Die ART sagt voraus, dass beschleunigte Massen Gravitationswellen abstrahlen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Zur Behandlung dieses Phänomens betrachten wir kleine Störungen der Raumzeit. Dann können wir die Feldgleichungen linearisieren und vernachlässigen so die Rückwirkungen der Energie der Wellen auf die Raumzeit. Die Behandlung der linearisierten Feldgleichungen erfolgt analog zur Behandlung elektromagnetischer Wellen in der Elektrodynamik.
15.1 Linearisierung der Feldgleichungen
Die Linearisierung der Feldgleichungen erfolgt in der Schwachfeldnäherung, die wir bereits einmal benutzt haben, um den Zusammenhang zwischen der Newton'schen Theorie und der ART herzustellen. Diesmal wollen wir aber die Rechnungen noch allgemeiner und umfassender durchführen.
Wir gehen aus von einer flachen Raumzeit mit kleinen Störungen, das heißt es ist
(15.1)
Dabei bezeichnet ημν wie üblich die Minkowski-Raumzeit und hμν ist ein symmetrischer Tensor. Für die Christoffel-Symbole ergibt sich dann in erster Ordnung
(15.2)
wobei das hochgestellte Komma analog zur Definition in (11.13) die partielle Ableitung Gμ,λ = ∂λGμ = ∂Gμ∕∂xλ nach der kovarianten Koordinate xλ repräsentiert. In (15.2) steht vor der Klammer in der ersten Zeile direkt ηλκ, weil die Störungen in gλκ durch die Beschränkung auf die erste Ordnung in h in jedem Fall herausfallen. Damit können wir dann weiter den Ricci-Tensor in erster Ordnung berechnen. Wie bei der Herleitung der Feldgleichungen in Abschn. 12.2 ergibt sich eine große Vereinfachung dadurch, dass wir alle Produkte von Christoffel-Symbolen direkt vernachlässigen können, da diese nur Terme in zweiter Ordnung in h ergeben würden:
(15.3)
Wir setzen in diesen Ausdruck unsere Ergebnisse für die Christoffel-Symbole ein und erhalten mit 2Γλλμ = ∂μhλλ + ∂λhλμ − ∂λhλμ den Ausdruck
(15.4)
Hier begegnet uns wieder der d'Alembert-Operator aus (7.14), den wir bereits aus der Elektrodynamik kennen. Außerdem eliminieren sich die beiden letzten Terme, − ∂ν∂λhλμ + ∂ν∂λhλμ = 0. Wir spalten − ∂ν∂μhλλ auf und fügen je die Hälfte zum zweiten und dritten Term hinzu. Dann haben wir eine linearisierte Form der Feldgleichungen in der Form
(15.5)
15.1.1 Transformation auf harmonische Koordinaten
Wir nutzen im Folgenden unsere Freiheit bei der Wahl des Koordinatensystems. Wir müssen lediglich die Form gμν = ημν + hμν erhalten. Unter dieser Einschränkung suchen wir Koordinaten, in denen die Feldgleichungen (15.5) möglichst einfach sind. Konkret bedeutet dies, dass wir die beiden Ausdrücke in den Klammern verschwinden lassen möchten.
Wir suchen also Koordinaten, in denen
(15.6)
ist. Dies entspricht einer Eichbedingung, wie wir sie auch in der Elektrodynamik in Kap. 7 verwendet haben. Dort haben wir das Viererpotential in (7.17) so gewählt, dass ∂μAμ = 0 gilt.
Die Freiheit der Wahl des Koordinatensystems in der ART entspricht in diesem Sinne also der Eichfreiheit für die Potentiale in der Elektrodynamik. Wir verwenden zur Umrechnung in das neue Koordinatensystem eine Transformation der Form
(15.7)
wobei aber sμ selbst beliebig groß sein kann. Dies führt auf
(15.8)
Koordinaten, die die von uns geforderte Eichbedingung erfüllen, heißen harmonische Koordinaten. Sie sind durch die Eigenschaft
(15.9)
charakterisiert. Wir werten diese Bedingung explizit aus, um zu zeigen, dass damit die Erfüllung der Eichbedingung sichergestellt ist:
Damit (Γʹ)λ = 0 in den harmonischen Koordinaten gilt, muss die Gleichung
(15.12)
erfüllt sein. Aus der Theorie der Differentialgleichungen weiß man, dass (15.12) stets eine Lösung besitzt.
15.1.2 Lösung der linearisierten Feldgleichungen
Nach der Transformation auf harmonische Koordinaten vereinfacht sich (15.5) auf die Feldgleichungen
(15.13)
Wieder erkennen wir eine Analogie zur Elektrodynamik, wo wir zur Gleichung mit dem Viererstrom jμ gelangten (s. Abschn. 7.2). Damit können wir als Quelle für die Erzeugung von Gravitationswellen identifizieren. Da auf der linken Seite in (15.13) der d'Alembert-Operator steht, ist auch sofort klar, dass sich Gravitationswellen mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten.
