eine spezielle Behandlung.

Der Raub der Persephone

Hades war mit Persephone verheiratet, der Tochter Demeters. Leider versäumte es Hades, Persephone auch förmlich um ihre Hand zu bitten. Stattdessen raubte er sie einfach, als sie eines Tages mit ihren Freundinnen Blumen auf einer Wiese pflückte, und entführte sie in sein Reich. Ihre Mutter Demeter war darüber so empört, dass sie sich ein Jahr lang weigerte, ihren Aufgaben nachzukommen. Also musste Zeus Hades darum bitten, Persephone wieder ihrer Mutter zu übergeben.

Bevor sie Hades verließ, bat er sie darum, ihn in trauter Erinnerung zu bewahren, und gab ihr einen Granatapfel zu essen. Der Granatapfel war die für die Toten vorgesehene Nahrung. Persephone schluckte vier (oder sechs) Samenkörner der Frucht, bevor sie das Totenreich verließ. Weil sie aber vom Granatapfel probiert hatte, während sie noch in der Unterwelt war, war sie dazu verdammt, vier (oder sechs, je nach Überlieferung) Monate des Jahres in der Unterwelt zu verbringen. Während dieser erzwungenen Anwesenheit in der Totenwelt betrauerte Demeter ihre Tochter und nahm jedes Mal eine Auszeit von ihrer Arbeit. Die Erde versinkt seither jedes Jahr für die Dauer von Persephones erzwungenem Aufenthalt bei den Toten für einige Monate in der Winterruhe.

Toter als tot

Auch wenn Hades und seine Frau nicht den besten Start erwischten, so führten sie dem Anschein nach doch eine recht harmonische Ehe. Persephone war bekannt als die Göttin der Toten. Sie hatten nie Kinder zusammen – Kinder hätten dort auch sowieso nicht hingepasst.

Die Jeunesse Dorée unter den Göttern

Neben den drei großen Göttern Zeus, Hades und Poseidon gab es noch andere männliche Götter: Apoll, Hephaistos, Hermes, Ares und Dionysos. Mit Ausnahme von Hephaistos waren alle genannten Götter jung und gut aussehend. Die Griechen scheinen sich ihre Götter und Göttinnen einfach wie vollkommene Menschen vorgestellt zu haben. Den Göttern war jeweils ihre spezifische Aufgabe übertragen worden und sie waren unsterblich. Sie standen immer in der Blüte ihres Lebens und kannten kein Altern und Vergehen. Davon abgesehen unterschieden sie sich kaum von normalen Menschen.

Genauso wie Zeus und Poseidon hatten auch die anderen, jünglingshaften Götter ihre bestimmten Aufgabenbereiche.

Apoll, der hübsche Held für alle Fälle

Apoll war der Sohn von Zeus und Leto. Er war Artemis’ Zwillingsbruder. Artemis kam vor ihm auf die Welt und half ihrer Mutter dabei, Apoll zu gebären.

Apoll war ein herrlicher Gott. Auf Darstellungen erscheint er immer als außerordentlich schöner junger Mann. Er war der Gott des Lichtes, der Wahrheit und der Heilkunst. Darüber hinaus zeichnet er sich durch seine athletischen Fähigkeiten aus. Der Lorbeerbaum war seine ihm gewidmete Pflanze. Siegreiche Athleten erhielten in der Antike einen Lorbeerkranz als Preis für ihren Sieg.

Apoll und das Orakel von Delphi

Eine von Apolls wichtigsten Rollen war seine Funktion als Beschützer des Orakels von Delphi. Für die Menschen der Antike war Delphi so etwas wie der Mittelpunkt der Erde. Es gab dort eine Priesterin, die den Menschen ihre Zukunft voraussagte, indem sie die Dämpfe aus einer Erdspalte einatmete und dann die ihr von den Göttern gesandten Botschaften an die Sterblichen weitergab.

Der musikalische Apoll

Apoll ist eng mit der Musik verbunden. Er spielte oft auf der Leier, einem Saiteninstrument, das wohl vollkommen anders als eine moderne Gitarre geklungen haben muss. Den Griechen erschien die Leier als ein elegantes, liebliches Instrument. Das wilde Flötenspiel, das die Anhänger des Dionysos praktizierten, war das genaue Gegenteil davon und stand in keinem so guten Ruf.

