»Ora et labora« lautet bekanntlich ein Motto, das den mittelalterlichen Benediktinermönchen zugeschrieben wird: ›Bete und arbeite.‹ Der Arbeit wurde damit ein spiritueller Wert gegeben. Angesichts der Popularität des Spruches im Spätmittelalter, aus dem die ersten Überlieferungen stammen, ist es wohl kein Zufall, dass in der frühen Neuzeit ein Verb wie elaborieren und das partizipische Adjektiv elaboriert gerne von Geistlichen in Bezug auf das Fertigstellen ihrer eigenen Predigten, Schriften und theologischen Gedankengänge gebraucht wurde.
Konkret bedeutet das aus lateinisch elaborare entlehnte Wort ›ausarbeiten, sich mühen‹. Es war ein typisches Element des mit lateinischen Lehnwörtern und ganzen lateinischen Satzteilen durchzogenen Stils, den man aus Luthers Tischreden kennt und der erst im 18. Jahrhundert durch das Bemühen um eine deutsche Literatur- und Wissenschaftssprache aus der Mode kam. Noch im Jahr 1715 schreibt Gottlieb Siegmund Corvinus in seinem »Frauenzimmer-Lexikon« über eine Maria Klauin: »Maria. J. N. eines Priesters gelehrtes Weib, sie soll von solcher Geschicklichkeit und Klugheit gewesen seyn, daß sie ihrem Manne viel Predigten elaboriren helffen.«
Im 19. Jahrhundert tauchte das Wort dann immer seltener auf; es wurde zum Kennzeichen eines Elaborats, so nennt man seit dieser Zeit einen umständlichen, geistlosen, mühselig zu lesenden Text. Doch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte elaboriert dann ein grandioses Comeback. Wie bei dysfunktional und
Distinktion war dafür wieder einmal ein Soziologe verantwortlich – ein Zeichen dafür, welchen großen geistigen Einfluss diese junge Wissenschaft eine Zeit lang ausübte. In den Fünfzigerjahren unterschied der Brite Basil Bernstein bei den Sprechweisen von Mittel- und Unterschicht einen elaborierten Code (elaborated code) und einen restringierten Code (restricted code). Der Soziologe hatte sich gefragt, warum höhere Schüler aus der Arbeiterklasse in Tests, bei denen es auf sprachliche Fähigkeiten ankam, regelmäßig schlechter abschnitten als solche aus der Mittelklasse, während sie in Mathematik nicht zurückblieben. Elaboriert nannte Bernstein eine abwechslungsreiche, differenzierte Sprechweise, restringiert eine mit weniger Ausdrucksvarianten. Ein Merkmal für Letztere war Bernsteins Ansicht nach der starre und beschränkte Gebrauch von Adjektiven und Adverbien. In Deutschland rezipierte man Bernsteins Thesen seit einem Aufsatz im Jahr 1971 in der damals noch wegweisenden Zeitschrift »Kursbuch«, wodurch das Adjektiv elaboriert wieder zu einem Element der Bildungssprache wurde.
Elaboriert im Sinne von ›differenziert, formenreich‹, aber auch abwertend mit der Bedeutung ›kompliziert‹ kann heute nicht mehr nur Sprache sein, sondern ebenso ein Kunstwerk, ein Video oder die anspruchsvolle Küche eines Restaurants. Ein Beispiel für den erweiterten Gebrauch ist ein Beitrag des CDU-Bundestagabgeordneten Joachim Pfeiffer bei einer Debatte über Energiepreise: »Viele Verträge vereinbaren einen Basispreis und eine elaborierte Preisformel, die zum Beispiel die Inflation oder erhöhte Lohnkosten beinhaltet.«
Wer allzu viele der Wörter aus diesem Buch in seine Rede einflicht, spricht zwar sicher einen elaborierten Code, geht aber das Risiko ein, dass ihm vorgeworfen wird, ein Elaborat verfasst zu haben.