Die retardierte Lösung der inhomogenen Gleichung ergibt sich zu
(15.14)
Dabei bezeichnet man diese Lösung als retardiert wegen der Berücksichtigung der Lichtlaufzeit |r −rʹ|∕c bei der Auswertung des Integrals.
Die Ausbreitung der Gravitationswellen im Vakuum wird durch die homogene Lösung von (15.13) beschrieben, d. h. die Lösung der Gleichung
(15.15)
Als Ansatz für die homogene Lösung wählen wir eine ebene Welle:
(15.16)
Dabei müssen wir wegen des Tensorcharakters von hμν auch einen Amplitudentensor eμν ansetzen. Zusammen mit den 4 Parametern von kλ haben wir in dieser Gleichung also 20 Parameter. Wir setzen diesen Ansatz in (15.15) ein, und erhalten
(15.17)
Daraus folgt sofort, dass kμ ein lichtartiger Vektor sein muss, d. h. kμkμ = 0. Von den 20 Parametern in (15.16) sind nicht alle unabhängig. Die zu erfüllende Eichbedingung führt auf
(15.18)
dies entspricht 4 Bedingungen, die Symmetrie eμν = eνμ liefert weitere 6 Bedingungen, sodass insgesamt 10 Freiheitsgrade übrig bleiben.
Innerhalb der bereits gewählten harmonischen Koordinaten haben wir immer noch Freiheiten bei der Koordinatenwahl. Wir wählen die TT-Eichung, wobei die Abkürzung TT für ,,transversal and traceless“ steht. Diese Eichung erreichen wir durch die Wahl
(15.19)
Für eine Gravitationswelle, die sich in Richtung ei ausbreitet, führt dies auf eμ0 = 0 und eμi = 0. Wir betrachten jetzt speziell eine Gravitationswelle, die sich in z-Richtung ausbreiten soll. Dann gilt für den Wellenvektor
(15.20)
mit kz = ω∕c und xμ = (ct, x, y, z). Daraus folgt in TT-Eichung
(15.21)
Für eμν bleiben also nur zwei Freiheitsgrade. Wir können eμν im Falle linearer Polarisation in eine Linearkombination der zwei Tensoren
(15.22)
aufteilen. In dieser Form lautet der Ausdruck für hμν dann
(15.23)
Die Abkürzung ,,c.c.“ steht hier für das Komplex-konjugierte des vorherigen Ausdrucks. Setzen wir
(15.24)
so erhalten wir für das Linienelement ds2 = (ημν + hμν)dxμdxν den Ausdruck
(15.25)
Wir betrachten jetzt eine Raumdrehung um eine Achse parallel zur Ausbreitungsrichtung. Neben z = zʹ und t = tʹ ist diese definiert durch
(15.26)
Die Forderung nach der Invarianz des Linienelements, ds2 = dsʹ2, wobei insbesondere
(15.27)
gilt, führt auf die Transformationsgleichung
(15.28)
Das heißt, p und q und damit die Polarisation drehen sich doppelt so schnell wie das Koordinatensystem. Man sagt, die Gravitation besitzt die Helizität 2. Daraus folgt auch, dass das Quantum der Gravitation, das Graviton, wenn es existiert, den Spin 2 haben muss.
15.2 Teilchen im Feld einer Gravitationswelle
Wir wollen uns jetzt mit der Frage beschäftigen, was mit einem ruhenden Teilchen passiert, das von einer Gravitationswelle überlaufen wird. Für ein zum Zeitpunkt τ = 0 ruhendes Teilchen gilt
(15.29)
Die Geodätengleichung für dieses Teilchen vereinfacht sich dann zu
(15.30)
Die Christoffel-Symbole verschwinden aufgrund der Form der Störung (s. (15.21)) identisch. Daraus folgt dann für ein anfangs ruhendes Teilchen
(15.31)
Die Koordinaten des Teilchens bleiben also konstant. Da aber Koordinaten keine invariante physikalische Aussage haben, müssen wir den tatsächlich messbaren Abstand Δl zwischen Teilchen berechnen, die sich an verschiedenen Orten befinden. Aus dem Linienelement (15.25) erhalten wir für den raumartigen Abstand in der x-y-Ebene
(15.32)
Als Beispiel betrachten wir Teilchen auf einem Kreis mit Radius R in der x-y-Ebene. Deren Abstand zum Ursprung ist mit und gegeben durch
(15.33)
mit den zeitabhängigen Parametern p und q aus (15.24). Abb. 15.1 skizziert die zeitliche Entwicklung der Abstände Δl zum Ursprung für die reine ,,+“- bzw. die ,,ד-Polarisation. Die Auslenkungen sind jedoch stark übertrieben, da eigentlich |A+| ≪ 1 und |A×| ≪ 1 gilt.
