Die Schweizer und die Sklaverei in Amerika

«Der Fremde erwiderte: ich bin ein Offizier von der französischen Macht, obschon, wie Ihr wohl selbst urteilt, kein Franzose; mein Vaterland ist die Schweiz, und mein Name Gustav von der Ried […]. Und ich bin nicht allein, gutes Mütterchen; in meinem Gefolge, das ich zurückgelassen, befindet sich ein ehrwürdiger alter Greis, mein Oheim, mit seiner Gemahlin und fünf Kindern; mehrere Bedienstete und Mägde, die zur Familie gehören, nicht zu erwähnen […].» (Kleist 1965, S. 15f.)

Mit diesen Worten stellt sich Gustav, der Held der Kleistʼschen Novelle «Die Verlobung in St.Domingo», der ehemaligen schwarzen Sklavin Babekan vor, bei der er Zuflucht zu finden hofft. Die Handlung spielt 1803 in Saint-Domingue, das durch die Kämpfe zwischen ehemaligen Sklaven und französischen Truppen unsicher geworden ist – ein Jahr, bevor die Insel ihre Unabhängigkeit erlangt und den Namen Haiti annimmt. Die alte Frau und ihre Mestizentochter Toni willigen ein, Gustav unterzubringen. Der Schweizer Soldat ist von der Schönheit der Tochter sofort überwältigt: «[…] er hätte, bis auf die Farbe, die ihm anstössig war, schwören mögen, dass er nie etwas Schöneres gesehen» (ebenda, S. 34). Sie verlieben sich und werden ein Paar. Doch das Glück ist von kurzer Dauer. Am folgenden Tag glaubt Gustav irrtümlicherweise, von Toni getäuscht worden zu sein, und erschiesst sie. Als er von seinem Irrtum erfährt, nimmt er sich das Leben. Das Stück endet mit der Rückkehr von Gustavs Onkel in die Schweiz: «Herr Strömli kaufte sich daselbst mit dem Rest seines kleinen Vermögens, in der Gegend des Rigi, an; und noch im Jahr 1807 war unter den Büschen seines Gartens das Denkmal zu sehen, das er Gustav, seinem Vetter, und der Verlobten desselben, der treuen Toni, hatte setzen lassen.» (Ebenda, S. 93)

Die Umstände, unter denen dieses Stück verfasst wurde, sind bekannt. 1807 war Kleist auf Schloss Joux nahe der Schweizer Grenze eingesperrt, wo vier Jahre zuvor Toussaint Louverture (1745–1803), einer der Anführer des Sklavenaufstands auf Saint-Domingue, festgehalten wurde. Daher das Interesse des deutschen Schriftstellers an dieser Insel. Der Held Gustav ist ein Schweizer mit Haus am Ufer der Aare, ein Aufenthalt Kleists in dieser Region im Jahr 1802 dürfte ihn inspiriert haben. Doch das Stück spiegelt auch eine andere Realität wider: Im 18. und frühen 19. Jahrhundert leben zahlreiche Schweizer und Schweizerinnen auf den Antillen. Wie Strömli besitzen oder verwalten die meisten dieser Schweizer, die allein oder in Gruppen in die Karibik ausgewandert sind, Plantagen, auf denen sie, gestützt auf Sklavenarbeit, exotische Produkte anbauen. Manchmal stehen sie im Dienst von Landsleuten, die im Mutterland geblieben sind. Denn im 18. Jahrhundert gehören so manchem Genfer, Neuenburger oder Basler Kapitalbesitzer auf den Antillen Ländereien, die er von der Schweiz aus führt.

Andere auf den Antillen lebende Eidgenossen sind als Kaufleute tätig. Gegenüber den Plantagenbesitzern sind sie in der Minderzahl, aber auch sie beschäftigen Sklaven, sei es als Hausangestellte oder in ihrem Geschäft. Zudem finden sich Schweizer Beamte und Soldaten im Dienst der englischen, holländischen oder französischen Kolonialbehörden. Sie tragen vor Ort zur Aufrechterhaltung der Kolonialordnung und des Sklavensystems bei. So entsenden die Metropolen zahlreiche Schweizer Söldner zur Niederschlagung von Aufständen. Unter den französischen Truppen, die 1803 in Saint-Domingue gegen die aufständischen Schwarzen und Mestizen kämpfen, finden sich über 600 helvetische Soldaten. Ein solcher Soldat könnte Kleist zur Figur des Gustav inspiriert haben.

Manchen dieser Schweizer Emigranten gelingt es, ein Vermögen anzuhäufen, bevor sie wie Gustavs Onkel mit ihrem erworbenen Reichtum in die Schweiz zurückkehren. Andere werden vom Schicksal härter getroffen und fallen heimtückischen Tropenkrankheiten zum Opfer oder scheitern an einer ungünstigen Wirtschaftsentwicklung.