Auch wenn er der Gott der Musik war, so war er doch kein guter Verlierer im musikalischen Wettstreit mit anderen. Einmal forderte ihn ein Satyr (mehr zu ihnen in einem anderen Abschnitt in diesem Kapitel) mit Namen Marsyas zu einem solchen Wettstreit heraus. Als Preis wurde vereinbart, dass der Gewinner mit dem Verlierer machen könne, was immer ihm gefiele. Apoll spielte auf der Leier, und Marsyas spielte auf den Flöten, die Athene weggeworfen hatte, weil sie nicht mochte, wie ihr Gesicht aussah, wenn sie sie spielte. Während des Wettkampfes drehte Apoll beim Spielen seine Leier um und forderte seinen Gegner auf, es ihm gleich zu tun. Als Marsyas dazu nicht in der Lage war, hatte er den Wettkampf verloren. Der Gewinner Apoll ging nun hin und tötete den unglücklichen Verlierer, indem er ihn an einen Pinienbaum hing und ihm dann die Haut vom Leibe zog.

Sonne, Medizin und andere Aufgaben

Apoll wurde auch Sonnengott genannt, weil er jeden Tag mit seinem Streitwagen das Himmelszelt durchquerte und dabei mit der Sonne im Schlepptau von Ost nach West über das Firmament zog. In anderen Mythen heißt es dagegen, dass Helios der Sonnengott sei.

Weitere Zuständigkeitsgebiete Apolls waren die Medizin und die Reinigung des Körpers. Als Orest seine Mutter ermordete (da diese seinen Vater vorher getötet hatte), floh er anschließend nach Delphi, um sich von Apoll reinigen zu lassen. Tötete jemand seine Eltern (auch wenn es nur zufällig geschah), haftete an seinem Körper das Miasma. Es handelte sich um eine Verschmutzung, die zwar unsichtbar war, aber doch scheußlich genug, dass ein Umgang und Kontakt mit Nicht-Verschmutzten unmöglich war. Apoll und seine Priester kannten das Ritual, das nötig war, die reuigen Mörder wieder vom Miasma zu befreien und ihnen eine Rückkehr in die normale Gesellschaft zu ermöglichen.

Apoll war auch der Schutzpatron der epischen Dichter und es hieß, er sei der Führer der Musen.

Apolls Symbole

Apoll hatte die unterschiedlichsten Symbole. Die von ihm erfundene Leier, eine griechische Harfe, war eines dieser Symbole. Der Lorbeerbaum (dessen Zweige die in der Küche noch heute verwendeten Lorbeerblätter liefern) erhielt diesen Namen, weil (wenn wir dem römischen Dichter Ovid Glauben schenken wollen) eine junge Sterbliche namens Lorbeer (nun ja, auf Griechisch Daphne) es vorzog, sich lieber in einen Baum zu verwandeln, als Apoll zu gestatten, mit ihr zu schlafen (die vollständige Geschichte können Sie weiter unten in dem Abschnitt Daphne und der Ursprung des Lorbeerbaumes nachlesen). Der Delfin ist ein weiteres Symbol für Apoll. Er schickte einmal einen Delfin, um das Leben eines jungen Harfespielers mit Namen Arion zu retten, der gerade von einigen übel wollenden Seeräubern von einem Schiff ins Meer geworfen wurde.

Apolls Beinamen

Wie andere Götter auch trägt Apollviele Beinamen. Hier einige der bekannteren:

check.gif Phoebus Apollon oder nur Phoebus: Phoebus heißt übersetzt »der Strahlende«. Diesen Beinamen trug er in seiner Eigenschaft als Sonnengott.

check.gif Apoll von Delos: Benannt nach seinem Geburtsort, der Insel Delos

check.gif Pythischer Apoll: Apoll lernte die Kunst der Weissagung von Gott Pan. Er begab sich zum Orakel von Delphi, das von der Schlange Python bewacht wurde. Die Schlange versuchte, ihn aufzuhalten; er aber tötete sie.

check.gif Apollon Smintheus: Dieser Beiname leitet sich von der besonderen Verehrung ab, die Apoll in der Stadt Sminthe nahe Troja genoss. Der Name bedeutet andererseits »Herr der Mäuse« und könnte sich auf seine Eigenschaft als Vernichter der Krankheit bringenden Ratten und Mäuse beziehen.

check.gif Loxias: Dieser Name bedeutet so viel wie schwierig oder knifflig und stammt daher, dass die Seherinnen der Orakel, ihre Weissagungen in Rätsel kleideten.