Abb. 15.1
Teilchen auf einem Kreis in der x-y-Ebene um den Ursprung unter der Wirkung einer Gravitationswelle. Während die Koordinaten der Teilchen konstant bleiben, ändert sich der Abstand zum Ursprung mit der Zeit, abhängig von der Stärke und der Polarisation der Gravitationswelle. Der Winkelunterschied zwischen den beiden Polarisationen beträgt φ = π∕4. ψ = ωt − kzz stellt die relative Phase und damit auch die Zeitabhängigkeit dar
15.3 Quadrupolnäherung
Wir betrachten jetzt wieder die retardierte Lösung (15.14) der inhomogenen Feldgleichung. Sei R der Radius der Quelle mit Schwerpunkt bei RS = 0. Wir nehmen an, dass für alle Teilchen der Quelle die Geschwindigkeit viel kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist. Aus v ≪ c folgt dann R ≪ λ, wobei λ die Wellenlänge der Gravitationswelle bezeichnen soll.
Dann lässt sich für |r| = r ≫ λ ≫ R, d. h. in der Fernfeldnäherung, in eine Multipolreihe entwickeln. Wenn man diese Entwicklung vornimmt, so erkennt man, analog zur Elektrodynamik, dass der Monopolterm verschwindet. Im Gegensatz zur Elektrodynamik verschwindet allerdings auch der Dipolterm, die niedrigste nichtverschwindende Komponente ist der Quadrupolterm:
(15.34)
mit dem reduzierten Quadrupolmoment
(15.35)
der Quelle. Dies liegt daran, dass es im Gegensatz zu elektrischen Ladungen keine negativen Massen gibt. Die Quadrupolnäherung erlaubt die Berechnung der Energieabstrahlung durch eine Gravitationswelle.
15.4 Energieabstrahlung durch Gravitationswellen
15.4.1 Abgestrahlte Leistung
Mittelt man den Energie-Impulstensor Tμν der Massen, die eine Gravitationswelle aussenden, über alle Wellenlängen, so ergibt sich
Eine Herleitung dieser Gleichung findet sich zum Beispiel in Misner, Thorne und Wheeler [1].
Die abgestrahlte Energie kann über den Energiestrom t0k, der durch die Oberfläche einer Kugel tritt, berechnet werden. Diese Rechnung führt auf
(15.36)
Dabei ist Tjk der reduzierte Quadrupoltensor aus Gleichung (15.35).
Für zwei Massen m1, m2, die mit einem Relativabstand a um ihren gemeinsamen Schwerpunkt kreisen, liefert die Rechnung
(15.37)
mit der reduzierten Masse
(15.38)
und der Winkelgeschwindigkeit ω, die über das dritte Keplersche Gesetz durch
(15.39)
gegeben ist.
Das Ergebnis (15.37) ist anschaulich zu verstehen: Schätzt man die Größe des Massenquadrupolmoments durch mreda2 ab und berücksichtigt man die periodische Zeitabhängigkeit der Bewegung , so erhält man bis auf den Zahlenfaktor das Ergebnis (15.37).
Setzt man die Gl. (15.37)–(15.39) in (15.36) ein, so ergibt sich für die abgestrahlte Leistung insgesamt
(15.40)
Eliminiert man in dieser Gleichung die Massen m1, m2 über deren Schwarzschild-Radien rS1 = 2Gm1∕c2, rS2 = 2Gm2∕c2,
(15.41)
erhält man
(15.42)
mit der Planck-Leistung
(15.43)
die uns bei der Diskussion der Planck-Einheiten in Kapitel 30 wieder begegnen wird. Diese Leistung ist etwa 1026 mal größer als die Strahlungsleistung unserer Sonne, und viel höher als die Lichtleistung aller Sterne zusammen im sichtbaren Universum. Da die Schwarzschild-Radien im allgemeinen sehr viel kleiner sind als die Bahnradien, ist die abgestrahlte Leistung sehr viel geringer. Für das Erde-Mond-System ergibt sich mit rS,Erde = 8,9 mm, rS,Mond = 0,11 mm und einem mittleren Abstand von 384.000 km ein Wert von 3,6 ∙ 10−6 Watt. Für zwei Neutronensterne mit jeweils 1,4-facher Sonnenmasse, die im Abstand von 700.000 km umeinander kreisen, erhält man dagegen einen Wert von 5,6 ∙ 1025 Watt. Man erkennt an Gl. (15.42), dass ein maximaler Wert erreicht wird, wenn die Bahnradien in die Größenordnung der Schwarzschild-Radien gelangen, was beim Verschmelzen von Schwarzen Löchern der Fall ist.
15.4.2 Annäherung der Systempartner, Chirp-Masse
Die Abstrahlung von Energie aus dem Binärsystem hat zur Folge, dass sich die beiden Systempartner annähern. Durch Ableiten der Bindungsenergie
(15.44)
nach der Zeit
(15.45)
folgt für die Geschwindigkeit der Abstandsabnahme
(15.46)
Auch hier können wir die Massen m1 und m2 wieder durch ihre Schwarzschild-Radien ausdrücken und erhalten
(15.47)
Für das Beispiel zweier Neutronensterne mit 1,4 Sonnenmassen im Abstand von 700.000 km führt die Rechnung auf eine Annäherung von 6,5 m pro Jahr.
