DREI GUTE GRÜNDE

Die meisten Menschen in Deutschland sind gut geimpft. Dennoch führen Impflücken zu Ausbrüchen schon verschwunden geglaubter Krankheiten. Deshalb nennen wir Ihnen zunächst drei gute Gründe für das Impfen.

Impfen ist effektiv

Viele Infektionskrankheiten waren noch vor einigen Jahrzehnten sehr weit verbreitet und vor allem für Kinder eine ernste Bedrohung. Impfen hat eine wahre Erfolgsgeschichte geschrieben und zählt gleich nach sauberem Wasser und Toiletten zu den effektivsten Maßnahmen, um die Gesundheit eines Menschen zu erhalten.

Impfungen reduzieren das Risiko, an schweren, teils lebensbedrohlichen Krankheiten zu erkranken, gegen die die Medizin kaum eine oder gar keine Therapie hat. Die Impfung kann den Menschen schützen – vom Kleinkind bis zum Erwachsenen. Seit den Neunzigerjahren sind weltweit deutlich weniger Kinder an Krankheiten gestorben, die durch Impfen verhindert werden können, zum Beispiel an Masern und Tetanus. Dies ist der Erfolg von effektiven Impfungen.

Durch eine Impfung bereiten sich die körpereigenen Abwehrzellen auf bestimmte Krankheitserreger vor. Bei einem späteren Kontakt erkennt das körpereigene Immunsystem den Krankheitserreger umgehend und kann sich rasch und wirksam gegen diesen wehren.

Durch den Einsatz von Impfungen sind in den Industrienationen viele Krankheiten ganz oder nahezu verschwunden, zum Beispiel Masern.

Quelle: https://ourworldindata.org/vaccination#global-decline-of-measles

Impfen ist sozial

Die meisten Impfungen können verhindern, dass sich hochansteckende Krankheiten ausbreiten: Wenn ich geimpft bin, kann ich Sie nicht anstecken. Durch diesen Gemeinschaftsschutz wird man also nicht nur nicht krank, man gibt die Krankheit auch nicht weiter. Menschen, die sich nicht impfen lassen können, sind darauf angewiesen, dass die anderen um sie herum eine Art Firewall aufbauen. Säuglinge und Kleinkinder sind für manche Impfungen beispielsweise noch zu jung und es gibt Menschen, die zum Beispiel aufgrund einer Schwangerschaft oder Krebstherapie keine Impfung erhalten können. Diese Menschen brauchen uns. Sie sind darauf angewiesen, dass die Menschen in ihrem Umfeld geimpft sind und ihnen Schutz vor der Ausbreitung und Ansteckung mit der Krankheit bieten. Einer für alle, alle für einen: Je mehr mitmachen, desto besser funktioniert es.

Ein Beispiel: Wenn über 95 Prozent der Bevölkerung einen Immunschutz gegen die Masern hätten, ließen sich die Masern ausrotten. Um ausreichend Immunität gegen Maserviren aufzubauen, sind zwei Impfungen nötig – hier sind wir in Deutschland aktuell weit von 95 Prozent entfernt: Die zweite Masern-Impfung hatten 2020 nur 70 Prozent der Zweijährigen. Bis zum Schulalter haben aber insgesamt 93 Prozent der Kinder beide Impfungen.

Je ansteckender eine Krankheit ist, desto mehr Menschen müssen dagegen immun sein. Ein Mensch, der an Masern erkrankt ist, kann im Schnitt 15 ungeimpfte Menschen anstecken – damit sind die Masern eine der ansteckendsten Infektionskrankheiten und die Impfquote muss hier am höchsten sein, um die Übertragung effektiv zu stoppen. Zum Vergleich: Bei Pocken sind es bis zu sechs Personen, die durch eine erkrankte Person infiziert werden, bei Polio bis zu sieben. Die Pocken wurden durch Impfprogramme bereits ausgerottet, bei Polio steht der Erfolg hoffentlich kurz bevor.

Impfen ist also auch so etwas wie ein sozialer Vertrag, den wir alle miteinander schließen: Ich lasse mich impfen und du dich. Ich schütze dich, du schützt mich. Und gemeinsam schützen wir die, die sich nicht impfen lassen können. Das funktioniert, wenn viele mitmachen. In der Tat sagen weltweit 92 Prozent der Menschen, dass Impfungen für Kinder wichtig sind, in Asien sind es sogar 98 Prozent, während West- und Osteuropa mit 83 und 80 Prozent das Schlusslicht bilden.

Ein bedeutender Aspekt des Impfens ist der Gemeinschaftsschutz: Wer geimpft ist, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch andere Menschen..

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HERDENIMMUNITÄT IST GEMEINSCHAFTSSCHUTZ

Gemeinschaftsschutz bezeichnet man häufig auch als Herdenimmunität – ein Begriff aus der Tiermedizin, der beschreibt, wie sich etwa in einer Schafsherde die Tiere gegenseitig schützen, wenn sie gegen eine Krankheit immun sind. Aber wer ist schon gerne ein Schaf? Gemeinschaftsschutz drückt aus, was es ist: ein Schutz für die Gemeinschaft, in der jeder für den anderen Verantwortung übernimmt und sich selbst und den anderen schützt.

