Il Sestiere di Cannaregio - Das Cannaregio-Viertel
Früher war Cannaregio geprägt von Ordensgemeinschaften mit weitläufigen Nutzgärten, Botschaften und Handelsniederlassungen aus der arabischen Welt und dem ersten jüdischen Ghetto Europas. Heute versprüht es weitgehend den blassen Charme eines Wohnviertels einfacher Leute, mit aller Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit, die dazugehört.
Das Hauptportal der Chiesa I Gesuiti und der breite Canale di Cannaregio
Auffallend breite Kanäle durchziehen Cannaregio, dessen Name sich von Canna (Schilfrohr) herleitet. Im Westen gibt das hektische Bahnhofsviertel den Ton an, das wie die meisten europäischen Viertel dieser Art ein wenig anrüchig ist und auf das schnelle Geschäft mit den an- und abreisenden Touristen lauert. Im angrenzenden Nordwesten erstreckt sich San Giobbe, ein im Kern gesichtsloses Wohngebiet, das aus touristischer Sicht lediglich an den Uferwegen des Canale di Cannaregio interessant ist.
Im stillen Zentrum von Cannaregio schlummert das magisch anziehende jüdische Ghetto Venedigs, das im 17. Jh. mit fast 5000 weitgehend isoliert lebenden Juden seine größte Einwohnerzahl erreichte. Wie eine Inselfestung wird der große Campo di Ghetto Nuovo von breiten Kanalwindungen eingekreist - eine beabsichtigte Isolation, die heute noch augenfällig ist.
In der nordöstlichen Peripherie Cannaregios, inmitten eines recht tristen Wohngebiets, befindet sich eine obligatorische Pilgerstätte für Bewunderer Tintorettos. Die Chiesa Madonna dell’Orto war nämlich Tintorettos Pfarrkirche, für die er einige großformatige Bilder angefertigt und wo er seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Nicht weit entfernt von seinem Wohnhaus am Fondamenta dei Mori, in dem er Jahrzehnte zurückgezogen mit seiner Familie gelebt hatte.
Nur am Oberlauf des Canal Grande zeigt Cannaregio - wie alle anderen historischen Stadtviertel - seine mondäne Seite. Mit der Ca’ d’Oro befindet sich hier ein außergewöhnliches Kleinod der venezianischen Spätgotik. Die breite Strada Nova, die einzige Straße Venedigs, die die Bezeichnung „Straße" auch verdient, stellt die Hauptverbindung zu den angrenzenden Sestieri San Marco und Castello her. Sie wurde im 19. Jh. unter österreichischer Besatzung gewaltsam durch das Viertel getrieben und präsentiert sich als lebendige Geschäftsstraße mit einigen sehr stimmungsvollen Campi und zahlreichen volkstümlichen Quergassen.
Wie weit Cannaregio sich nach Osten ausdehnt, verdeutlicht die Lage der beiden sehenswerten Renaissancekirchen Santa Maria dei Miracoli und San Giovanni Crisostomo. Ein paar Schritte weiter macht sich bereits der Sog des prominentesten Nadelöhrs der Stadt bemerkbar, die nahe Rialtobrücke.
In äußerster Abgeschiedenheit liegt jedoch wieder die barocke Jesuitenkirche von Cannaregio (I Gesuiti). Die angrenzende Uferpromenade Fondamenta Nuove stammt aus dem späten 16. Jh. und galt seinerzeit als städtebauliche Höchstleistung, da das Lagunengewässer an dieser Stelle ziemlich tief ist und die Trockenlegung dadurch sehr schwierig war.