Je näher sich die beiden Systempartner kommen, umso schneller umkreisen sie sich und umso kürzer wird die Bahnperiode T. Das hat zur Folge, dass die Frequenz der emittierten Gravitationswelle ansteigt. Da sich die Polarisationen der Gravitationswelle doppelt so schnell wie das System drehen, folgt für die Frequenz f der Gravitationswelle
(15.48)
Die Zunahme der Frequenz berechnet sich dann zu
(15.49)
Die Gleichung lässt sich vereinfachen zu
(15.50)
wenn man die sogenannte Chirp-Masse (to chirp: zirpen, zwitschern)
(15.51)
einführt. Löst man Gl. (15.50) nach auf, so ergibt sich
(15.52)
Für den Nachweis von Gravitationswellen ist die Chirp-Masse von praktischer Bedeutung, weil aus der Frequenz und der Frequenzänderung der Gravitationswelle kurz vor dem Verschmelzen der beiden Systempartner direkt auf die Chirp-Masse des Systems geschlossen werden kann.
Betrachten wir als Beispiel das Verschmelzen von zwei Schwarzen Löchern mit jeweils k Sonnenmassen, so ergibt sich als Chirp-Masse
(15.53)
Die Chirp-Masse gibt also bereits ein Maß für die Größe der verschmelzenden Massen an.
Es ist bemerkenswert, dass die Chirp-Masse auch in der klassischen Mechanik aus der Keplerbewegung der reduzierten Masse im Schwerpunktssystem hergeleitet werden kann. Löst man das dritte Keplersche Gesetz (15.39) nach 1∕a auf,
(15.54)
und setzt dies in die Gl. (15.44) für die Bahnenergie ein, so lässt sich diese mit Hilfe der Chirp-Masse ausdrücken als
(15.55)
15.4.3 Abschätzung der Amplitude der Gravitationswelle
Als Nächstes wollen wir die Amplitude der abgestrahlten Gravitationswelle abschätzen. Ausgangspunkt ist die retardierte Lösung (15.14), wobei wir wegen der großen Entfernung der Quelle (|r| ≫ |rʹ|) die Abhängigkeit im Nenner von 1∕r vor das Integral ziehen dürfen und von der Quadrupolnäherung ausgehen. Für zwei identische Massen m, die im Abstand a mit der Winkelgeschwindigkeit ω um ihren gemeinsamen Schwerpunkt kreisen, können wir den Energietensor durch die Rotationsenergie abschätzen zu T ∼ ma2ω2. Aus (15.14) folgt dann
(15.56)
wobei wir in den beiden letzten Schritten zur Vereinfachung die Indizes unterdrückt haben. Setzen wir hier ω2 über das 3. Keplersche Gesetz (15.39) ein, so erhalten wir die Abschätzung
(15.57)
mit dem Schwarzschild-Radius rS = 2Gm∕c2.
Das Maximum der Amplitude wird erreicht, wenn die Bahn der zwei Schwarzen Löcher soweit geschrumpft ist, dass sich ihre Ereignishorizonte gerade berühren. Mit a = rS ergibt sich
(15.58)
Die Amplitude ist also gegeben durch das Verhältnis der Schwarzschild-Radien der Objekte und deren Entfernung von uns. Für einen typischen Wert des Schwarzschild-Radius von rS ∼ 100 km (entsprechend Schwarzen Löchern mit 33 Sonnenmassen) und für eine angenommene Entfernung von einer Milliarde Lichtjahre, r ∼ 109 ∙ 9,64 ∙ 1015 m ∼ 1025 m, ergibt sich der unvorstellbar kleine Wert von h ∼ 10−20. Die tatsächlich erwarteten Werte liegen sogar im Bereich von h ∼ 10−20⋯10−24.
15.5 Das Laser-Interferometer-Gravitationswellen-Observatorium (LIGO)
Der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen gelang 2015 mit dem Laser-Interferometer-Gravitationswellen-Observatorium LIGO [2]. Diese Entdeckung wurde 2017 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet [3]. Wir wollen dieses Observatorium und die Nachweismethode daher genauer betrachten.
15.5.1 Die LIGO-Detektoren
Gravitationswellen sind durch scheinbare Längenänderungen von Objekten messbar, wenn diese von einer Gravitationswelle überlaufen werden. Der interferometrische Nachweis von Gravitationswellen beruht daher auf der präzisen Messung der optischen Phasendifferenz zwischen zwei Lichtstrahlen aus einer gemeinsamen Quelle, die in zwei Interferometerarmen hin- und herfliegen, deren physikalische Längen vom Durchgang der Welle verzerrt werden. Das detektierbare Signal ist proportional zur gravitativen Verspannungsamplitude und zur Länge der Interferometerarme. Die Herausforderung besteht darin, dass die relativen Verspannungsamplituden, die man beim Durchgang einer Gravitationswelle durch die Erde erwartet, wie oben erwähnt, von der Größenordnung h ∼ 10−20⋯10−24 sind. Um ein möglichst starkes Signal zu erhalten, müssen die Armlängen der Interferometer groß sein, am besten nahe an einem Viertel der Wellenlänge der Gravitationswelle, also zum Beispiel 750 km bei 100 Hz. Für den operationellen Betrieb bedeutet dies, dass der optische Weg in jedem Arm viel länger sein muss als seine physikalische Länge.