Im 18. Jahrhundert findet man Schweizer Sklavenbesitzer vor allem auf den Karibischen Inseln und in Guayana (gemeint ist das französische und das holländische Guayana, Letzeres auch bekannt unter dem Namen Surinam). Manche leben auch in den Vereinigten Staaten, wo sich in verschiedenen Südstaaten Kolonien von Schweizern niederlassen, die dort grosse Ländereien bewirtschaften. Im 19. Jahrhundert kommt es zu Verschiebungen in der geografischen Verbreitung dieser schweizerischen Pflanzer und Kaufleute. Infolge der Unruhen, die zwischen 1789 und 1815 die Karibischen Inseln heimsuchen, und der von Kleist in seiner Novelle aufgegriffenen Revolution auf Saint-Domingue werden die Plantagenbewirtschaftung und der Handel in diesen Regionen weniger rentabel. Damit erlangen die Vereinigten Staaten und Brasilien als neue Bestimmungsorte grössere Bedeutung.

In diesem Kapitel wird ein wesentlicher Punkt beleuchtet. Eine nicht zu vernachlässigende Zahl Schweizer Bürger besitzt im 18. und 19. Jahrhundert Sklaven. Die Pflanzer, Kaufleute oder eidgenössischen Soldaten zeigen auf dem amerikanischen Kontinent gegenüber diesen Arbeitskräften dieselben Verhaltensmuster wie andere Europäer auch. Manche sind brutal, grausam, skrupellos; andere zeichnen sich durch eine gemässigtere Haltung aus. Niemand von ihnen stellt den Sklavenhandel oder die Sklaverei an sich in Frage.

Der Besitz von Sklaven durch Schweizer in Übersee bleibt auch in ihrem Herkunftsland nicht immer unbemerkt. 1863 muss sich der Bundesrat mit der Kritik eines Abgeordneten an den Verhältnissen in Brasilien befassen. Die Antwort der Bundesbehörden ist sehr vorsichtig und weitgehend unverbindlich. Sie ähnelt in vieler Hinsicht der 2003 vom Bundesrat verabschiedeten Stellungnahme zur Rolle der Schweiz in der Geschichte des Sklavenhandels und der Versklavung von Schwarzen (siehe Einleitung). Auch die «Basler Mission» kritisiert im Lauf des 19. Jahrhunderts wiederholt, dass gewisse in die Missionsgemeinde aufgenommene afrikanische Katechisten Sklaven halten.

Im Rahmen dieses Kapitels konzentrieren wir uns exemplarisch auf einige wenige Personen, die das Verhältnis der Schweizer zur Sklaverei am besten veranschaulichen.

Jacques-Louis Pourtalès und Johann Jakob Thurneysen Oder: Wie verwaltet man von der Schweiz aus eine Plantage

Im 18. Jahrhundert gibt es Genfer, Basler, St.Galler, Waadtländer und Zürcher, die in den englischen, französischen oder holländischen Kolonien Amerikas Plantagen leiten. Mit Hilfe Hunderter Sklaven und Sklavinnen bauen sie dort Kaffee, Zucker, Kakao, Baumwolle und Reis an. Es lassen sich zwei Kategorien von Pflanzern unterscheiden: erstens Besitzer von Ländereien in den Kolonien, die selbst nicht dort, sondern in Europa leben und die Führung ihrer Geschäfte vor Ort lebenden Verwaltern übertragen; und zweitens Schweizer, die selbst in den Kolonien leben und dort Plantagen verwalten, die sich entweder in ihrem Besitz befinden oder abwesenden Eigentümern gehören. Der ersten Kategorie gehören Jacques-Louis Pourtalès und Johann Jakob Thurneysen an.

Wie wir im ersten Kapitel gesehen haben, baut Jacques-Louis Pourtalès (1722–1814) mit der Gründung seines Indienne-Imperiums, das er von Neuenburg aus führt und das in ganz Europa über Kontore verfügt, ein ansehnliches Vermögen auf. Seine Tätigkeit beschränkt sich aber nicht auf dieses Geschäft. 1771 kauft er gemeinsam mit Johann Jakob Thurneysen (1729–1784), einem Basler Industriellen, Plantagen auf der Insel Grenada, einer auf den Antillen gelegenen englischen Kolonie. Die beiden grössten Plantagen heissen Clavier und Larcher und beschäftigen jeweils rund 160 Sklaven und Sklavinnen. Vergleicht man diese Zahlen mit den Angaben über die Plantagen auf den französischen Antillen im 18. Jahrhundert, kann man davon ausgehen, dass es sich um grosse Ländereien handelt.

Pourtalès und Thurneysen bauen vor allem Zucker, aber auch Kaffee, Kakao und Baumwolle an. Die Ernte wird in die Konsignation von Agassiz und Rougemont, zwei in London niedergelassene Schweizer Geschäftsleute, geschickt. Johann Jakob Thurneysen stirbt 1784, und seine Anteile in der Karibik gehen auf seine Witwe und die Kinder über. Pourtalès kauft 1792 und 1796 diese Anteile. Seine Investition endet 1797, als er seinen Besitz auf den Antillen verkauft.