Icon_techniker.jpgApoll wandte sich häufig an Seherinnen und Verkünderinnen der Zukunft, bekannt als Sibyllen. (Noch heute gibt es den Mädchennamen.) Die berühmteste aller Sibyllen war Pythia, die Hohepriesterin in Delphi, benannt nach der Schlange Python. Pythia atmete die stimulierenden Dämpfe brennender Lorbeerblätter oder die aus Felsspalten heraufsteigenden Dünste ein, um den Menschen anschließend ihre Zukunft zu weissagen. Es war ein lohnendes Geschäft.

Daphne und der Ursprung des Lorbeerbaumes

Daphne war die Tochter eines Flussgottes. Sie war unsagbar schön, hatte aber kein Interesse an Liebesgeschichten, sondern lief lieber frei in den Wäldern umher.

Als Apoll sie zum ersten Mal sah, verliebte er sich unsterblich in sie. Er lief ihr nach; sie aber floh vor ihm. Er verfolgte sie durch die Wälder, rief ihr nach, dass er ein Gott sei und sich in sie verliebt habe, und bat sie darum, stehen zu bleiben und sich ihm hinzugeben. Daphne aber lief immer weiter.

Gerade als sie das rettende Flussufer ihres Vaters erreicht hatte, konnte Apoll sie einholen. Er wollte gerade nach ihr greifen, da rief sie ihren Vater um Hilfe an. Er leistete ihrer Bitte Folge und verwandelte seine Tochter in einen Lorbeerbaum (»Lorbeer« heißt im Griechischen daphne). Abbildung 4.2 zeigt Apoll, wie er nach der sich gerade verwandelnden Daphne greifen will.

Um wenigstens einen kleinen Trost zu haben, erklärte er, der Lorbeerbaum solle von Stund an sein spezieller Baum sein. Daphne gelang es, sich den Nachstellungen Apolls zu entziehen.

Hephaistos: Was für ein großartiger Charakter ...

Hephaistos war der Gott des Feuers und der Schmiede. Er war sehr geschickt und gewandt und imstande, alles Gewünschte herzustellen. Wollte irgendein Gott etwas Spezielles haben – etwa eine besonders gute Rüstung –, erhielt Hephaistos den Auftrag zur Herstellung des Gewünschten. Hera, die Königin der Götter, zeugte ihn ohne Hilfe ihres Gemahls Zeus, um es ihm so heimzuzahlen, dass er Athene alleine geschaffen hatte. (In Kapitel 5 können Sie nachlesen, wie das im Detail ablief.)

Nicht gerade der schönste aller Götter

Hephaistos war hässlich und missgestaltet. In der Antike schrieb man dies der Tatsache zu, dass Hera ihn ohne männliche Mithilfe geschaffen hatte. In der von Männern dominierten Gesellschaft Athens erschien der Gedanke, dass die Erzeugung eines Kindes alleine durch den Vater nur ein schönes und wunderbares Kind als Resultat nach sich ziehen konnte, der natürlichste von der Welt (wie im Fall Athenes, Zeus’ Solokreation – vergleiche Kapitel 5). Der gleiche Versuch einer Frau aber konnte nur scheitern und ein minderwertiges, missgestaltetes Kind zum Ergebnis haben.

 

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Abbildung 4.2: Daphnes Verwandlung kann man so interpretieren, dass es ihr gelang, ihre Jungfräulichkeit zu bewahren; auf der anderen Seite aber (dies ist die pessimistischere Sichtweise) gab sie sich so der Macht Apolls vollständig anheim. Diese Zeichnung zeigt sie, wie sie sich gerade in einen Baum verwandelt.