Impfen ist ein Recht – und eine Verantwortung

Kinder haben ein Recht darauf, dass ihnen die bestmögliche Gesundheitsversorgung zugutekommt. Dies wurde 2002 sogar in Artikel 24 der UN-Kinderrechtskonvention in New York festgelegt: Jedes Kind soll ein Recht auf (routinemäßige) Impfungen zur Gewährleistung der Gesundheit haben. Mit diesem Entschluss wird anerkannt, dass Routine-Impfungen notwendig sind, um das Recht des Kindes auf Gesundheit umzusetzen. Doch was wiegt höher? Das Elternrecht oder das Recht des Kindes auf Gesundheit? Dürfen Eltern ihrem Kind Impfungen auch dann vorenthalten, wenn daraus absehbar im Leben des Kindes Krankheit und in einzelnen Fällen gesundheitliche Schäden bis hin zum Tod resultieren?

In Deutschland ist Impfen – mit Ausnahme der Masern-Impfung – freiwillig. Das wirft in einigen Bereichen auch moralische Fragen auf: Sollte es wirklich die freie Entscheidung einer Ärztin oder eines Pflegers sein, sich impfen zu lassen oder nicht, wenn sie Krebspatienten mit einem schwer eingeschränkten Immunsystem behandeln oder auf einer Neugeborenen-Intensivstation oder in einem Pflegeheim arbeiten? Haben Patienten in einem Krankenhaus oder in einer Arztpraxis nicht das Recht, dass die Menschen dort alles in ihrer Macht Stehende tun, damit sie keine potenziell tödliche Infektion bekommen?

Der Gesetzgeber hat zumindest für Masern entschieden: Wer in diesen medizinischen Bereichen arbeitet, muss gegen Masern geschützt sein, hier gilt die Impfpflicht. Das Masernschutzgesetz sorgte 2019 für viel Diskussion, denn seither ist die Masern-Impfung nicht nur für medizinisches Personal und Personal in Bildungseinrichtungen Pflicht, sondern auch für Kinder. Wir widmen der Impfpflicht in diesem Buch ein ganzes Kapitel (siehe > ff.).

Was uns Corona gelehrt hat

Seit 2020 bestimmt das neuartige Coronavirus unser Leben – und als dieses Buch fertig war, war noch nicht klar, wie lange dies so bleiben würde. Das Virus sorgte für Homeoffice, Masken und Abstand. Wir haben unsere Kinder zu Hause unterrichtet, Oma und Opa nur telefonisch kontaktiert. Kleinere Geschäfte sahen sich durch Kundenmangel in ihrer Existenz bedroht oder mussten gar schließen. Und auch nach dem Ende des ersten Lockdowns blieb vieles anders. Das Virus nötigte viele Menschen und Institutionen zu einem Crashkurs in (digitalen) Innovationen und zu anderen Lebensveränderungen, die nur kurze Zeit zuvor noch undenkbar waren. Heute weiß jeder, welchen Effekt ein Virus, eigentlich mikroskopisch klein und unsichtbar, auf das Funktionieren einer Gesellschaft, unser Arbeitsleben, Freundschaft und Familie haben kann – und auch, welche Einschränkungen für die persönliche Freiheit es mit sich bringen kann.

Und alle haben wir dazugelernt. Zuerst, dass wir die Zahl der Neuinfektionen niedrig halten müssen, damit unsere Krankenhäuser nicht überlastet werden. Und dass die Reproduktionsrate dabei die entscheidende Zahl ist: Wie viele steckt jeder Infizierte an? Im Frühsommer 2020 lag sie bei 1, sie sollte aber am besten deutlich darunter liegen. Wenn weltweit jeder Infizierte weniger als einen Menschen ansteckt, dann stirbt das Virus irgendwann aus.

Kaum verstanden wir, was die Reproduktionszahl ist, lernten wir die Bedeutung von Superspreadern und den zugehörigen K-Faktor kennen. Letzterer beschreibt, ob bei einem Infektionsgeschehen wenige Superspreader viele andere Menschen anstecken oder ob Ansteckungen auf viele Infizierte zurückgehen, es also keine oder wenige Superspreader gibt. Seit Corona kennt fast jeder das Konzept der Herdenimmunität (siehe > ). Gemeinschaftsschutz ist im Infektionsschutz ein wichtiges Ziel, egal ob er durch Krankheit oder durch Impfung entsteht. Mitten in der Pandemie hoffen die meisten Menschen auf ein wirksames Gegenmittel gegen den unsichtbaren Gegner. Das Wettrennen verschiedener Pharmahersteller, auch aus Deutschland, einen wirksamen Impfstoff gegen Corona zu entwickeln, dominierte oft die Nachrichten. Welcher Hersteller entwickelt den ersten Corona-Impfstoff? Wie effektiv wird der Schutz gegen das Virus sein? Wir lernen, dass es Tot- und Lebendimpfstoffe gibt und dass der erste Impfstoff gegen Corona ein Impfstoff ist, der durch Gentechnik wirkt (siehe > ). Wir alle erleben mit jedem Fortschritt, mit jeder Entwicklung ein Stück Forschung in Echtzeit.