Jacopo Robusti, genannt Tintoretto (1518-1594)
Er verbrachte sein gesamtes Leben ausschließlich im eng begrenzten Stadtgebiet von Venedig; nur eine Reise, die ihn 1580 nach Mantua führte, ist sicher belegt. Aus der Werkstatt seines Lehrers Tizian zog er sich bald zurück, um einen eigenständigen Weg zu gehen. Tintoretto war geradezu besessen von der Malerei, er wurde zu einem der produktivsten Maler überhaupt. Ohne künstlerisch oder persönlich zu schmeicheln, nahm er alle Aufträge an, derer er habhaft werden konnte. Nicht selten arbeitete er zum Selbstkostenpreis oder sogar darunter. Er brachte es weder zu Reichtum, noch hatte er Freunde unter den Malerkollegen seiner Zeit. Seine Auftraggeber waren die Stadt, die großen Bruderschaften, die Kirchen und venezianische Privatleute. Mit dem Bilderzyklus der Scuola Grande di San Rocco (→ S. 156), der Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament erzählt, schuf sich Tintoretto selbst ein Museum. Sein Frühwerk lässt eine gewisse Verehrung von Michelangelo erkennen, denn die dramatischen Körperdrehungen und kraftvollen Figuren sind ganz im Stil dieses Meisters gehalten. 1548 erregte Tinoretto mit dem „Wunder des Heiligen Markus“ (Galleria dell’Accademia → S. 199) erstmals Aufsehen. Das Bild folgt einer Legende: Ein Sklave sollte Augen und Hände verlieren, weil er seinen Herrn in Alexandria verlassen hatte, um am Sarg des heiligen Markus zu beten. Als man das Urteil vollstrecken wollte, bewirkte der Heilige, dass die Henkerswerkzeuge zerbrachen. Architektur- und Landschaftsmotive definieren klar den Bildraum. Das virtuose Markuswunder stellt eine perfekte Umsetzung des Leitspruchs des jungen Tintoretto dar, den er sich an die Wand seines Ateliers geschrieben haben soll: „die Zeichnung Michelangelos und die Farben Tizians“. Überliefert ist auch die sehr eigenwillige Arbeitsweise Tintorettos: Wenn er einen großen Auftrag für einen bestimmten Ort erhielt, untersuchte er die Raum- und Lichtverhältnisse und konstruierte dann eine kleine Bühne, auf die er selbst geformte Wachsfiguren stellte. Erst nachdem er sich penibel vorbereitet und seine Wachskompositionen in verschiedenen Varianten skizziert hatte, begann er zu malen - das aber oftmals allzu schnell und flüchtig, wie die Fachwelt kritisiert. Kein Thema wurde von Tintoretto so häufig behandelt wie das Abendmahl. Jenes „Abendmahl“, das er 1592-1594 für die Kirche San Giorgio Maggiore (→ S. 211) malte, stellt den Höhepunkt seines Spätwerks dar.