Kapitel 2
IN DIESEM KAPITEL
Die Depression hat viele Erscheinungsformen, ganz unauffällige und sehr offensichtliche. Manchmal ergreift sie ganz langsam von Geist und Seele Besitz, stellt den Alltag immer mehr infrage. Doch sie kann ihre Opfer auch plötzlich überfallen und sie aller Freude berauben. Manche Menschen bemerken nicht, dass sie unter einer Depression leiden, andere sind sich der Erkrankung voll bewusst. Oft sind für die Depression keine konkreten Anzeichen erkennbar. Manchmal versteckt sie sich hinter körperlichen Beschwerden wie Erschöpfung, Schlafstörungen, Ess- oder Verdauungsstörungen. Die Depression ist eine Erkrankung der Extreme. Sie kann zum Verlust des Appetits führen, aber auch zu unstillbarem Hunger. Betroffene können unter Schlaflosigkeit leiden oder sie sind ständig müde und liegen tagelang im Bett. Sie können ruhelos umherlaufen oder zusammenbrechen und sich kaum noch bewegen. Manchmal schlägt die Depression Wurzeln und dauert Monate oder auch Jahre. In anderen Fällen ist sie in Windeseile vorüber.
In diesem Kapitel möchten wir Ihnen zeigen, wie Sie erkennen können, ob Sie oder jemand, der Ihnen nahesteht, an einer Depression leiden. Wir geben Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Formen und Symptome der Depression. Außerdem untersuchen wir den Zusammenhang zwischen körperlichen Krankheiten und Depression und beleuchten die Verbindung zwischen Kummer und Depression. Zusätzlich gehen wir auf die Ursachen dieser Erkrankung ein. Zum Schluss zeigen wir Ihnen, wie Sie Ihre Gemütsverfassung beobachten können, wenn Sie glauben, dass Sie an einer Depression leiden.
Jeder kann ab und zu ein wenig niedergeschlagen sein. Der Aktienmarkt ist abgestürzt, es gibt gesundheitliche Probleme, Sie haben einen Freund verloren, sind von Naturkatastrophen, Scheidung oder einer Pandemie betroffen oder Sie haben bei Ihrer Arbeit das Quartalsziel nicht erreicht. Ereignisse wie diese machen jeden traurig. Doch eine Depression ist mehr als eine normale Reaktion auf ein unangenehmes Ereignis und mehr als normale Traurigkeit. Sie zerstört den Körper und den Geist und kann manchmal sogar tödliche Folgen haben.
Depressionen beeinflussen alle Lebensbereiche. Es gibt verschiedene Arten der Depression (siehe den Abschnitt Die sechs Gesichter der Depression weiter hinten in diesem Kapitel).
Auch wenn jeder auf eine andere Art betroffen sein kann, wirken alle Depressionen in vier verschiedenen Bereichen. Depressionen beeinträchtigen
Im folgenden Abschnitt erläutern wir die einzelnen Bereiche, auf die sich eine Depression auswirkt.
Wenn Sie depressiv sind, verändert sich Ihr Blick auf Ihre Umwelt. Die Sonne scheint nicht mehr so hell, der Himmel verdunkelt sich, Ihre Mitmenschen wirken auf Sie kühl und distanziert und für die Zukunft sehen Sie schwarz. Sie fühlen sich wertlos, verabscheuen sich selbst und denken vielleicht sogar an den Tod. Depressive Menschen haben oft eine Konzentrationsschwäche, ein schlechtes Erinnerungsvermögen und sind kaum in der Lage, Entscheidungen zu treffen.
Linda bekam ein Jahr nach ihrer Scheidung eine Depression. Sie war der Meinung, dass sie nie wieder einen Partner finden würde. Linda war eine sehr attraktive Frau, doch wenn sie sich im Spiegel betrachtete, sah sie nur ihre ersten Fältchen und kleine Schönheitsfehler. Deshalb glaubte sie, dass jedes Gegenüber vor ihrem Äußeren zurückschrecken würde. Linda war sehr angespannt, bei der Arbeit unkonzentriert und sie machte Flüchtigkeitsfehler. Ihr Chef hatte Verständnis dafür, doch sie selbst empfand ihre Fehler als Beweis der eigenen Unfähigkeit. Sie fühlte sich in einer Sackgasse und sah keine Möglichkeit, irgendetwas besser zu machen. Sie begann sich zu wundern, wieso sie sich überhaupt noch die Mühe machte, jeden Tag zur Arbeit zu gehen.
- Alles wird für mich immer schlimmer.
- Ich fühle mich wertlos.
- Niemand würde mich vermissen, wenn ich tot wäre.
- Ich bin vergesslich.
- Ich mache zu viele Fehler.
- Im Großen und Ganzen bin ich ein Versager.
- In letzter Zeit ist es für mich unmöglich, Entscheidungen zu treffen.
- Ich kann mich auf nichts freuen.
- Die Welt wäre besser ohne mich.
- Ich bin sehr pessimistisch.
- Ich kann an nichts denken, was interessant oder erfreulich für mich wäre.
- In meinem Leben ist vieles schiefgegangen.
- Ich kann mich in letzter Zeit nicht konzentrieren und vergesse, was ich gelesen habe.
- Ich glaube nicht, dass mein Leben wieder besser wird.
- Ich schäme mich für mich selbst.