Dies ist das Prinzip des Aufbaus der LIGO-Detektoren an den beiden Beobachtungsstationen in Hanford im Bundesstaat Louisiana der USA und in Livingstone im Bundesstaat Oregon [4]. Die zwei Instrumente sind identische Michelson-Interferometer, die in einem L-förmigen Ultrahochvakuumsystem mit einem Druck unterhalb von 1 μPascal eingeschlossen sind. Die Detektoren stehen 3000 km voneinander entfernt, was einer direkten Lichtlaufzeit von 10 Millisekunden entspricht. Jeder Interferometerarm enthält zwei massive (40 kg) Quarzglasspiegel mit einer speziell entwickelten, aus mehreren Lagen bestehenden optischen Beschichtung, um die erforderliche hohe Reflektivität zu erreichen. Jeder der Spiegel ist an einem Vierfach-Pendelsystem aufgehängt, welches auf einer aktiv kontrollierten seismischen Isolationsplattform montiert ist. Diese kompensiert auch kleinste Erschütterungen, die von der Gezeitenwirkung der Erdkruste sowie mikroseismischer Aktivität verursacht werden. Etwaige Wärmebewegungen der letzten Pendelstufe werden durch Aufhängungen an aus Quarzglas gefertigten Fasern vermieden. In jedem Interferometerarm sind die Spiegel 4 km voneinander entfernt.
Das mit einer Leistung von 20 W in das Interferometer eingestrahlte Laserlicht wird durch einen hochreflektierenden Spiegel konstruktiv mit sich selbst überlagert und so auf 700 W verstärkt (,,power recycling“). Durch einen Strahlteiler wird das Licht zerlegt und in die zwei gleich langen Arme des Interferometers geschickt. Um die Empfindlichkeit zu steigern, enthält jeder Arm ein Fabry-Pérot-Interferometer,1 welches die Photonen speichert, während das Licht zwischen den Testmassenspiegeln hin und her fliegt. Der effektive Weg, den das Licht in jedem Interferometerarm zurücklegt, erhöht sich dadurch auf über 1000 km (Abb. 15.2).
Abb. 15.2
Vereinfachter Aufbau des LIGO-Interferometers (Credit: Menner [CCo], via Wikimedia Commons). Die Länge jedes Interferometerarms beträgt 4 km
Das aus den Fabry-Pérot-Interferometern entlassene Licht kehrt zum Strahlteiler zurück und wird zum Ausgang geführt, wo das Interferenzmuster der beiden Teilstrahlen mit einem Photodetektor registriert wird. Das Ausgangssignal wird durch einen zusätzlichen hochreflektierenden Spiegel ebenfalls konstruktiv mit sich überlagert (,,signal recycling“), wodurch die Empfindlichkeit noch erhöht wird. Der Durchgang der Gravitationswelle ändert die Längen der Interferometerarme und damit auch das Interferenzmuster. Die am Photodetektor gemessene Laserlichtleistung kann dann mit einer Kalibrierungsmethode in die Längenverschiebungen der Testmassen und damit in die Stärke des Gravitationswellensignals umgerechnet werden.
15.5.2 Erster direkter Nachweis eines Gravitationswellen-Ereignisses
Die mit extrem hoher Empfindlichkeit messenden Advanced-LIGO-Detektoren nahmen im September 2015 ihren Messbetrieb auf. Schon am 14. September 2015 wurde sowohl in Livingston als auch in Hanford ein starkes Signal registriert, das als Signatur für den Durchgang einer Gravitationswelle interpretiert werden konnte [2]. Livingston registrierte die Welle 6,9 Millisekunden früher als das weiter nördlich gelegene Hanford, wie man es für eine Quelle an der südlichen Himmelskugel erwarten würde. Das Signal erhielt wegen des Tags der Beobachtung die Bezeichnung GW150914 [2].
Abb. 15.3 fasst die Ergebnisse zusammen. Das Signal nimmt über eine Zeitspanne von 200 ms an Frequenz und Amplitude zu, mit einem Maximum bei ungefähr 150 Hz. Die wahrscheinlichste Interpretation ist das Hineinspiralen und schließliche Verschmelzen zweier massereicher Objekte, die dabei Gravitationswellen aussenden (vgl. Abb. 15.4). Aus der Zeitentwicklung der Frequenz und ihrer Zeitableitung berechnet sich aus der Formel (15.50) für die Chirp-Masse ein Wert von ca. 70 M⊙ als untere Schranke für die Summe der Massen der Körper. Diese große Masse und die Tatsache, dass die Objekte eine relativ hohe Frequenz erreichen, bevor sie verschmelzen, weist darauf hin, dass es sich um zwei umeinander kreisende Schwarze Löcher handelt.