In anderen Versionen dieses Mythos heißt es, dass Heras Sohn zwar hässlich zur Welt kam, dass er aber erst dann verkrüppelt wurde, als seine Mutter ihn bei seinem Anblick nach der Geburt dadurch loszuwerden versuchte, dass sie ihn vom Himmel hinunter ins Meer warf (wo ihn Thetis auffing und pflegte). In wieder anderen Fassungen des Mythos erfahren wir, dass das Kind bei der Geburt ohne Makel war. Dies änderte sich erst, als Zeus Hand an ihn legte. Zornig über Heras Anmaßung, ein Kind ohne seine Hilfe zu zeugen, packte er das arme Baby und schleuderte es vom Berg Olymp. Diese Version der Geschichte erklärt seine Hässlichkeit und seine Missgestalt durch diese unsanfte Verstoßung aus dem Himmel. (Es gibt auch Versionen, in denen es heißt, er sei von Geburt an missgestaltet gewesen und dass seine Mutter ihn aus dem Himmel herab auf die Erde schleuderte, als sie seiner Makel ansichtig wurde. Rabenmutter!)

Wie dem auch sei, Hephaistos wurde von Dionysos in den Olymp zurückgeholt und lebte schließlich fortan mit allen anderen Göttern zusammen im Himmel. Dort genoss er bis zu einem gewissen Grade den Respekt der anderen Gottheiten. Interessanterweise war er es, der am Ende die schönste aller Göttinnen »abbekam« – Aphrodite.

Der einzige Gott mit einem echten Beruf

Hephaistos verbrachte seine Zeit damit, Rüstungen und Waffen sowie die Paläste und das Mobiliar für die anderen Götter herzustellen. Dabei gingen ihm aus Gold geschaffene, reizvolle weibliche Helferinnen zur Hand. Die Griechen meinten, seine Schmiede befinde sich unter einem Vulkan und bei Vulkanausbrüchen arbeite er gerade. Die Mutter Achills, die Göttin Thetis, beauftragte Hephaistos damit, neues Rüstzeug für ihren Sohn herzustellen. Hephaistos übergab ihr nach getaner Arbeit unter anderem den »Schild des Achill«, so wie es in der Ilias Homers beschrieben wird (vergleiche Kapitel 7).

Mit Ausnahme von Ares (mehr dazu im nächsten Abschnitt) achteten die Götter des Olymp Hephaistos, der schwer dafür arbeitete, dass alle zufrieden waren und kein Streit unter ihnen ausbrechen konnte. Homer beschreibt, wie Hephaistos nach dem Weinkrug griff und jedem nachschenkte, sobald bei einem Festmahl Streit unter den Göttern auszubrechen drohte. Der Anblick des hässlich ausschauenden, aber mit einem sanften Wesen ausgestatteten Gottes, der eilig um den Tisch herumhumpelte, brachte alle Götter zum Lachen, worüber sie den Anlass ihres Streits rasch vergaßen.

Die Athener liebten Hephaistos ebenfalls, war er doch friedfertig, höflich und der Schirmherr der Handwerker. Zu seinem Andenken bauten die Bewohner Athens einen großen Tempel und nannten ihn Hephaisteion.

Ares, Gott des Krieges

Ares war der Kriegsgott. Seine Eltern Zeus und Hera konnten ihn nicht sonderlich gut leiden (wenn wir Homer hier Glauben schenken).

Ares verkörperte die zerstörerischen Kräfte des Krieges, desjenigen also, was den Menschen Angst machte. Die Göttin Athene – auch sie eine Göttin des Krieges – stand dagegen für die weise und umsichtige Kriegsführung zur Verteidigung der Stadt.

Der unpopuläre Gott Ares

Weil Ares eine Vorliebe für Gewalt und Zerstörung hatte, war er bei den Griechen äußerst unbeliebt. In Homers Ilias kämpfte er auf der Seite Trojas, während Athene auf der Seite der Griechen stand. Ares war laut und wild und einfach keine angenehme Gesellschaft. Auf der anderen Seite wurde ihm doch eine gewisse Bewunderung entgegengebracht, da die Griechen den tapferen Krieger und den Heldenmut in der Schlacht als Tugend hoch achteten. In Athen gibt es einen Hügel mit Namen Areopagus, was so viel wie »Hügel des Ares« bedeutet. Dort wurde Ares wegen Mordes angeklagt und freigesprochen (vergleiche Kapitel 8). Auf dem Hügel traf sich auch ein wichtiger politischer Rat, vielleicht sogar ein Kriegsrat, was ebenfalls den Namen erklären würde.