Im Gegensatz zu Selbsttests, die Sie vielleicht aus Zeitschriften oder Büchern kennen, gibt es in unserem Test keinen speziellen Punktewert, der Ihnen sagt, ob Sie an einer Depression leiden. Alle genannten Aussagen sind typisch für depressive Menschen. Wenn Sie nur ein oder zwei Punkte angekreuzt haben, heißt das nicht zwangsläufig, dass Sie an einer Depression leiden.
Je mehr Punkte auf Sie zutreffen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit für eine Depression. Wenn Sie allerdings auch die Aussagen, in denen es um den Tod geht, angekreuzt haben, ist das wirklich ein Grund zur Besorgnis.
In Teil II dieses Buches lesen Sie mehr über depressive Gedanken und Sie erfahren, was Sie dagegen tun können.
Depressive Menschen verhalten sich sehr unterschiedlich. Einige sind völlig überdreht, andere werden sehr träge. Einige haben nur noch das Bedürfnis zu schlafen, während andere über schrecklichen Schlafmangel klagen.
Markus schleppte sich am Morgen mühsam aus dem Bett. Auch nach zehn Stunden Schlaf fühlte er sich völlig erschöpft. Er kam immer öfter zu spät zur Arbeit. Er konnte sich nicht motivieren, zum Sport zu gehen, obwohl ihm das früher immer sehr viel Spaß gemacht hatte. Seine Freunde erkundigten sich nach ihm, weil er nicht mehr viel Zeit mit ihnen verbrachte. Er sagte, er wisse nicht, was los sei. Er sei nur sehr müde.
Monika bekam dagegen nicht mehr als dreieinhalb Stunden Schlaf pro Nacht. Sie wachte immer gegen drei Uhr morgens auf und ihre Gedanken strömten auf sie ein. Wenn sie aufgestanden war, fühlte sie sich ständig unter Druck und war kaum in der Lage, stillzusitzen. Ihren Kollegen und Freunden gegenüber war sie reizbar und launisch. Weil sie nachts nicht schlafen konnte, begann sie, zu viel zu trinken. Manchmal musste sie grundlos weinen.
- Ich muss aus unerklärlichen Gründen weinen.
- Die seltenen Ausflüge, zu denen ich mich zwinge, machen mir keinen Spaß.
- Ich schaffe es nicht, so wie früher Sport zu treiben.
- Ich gehe nicht annähernd so viel nach draußen wie gewöhnlich.
- Ich habe in letzter Zeit viel Arbeit liegen lassen.
- Selbst bei besonders wichtigen Dingen schaffe ich es nicht, viel davon zu erledigen.
- In letzter Zeit bin ich sehr unruhig und kann nicht stillsitzen.
- Ich bewege mich viel langsamer, als ich das sonst tue. Dafür gibt es keine erkennbare Ursache.
- Ich habe keine Freude an Dingen, die mir normalerweise Spaß machen.
- Wenn andere lachen, kann ich nicht mitlachen.
- Mein Alltag, meine Arbeit und meine Wohnung bekomme ich nicht mehr in den Griff.
- Ich fange Dinge an, die ich nicht beende.
- Morgens fällt es mir schwer, überhaupt aufzustehen.
Alle genannten Punkte sind typisch für das Verhalten von depressiven Menschen. Allerdings kann auch ein anderes gesundheitliches Problem dafür verantwortlich sein. An einem schlechten Tag kann sicherlich jeder einen oder mehrere der oben genannten Punkte bejahen. Doch je mehr Aussagen auf Sie zutreffen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass etwas nicht in Ordnung ist. Das gilt besonders dann, wenn die Probleme schon länger als einige Wochen bestehen.
In Teil III erhalten Sie mehr Informationen zu diesem Thema und erfahren, was Sie tun können, um wieder gesund zu werden.
Die Depression schadet auch Ihren Beziehungen zu anderen Menschen. Rückzug und Vermeidungsstrategien gehören zu den häufigsten Reaktionen auf eine Depression. Manchmal reagieren depressive Personen gerade denen gegenüber, die ihnen nahestehen, sehr reizbar.
Lukas stolpert über ein Spielzeug auf dem Wohnzimmerboden und fährt daraufhin wütend seine Frau Sylvia an: »Kannst du nicht einmal dafür sorgen, dass die Kinder ihr verdammtes Spielzeug wegräumen?« Überrascht und verletzt durch diese Worte entschuldigt sich seine Frau. Ihr Mann dreht sich einfach um und geht. Sylvia hebt schnell das Spielzeug auf und wundert sich über das Verhalten ihres Mannes. Er spricht sehr wenig mit ihr und sie kann sich kaum noch daran erinnern, wann sie das letzte Mal Sex miteinander hatten. Sylvia befürchtet, dass er eine Affäre hat.
- Ich meide Menschen, auch Freunde und Familie.
- Ich habe mehr Schwierigkeiten als sonst, über meine Probleme zu sprechen.
- Ich bin anderen gegenüber ungewöhnlich reizbar.
- Ich fühle mich einsam.
- Ich habe das Gefühl, dass sich niemand um mich sorgt oder mich versteht.
- Ich habe nicht das Bedürfnis nach körperlicher Nähe.
- Ich habe das Gefühl, dass ich die, die mir nahestehen, enttäusche.
- Ich habe das Gefühl, dass die anderen nicht mit mir zusammen sein wollen.
- Ich scheine mich nicht so für die anderen zu interessieren, wie ich das sollte.
- Ich bin kein guter Partner in meiner Beziehung.