Abb. 15.3
Das Gravitationswellenereignis GW150914. Oben: Die von LIGO Hanford und LIGO Livingston gemessenen Signale in Abhängigkeit von der Zeit. Dem Signal in Livingston ist das von Hanford überlagert, verschoben um die Differenz der Ankunftszeit von ms. Mitte: Theoretische Wellenform für ein System mit den für GW150914 angenommenen Werten der Massen, sowie die Residuen, die nach Abzug der theoretischen Wellenform von den gemessenen Signalen verbleiben. Unten: Frequenz der Gravitationswelle in Abhängigkeit von der Zeit. Alle Zeiten beziehen sich auf die Auslösezeit um 9:50:45 UTC am 14.09.2015. (Aus: P.B. Abbot et al. (LIGO Scientific Collaboration and Virgo Collaboration) [2] ⒸAPS. Reused under the terms of the Creative Commons Attribution 3.0 License)
Abb. 15.4
Oben: Die mit Hilfe numerischer Relativitätstheorie berechnete Wellenform mit den für GW150914 angenommenen Massenparametern. Unten: Der Abstand der beiden Schwarzen Löcher in Einheiten des Schwarzschild-Radius und ihre Geschwindigkeit in Einheiten der Lichtgeschwindigkeit als Funktion der Zeit. (Aus: P.B. Abbot et al. (LIGO Scientific Collaboration and Virgo Collaboration) [2] ⒸAPS. Reused under the terms of the Creative Commons Attribution 3.0 License)
Mit Hilfe von auf der Allgemeinen Relativitätstheorie basierenden Wellenformmodellen führte die weitere Analyse der Daten auf Werte von und für die Massen der verschmelzenden Schwarzen Löcher und einen Wert von für das am Ende verbleibende Schwarze Loch. Die der Massendifferenz von entsprechende Energie wurde damit beim Verschmelzen in Form von Gravitationswellen abgestrahlt. Als Entfernung wurde für das Ereignis ein Wert von Mpc abgeschätzt.
Bei der bis Januar 2016 währenden ersten Beobachtungskampagne konnten zwei weitere Gravitationswellen-Ereignisse nachgewiesen werden, GW151226 und GW170104. In beiden Fällen konnten die Beobachtungen als das Verschmelzen zweier Schwarzer Löcher interpretiert werden.
15.5.3 Weitere Gravitationswellen-Beobachtungen
Nachdem die Empfindlichkeit der LIGO-Detektoren noch einmal erhöht worden war, startete im November 2016 die zweite Beobachtungskampagne, die bis zum 25. August 2017 andauerte. Dabei konnten 8 weitere Gravitationswellen-Ereignisse nachgewiesen werden. Eine Zusammenstellung aller 11 in den beiden Kampagnen gefundenen Quellen von Gravitationswellen ist in Tab. 15.1 zu finden, in der neben den Massen der verschmelzenden Objekte die Endmasse, die in Form von Gravitationswellen abgestrahlte Energie sowie die Entfernung und die Rotverschiebung der Ereignisse angegeben ist.
Tab. 15.1
Liste der in den ersten beiden Beobachtungskampagnen von LIGO nachgewiesenen Gravitationswellen-Ereignisse. Daten aus [5]
Ereignis
d∕Mpc
z
m1∕M⊙
m2∕M⊙
mf∕M⊙
Er∕(M⊙c2)
GW150914
GW151012
GW151226
GW170104
GW170608
GW170729
GW170809
GW170814
GW170817
≤ 2, 8
≥ 0, 04
GW170818
GW170823
15.5.4 Verschmelzen von zwei Neutronensternen
Aus der Liste sticht das Ereignis GW170817 heraus. Es handelt sich hierbei nicht, wie bei den anderen Ereignissen, um das Verschmelzen von zwei Schwarzen Löchern, sondern um das Verschmelzen von zwei Neutronensternen. Das Schicksal, das dem Doppelpulsar PSR 1913+16, den wir in Kap. 21 ausführlich diskutieren werden, in 300 Millionen Jahren bevorsteht, hat sich bei dem Ereignis GW170817 damit bereits erfüllt. Während bei Schwarzen Löchern das Gravitationswellensignal nur wenige Zehntelsekunden vor dem Verschmelzen erscheint, erstreckte sich das Signal beim Verschmelzen der beiden Neutronensterne über 10 Sekunden. Da das Ereignis zusätzlich auch in dem mehrere Tausend Kilometer entfernten nahe Pisa gelegenen europäischen Gravitationswellendetektor Virgo nachgewiesen werden konnte, ließ sich durch Triangulierung auf Grund der großen Basislängen auch der Ort des Ereignisses in einem Raumwinkelbereich von 16 Quadratgrad auf der südlichen Himmelskugel sehr genau bestimmen.
