Der Multikulti-Stadtteil ist das pralle Leben: voll liebenswerten Wahnsinns, aber alles andere als geleckt.
„Und jetzt alle mal die Hand aufs Portemonnaie - wir sind in Kreuzberg.“ Solche oder ähnliche Sprüche zählen zuweilen zum Repertoire von Reiseleitern, die Besuchergrüppchen zum Kottbusser Tor dirigieren. Touristen hören sie gerne. Die Klischees von vermummten Krawallheinis, verstrahlten Junkies, radikalen Hausbesetzern und schnorrenden Punks gehören nun mal zu Kreuzberg, einem zu Kalte-Kriegs-Zeiten an die Mauer gedrängten Stadtteil im toten Winkel. Noch 1990 bezeichnete ihn das Reisehandbuch Anders Reisen als das „Harlem Berlins“.
Doch die wildesten Jahre sind vorbei. Vieles hat sich verändert, manches ist geblieben. Noch immer ist Kreuzberg ein frech-fröhlich-bunter, von den Alt-68ern geprägter Stadtteil. Klein-Anatolien und Klein-Libanon gehören genauso zu Kreuzberg wie Kreative aus dem Rest der Welt und Hartz-IV-Lebenskünstler. Multikulti wird aktiv gelebt und hat seinen großen Höhepunkt beim alljährlichen „Karneval der Kulturen“. Von der wild-vernarrten Radikalität früherer Zeiten ist ein politisches Bewusstsein geblieben, ein großes Maul gegenüber der Obrigkeit. Gegen was wird nicht alles demonstriert! Gegen „Faschos und sonstige Idioten“ (geht immer), gegen die Fällung von Bäumen am träge dahinfließenden Landwehrkanal (richtig so) oder gegen steigende Mieten und Gentrifizierung (oberste Priorität!). Tatsächlich kommt das alternativ-angeranzte Kreuzbergflair auch bei der reich-schick-schönen Upperclass an. Für sie gibt es mehr und mehr topsanierte Altbauten und stylishe Lofts - so manchem Ur-Kreuzberger geht dabei das Messer in der Tasche auf. Kein Wunder, dass man den Porsche besser in der Tiefgarage versteckt oder in Mitte parkt ...
Die Kreuzberger Kieze - durch die schönsten führt der Spaziergang - sind sehenswert auch ohne große Sehenswürdigkeiten. Eine Vielzahl eigenwilliger kleiner Geschäfte gibt es dort, hervorragende Restaurants und viel Lokalkolorit. Dazu eine geballte Ladung an schrägen Vögeln, die sich die Nächte in den unzähligen Bars und Clubs um die Ohren schlagen. Hotspots sind die Gegenden um das Schlesische Tor und die Oranienstraße, das Zentrum des alten Postbezirks SO 36, wie dieses Eck noch immer genannt wird („SO“ = Süd-Ost). Etwas „bürgerlicher“ geht es im ehemaligen SW 61 südlich des Landwehrkanals zu. Zentren sind dort die Bergmann- und die Graefestraße.
Abseits davon, in unattraktiver Randlage, kann man mit dem Technischen Museum eines der spannendsten Museen Berlins besuchen.
Hinweis: Die Gegend um den Checkpoint Charlie, die ebenfalls zu Kreuzberg gehört, wird in einem Extrakapitel ab S. 158 behandelt.
Übernachten
12
Ferienwohnungen des Ausbildungswerks Kreuzberg e.V.