- Ich bin eine Last für andere.
- Letztlich ist mir gleichgültig, ob mich jemand mag.
Je mehr der oben genannten Aussagen auf Sie zutreffen, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Depression die Ursache für Ihre gestörten Beziehungen ist. Mehr dazu und vor allem, was Sie dagegen tun können, erfahren Sie in Teil IV dieses Buches.
Die Depression zeigt auch einige ganz typische körperliche Symptome. Dazu gehören Veränderungen des Appetits, des Schlafs und Ihrer Energie. Manchmal nehmen die Betroffenen ihre Depression sogar hauptsächlich durch diese Körpersymptome wahr, da andere Merkmale wie Traurigkeit, Rückzug oder Interesselosigkeit nicht auftreten.
Als Paul ein kleiner Junge war, schimpfte sein Vater immer mit ihm, wenn er weinte. Der Vater sagte, Jungen müssten stark sein, sich behaupten und dürften keine Schwäche zeigen. Auch seine Vorfreude auf Ferien missbilligte der Vater, Jungen seien nicht emotional. Mit der Zeit lernte Paul, seine Gefühle zu verstecken. Fünf Jahre, nachdem Paul geheiratet hatte, wurde er von seiner Frau verlassen. Sie warf ihm vor, ein gefühlloser Mann zu sein. In den folgenden sechs Monaten verlor Paul seinen Appetit. Das Essen schmeckte ihm einfach nicht mehr. Er hatte auch keine Kraft mehr. Er schlief nachts zehn Stunden und fühlte sich trotzdem erschöpft. Paul bekam Kopfschmerzen und litt häufig unter Darmträgheit. Außerdem erkrankte er an Bluthochdruck.
Im Krankenhaus fragte ihn dann ein Arzt: »Ihre Frau hat Sie vor einem halben Jahr verlassen. Kann es nicht sein, dass Sie eine Depression haben?« Paul antwortete: »Machen Sie Scherze? Depressionen bekommen doch nur Frauen. Ich kann unmöglich so etwas haben.« Doch nach einer sehr ausführlichen Untersuchung kam sein Arzt zu dem Schluss, dass eine Depression Pauls körperliche Symptome hervorgerufen hat.
- Mein Blutdruck ist in letzter Zeit ohne erkennbare Ursache gestiegen.
- Ich habe seit Kurzem keinen Appetit mehr.
- Ich schlafe schlechter als normalerweise und wache nachts oft auf.
- Ich ernähre mich nicht anders, trotzdem leide ich ohne erkennbare Ursache unter Darmträgheit (oder Durchfall).
- Mir ist häufig übel.
- Ich habe viele Schmerzen.
- Ich schlafe deutlich mehr als normalerweise.
- Ich kann nicht einschlafen, selbst wenn ich sehr müde bin.
- Ich habe ohne erkennbaren Grund Heißhungerattacken.
- Ich bin in letzter Zeit sehr kraftlos, meist möchte ich gar nicht erst aufstehen.
- Ich habe mehr als zweieinhalb Kilo zu- oder abgenommen und weiß nicht, warum.
Genauso wie bei den anderen Checklisten in diesem Kapitel ist es auch bei dieser nicht so wichtig, wie viele der Punkte Sie als zutreffend ankreuzen konnten. Je mehr zutrifft, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie eine Depression haben.
Wenn sich bei Ihnen die Depression hauptsächlich durch körperliche Symptome äußert, werden Ihnen vermutlich Medikamente oder andere körperliche Therapiemöglichkeiten am besten helfen. In Teil V erfahren Sie mehr zu diesem Thema.
Im Abschnitt Die Auswirkungen der Depression erkennen weiter vorn in diesem Kapitel haben wir die vier Hauptbereiche genannt, auf die sich alle Arten der Depression auswirken. In diesem Abschnitt richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die sieben Hauptarten der Depression:
Ein Hilfsmittel, um eine Depression zu diagnostizieren, ist das Diagnostische und Statistische Handbuch Psychischer Störungen, DSM-IV genannt. Es beschreibt und kategorisiert psychische Störungen. Ein deutsches Diagnosesystem, das in der klinischen Praxis verwendet wird, ist das ICD-10. Dort werden die Depressionen im Kapitel V Psychische und Verhaltensstörungen aufgeführt. In den folgenden Abschnitten werden wir die sechs Hauptarten der Depression und ihre Symptome näher erläutern. Wir stützen uns dabei auf das DSM-IV. Natürlich verzichten wir dabei möglichst auf Fachbegriffe.
Die Major Depression wirkt sich, wie alle anderen Depressionen auch, auf die Gedanken, das Verhalten, die Beziehungen und den Körper aus. Doch welche besonderen Eigenschaften hat diese Art der Depression?
Die Major Depression zeichnet sich durch eine besonders niedergedrückte Stimmung aus oder durch Freudlosigkeit und Desinteresse, die konstant über mehr als zwei Wochen andauern. Manchmal werden diese Symptome von den Betroffenen bewusst oder unbewusst verleugnet. Ist das der Fall, kann die Erkrankung durch die Achtsamkeit der Mitmenschen erkannt werden.