Das Besondere bei diesem Ereignis war, dass zeitgleich mit dem Verschmelzen der Neutronensterne vom Gamma-Satelliten Fermi ein heftiger Ausbruch von Gammastrahlung im Frequenzbereich von 10 bis 300 keV beobachtet wurde (ein sogenannter γ-Ray Burst) [6]. Neben dem Gammastrahlungsausbruch wurde an der selben Stelle die ,,Kilonova“ AT2017gfo beobachtet, ein Nachleuchten im Infraroten und im sichtbaren Licht aufgrund der radioaktiven Prozesse, die beim Verschmelzen ablaufen, das innerhalb von 10 Tagen verblasste. Die Analyse der Spektren zeigte eindeutig, dass durch schnellen Neutroneneinfang das schwere Element Strontium fusioniert worden war [7]. Dies ist ein Beispiel für den r-Prozess, den wir in Abschn. 19.6.2 noch genauer besprechen werden.
Da dieses Ereignis sowohl als Gravitationswelle als auch im Bereich elektromagnetischer Strahlung gemessen werden konnte, ist dies ein Beispiel einer ,,Multi-Messenger-Astronomie“.
Bei der dritten Beobachtungskampagne des LIGO-Virgo-Netzwerks konnte am 25. April 2019 eine weitere beim Verschmelzen zweier Neutronensterne entstandene Gravitationswelle eingefangen werden [8]. Diese Beobachtungskampagne, die im März 2020 endete, lieferte insgesamt 56 Detektionen von Gravitationswellen. Dies erhöht die Gesamtzahl der bis dato nachgewiesenen Gravitationswellenereignisse auf 67. Eine interaktive Übersicht2 findet sich auf der Seite der Cardiff University.
15.6 Nachweis von Gravitationswellen mit Pulsaren
Binärsysteme aus massereichen Schwarzen Löchern, die sich beim Verschmelzen zweier Galaxien gebildet haben können, sollten in großer Häufigkeit in der frühen Phase des Kosmos entstanden sein [9]. Das Verschmelzen dieser Schwarzen Löcher hat der Theorie zufolge einen stochastischen, kontinuierlichen Hintergrund von Gravitationswellen erzeugt, der das ganze Universum durchdringt. Die Frequenzen der Gravitationswellen würden sich von einigen nHz bis einigen μHz erstrecken, sie liegen daher außerhalb des LIGO zugänglichen Frequenzbereichs. Schon früh wurde vorgeschlagen [10], dass Messungen der Pulsankunftszeiten von Pulsaren genutzt werden könnten, den Frequenzbereich hinauf bis zu einigen μHz abzudecken. Das Grundprinzip ist einfach: Millisekunden-Pulsare mit Perioden kürzer als 30 ms befinden sich unter den stabilsten bekannten Rotatoren im Universum, und die Langzeitstabilität ihrer Rotationen über >10 Jahre ist vergleichbar mit der von Atomuhren. Variieren die Ankunftszeiten der Radiosignale, weil sie einen von Gravitationswellen deformierten Raumbereich durchqueren mussten, lassen sich aus diesen Daten Informationen über die Gravitationswellen gewinnen. Dabei verändern sich die Pulsankunftszeiten von Quellen, deren Verbindungslinien zur Erde senkrecht aufeinander stehen, gegenläufig. Die einen Pulse treffen verzögert ein, die anderen früher. So sind die Schwankungen der Ankunftszeiten mit der Position der Quellen am Himmel korreliert (vgl. Abb. 15.5).
Abb. 15.5
Idee eines Pulsar Timing Array: Aufgrund der Gravitationswelle ändern sich die Pulsankunftszeiten der Radiosignale der Pulsare auf der Erde. Grafik: K. Mikić
Das European Pulsar Timing Array (EPTA) [11] hat sich zum Ziel gesetzt, solche Schwankungen zu detektieren und so auf die sie verursachenden Gravitationswellen zurückschließen zu können. Dazu werden 42 der genauesten bekannten Millisekundenpulsare mit den größten Radioteleskopen auf der gesamten Erde beobachtet [12]. Bis jetzt wurden von EPTA noch keine Signale von Gravitationswellen entdeckt [13].
Allerdings wächst die Empfindlichkeit des Pulsar Timing Array mit der Dauer des Beobachtungszeitraums. Numerische Simulationen am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) [14] lassen erwarten, dass innerhalb der nächsten Jahre Gravitationswellen mit EPTA nachgewiesen werden können – entweder als dominierendes Signal einer einzelnen Quelle oder als Gravitationswellenhintergrund aus einer Reihe weniger starker Quellen [15].
Ein weiteres Pulsar Timing Array, das nordamerikanische Nanohertz-Observatorium für Gravitationswellen (NANOGrav) [16], berichtete jüngst, dass in über 13 Jahre gesammelten und analysierten Daten ein Niederfrequenzsignal gefunden wurde, das möglicherweise auf einen stochastischen Gravitationswellenhintergrund zurückzuführen ist [17].