Auch die anderen Götter verachteten Ares. In der Ilias gibt es eine Stelle, an der sein Vater Zeus ihm direkt ins Angesicht sagt, er sei »der hassenswerteste aller Götter«.

In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt

Obwohl Aphrodite mit Hephaistos verheiratet war, war Ares doch ihr Geliebter. Manche Mythenexperten sind der Ansicht, dass die beiden Götter deswegen ein Paar bildeten, weil sie für diejenigen Triebe im Menschen stehen, die für die Ordnung und die Institutionen des Menschen eine Gefahr darstellen. Menschen, die sich dem Delirium der Liebe oder des Krieges ergeben haben, sind nicht in der Lage, nach dem Vorbild der praktisch veranlagten und mit Bedacht vorgehenden Athene zu handeln. Aphrodite gebar Ares drei Kinder:

check.gif Eros (Liebe)

check.gif Deimos (Schrecken)

check.gif Phobos (Furcht)

Eine ziemlich amüsante Szene in der Ilias erzählt, wie Ares und Aphrodite zusammen in flagranti ertappt werden. Um ihnen auf die Schliche zu kommen, hängte Aphrodites Gatte Hephaistos eines Tages ein Netz aus Gold über ihr Bett. Als sich Ares zu ihr gesellte, ließ er die Falle zuschnappen. Daraufhin rief er alle Götter zusammen, um ihnen die untreue Ehefrau zu zeigen und sie der Lächerlichkeit preiszugeben. Seine Rache für ihren Ehebruch zeigte allerdings nicht die gewünschte Wirkung, da wohl die meisten Götter insgeheim bei sich dachten, dass eine Nacht mit Aphrodite verbringen zu dürfen, es wert sei, von einem goldenen Netz gefangen zu werden.

Hermes, der Götterbote

Hermes war der Bote der Götter. Er war Sohn des Zeus und der Maia, der Tochter des Titanen Atlas. Er war ein wunderhübscher junger Mann und trug einen geflügelten Reisehut und ein Paar geflügelte Schuhe. Außerdem trug er einen Stab bei sich, um den sich zwei Schlangen schlängeln und an dessen Spitze wiederum das für ihn typische Attribut des Flügelpaares erscheint. Der Name des Stabes lautet caduceus. Das Caduceus (siehe Abbildung 4.3) war in der Antike das Symbol der Boten beziehungsweise Herolde.

 

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Abbildung 4.3: Bemerkenswert ist, dass seit dem 16. Jahrhundert der Caduceus symbolisch für sehr Verschiedenes stand, zum Beispiel für die Post und für die Dienste der Botschafter.

Immerzu rastlos unterwegs

Hermes hatte einen großen Aufgabenbereich. Seine Geschwindigkeit ermöglichte es ihm, viele Aufgaben gleichzeitig zu erledigen. Hier eine Übersicht über sein Tagespensum:

check.gif Er war der Gott des Handels und der Kaufleute.

check.gif Er führte die Toten in die Unterwelt.

check.gif Er war Zeus’ Unterhändler bei heiklen Angelegenheiten (wie etwa der Entführung des trojanischen Königssohnes Ganymed in den Olymp, nachdem Zeus sich in ihn verliebt hatte), erledigte Botengänge für ihn und kümmerte sich um das Zustandekommen seiner zahllosen amourösen Abenteuer.

check.gif Er war der Schutzpatron der Kinder und Helden und brachte Gefahren ausgesetzte göttliche Kinder in Sicherheit (er war es, der das Kind Dionysos zu den Nymphen nach Nysa in Sicherheit brachte).

check.gif Schäfer und Reisenden wies er den rechten Weg. Er war Beschützer der Herden und ein Gott der Fruchtbarkeit und des Wohlstandes.

check.gif Er war außerdem Gott der Athleten und des Gymnasiums.

check.gif Nicht zuletzt war er auch der Gott der Diebe.