Zur niedergedrückten Stimmung und der Freudlosigkeit können natürlich noch andere Symptome hinzukommen:
Bei der Major Depression bestehen diese Symptome den ganzen Tag und dauern schon mindestens zwei Wochen oder länger. Die Major Depression kann in sehr unterschiedlichen Schweregraden vorkommen. Doch auch leichte Fälle müssen behandelt werden. Die Major Depression verläuft üblicherweise in Episoden; das heißt, es gibt Zeitabstände, in denen die depressiven Symptome vorliegen, und Zeiten, in denen die Symptome auch ohne Behandlung wieder verschwinden. Die depressiven Episoden können eine sehr unterschiedlich lange Dauer haben, manche dauern nur wenige Wochen, es gibt aber auch Betroffene, die monatelange oder gar jahrelange Episoden haben. Ein Drittel der Betroffenen erlebt nur eine einzige Episode im Leben, bei zwei Dritteln kommt es jedoch zu mehreren Episoden oder sogar einem chronischen Verlauf der Erkrankung. Deshalb ist es besonders wichtig, sich schon beim Auftreten der ersten Episode in Behandlung zu begeben.
Auch wenn jede Depression sich individuell unterschiedlich bemerkbar macht, enthält die Geschichte von Christoph doch einige typische Anzeichen.
Für Christoph beginnt der tägliche Kampf, wenn der Wecker klingelt. In der Nacht wälzt er sich die meiste Zeit wieder nur im Bett hin und her. Erst kurz bevor er aufstehen musste, ist er eingeschlafen. Er zwingt sich dazu, sich für die Arbeit fertigzumachen. Doch der Gedanke daran, mit anderen zu reden, ist für ihn unerträglich. Er weiß, dass er sich krankmelden sollte, doch er kann seine Hand nicht heben, um zum Telefon zu greifen. Er weiß natürlich, dass er seine Arbeit verlieren kann, doch das scheint ihm nichts auszumachen. Er glaubt, dass er sehr wahrscheinlich bald nicht mehr am Leben sein wird. Christoph zieht seine Arbeitskleidung aus, dann legt er sich wieder ins Bett. Doch er kann nicht schlafen. Er verabscheut sich selbst und denkt: »Ich bin ein Versager. Es gibt nichts, für das es sich zu leben lohnt.« Er überlegt, ob er seinem Leben jetzt gleich ein Ende setzen soll. Christoph leidet an einer Major Depression.
Die heute auch Persistierende Depressive Störung genannte Dysthymie ähnelt in ihrem Erscheinungsbild der Major Depression. Sie ist jedoch nicht so schwer und neigt eher dazu, einen chronischen Verlauf zu nehmen. Bei einer Persistierenden Depressiven Störung bestehen die Symptome schon seit etwa zwei Jahren oder länger. Die depressive Stimmung besteht fast den ganzen Tag und es gibt kaum mal einen Tag, an denen es den Betroffenen gut geht. Um die Diagnose Dysthymie stellen zu können, müssen Sie zusätzlich zu einer depressiven Stimmungslage nur zwei der folgenden Symptome aufweisen:
Die Dysthymie ist im Gegensatz zur Major Depression weniger häufig mit körperlichen Symptomen wie Veränderungen bei Appetit, Schlaf, Gewicht oder dem Auftreten von Ruhelosigkeit verbunden.
Die Dysthymie beginnt häufig bereits in der Kindheit oder im jungen Erwachsenenalter. Sie kann viele Jahre fortbestehen, wenn sie nicht behandelt wird. Außerdem besitzen Personen mit einer Dysthymie ein größeres Risiko, irgendwann in ihrem Leben eine Major Depression zu entwickeln.
Elke kann sich nicht daran erinnern, jemals Freude empfunden zu haben. Sie weiß nicht einmal genau, was dieses Wort bedeutet. Elkes Eltern arbeiteten viel und wirkten kühl und distanziert. Elke war in der Schule sehr fleißig. Sie hoffte, durch ihre guten Leistungen Liebe und Anerkennung zu bekommen. Doch ihre Eltern schienen ihre Anstrengungen nicht einmal zu bemerken. Heute führt Elke ein Leben, um das sie all ihre Kollegen beneiden. Sie bekommt ein gutes Gehalt und arbeitet unermüdlich in ihrem Beruf als Maschinenbauingenieurin. Trotzdem hat sie das Gefühl, etwas zu vermissen. Sie fühlt sich erfolglos und ist sehr unzufrieden. Elke hat eine Dysthymie, obwohl sie von sich selbst sagt, dass sie sich nicht depressiv fühle. Sie holt sich keine Hilfe für ihr Problem, weil ihr gar nicht klar ist, dass das Leben auch anders sein kann.
Viele Frauen neigen gelegentlich vor ihrer Menstruation zu Stimmungsschwankungen. Ein kleinerer Anteil bekommt allerdings deutlichere und stärkere Symptome, die als prämenstruelle dysphorische Störung (PDS) bekannt sind. Diese Störung ist eine stärkere Form des bekannten prämenstruellen Syndroms (PMS).
Obwohl die Hormone bei einer PDS sicherlich eine wichtige Rolle spielen, konnte die Wissenschaft die eigentlichen Ursachen noch nicht finden. Frauen, die von einer PDS betroffen sind, leiden jeden Monat in der Woche vor der Regelblutung unter einigen der folgenden Symptome:
Das nachfolgende Beispiel verdeutlicht einige Symptome der PDS. Betroffene Frauen werden häufig von ihren emotionalen Reaktionen im Alltagsstress überrascht und empfinden starke Schuldgefühle. Obwohl ihre Symptome durch Hormonschwankungen ausgelöst werden, finden sie Möglichkeiten, sich selbst die Schuld zuzuschreiben.