15.7 Ausblick
Es laufen noch weitere Projekte zum interferometrischen Nachweis von Gravitationswellen. In Europa sind dies neben Virgo mit Armlängen von 3 km [18] noch GEO600 in der Nähe von Hannover [19] mit zwei 600 m langen Armen. Beide sind Bestandteil des LIGO-Verbunds. Als weltweit erster Detektor setzt GEO600 gequetschtes Licht (squeezed light) ein. Ähnlich wie Ort und Impuls in der Quantenmechanik, so gehorchen Amplitude und Phase von Laserlicht einer Heisenberg’schen Unschärferelation, variieren daher von Messung zu Messung. Trägt man die Messwerte in einem Phasen-Amplituden-Diagramm auf, so verteilen sie sich in einer unscharf begrenzten kreisförmigen Scheibe. Bei gequetschtem Laserlicht wird die Form des Kreises zu einer Ellipse mit gleichem Flächeninhalt deformiert. Dadurch verkleinert sich die Unschärfe in der einen Messgröße, während sie bei der anderen wächst. Der Vorteil ist, dass so das Schrotrauschen des Laserlichts vermindert werden kann. An GEO600 wurden wesentliche Teile der Instrumente und Techniken entwickelt und getestet, mit denen an den beiden LIGO-Detektoren in den USA die ersten Gravitationswellen 2015 nachgewiesen werden konnten.
In Japan wird der Kamioka Gravitational Wave Detector KAGRA betrieben [20]. Seine Armlänge beträgt ebenfalls 3 km. Das Besondere an diesem Detektor ist, dass die Spiegel auf 20 K herabgekühlt werden, um thermisches Rauschen zu reduzieren. Die Nachweisgrenze liegt bei h ∼ 3 · 10−24 bei einer Frequenz von 100 Hz. KAGRA hat sich mittlerweile dem LIGO-Virgo-Netzwerk auf der Jagd nach Gravitationswellen angeschlossen.
Die Europäische Weltraumagentur ESA plant das weltraumgestützte Projekt LISA (Laser Interferometer Space Antenna) [21]. Dieses ist ein Michelson-Interferometer bestehend aus 3 Satelliten im gegenseitigen Abstand von 2,5 Millionen Kilometern, die auf der Umlaufbahn der Erde, aber in einem Winkelabstand von 20 Grad hinter dieser, und mit einer Dreiecksneigung von 60 Grad gegenüber der Ekliptik, um die Sonne kreisen sollen. LISA wird den auf der Erde nicht zugänglichen Wellenlängenbereich von 0,1 bis 1 Hz abdecken. Nach einer erfolgreichen Pfadfinder-Mission, bei der die Messtechnik im All erprobt wurde und die erzielte Messgenauigkeit die Anforderungen um das Fünffache übertraf, haben die Wissenschaftsminister der an der ESA beteiligten Nationen im November 2019 der Finanzierung des Projekts zugestimmt. Die Inbetriebnahme ist für 2034 vorgesehen.
Im Rahmen des siebten Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Kommission ist das Konzept eines Einstein-Teleskops untersucht worden [22]. Dieses soll unterirdisch gebaut werden, um das seismische Rauschen zu reduzieren, mit drei 10 km langen Armen, also in derselben Geometrie wie LISA. Jeweils zwei Arme werden für zwei Interferometer genutzt, insgesamt ergeben sich somit sechs Detektoren. Drei davon sollen auf die Messung niedriger Frequenzen (2 bis 40 Hz) optimiert werden, drei auf höhere Frequenzen. Um das thermische Rauschen zu unterdrücken, sollen die optischen Elemente auf 10 K herabgekühlt werden. Ein Standort ist noch nicht ausgewählt.
Zusammen sollen alle diese Experimente Gravitationswellen nicht nur nachweisen, sondern auch helfen, Gravitationswellen verursachende Phänomene besser zu verstehen. Zentral von Interesse ist, wie in Abschn. 15.6 diskutiert, beispielsweise die Verschmelzung galaktischer Schwarzer Löcher, wenn die zugehörigen Galaxien zu einer Galaxie verschmelzen. Die genaue Vermessung der Eigenschaften von Gravitationswellen sollte auch weitere Tests der allgemeinen Relativitätstheorie ermöglichen sowie Hinweise auf Phänomene jenseits der bestehenden Physik geben können, etwa kosmische Strings, wie sie nach der Stringtheorie möglich sein sollten [23].
Einen guten Überblick über die Möglichkeiten der Gravitationswellenastronomie findet sich auf der Homepage des LISA-Projekts [21].
Zusammenfassend kann man feststellen, dass mehr als 100 Jahre nach Einsteins Vorhersage von Gravitationswellen die Gravitationswellenastronomie ein fester Bestandteil der astrophysikalischen Forschung geworden ist. Gemeinsam mit elektromagnetischer Strahlung und Neutrinodetektion ermöglicht sie eine neue Ära der Multi-Messenger Astronomie.