Das «Tropenabenteuer» von Pourtalès und Thurneysen ist besonders interessant. Es handelt sich um den einzigen Fall einer in schweizerischem Besitz befindlichen Plantage des 18. Jahrhunderts, über die detaillierte Informationen vorliegen. Die zwischen Grenada und der Schweiz ausgetauschte Korrespondenz, die im Staatsarchiv Neuenburg abgelegt ist, gibt Einblick in das Leben von Europäern und Afrikanern auf solchen landwirtschaftlichen Betrieben.

Da die Besitzer nicht anwesend sind, werden die Plantagen von vor Ort lebenden Europäern geführt. Zwischen 1779 und 1786 sind dies die aus Neuenburg kommenden Brüder Pierre und François Meuron, mit denen Pourtalès bekannt ist. Mit dem Bewirtschafter namens Mayor, der 1785 die Plantagen übernimmt, gibt es gewisse Probleme. Er fälscht die Buchhaltung und kümmert sich trotz eines in seinem Anstellungsvertrag explizit festgehaltenen Verbots, andere Güter zu bewirtschaften, um zwei weitere Plantagen. Schliesslich wird er auch wegen seines Umgangs mit dem Personal kritisiert. Louis, der Sohn von Jacques-Louis Pourtalès, begibt sich 1792 auf Grenada, um Ordnung in die Verwaltung der Plantagen zu bringen. Er beschwert sich, 20 oder 30 Sklaven für die beiden Besitzungen kaufen zu müssen, was «angesichts der Menge an Negern, die M. Mayor gekauft hat, kaum zu glauben, letztlich aber bewiesen ist, wenn ich Ihnen mitteile, dass von den 14 Negern, die er gekauft hat […], allenfalls vier oder fünf arbeiten. Dasselbe lässt sich mehr oder weniger von seinen anderen Sklavenkäufen sagen. Wie Sie der Buchhaltung entnehmen werden, hat er immer aus zweiter Hand gekauft.» (Staatsarchiv Neuenburg [an], Fonds Pourtalès [fp], 43/ix, 19. Mai 1793)

Der ledige Mayor lebt zudem mit einer Sklavin namens Marie Rose zusammen, was ebenfalls Probleme mit sich bringt. So sind etwa die «übertriebenen Ausgaben von Marie Rose, die M. Mayor für sie tätigt, und sein Umgang mit ihr und die beträchtlichen Ausgaben, die sie in den Besitzungen verursacht» sowie die «bevorzugte Behandlung, die sie ihren Kindern zukommen lässt, während andere Negerinnen benachteiligt und damit unzufrieden werden», erfasst (FP 4/IX, Brief vom Vater an den Sohn, London, 1. Januar 1793). Auch manche auf der Plantage arbeitenden Europäer beschweren sich über den Einfluss von Marie Rose. So beklagt sich beispielsweise ein gewisser Dugué: «Er sagt, dass sich M. Mayor stark von seinen Launen tragen lässt und oft Befehle erteilt, die er dann wieder verleugnet, dass er diese oft durch seine geliebte Negerin erteilen lässt und sicher sein kann, dass die Art, sie zu empfangen, für einen Weissen entwürdigend ist. […] Sie [Marie Rose] lässt ihn Ungerechtigkeiten begehen, die den Betrieb aufbringen.» (Ebenda) Aus all diesen Gründen beschliesst Pourtalès, sich von Mayor zu trennen.

Jacques-Louis Pourtalès oder der Kosmopolitismus der Schweizer Pflanzer

Personen aus Genf, Zürich, Basel, der Waadt und Neuenburg waren am Sklavenhandel beteiligt oder liessen Sklaven auf ihren Besitzungen für sich arbeiten. Ihr Kosmopolitismus wirft allerdings die Frage auf, ob sie als Schweizer zu betrachten sind. Genf, wo viele dieser Kaufleute und Financiers herkommen, wurde erst 1815 an die Eidgenossenschaft angeschlossen. Für Neuenburg ist es noch komplizierter, da die Neuenburgerinnen und Neuenburger einer doppelten Treuepflicht unterstanden: 1814 gelangt Preussen nach einer kurzen Unterbrechung während der Napoleonischen Kriege wieder in den Besitz seines Fürstentums, stimmt aber gleichzeitig der Rückkehr von Neuenburg in die Eidgenossenschaft und der Erhebung in den Rang eines Kantons zu. Generell spielt das Nationalbewusstsein bis 1848 keine zentrale Rolle. Jacques-Louis Pourtalès ist ein gutes Beispiel für die wechselnden Identitäten dieser Vertreter der «hugenottischen Internationale». Ende des 18. Jahrhunderts beschreibt ein französischer Beamter in einer Denkschrift an das Direktorium die Tätigkeit von Pourtalès und betont dessen Kosmopolitismus: «Die Firma Pourtalez, führend in der Schweiz und eine der führenden in Europa, besitzt Kontore bis nach Indien, Afrika und Amerika. Die europäischen sind in Paris, Lyon, Port-Orient, Triest und an weiteren Orten. Aus diesem Grund ist Herr Pourtalez Bürger aller Nationen. Wenn die Engländer eines seiner Schiffe beschlagnahmen, ist er englischer Bürger. Wenn die französischen Reeder ebenfalls eines beschlagnahmen, ist Herr Pourtalez Bürger von Paris, Lyon, Port-Orient usw. Dieser Kosmopolit schlüpft auch oft in die Rolle eines Preussen [...].» (Zitiert nach Jequier 1996, S. 216)

Bei Bedarf versteht es Pourtalès auch, sich auf seine schweizerische Staatsbürgerschaft zu berufen. Im Oktober 1779, während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, bemächtigen sich drei englische Fregatten unter dem Befehl von Kommodore Lambert mehrerer französischer Schiffe. Eines der Schiffe transportiert Waren (Kaffee, Kakao), die Pourtalès und Thurneysen gehören. Diese richten daraufhin ein Schreiben an die englische Regierung, um ihr Eigentum zurückzufordern: «Nun kommt die Frage auf, ob Ihre Majestät von England den Herren Tourneisen und Pourtalès, die aus der Schweiz kommen, und von einer neutralen Nation, den oben erwähnten Kaffee und Kakao, die ihnen von der unter dem Befehl von Kommodore Lambert segelnden Fregatte Niger genommen wurden, zurückerstatten lassen sollte; da sie schweizerisches Eigentum und von deren Produktion und dem Gebiet ihrer Ländereien auf der Insel Grenada sind, glauben sich die Herren Tourneisen und Pourtalès dazu berechtigt und fordern sie ein, in der Hoffnung, dass der Gerechtigkeitssinn Ihrer Majestät von England sie ihnen nicht verweigert.» (FC, 47/II) Die englische Regierung scheint auf die Bitte nicht eingetreten zu sein.

Die Bewirtschafter sind nicht die einzigen Europäer, die auf den Plantagen leben. Daneben gibt es auch vielfach junge, aus armen Verhältnissen stammende Aufseher, deren Hauptaufgabe darin besteht, die Arbeitskräfte zu überwachen. 1778 beschreiben die Brüder Meuron in einem Brief die Unannehmlichkeiten, die ihnen ein nachlässiger Aufseher verursacht hat, worauf sie ihn entlassen haben: «[…] Die Sklaven nützen das immer aus, und man kann sich nur mit unendlicher Sorgfalt, einem hohen Mass an Bestimmtheit, Strafen, die aber nicht ungerecht sein dürfen, unzähligen Unannehmlichkeiten und einem oft hohen Zeitaufwand rühmen, wieder Ordnung in eine vernachlässigte Negereinheit zu bringen.» (AN, Fonds Coulon [FC], 47/II, Brief vom 22. Juli 1778)

Im Verlauf der Korrespondenz tauchen auch die Namen anderer Weisser auf, etwa Isaac Bontemps, der sich vermutlich um die Herstellung und Lagerung von Rum kümmert – er wird als «Rumier» bezeichnet. Auch er wird von Louis Pourtalès während seines Grenada-Aufenthalts entlassen: «Dieser junge Mann, über den wir uns in den ersten Jahren seines Aufenthalts auf Clavier glücklich schätzen konnten, hat seit einiger Zeit ausserordentlich nachgelassen und sich Geschäften gewidmet, die Schaden angerichtet haben. Bei meiner Ankunft fand ich einen grossen Teil unserer Neger sowohl auf Clavier als auch auf Larcher fast jeden Tag betrunken vor, und sie erlaubten sich Äusserungen, die einem Weissen gegenüber ausgesprochen ungehörig sind, und das oft ohne den geringsten Anlass; durch Nachforschungen erfuhr ich, dass selbst in den benachbarten Besitzungen die Neger den Rum von Clavier rühmten und sehr an M. Bontemps hingen. Das weckte in mir einen Verdacht, der sich in der Folge bestätigte, als ich erfuhr, dass er allen Negern Rum gab, in der Nacht sogar in grossen Kalebassen, die nahezu eine Gallone fassen, und im Gegenzug dafür Bananen erhielt, die, wie ich vermute, für seine Negerin bestimmt sind.» (FP, 43/IX, 19. Mai 1793)

Die zwischen Grenada und der Schweiz ausgetauschte Korrespondenz gibt auch Aufschluss über die als Sklaven gehaltenen Arbeitskräfte. Wie gesagt sind «Larcher» und «Clavier» grosse Besitzungen, die je rund 160 Sklavinnen und Sklaven beschäftigen. Ein Dokument aus dem Jahr 1775 beschreibt die verschiedenen Aufgaben dieser Arbeitskräfte auf Larcher: «3 Aufseher, 3 Raffinierer, 48 Neger für Gartenarbeit, 36 Negerinnen für Gartenarbeit, 8 Fassbinder, 2 Zimmermänner, 2 einfache Maurer, 2 Viehhalter, 4 Bananenhüter, 1 Aufpasser für den Sklavengarten, 1 Maultierhüter, 3 Essigmacher, 1 Hebamme, 1 männlicher und 1 weibliche Hausbedienstete; 1 männlicher Haussklave für den Verwalter; 9 arbeitende Negerjungen; 3 arbeitende Negermädchen; 24 kranke oder zu alte Neger und Negerinnen; 8 Kleinkinder […].» (FC, 47/I, 9. Juli 1789)

Dank der Studien von Debien und Cauna über die Antillen im 18. Jahrhundert kann das Funktionieren solcher Plantagen, die anderen Wirtschaftsbetrieben der Region gleichen, beschrieben und können so die Lücken der Neuenburger Archive in diesem Punkt gefüllt werden. Die Sklaven sind im Allgemeinen in drei Kategorien eingeteilt. Da gibt es zum einen die Haussklaven, also Dienstboten, die dem Besitzer oder dem Verwalter zur Verfügung stehen. Ist der Besitzer abwesend, beschränkt sich ihre Zahl auf einige wenige. So gibt es auf Larcher beispielsweise nur drei Hausbedienstete. Die zweite Kategorie, die Arbeiterinnen und Arbeiter der Besitzungen, kümmern sich um den landwirtschaftlichen und industriellen Betrieb. Es sind dies die Raffinierer, die aus dem Zuckerrohr Zucker herstellen, die Maultierhüter, die sich um die Lastentiere kümmern, die Zimmerleute und Maurer, die Böttcher, die Fässer herstellen, und schliesslich die Viehhüter und die Bewacher der angeschlossenen Ländereien, auf denen ein Teil der Lebensmittel angebaut wird (Bananenstaudenhüter). Die Sklaven im «Garten» bilden die dritte, zahlenmässig grösste Kategorie. Sie unterstehen einem oder mehreren Aufsehern und arbeiten in den Plantagen. Auf Ländereien von einer gewissen Grösse unterscheidet man im Allgemeinen drei Einheiten: die grosse Einheit, wo die kräftigsten Arbeiterinnen und Arbeiter beschäftigt sind, denen die mühsamsten Arbeiten übertragen werden; die zweite Einheit, in der sich die weniger starken und neu ankommenden Sklaven befinden; und schliesslich die kleine Einheit, wo die sechs- bis 13-jährigen Kinder unter Aufsicht einer Matrone mit leichten Arbeiten betraut werden.

1775 wird für Clavier eine kleine Einheit aufgeführt. Der Hinweis auf Negerjungen und Negermädchen, die auf Larcher arbeiten, lässt vermuten, dass auf dieser Plantage ebenfalls Kinder eingesetzt werden. Im Übrigen findet die Kinderarbeit 1778 bei den Brüdern Meuron ausdrücklich Erwähnung: «Alle 20 Negerjungen gedeihen prächtig, sie erfüllen beherzt die ihnen zugeteilten einfachen Arbeiten und entwickeln sich vielversprechend; auch lässt man ihnen jene Sorgfalt zukommen, die man neuen Negern gegenüber immer walten lassen sollte, die ihnen zu erweisen auf den meisten Inseln aber vernachlässigt wird.» (FC, 47/II, Brief vom 22. Juli 1778)

Wie sehen die Lebensbedingungen dieser versklavten Arbeitskräfte aus? Die Sterberate ist erheblich. In der Korrespondenz, die zwischen Grenada und Neuenburg hin- und hergeht, finden sich zahlreiche Hinweise auf Sklaven, die an «Blutungen», «Faulfieber» oder «Magenschmerzen» sterben oder «weil sie Erde gegessen haben». Louis Pourtalès zeigt sich während seines Aufenthalts auf Grenada dennoch offen für die Gesundheitsprobleme der Arbeiterinnen und Arbeiter. Er lässt sie gegen Pocken, die damals auf den Antillen weit verbreitet sind, impfen. Seinem Vater schreibt er: «Ich muss ihnen einen Verlust mitteilen, der uns ebenfalls trifft. Seit einiger Zeit grassieren in dieser Gegend heftige Pocken, und leider waren sie sehr bösartig und konfluierend […], viele unserer Neger sind gleich so heftig erkrankt, dass wir trotz der beharrlichen Pflege von Dr. La Roche mehrere verloren haben, darunter leider ausgezeichnete Neger wie den Mühlenmeister Abraham, Ignam aus der Essigherstellung, Grégoire, Pirame, Marie Claire und drei Kinder; da diese schlimme […] weiter herrschte und sich auf die restliche Einheit auszubreiten begann, habe ich mich entschieden, auf Clavier alle zu impfen, was so erfolgreich war, dass wir keinen einzigen Verlust hatten; auf Larcher hatten wir mehr Glück, nur fünf oder sechs wurden krank und ich habe sie sofort auf Clavier bringen lassen, und von diesen haben wir nur den alten Neger Jeudy verloren, der schon lange krank und lebensmüde war. Wenn die Beschäftigung es zulässt, muss man auch auf Larcher die ganze Sklaveneinheit impfen, um nicht noch einmal das Risiko einzugehen, dass man in der Mitte der Ernte aufgehalten wird, wie dies der Fall war.» (FP, 43/IX, 19. Mai 1793) Louis Pourtalès sorgt sich auch um die Ernährung der Sklaven. Er richtet beispielsweise eine kleine Nebenplantage ein, auf der Lebensmittel angebaut werden.

Ein Beispiel für abwesende Plantagenbesitzer in Surinam: die Basler Dynastie der Faesch

In der holländischen Kolonie Surinam in Südamerika finden sich ebenfalls Pflanzer, die ihr Eigentum von der Schweiz aus verwalten. Die früheste Erwähnung findet der Genfer François Fatio (1622–1704), der dort seit 1693 drei Viertel einer Zuckerrohrplantage besitzt und diesen auf Sklavenarbeit beruhenden Betrieb seinem Sohn Jean-Baptiste vererbt.

Die Basler Brüder Johannes (1725–1768) und Johann Jakob Faesch (1732–1796) sind ebenfalls Grundbesitzer in Surinam. Die beiden heiraten in den 1750er-Jahren zwei Töchter des Holländers David de Hoy. Als Mitgift erhalten sie vier Plantagen, darunter Hoyland, das nahezu ein Jahrhundert lang in Basler Besitz bleibt (Bodmer 1946, S. 310). Die beiden Brüder verwalten ihre Geschäfte von Amsterdam aus. Konkret exportieren sie beispielsweise europäische Erzeugnisse nach Westindien und importieren Zucker und Kaffee aus ihren amerikanischen Besitzungen. Nach dem Tod seines Bruders im Jahr 1768 kümmert sich Johann Jakob Faesch allein um diese Ländereien, zuerst über seine eigene Gesellschaft und ab 1794 als Gesellschafter der Firma Braunsberg, Faesch&Cie. Ein Brief, den der Basler im Mai 1790 seiner Tochter Margaretha Maria Ryhiner-Faesch schreibt, gibt Auskunft über die von Amsterdam aus getätigte Verwaltung der Besitzungen in Surinam: «In Erwartung der Rückkehr meines Kapitäns Palm, der erst wieder Ende Juni oder Anfang Juli hier sein kann, worauf ich dann bis über beide Ohren beschäftigt sein werde, beginne ich unterdessen, viel Zucker abzusetzen; und wenn das so weitergeht, werde ich ein gutes Jahr haben, trotz des Verlusts von Negern, wenn nicht die Epidemie weitergeht, obgleich die letzten Mitteilungen in dieser Angelegenheit alles andere als günstig sind und man die neuen Neger der Küste sehr teuer bezahlen muss, man hat mir welche für f 600 das Stück gekauft.» (Staatsarchiv Basel [SAB], PA 115 II C 6,1)

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Plan der Plantage Hoyland aus dem Jahr 1739.
(Staatsarchiv Basel, Priv . Arch. 513 III, A 5 a)

Nach dem Tod von Johann Jakob Faesch im Jahr 1796 geht sein Besitz auf seine fünf Kinder über. Der Älteste, Jean-Jacques, übernimmt die Geschäfte seines Vaters in Amsterdam und die Verwaltung der Besitzungen in Surinam. Im Jahr 1800 gründet er seine eigene Gesellschaft, die J. J. de Faesch&Cie. Während der ersten Jahre des 19. Jahrhunderts laufen die Geschäfte der Faeschs in Surinam angesichts der Besatzung der Kolonie durch die Engländer und der von Napoleon verhängten Kontinentalsperre schlecht. 1815 verbessert sich die Lage aber wieder, und 1822 lässt Faesch 20 zusätzliche Sklaven für Hoyland kaufen. Der Kostenaufstellung für die Plantage sind folgende Zahlungen zu entnehmen: «f. Kauf von Negern (4 Männer, 6 Frauen, 4 Knaben, 6 Mädchen) – F. 8460» (SAB, PA 513 III A 5).

Aufgrund finanzieller Probleme der J. J. de Faesch&Cie. überträgt die Familie Faesch 1827 die Verwaltung der Besitzungen in Surinam der Firma Moyet&Cie. in Amsterdam. Obwohl zu diesem Zeitpunkt der transatlantische Sklavenhandel bereits verboten ist, sind die Basler Erben entschlossen, die Plantagen weiterhin mit Sklaven zu bewirtschaften. Am 19. Mai 1827 halten sie in einem Schreiben fest: «Wir […] wiederholen noch einmal unsere Überzeugung, dass die Kolonialbesitzungen zwar nicht ohne Gefahren sind, wir aber entschlossener denn je sind, die unseren zu behalten und das Risiko von Ereignissen einzugehen, die wir gerne noch in weiter Ferne wähnen.» (SAB, PA 513 III A5) Die Nachkommen von Johann Jakob Faesch sind zu diesem Zeitpunkt Eigentümer der Plantagen Hoyland und Voorburg und besitzen einen Teil von Montrésor. 1829 erhalten sie von Moyet&Cie. Nachricht über ihre Geschäfte: «M. Pichot unterrichtet Sie über die Bauarbeiten, die er auf Hoyland durchführen liess, über die Reparatur der Mühle, den Kauf von vier Negern bei einer öffentlichen Veräusserung […] und weiteren fünf […]. Wir stellen im Übrigen erfreut fest, dass M. Pichot den Zustand von Hoyland gegenwärtig befriedigend findet und der Ansicht ist, die momentane Bevölkerung sollte […] mehrere Jahre ausreichen, ohne dass grössere Ausgaben nötig werden, und wenn man einen noch besseren Ertrag erzielen wollte, ohne gleichzeitig Neger zu engagieren, man sich eine Dampfmaschine zulegen sollte […]. Die Nachrichten, die M. Pichot über den Zustand von Voorburg gibt, sind bei weitem nicht so erfreulich wie jene von Hoyland, da der schlechte Zustand der Gebäude Reparaturen und daher unvermeidliche Ausgaben erforderlich macht, dafür glaubt er, dass die Arbeiten an der Schleuse leichter ausgeführt würden und besser vorangegangen sind als erwartet und dass mit Hilfe von acht Negern, die zu diesem Zweck gemietet wurden, der Ertrag der Plantage nicht gelitten habe […].» (Ebenda)

Laut Angaben des Historikers Bodmer befinden sich Hoyland und Voorburg noch 1850 in Basler Besitz; im Jahr darauf wird Voorburg verkauft, und da 1863 in Surinam die Sklaverei abgeschafft wird, ist zu vermuten, dass auch Hoyland vor diesem Datum von den Baslern aufgegeben wird.

Ein Aspekt, der die Schweizer betrifft, die von Europa aus ihre Besitzungen auf den Antillen verwalten, sei besonders hervorgehoben: Auch wenn die Plantagen für manche eine gewinnbringende Investition gewesen zu sein scheinen – unter den zahlreichen Geschäftsbereichen von Pourtalès wirft nur der Handel mit Indienne-Stoffen höhere Erträge ab als die Besitzungen auf den Antillen (Bergeron 1970, S. 514) –, hat niemand in Amerika allein ein grosses Vermögen erworben. Die Kapitalanlagen auf den Karibischen Inseln sind nur eine von vielen Einkommensquellen dieser Kapitalbesitzer. Der Kauf einer Plantage folgt der Logik von Investitions- und Risikodiversifizierungen. Anders sieht es für die Schweizer aus, die aufbrechen, um sich auf den Karibischen Inseln niederzulassen.

Im Unterschied zu den Familien Pourtalès, Fatio und Faesch emigrieren im 18. Jahrhundert eine Reihe von Waadtländern, Genfern, Zürchern und Baslern nach Amerika und auf die Antillen. Im Wesentlichen handelt es sich um Pflanzer, die auf ihren Ländereien dank der Arbeit ihrer schwarzen Sklaven Zucker, Baumwolle, Kaffee und Reis anbauen. Die Beispiele sind zahlreich. Im Folgenden gehen wir auf den Fall des Waadtländers Jean Samuel Guisan ein, der uns besonders interessant erscheint.

Jean Samuel Guisan: Offizier und Verwalter in Surinam, Königlicher Ingenieur auf Französisch-Guayana

Im Jahr 1768 lebt der aus der Waadt stammende Jean Samuel Guisan (1740–1801) bereits seit einigen Monaten in Lyon bei einem Familienangehörigen. Zuvor verbringt der gelernte Zimmermann zehn Jahre in Genf, wo er insbesondere sein Fachwissen vertiefen kann. Er trifft Vorbereitungen, nach Paris zu ziehen, wo er «seine Fähigkeiten als Architekt pflegen» möchte, als er einen Brief seines Onkels erhält, der ihn auffordert, nach Surinam zu kommen. Guisan willigt ein. Nach einer mehrmonatigen Wartezeit wird er dank seines Onkels zum Unterleutnant der holländischen Kompanie von Surinam ernannt und schifft sich im Frühjahr 1769 nach Paramaribo ein. In dieser Gegend wird er über 20 Jahre verbringen. Über seinen Aufenthalt haben wir dank seiner Memoiren, die er am Ende seines Lebens verfasst, Kenntnis. Auf ihrer Grundlage hat Charles Eynard 1844 die Biografie von Guisan verfasst.

Nach seiner Ankunft in Surinam lässt sich Jean Samuel Guisan auf den Zucker- und Kaffeeplantagen nieder, die seinem Onkel und dem aus Moudon stammenden Herrn Sugnens, Pastor der französischen Kirche in Paramaribo, gehören. Diese Besitzungen mit Namen «La Liberté» und «Accaribo» werden mit Hilfe von mindestens einem Dutzend Sklaven bewirtschaftet. Guisan freundet sich mit einem Landsmann an, Herrn Chifféli (oder Tchiffely) aus La Neuveville, der das Grundstück seit 20 Jahren verwaltet. Auch andere Grundstückbesitzer gehören zu seinem Bekanntenkreis, darunter ein gewisser Chaillet aus Neuenburg, der in der Umgebung von Paramaribo eine Plantage besitzt.

Die Bewirtschaftung der Ländereien scheint wenig einträglich. 1772/73 erzielt Guisans Onkel infolge sinkender Zucker- und Kaffeepreise, die auf die Konkurrenz aus Saint-Domingue zurückzuführen sind, erhebliche Verluste. Verlustreich ist auch die Auflösung seines Unternehmens, als er 1780 stirbt. Guisans Onkel ist nicht der Einzige, der in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Die Mehrheit der rund 700 in den 70er-Jahren des 18. Jahrhunderts in Surinam errichteten Betriebe, die 85000 Sklaven und Sklavinnen beschäftigen, weisen in finanzieller Hinsicht enttäuschende Ergebnisse auf. Denn die Republik Holland bietet im Gegensatz zu Grossbritannien und Frankreich keine Garantien, den in den Kolonien erzeugten Zucker zu hohen Preisen für den Binnenmarkt abzunehmen. Umso ungewisser ist das Geschäft der Pflanzer in Surinam, die sich in Konkurrenz zu anderen Pflanzern befinden, die sowohl hinsichtlich der Mengen als auch hinsichtlich des Schutzes durch ihre merkantilistischen Staaten im Vorteil sind.

Trotz dieser Schwierigkeiten erscheint Surinam den Kolonialbehörden von Französisch-Guayana als Schlaraffenland. Zu erwähnen ist, dass Französisch-Guayana 1763 ein beispielloses Desaster erlebt. Frankreich geht besiegt und geschwächt aus dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) hervor: Es verliert nahezu alle kolonialen Besitzungen in Indien, Afrika und Nordamerika. Nur die Kolonien auf den Antillen (Martinique, Guadeloupe, Saint-Domingue) und in Lateinamerika (Guayana) bleiben verschont. Um die Verluste auszugleichen, beschliesst die französische Regierung, Guayana zu erschliessen und dort mit europäischen Siedlern eine Niederlassung zu errichten. 1763 wird die Emigration von 12000 Freiwilligen organisiert, denen man das Blaue vom Himmel verspricht. Die «Expedition» entpuppt sich jedoch als Alptraum. Die fehlende Infrastruktur, Krankheiten und Hunger dezimieren die Tausenden von Menschen, die nach Guayana aufgebrochen sind. Schliesslich werden 2000 Siedlerinnen und Siedler wieder nach Frankreich repatriiert, und nur rund 60 Familien beschliessen, vor Ort zu bleiben.

1776 wird Pierre-Victor Malouet, ein ehemaliger Kommissar auf Saint-Domingue, nach Französisch-Guayana geschickt, um die Ursachen für die «Unterentwicklung» dieser Kolonie zu erforschen und Abhilfe zu schaffen. Er stellt fest, dass sich die Besitzungen vor allem in den Hochlagen am Rand der äquatorialen Wälder ausgebreitet haben und die Niederungen an der Küste, die je nach Höhe aus Sümpfen, Savannen oder Waldmassiven bestehen, vernachlässigt sind. Er beschliesst daher, nach Surinam zu gehen, um dort unter anderem die Technik der «Polderisierung» zu studieren, die seit dem Mittelalter in Holland angewandt wird und darin besteht, dem Meer (sowie in selteneren Fällen den Sümpfen) Land abzugewinnen, Deiche zu bauen, das Land zu entwässern und zu nutzen. «Nachdem ich alles gesehen und sorgfältig studiert habe […], empfand ich es als nötig, mich mit einem tüchtigen Mann zu verbinden, der Ingenieur-Fähigkeiten besitzt und die praktischen Erfahrungen mit der Einstellung eines Landwirtes verbindet; ich machte mich sorgfältig auf die Suche und wandte mich dafür an Freunde und Feinde der Regierung, da ich überzeugt war, dass jemand, der auf beiden Seiten Unterstützung findet, ein interessanter Mensch sein muss.» (Malouet, zitiert nach Eynard 1844, S. 72f.) Seine Wahl fällt schliesslich auf Jean Samuel Guisan, der sich mit dem Versprechen überzeugen lässt, zum Infanteriekapitän ernannt und in den Rang eines – hochdotierten – «Chefingenieurs für den hydraulischen und landwirtschaftlichen Bereich» befördert zu werden.

In seiner Amtszeit in Französisch-Guayana setzt sich Guisan für die Nutzung der Kolonie ein. Er bemüht sich vor allem um die Erschliessung des Küstenstreifens, wo er umfangreiche Arbeiten zur Trockenlegung der Sümpfe realisiert, zahlreiche Polder einrichtet und einen Kanal bauen lässt. Auf ihn geht auch der Bau der ersten Zuckerfabrik in der Kolonie zurück. Zudem betätigt sich Guisan im Botanischen Garten von Cayenne und auf dem Gut La Gabrielle, einer Lebensmittel produzierenden Plantage im Besitz des französischen Königs. In diesem Zusammenhang ist er an der Einführung und dem späteren Aufschwung der Gewürznelken in Guyana beteiligt.

Für seine Aufgaben sind ihm zahlreiche Sklaven unterstellt. So werden beispielsweise die Terrassierungsarbeiten von Schwarzen durchgeführt; ebenso ist La Gabrielle eine ansehnliche Plantage mit einem Sklavenbetrieb, den es zu verwalten gilt. