Leseprobe:

Lisa Henry & J.A. Rock

Ein guter Junge



Lane stand im Wohnzimmer. Er schloss die Augen und hob die Hände an das Halsband. Das Leder war so weich, so geschmeidig, und der Geruch davon war irgendwie beruhigend. Wie der große Ledersessel im Büro seiner Mutter. Wie alte Bücher und neue Schuhe. Wie besondere Dinge.

Er hörte die Tür nicht.

Er hörte überhaupt nichts, bis Dereks Schlüssel klirrten.

„Habe mein Ladegerät vergessen. Was ist das ganze Zeug …“

Lane drehte sich um und erkannte, dass Derek da stand und ihn ansah.

„Scheiße!“ Lane zerrte am Halsband, verschluckte sich fast und bekam dann die Schnalle auf. Er riss das Halsband ab und überlegte, ob er es wegwerfen sollte, überlegte, ob er leugnen sollte, dass er es getragen hatte, und dann tat er nichts weiter, als dazustehen und es in seinen zitternden Händen zu halten.

Sein Gesicht brannte vor Scham. Verdammtes Brennen.

„Lane.“

Lane hob den Blick, Tränen stachen ihm in die Augen.

Fuck, fuck, fuck.

Dereks Augen waren dunkel. Seine Stimme war tief, rauchig. „Lane, leg es wieder an.“

„Wa “ Lane bekam das Wort nicht heraus.

„Leg es wieder an, Lane.“ Derek starrte ihn an, vielleicht sogar durch ihn hindurch.

Oh Gott.

Seine Hände zitterten, bebten, und ein Geräusch wie ein Wimmern sammelte sich in seiner Kehle, aber Lane gehorchte.

Derek beobachtete, wie Lanes Finger auf der Schnalle abrutschten, sah, wie seine Röte sich vertiefte, als er erneut versuchte, sie zu schließen.

Er konnte nicht glauben, dass Lane auf ihn gehört hatte.

Doch, das konnte er.

Er konnte glauben, dass Lane eine Anweisung gehört hatte und sie befolgte. Deshalb riss sich Derek aus dem Moment, in dem er feststeckte – dem Moment, in dem sich die Lust mit einem tieferen, komplexeren und weniger bekannten Verlangen vermischt hatte; dem Moment, in dem er gesehen hatte, dass Lane das Halsband trug, ohne Derek zu bemerken, verloren in dem Kopfkino, in das er geraten war – und machte sich Vorwürfe.

Du hast nicht das Recht, ihm zu sagen, was er tun soll.

Er ist nicht dein Sub.

Dennoch hatte Lane das Halsband wieder angelegt. Und obwohl er es zitternd und mit rotem Gesicht getan hatte, konnte Derek keine Angst in Lanes Augen sehen, als Lane ihn anschaute. Ungewissheit, ja. Peinlichkeit, absolut. Verlangen – oh Gott, ja. Ein Verlangen, wie es Derek nur einmal zuvor gesehen hatte, auf dem Foto aus Actons Arbeitszimmer.

Der Gedanke an das Foto hinterließ jetzt einen bitteren Geschmack in Dereks Mund. Was auch immer in jener Nacht im Arbeitszimmer passiert war, es war nichts Gutes gewesen.

Und Derek hatte es geschehen lassen.

Lane schloss das Halsband mit der Schnalle und ließ seine Hände sinken.

Dereks Schwanz versteifte sich beim Anblick des puderblauen Leders um diesen blassen Hals. Bei der Art, wie sich das Halsband bewegte, als Lane schluckte.

Derek traf eine Entscheidung. Er konnte seine Zeit damit verbringen, auf rohen Eiern um Lane herumzulaufen, ihn zu behandeln, als wäre er zerbrechlich – oder er konnte dem vertrauen, was er in Lanes Augen sah. Derek kannte sich selbst und wusste, dass er Lane nicht verletzen würde. Und Lane, trotz seiner gewohnten Schüchternheit und Angst, war mutig genug gewesen, Derek wissen zu lassen, als Derek ihn vor drei Tagen abgeholt hatte, dass er nicht geschlagen werden wollte. Er wollte nicht die Dinge, die Derek wollte.

Nun, diese Sache, die jetzt passierte, war etwas Neues. Und Derek wusste genauso wenig wie Lane, was es war oder ob er es wollte. Er wusste nur, dass, als er gesehen hatte, wie Lane das Halsband abriss, es sich angefühlt hatte, als würde er etwas Kostbares verlieren, etwas, das er vielleicht nie wieder finden würde.

Lane wartete, die Arme an den Seiten, die Finger gespreizt und angespannt, sein Atem bewegte seinen ganzen Körper.

Derek ging zu ihm und schob beiläufig zwei Finger unter das Halsband, prüfte den Sitz, wie er es bei einem Hund tun würde.

„Ist das bequem?“, fragte er.

„Ja, Sir“, sagte Lane leise.

„Hey“, flüsterte Derek und legte eine Hand auf Lanes Schulter. „Welpen reden nicht.“

Er schenkte Lane ein leichtes Lächeln, um ihn wissen zu lassen, dass es ein Spiel war.

Lane schluckte, wodurch sich das Halsband wieder verschob. Seine Muskeln spannten sich unter Dereks Hand an. Sein Gesicht war nicht mehr rot, seine Augen nicht mehr feucht von Tränen der Demütigung.