Kathrina fährt nach der Arbeit zum Supermarkt. Ungeduldig schiebt sie den Einkaufswagen durch die Reihen, bis ein anderer Wagen ihren Weg blockiert. Sie ist sofort verärgert und räuspert sich lautstark. Die andere Frau blickt auf und entschuldigt sich sofort. Katharina geht weiter und versetzt dem anderen Wagen im Vorbeigehen noch einen Schubs.
Als sie an der Kasse in der Warteschlange steht, wird ihr Zorn immer größer. Der Mann vor ihr kramt nach seiner EC-Karte und stellt fest, dass er sie nicht bei sich hat. Dann zählt er sein Kleingeld ab, doch es ist zu wenig. Jetzt sucht er in seiner überfüllten Brieftasche nach einer Kreditkarte. Kathrina kann ihren Zorn nicht mehr unterdrücken und meckert: »Die anderen haben nicht den ganzen Tag Zeit, um hier wegen Leuten wie Ihnen rumzustehen! Was ist los mit Ihnen?« Der Mann wird rot und murmelt: »Tut mir leid, junge Frau.« Die Kassiererin mischt sich ein und sagt: »Meine Dame, seien Sie doch nicht so kleinlich. Das kann doch jedem mal passieren.« Plötzlich schämt sich Kathrina und bricht schluchzend in Tränen aus. Sie hat das Gefühl, verrückt zu werden. Und das passierte ihr nicht zum ersten Mal. So geht es ihr fast jeden Monat.
Die prämenstruelle dysphorische Störung kann sowohl die Familie als auch Freunde und Kollegen der Betroffenen beeinflussen. In der Regel verschwinden die Symptome ein paar Tage nach Menstruationsbeginn. Die Behandlung ist oft mit der Einnahme von Medikamenten verbunden.
Auch die Wochenbettdepression ist eine schwere Gemütserkrankung, bei der man Hormonschwankungen als Ursache vermutet. Man kann jedoch bis heute noch nicht erklären, warum Hormone die Stimmung mancher Frauen so stark beeinflussen und andere Frauen davon überhaupt nicht betroffen sind. Andere Risikofaktoren sind Schlafmangel (bei Müttern von Säuglingen verbreitet), neue und überwältigende Verantwortung als Eltern und Veränderungen der Lebenssituation. Die Depression beginnt einige Tage oder Wochen nach der Geburt. Die Symptome sind denen der Major Depression sehr ähnlich. (Die vollständigen Symptome können Sie im Abschnitt Die Major Depression: Einfach nicht aus dem Bett rauskommen weiter vorn in diesem Kapitel nachlesen.)
Carmen hatte acht Jahre lang vergeblich versucht, ein Kind zu bekommen. Ihr Mann und sie waren überglücklich, als sie doch noch schwanger wurde. Das gemütliche, liebevoll eingerichtete Kinderzimmer sah aus wie ein Bild aus einem Babykatalog. Carmen fühlte sich erschöpft, doch ihr Mann nahm an, dass das normal wäre. An dem Tag, als Mutter und Kind nach Hause kamen, kümmerte er sich um alles, damit seine Frau sich ausruhen konnte. Carmen fühlte sich auch am folgenden Tag so erschöpft, dass ihr Mann sich um das Baby kümmerte. Er war allerdings sehr beunruhigt, als er bemerkte, dass Carmen keinerlei Interesse daran hatte, das Baby im Arm zu halten. Sie war vom Weinen des Säuglings genervt und meinte, dass sie vielleicht besser nicht Mutter geworden wäre. Nach zwei Wochen sagte sie ihrem Mann, dass er nicht wieder zur Arbeit gehen könne, da sie es nicht schaffe, für das Kind zu sorgen. Carmen litt an einer Wochenbettdepression.
Krank zu sein, ist schwierig genug, auch ohne Medikamente, die das Wohlbefinden belasten. Doch einige Medikamente scheinen sogar Depressionen zu verursachen. Manchmal ist es sicherlich nicht leicht, zu unterscheiden, ob die Krankheit oder das Medikament die Depression ausgelöst hat. Doch in manchen Fällen zeigen sich eindeutig die Medikamente für die Depression verantwortlich.
Medikamente |
Verschrieben bei |
---|---|
Antikonvulsiva |
Epilepsie |
Barbiturate |
Epilepsie und (selten) Angstzustände |
Benzodiazepine |
Äenzod und Schlafstörungen |
Betablocker |
Bluthochdruck und Herzerkrankungen |
Entwhochdruck und |
Alkoholabhuck und H |
Hormone |
Schwangerschaftsverhrzerk und Wechseljahresbeschwerden |
Interferon |
Hepatitis und verschiedene Krebserkrankungen |
Kalziumkanalblocker |
Bluthochdruck und Herzerkrankungen |
Kortikosteroide |
Entzikostero und chronische Lungenerkrankungen |
Levodopa, Amantadin |
Parkinson |
Statine |
Hohe Cholesterinwerte |
Zovirax |
Herpes oder Gürtelrose |
Tabelle 2.1: Medikamente, die depressive Symptome verursachen können
Viele weitere Medikamente können eine depressionsfördernde Wirkung haben. Wenn Sie einen Verdacht oder Bedenken haben, sprechen Sie mit Ihrem Arzt darüber.