Hermes’ Symbole: Ohne meinen Stab gehe ich nicht auf Wanderschaft

Sein bekanntestes Symbol sind die Flügelschuhe. Weitere Attribute sind der schon erwähnte »Caduceus«, der Reisehut und der Geldbeutel sowie ein Hirtenstab, der sich immer dann als nützlich erwies, wenn es darum ging, die Toten in die Unterwelt zu begleiten.

Den Helden ein Held

Außerdem trägt Hermes die Namen »Töter des Argos« (benannt nach dem hundertäugigen Wächter, der im Auftrag Heras die arme, in eine Kuh verwandelte Io mit den noch heute sprichwörtlichen »Argusaugen« bewachte; er wurde von Hermes betäubt und getötet) sowie »Psychopompos«, das heißt »Seelenführer«, entsprechend seiner Aufgabe, die Toten in den Hades zu geleiten. Der Athener Komödiendichter Aristophanes macht sich bisweilen über die Vorliebe seiner Zeitgenossen lustig, jedem Gott endlos viele Beinamen und Attribute zuzuschreiben. In seinem Stück Die Frösche tragen zwei Figuren einen komischen Streit darüber aus, ob es besser sei, bei einem Gebet für den verstorbenen Vater Hermes Patrios (Ahn Hermes) oder Hermes Chtonios (Hermes der Unterwelt) anzurufen.

Ein viel herumgekommener, alleinerziehender Vater

Hermes hatte zwar nie eine Ehefrau, zeugte aber dennoch Kinder. Pan zum Beispiel war sein Sohn, ebenso wie Hermaphroditos, der aber halb männlichen und halb weiblichen Geschlechts war. Er war der Sohn von Hermes und Aphrodite. Er (Sie?) hatte weibliche Brüste, aber einen männlichen Phallus.

Icon_abc.jpgDer Name ihres Sohnes ist uns auch heute noch geläufig, da sich von ihm das Wort Hermaphrodit herleitet, eine Bezeichnung für einen Menschen, der sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsmerkmale in seinem Körper vereinigt.

Die Erfindung der Leier

Schon seit frühester Kindheit stellte Hermes unter Beweis, wie schlau und gewitzt er war. Noch nicht einen Tag alt, kletterte er schon aus seiner Wiege und stahl die Rinderherde seines Bruders Apoll. Er führte sie weg und ließ die Tiere dabei rückwärtsgehen, um die Verfolger zu verwirren. Er opferte zwei der Tiere und versteckte die anderen in einer Höhle. Nachdem er die Herde wieder zurückgegeben hatte, versöhnten sich die Brüder wieder. Hermes schenkte Apoll die von ihm erfundene Leier (auch Lyra geschrieben), die er aus dem Panzer einer Schildkröte gefertigt hatte. Apoll liebte das Instrument und die Töne, die es machte, und wurde am Ende ein Meister auf dem Instrument.

Dionysos, der Party-Gott

Dionysos, der Gott des Weins und der Fruchtbarkeit, betrat erst spät die Bühne der olympischen Götter.

Seine Eltern waren Zeus und die Prinzessin Semele aus Theben, was Dionysos zum einzigen Gott macht, der einen menschlichen Elternteil besitzt. Er erlangte noch zu Lebzeiten Göttlichkeit, anders alsHerakles (vergleiche Kapitel 6), der auch aus einer Verbindung Gott-Mensch hervorgegangen war. Dionysos’ Geburt war recht merkwürdig. Als Semele mit ihm schwanger ging, schwor Zeus am Ufer des Flusses Styx einen Eid und versprach ihr, dass er alles täte, was sie von ihm verlangen würde. Semele bat ihn daraufhin darum, er möge sich in seiner ganzen Herrlichkeit zeigen. Zeus war darüber ein wenig bestürzt. Kein Sterblicher durfte ihn so sehen und anschließend weiterleben. Da er sein Versprechen aber nicht brechen konnte, präsentierte er sich ihr in seiner ganzen Pracht.

Er war sich darüber im Klaren, was passieren musste. Semele fiel auf der Stelle tot um. Zeus zog daraufhin das noch ungeborene Baby Dionysos aus dem Leib seiner toten Mutter heraus und barg es in seinem Oberschenkel (wir wissen nicht, wie das genau vor sich ging; leider – vor allem zum Bedauern von Frauen – ist diese Technik nicht überliefert).