Derek lehnte sich dicht an sein Ohr. „Wenn du es willst, Lane. Nur wenn du es willst.“

Lane nickte kurz und trat dicht an Derek heran, ließ zu, dass Derek seine Arme um ihn schlang. Derek atmete aus. Es fühlte sich gut an, Lane zu halten – er hatte es seit jenem Morgen in Lanes Motelzimmer nicht mehr gewagt, aber es erfüllte ihn mit Wärme, zu wissen, dass Lane ihm genug vertraute, um sich von Derek halten zu lassen. Auch wenn sich Lanes Muskeln nie entspannten, auch wenn er nie richtig Luft zu holen schien, auch wenn er alle paar Sekunden zurückwich, als müsste er bereit sein, die Umarmung zu beenden, bevor Derek ihn wegstieß.

„Du kannst jederzeit aufhören“, sagte Derek. „Jederzeit, wenn es sich nicht richtig anfühlt. Und es wird nicht wehtun, Lane. Ich verspreche es.“

Lane trat zurück und sah Derek abwartend an.

„Runter auf alle viere.“ Dereks Herz pochte.

Lane ließ sich auf die Knie sinken. Derek sah, wie sein Blick zu Dereks Schritt glitt und dann fragend zu Dereks aufstieg.

Derek erinnerte sich an Lanes Behauptung vom Vortag. „Ich kann gut blasen.“ Mensch, hätte Derek nicht gerne herausgefunden, ob Lane bescheiden war? Aber nicht in diesem Moment. „Auf alle viere“, wiederholte er, seine Stimme tief und sanft. „Wie ein gutes Hündchen.“

Derek wünschte, er könnte eine Hand an Lanes Wange legen und die Hitze dort spüren, als Lane seine Hände zu Fäusten ballte und sie langsam auf den Boden legte. Derek hoffte, die geliehene Trainingshose würde Lanes Knie auf dem Hartholz schützen.

Was machst du denn da? Selbst wenn er spielen will, ist er nicht …

Fertig?

Was willst du?

Dass er dir gehört?

Derek holte tief Luft. Es war, was es war. Albern und seltsam und ein bisschen beängstigend, aber irgendwie perfekt.

Er beugte sich hinunter und streichelte Lanes Kopf – eine schnelle Bewegung seiner Handfläche über Lanes Haar. „Guter Junge“, sagte er. „Guter Hund.“

Lane ließ den Blick sinken.

Danach war Derek irgendwie verloren. Was sagte man noch zu einem Hund? Man konnte mit einer Babystimme sprechen und Unsinn krächzen, aber irgendwie glaubte er nicht, dass das weder ihm noch Lane behagte. Christy stellte ihren Hunden Fragen oder erzählte ihnen, was sie an diesem Tag vorhatte. Sie legten die Köpfe schief, wedelten mit den Schwänzen und folgten ihr in der Hoffnung, dass ihr Geplapper irgendwann zu Leckerlis oder Streicheleinheiten führen würde.

Damit das klappte, mussten sie beide ihre Verlegenheit verlieren. Derek ging auf die Küche zu und klopfte sich auf den Oberschenkel. „Komm mit, Kleiner.“ Eine Minute später hörte er, wie Lane hinter ihm folgte und unbeholfen über die Dielen schlurfte.

In der Küche setzte Derek eine Kanne Kaffee auf. Er hatte vorgehabt, sich sein Ladegerät zu schnappen und zurück ins Studio zu fahren, aber das Studio konnte warten. Während der Kaffee durchlief, durchwühlte er den Schrank nach etwas, das er Lane geben konnte, und stieß auf eine Tüte gesalzener Mandeln. Er hatte gesehen, wie Lane gestern welche gegessen hatte, obwohl Lane die Tüte schuldbewusst zurück in den Schrank gestopft hatte, als Derek hereinkam. Lane glaubte definitiv nicht an Dereks „Was mein ist, ist dein“-Mantra.

Er drückte ihm ein paar Mandeln in die Hand. „Komm her, Kumpel.“

Lane zögerte, ein Blick ging über sein Gesicht, den Derek nicht erkannte. Dann kroch er zu Derek hinüber.

Derek hielt ihm eine Mandel hin.

Lane warf ihm einen „Machst du Witze?“-Blick zu.

Derek nickte zu der Mandel, er fühlte sich wie ein kompletter Narr, aber es gefiel ihm.

Lane streckte seinen Hals und nahm die Mandel sanft aus Dereks Fingern. Seine Lippen streiften Dereks Fingerspitzen.

Er knabberte daran. Ein Splitter fiel aus seinem Mund und landete auf dem Rücken seiner Faust. Er beugte sich hinunter und leckte ihn ab.

„Guter Junge.“

Lane wurde jedes Mal rot, wenn Derek diese Worte sagte, was ihn nur noch mehr dazu brachte, sie auszusprechen.

„Kennst du irgendwelche Tricks?“, fragte Derek. Er hielt eine weitere Mandel hoch. „Sitz.“

Lane starrte ihn an. Oder besser gesagt, starrte die Mandel an. Aber er hatte sich nicht gesetzt.

Interessant.

„Hat dir niemand das Sitzen beigebracht?“

Lanes Blick huschte zu ihm, dann zurück zu der Mandel.

Lane war erschreckend gut darin, ein Hund zu sein, abgesehen von dem Erröten.

Derek überlegte kurz, ob er das tun sollte, was man machte, um einem Hund das Sitzen beizubringen – eine Hand auf Lanes Hinterteil legen und ihn auf den Boden drücken.

Er beschloss, dass sie noch nicht so weit waren.

„Wir werden daran arbeiten“, beschloss Derek und bot ihm die Mandel an.

Lane nahm sie, ohne zu zögern.

 

 

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Table of Contents

Master aus freien Stücken

Impressum

Inhalt:

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

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