Auch der Missbrauch von Alkohol oder verschreibungspflichtigen Medikamenten oder der Konsum verschreibungsfreier Arzneimittel kann eine Depression auslösen. Eine Depression kann sowohl während des Substanzkonsums als auch beim Entzug auftreten. Die folgende Liste problematischer Substanzen ist bei weitem nicht vollständig:
Die Wechselwirkungen zwischen Krankheit und Depression können ein Teufelskreis sein. Krankheiten können die Entstehung von Depressionen begünstigen oder eine bestehende Depression verschlimmern. Die Depression ihrerseits kann zu komplizierteren Krankheitsverläufen führen. Eine Depression schwächt das Immunsystem, führt zur Freisetzung von Stresshormonen und beeinflusst die Fähigkeit von Körper und Geist, die Krankheit zu verkraften. Die Depression kann Schmerzen verschlimmern und Sie Ihrer Kräfte berauben. In diesem Abschnitt erläutern wir, welche Rolle Medikamente und Krankheiten bei der Entwicklung und Verschlimmerung von Depressionen spielen.
Eine chronische Erkrankung beeinträchtigt das Leben deutlich. Sie haben Schmerzen, müssen viel Zeit in Arztbesuche investieren, sind oft krankgeschrieben und Ihre zwischenmenschlichen Beziehungen leiden. Dass Sie sich davon gestört fühlen, ist ganz normal. Doch diese Probleme können, besonders bei empfindsamen Menschen, auch eine Depression auslösen.
Es gibt Erkrankungen, die das Nervensystem angreifen und zu Depressionen führen. Wenn Sie an einer solchen Erkrankung leiden und sich Ihre Stimmung verschlechtert, sollten Sie sich an Ihre Ärztin oder Ihren Arzt wenden. Zu den Erkrankungen, die zu einer Depression führen können, gehören:
Das Leben ist oft kein Spaziergang. Jeder hat von Zeit zu Zeit Probleme. Manchmal kann man sie ohne große emotionale Störungen bewältigen, manchmal aber auch nicht. Die Anpassungsstörung ist eine Reaktion auf Schwierigkeiten, wie beispielsweise Eheprobleme, finanzielle Rückschläge, Probleme mit Kollegen, oder auf Naturkatastrophen. Wenn sich so etwas ereignet und Sie danach Schwierigkeiten haben, Ihrer Arbeit nachzugehen, und zusätzlich niedergeschlagen sind, häufig weinen müssen und sich wertlos und ohne Hoffnung fühlen, leiden Sie wahrscheinlich an einer Anpassungsstörung mit depressiver Verstimmung. Eine Anpassungsstörung verläuft deutlich leichter als eine Major Depression. Doch sie kann trotzdem Ihr Leben zerstören.
Klaus war geschockt, als er erfuhr, dass ihm wegen Rationalisierungsmaßnahmen gekündigt wurde. Er machte sich sofort auf Jobsuche, doch freie Stellen sind in seinem Beruf sehr begrenzt. In den ersten Wochen freute er sich noch, endlich einmal auszuschlafen, doch schon bald fühlte er sich ungewöhnlich niedergeschlagen. Er kämpfte mit sich, überhaupt die Zeitung aufzuschlagen, um nach passenden Stellenanzeigen zu schauen. Er fühlte sich völlig wertlos und verlor die Hoffnung darauf, wieder Arbeit zu finden. Sein Appetit und Schlaf waren in Ordnung, doch seine Zuversicht war im Keller. Er war überrascht, als ihm plötzlich Tränen über das Gesicht liefen, weil er wieder eine Absage erhalten hatte.
Klaus hat keine Major Depression. Er leidet unter einer Anpassungsstörung mit depressiver Stimmung.
Zu Beginn dieses Kapitels haben wir angemerkt, dass die Depression viele Gesichter hat. Nicht alle Erscheinungsformen der Depression lassen sich eindeutig in Kategorien einordnen. Nehmen wir an, Sie leiden unter Teilnahmslosigkeit und depressiven Stimmungen und kommen nur schwer aus dem Bett. Es ist dabei nicht wirklich wichtig, ob Ihre Symptome die Kriterien in einem umfangreichen Handbuch der Diagnostik erfüllen oder nicht. Was für Sie zählt, ist, dass Sie sich nicht wohlfühlen und hoffen, dass es Ihnen bald besser geht. In vielen Fällen kann Ihnen eine Therapeutin oder ein Therapeut einen Ausweg zeigen, aber auch in diesem Buch werden Sie einige recht hilfreiche Methoden dazu finden.
Wenn Sie jemanden verlieren, den Sie sehr geliebt haben, dann ist das schmerzlich und Sie fühlen sich traurig. Sie schlafen vielleicht schlecht und ziehen sich zurück. Es scheint Ihnen unvorstellbar, auszugehen und einen schönen Tag zu verbringen. Diese Gefühle können Wochen oder einige Monate anhalten. Sind das Anzeichen einer Depression? Ja und nein.
Unter Fachleuten gibt es unterschiedliche Ansichten dazu, wie man mit Trauer am besten umgehen sollte. Wir sehen Trauer als natürlichen Heilungsprozess an, dem man seinen normalen Verlauf erlauben sollte. Jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sie nicht von einer Depression begleitet wird. (Lesen Sie in Kapitel 15, wie Sie Verlust und Trauer überstehen können.) Ob man seine Trauer behandeln lassen sollte, ist eine sehr individuelle Entscheidung. Jemand, der trauert, muss sich auf jeden Fall bewusst sein, dass sein Gemütszustand von einer Depression überlagert werden kann. Wenn Sie schon zu lange unter Trauer leiden oder Symptome einer Depression hinzukommen, sollten Sie sich beraten lassen, ob eine Behandlung sinnvoll ist.