Nach seiner Geburt nahm Hermes das Kind an sich und brachte es zu den Nymphen, die im wunderschönen Tal Nysa lebten (in anderen Versionen des Mythos waren es Athamas und Ino, die sich um den kleinen Dionysos kümmerten). Als Dionysos älter geworden war, vermisste er seine Mutter so sehr, dass er zu Hades ging, ihm schilderte, wie sehr er seine Mutter Semele zurückhaben wolle, und ihn darum bat, dass seine Mutter das Totenreich wieder verlassen dürfe. Hades erklärte sich einverstanden, und Dionysos brachte seine Mutter auf den Olymp, wo sie mit den Göttern zusammenleben sollte. Verständlicherweise war Zeus’ Frau Hera darüber wenig begeistert. Sie sorgte schließlich dafür, dass Dionysos, Athamas und Ino zeitweilig ihren Verstand verloren. Ihr Zorn ließ nach einiger Zeit aber wieder nach, sodass sie ihnen schließlich ihren Verstand wiedergab.

Die Symbole des Dionysos

Das am häufigsten mit Dionysos in Verbindung gebrachte Symbol ist der Wein, entweder die Weintraube oder der Efeu (er macht sich sehr gut als Girlande, die man sich während des Trinkens umhängt). Die Masken, die die Schauspieler im griechischen Theater trugen, symbolisieren ebenfalls Dionysos.

Der wiedergeborene Gott

Dionysos’ Erlebnisse vor seiner Geburt gaben ihm auch den Beinamen »zweifach Geborener«. Andere Beinamen spiegeln sein Wesen und seine Aufgabe als Gott des Weines und des Rausches wider (sein berühmtes dionysisches Wesen): Akratophorus (»Bringer des Weins«), der Nachtschwärmer und der Fackeltragende. Andere Beinamen haben mit Fruchtbarkeit oder der Natur allgemein zu tun: der Blumenbekränzte, der Efeu oder der Bock, der Stier oder der brüllende Löwe. Vielleicht wegen der magischen Eigenschaften des Weins trug Dionysos auch die Beinamen Retter und Erlöser.

Wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen, wie man Wein herstellt

In seinem Erwachsenenleben verbrachte Dionysos seine Zeit damit, die Erde zu bereisen und den Menschen zu zeigen, wie man Reben pflanzt und aus den Trauben Wein keltert. Er reiste in Begleitung eines exklusiven, ihm treu ergebenen Gefolges – und das lange, bevor die heutigen Prominenten Ähnliches für sich entdeckten. Es handelte sich bei seinem Gefolge aber um recht eigentümliche Wesen, die wir im Folgenden kurz vorstellen möchten:

check.gif Mainaden: Die weiblichen Verehrerinnen des Dionysos, unter anderem die Nymphen, die ihn als Kind pflegten.

check.gif Satyrn: Pan und seine Gesellen, die man zusammen als Satyrn bezeichnet (in der römischen Mythologie Faune genannt), waren dämonische Mischwesen mit einem menschlichen Oberkörper, aber Pferde- oder Bocksbeinen, einem Pferdeschweif sowie kurzen Hörnern am Kopf. Sie tanzten wild herum, spielten Flöte dazu, tranken und hatten miteinander oder mit den in den Wäldern beheimateten Nymphen Sex. Bildliche Darstellungen der Satyrn zeigen diese oft mit großem erigiertem Phallus oder mit phallischen Objekten. Pan, ein bocksbeiniger Fruchtbarkeitsgott, war der in Arkadien geborene Sohn des Hermes. Er liebte die Wälder und Berge und war der Gott der Ziegenhirten und Schäfer. Das Wort Panik geht auf ihn zurück. Wenn die Bewohner des Waldes ihn in der Nacht hörten, verloren sie die Kontrolle.

check.gif Silene: Antike Quellen berichten, dass es sich bei ihnen um Wesen halb Mensch, halb Pferd handelte. Sie waren die Spießgesellen von Dionysos und Hephaistos. Mit der Zeit wurde das Wort »Silenus« zum Synonym für Satyr.

Ein Beispiel für Dionysos’ Zorn

Auch wenn Dionysos nur ein Jüngling war, so war es dennoch nicht ratsam, sich mit ihm anzulegen. Eines Tages fanden ihn etruskische Seeräuber und beschlossen, ihn gefangen zu nehmen, um ihn als Sklaven für gutes Geld zu verkaufen. Sie dachten sich, dass sie für einen so stattlichen jungen Mann sicher jede Menge Geld bekommen würden. Sie ergriffen ihn also und zerrten ihn auf ihr Schiff. Dort wollten sie ihn mit einem Seil fesseln. So oft sie es aber auch versuchten – die Seile wollten nicht zusammenhalten.

Der Kapitän des Schiffes befahl seinen Männern, die Segel zu setzen und das offene Meer anzusteuern. Das Schiff aber ließ sich nicht bewegen. Stattdessen wuchsen überall Weinreben an Bord des Bootes und Wein floss über das Deck. Dionysos verwandelte sich in einen Löwen und stimmte ein fürchterliches Gebrüll in Richtung der Seeräuber an. Diese sprangen über Bord und verwandelten sich im Wasser in Delfine.

Der mitunter barbarische Dionysoskult

In der Antike hatten die Menschen eine zwiespältige Einstellung zur kultischen Verehrung des Dionysos. Man war zwar dem Weine zugeneigt und schätzte seine angenehmen Wirkungen. Der übermäßige Genuss dieses Getränks aber bewirkte bei den Menschen, dass sie anfingen, sich seltsam und ungebührlich aufzuführen.

Eine Form des Dionysoskults war recht unheimlich. Weibliche Begleiterinnen des Dionysos, genannt Mainaden (beziehungsweise Mänaden; im Lateinischen hießen sie Bacchantinnen), betranken sich so sehr, dass sie in einen Zustand rauschhafter Verzückung gerieten, die Wälder durchstreiften, dort lebende Tiere fingen und sie mit bloßen Händen und ihren Zähnen zerrissen und fraßen. Eine griechische Tragödie berichtet sogar, dass sie auch mit Menschen so verfuhren.

Lykurgos, ein König in Thrakien, stellte sich gegen den Dionysoskult. Dionysos sperrte ihn daraufhin in einer Höhle ein. Zeus ließ den armen König später erblinden, der kurze Zeit darauf auch starb. Sich den Göttern entgegenzustellen, zahlte sich eben nicht aus.

Als Dionysos seinen Kult nach Theben bringen wollte, traf er auf einen König – es war Pentheus, Dionysos’ Cousin –, der nicht glauben wollte, dass Dionysos ein Gott war, und der auch das wilde Getanze und den frenetischen Gesang der Mainaden nicht ausstehen konnte. Seinen Soldaten befahl er, die gesamte Reisegesellschaft festzunehmen. Die Soldaten brachten Dionysos, der freiwillig mitkam, zu ihrem König und berichteten, dass die Mainaden geflohen seien, da kein Seil sie halten konnte. Pentheus wollte immer noch nicht glauben, dass sein Gast ein Gott war, und ließ ihn einsperren.

Dionysos floh augenblicklich und nahm Rache. Als Pentheus den Mainaden nachstellte, um sie gefangen zu nehmen, ging Dionysos hin und beraubte alle Frauen Thebens ihres Verstandes. Als sie ihrem König gegenübertraten, hielten sie ihn für einen Berglöwen und rissen ihn mit bloßen Händen in Stücke. Pentheus’ Mutter führte die Gruppe rasender Frauen an. Als sie erkannten, was sie getan hatten, war es zu spät. Ihr König war tot.

Icon_techniker.jpgDer deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche hatte die Idee, die griechische Kultur insgesamt als einen Wettkampf zwischen dem dem Gott Apoll zugeschriebenen Apollinischen (das heißt dem auf die Vernunft und Ordnung der Dinge bezogenen) und dem Dionysischen (all dem also, was mit der Trunkenheit, dem Wahnsinn und dem Chaos verbunden ist) darzustellen. Auch wenn es vielleicht übertrieben erscheint, eine ganze Kultur anhand dieses groben Rasters zu beschreiben, so ist das Begriffspaar dennoch nützlich, wenn es darum geht, einzelne Aspekte einer Gesellschaft als apollinisch oder dionysisch zu charakterisieren.