Die schwarze Katze von Montmartre
Vor dem gestrengen Vater aus der Kleinstadt Châtellerault ins 300 Kilometer entfernte Paris geflohen, musste sich Rodolphe Salis seinen Misserfolg als Maler und Grafiker eingestehen. Er tat, was viele verhinderte Künstler in seiner Situation getan haben und vielleicht auch heute noch tun. Er eröffnete eine Kneipe. Dass deren Name »Le Chat Noir« – Die schwarze Katze – in die Geschichte des Kabaretts eingehen sollte, ahnte zu diesem Zeitpunkt niemand. Gemeinsam mit dem Schriftsteller Émile Goudeau entwickelte er ein neues Konzept. Aus der Kneipe wurde ein »cabaret artistique«, in dem die Gäste neben Speis und Trank auch spitzzüngige Literatur genießen konnten. Heute gilt der 18. November 1881 allgemein als die Geburtsstunde des literarischen Kabaretts.
Aktuelle Politik, soziale Verhältnisse, die Scheinheiligkeit der Gesellschaft – alles nahmen sich die Künstler vor, spotteten, waren verrückt, boshaft, meist an der Grenze zum Statthaften und oft zum großen Vergnügen des Publikums auch darüber hinaus.
Was ursprünglich nur als interner Literaturzirkel geplant war, wuchs mit steigender Bekanntheit und Beliebtheit so schnell, dass die Räume bald zu klein wurden. Nicht nur die Bohemiens, die Künstler, gingen ein und aus, sondern mehr und mehr Gäste aus der damaligen feinen Gesellschaft wollten das Programm sehen. Lange Schlangen bildeten sich vor dem Chat Noir und brachten Unruhe in die Szene, sodass Salis schließlich mit dem Kabarett in die heutige Rue Victor Massé umzog.
1892 ging das Kabarett Chat Noir zum ersten Mal auf eine Tournee, die durch Frankreich, Belgien, Teile der Schweiz, Algerien und Tunesien führte. 1887 wurde das Chat Noir nach dem überraschenden Tuberkulosetod Rodolphe Salis’ geschlossen. Auf Salis’ Grab stand die Inschrift: »Gott hat die Welt geschaffen, Napoléon die Ehrenlegion gegründet. – Ich habe den Montmartre gemacht.«
A chanté!