Über die Ursachen der Depression gibt es viele Theorien. Einige Fachleute sind der Meinung, dass Depressionen durch ein Ungleichgewicht im Gehirnstoffwechsel hervorgerufen würden. Befürworter dieser Theorie glauben, dass dieses Ungleichgewicht eine genetische Ursache habe. Andere Fachleute sind der Ansicht, dass die Ursachen einer Depression in der Kindheit der Betroffenen liegen. Wieder andere sind der Meinung, dass negatives Denken zu Depressionen führe. Und es gibt die Theorie, dass Armut und/oder kulturelle Einflüsse Depressionen verursachen. Einige Wissenschaftler bringen erlernte Verhaltensmuster mit der Entstehung einer Depression in Verbindung. Andere Experten glauben, dass Beziehungsprobleme die Hauptursache der Depression sind.
Alle haben recht. Obwohl man für jede dieser Theorien Beweise finden kann, weiß niemand genau, wie diese Faktoren wirken, welcher der wichtigste ist und welcher andere Faktoren beeinflusst.
Doch man weiß schon einiges darüber, wie sich eine Depression entwickelt. Es gibt viele Untersuchungsergebnisse, die zeigen, dass das Lernen, das Denken, biologische und genetische Faktoren, Kindheitserlebnisse und die Umwelt bei der Entstehung und auch der Therapie von Depressionen eine wichtige Rolle spielen. All diese Faktoren beeinflussen einander wechselseitig. Selbst unsere Gene werden durch unsere Umwelt und unser Verhalten in ihrer Wirkungsweise verändert, sind also nicht von unserer Zeugung an festgeschrieben. Immer mehr Studienergebnisse sprechen dafür, dass Medikamente die körperlichen Auswirkungen der Depression wie Appetit- und Energieverlust beeinflussen können. Antidepressiva bessern auch das negative, pessimistische Denken, das bei den meisten Formen der Depression vorkommt. Einige namhafte Forscher streiten allerdings zunehmend darüber, ob die Verbesserungen durch Antidepressiva nicht fast vollständig auf den Placebo-Effekt zurückzuführen sind. Placebos sind im Grunde inaktive Tabletten, die trotzdem die Erwartung oder Hoffnung vermitteln, dass eine Besserung eintreten wird.
Gleichzeitig kamen Studien zu dem Ergebnis, dass auch nur mithilfe der Psychotherapie das negative, pessimistische Denken vermindert werden konnte. Überraschend war, dass bestimmte psychotherapeutische Methoden sogar Einfluss auf den Gehirnstoffwechsel hatten.
Aktuelle Daten zeigen, dass während der Covid-19-Pandemie die Zahl der von Depressionen betroffenen Personen schnell angestiegen ist. Bei den Betroffenen können bereits Risikofaktoren für eine Depression vorgelegen haben, etwa eine schwierige Kindheit, genetische Veranlagung oder eine entsprechende Vorgeschichte. Eine Pandemie wie diese, die auch unabhängig von diesen anderen Risikofaktoren zu einer Depression führen kann, stellt uns vor einzigartige Herausforderungen. (Mehr Informationen über den Zusammenhang von Pandemien und Depression finden Sie in Kapitel 3.)
Auch in aktuellen Untersuchungen konnten keine spezifischen Ursachen der Depression aufgedeckt werden. Doch sie ergaben, dass sowohl körperliche als auch psychische Faktoren aufeinander einwirken.
Die bipolare Störung ist eine Gemütserkrankung, die sich von klassischen Depressionen unterscheidet, da Menschen mit einer bipolaren Störung auch Phasen ungewöhnlicher Euphorie erleben. Das bezeichnet man als Manie.
Obwohl Menschen in einer manischen Phase fröhlich und glücklich wirken, werden Außenstehende bemerken, dass diese gute Stimmung ein wenig zu gut ist, um wahr zu sein. In manischen Phasen brauchen die Betroffenen nur sehr wenig Schlaf, sind ungewöhnlich kreativ und besitzen viel Energie und Begeisterungsfähigkeit. Das klingt doch nach einer guten Stimmung, oder? Wer möchte sich nicht so toll fühlen? Doch warten Sie ab, was noch dazugehört.
- geben häufig zu viel Geld aus.
- spielen exzessiv.
- treffen unsinnige Entscheidungen in ihrem Job.
- lassen sich auf riskante sexuelle Ausschweifungen ein.
- sprechen sehr schnell und aufgebracht.
- glauben, dass sie besondere Talente oder Fähigkeiten besitzen.
In manischen Phasen besteht die Gefahr, dass die Betroffenen sich selbst oder ihre Familien ruinieren. Ihr Verhalten kann derart außer Kontrolle geraten, dass sie für einige Zeit in eine Klinik müssen.
Die meisten Menschen mit einer bipolaren Störung erleben auch leichte bis schwere depressive Phasen. Himmelhochjauchzend – zu Tode betrübt. Dieser Absturz kann sogar an einem einzigen Tag passieren. Die Depressionen, die einer manischen Phase folgen, treffen die Kranken unerwartet und werden als zerstörerisch empfunden. Der starke Gegensatz ist für die Betroffenen sehr schmerzhaft. Menschen mit einer bipolaren Störung haben das Gefühl, völlig außer Kontrolle geraten zu sein. Sie sind hilflos und ohne Hoffnung. Es überrascht deshalb nicht, dass das Selbstmordrisiko bei keiner anderen Depression so hoch ist wie bei der bipolaren Störung.
Auch wenn es sich bei der bipolaren Störung in der Regel um eine chronische Erkrankung handelt, kann sie sehr erfolgreich behandelt werden. Sowohl mithilfe von Medikamenten als auch mit Psychotherapie, meist in Kombination, können die meisten der Symptome gelindert werden. Wichtig ist insbesondere die Rückfallprophylaxe, also das frühzeitige Verhindern oder Minimieren von erneuten Episoden.
Sie sind sich sicher, dass Sie – oder jemand, der Ihnen nahesteht – unter einer Depression leiden. Doch was nun? Beobachten Sie, wie sich Ihre Stimmung von Tag zu Tag verändert. Das ist ein wichtiger Schritt, um wieder gesund zu werden. Warum?
Bewerten Sie Ihre Stimmungslage jeden Tag auf einer Skala von 1 bis 100. Der Wert 100 würde bedeuten, dass Sie sich geradezu ekstatisch fühlen. Es geht Ihnen großartig, etwa so, als hätten Sie gerade eine Million Euro im Lotto gewonnen. Die Bewertung mit 50 Punkten würde bedeuten, dass Sie einen ganz normalen, durchschnittlichen Tag haben. Ihre Stimmung ist gut. Es gibt nichts Besonderes, nichts Schlechtes. Eine Bewertung mit nur einem Punkt beschreibt den schlimmstmöglichen Tag. Interessanterweise haben wir herausgefunden, dass die meisten Menschen, die nicht unter einer Depression leiden, ihre durchschnittliche Stimmung mit 70 Punkten bewerten. Trotzdem haben wir 50 Punkte als Mittelwert festgelegt.
Machen Sie sich zusätzlich zu Ihrer Stimmung einige Notizen über Ihren Tag. Beachten Sie dabei alles, was sich auf Ihre Stimmung auswirken könnte. Dazu gehören:
Karsten vermutete, dass er depressiv sein könne. Aus diesem Grund beobachtete er seine Stimmungsveränderungen und entdeckte ein interessantes Muster. In Tabelle 2.2 zeigen wir Ihnen einen Auszug aus Karstens Stimmungstagebuch.
Karsten wertete die Stimmungstagebücher einiger Wochen aus. Dabei stellte er fest, dass er sich vor allem sonntagnachmittags schlecht fühlte. Er stellte fest, dass er dann meistens allein war und über eventuelle Probleme der folgenden Woche grübelte. Er bemerkte außerdem, dass Vormittage nicht gerade die beste Zeit des Tages für ihn waren, da er sich über den Rest des Tages Sorgen machte. Seine Sorgen bestanden häufig darin, Probleme zu befürchten, die nur sehr selten eintrafen. Es ging ihm besser, wenn er ein Projekt in Angriff nahm, das er aufgeschoben hatte (wie zum Beispiel das Rasenmähen).
Tag |
Stimmungsbewertung |
Notizen (Ereignisse und Gedanken zum Beispiel) |
---|---|---|
Sonntag |
20 |
Es ist kein guter Tag. Ich mache mir Sorgen, ob ich bis Dienstag meine Steuererklärung schaffe. Und ich fühle mich schuldig, weil ich den Rasen nicht gemäht habe. |
Montag |
30 (Vormittag), 45 (Nachmittag) |
Der Tag begann schrecklich. Ich stand im Stau und kam zu spät zur Arbeit. Am Nachmittag lief alles besser, auch wenn ich mich nicht überglücklich fühlte. |
Dienstag |
40 |
Es gibt nichts Gutes und nichts Schlechtes. |
Mittwoch |
30 (Vormittag), 40 (Nachmittag) |
Ich bin wegen des Abgabetermins für das neue Projekt völlig panisch aufgewacht. Ich weiß nicht, wie ich das jemals schaffen soll. Am Nachmittag ging es mir etwas besser, aber ich machte mir immer noch Sorgen deswegen. |
Donnerstag |
35 (Vormittag), 45 (Nachmittag) |
Ich hatte das Gefühl, der Tag zieht sich hin. Ich erwartete nicht zu viel. Am Abend hatte ich ein schönes Telefonat mit einem Freund. |
Freitag |
50 |
Ich habe das Projekt überraschenderweise vier Stunden eher fertigstellen können. Mein Chef sagte, es sei das Größte gewesen, was ich jemals getan hätte. Sicherlich weiß er nicht viel von dem, was ich sonst noch so leiste. |
Samstag |
40 |
Ich habe den Rasen gemäht. Es ging mir gut. Doch danach hatte ich zu viel Zeit und habe mir schon wieder Sorgen gemacht. |
Tabelle 2.2: Auszug aus einem Stimmungstagebuch
Sie können Ihre Fortschritte dokumentieren, egal ob Sie sich selbst helfen oder mit einer Fachperson zusammenarbeiten. Sollten Ihre Fortschritte stagnieren, holen Sie sich Hilfe oder besprechen Sie das Problem mit Ihrer Therapeutin oder Ihrem Therapeuten.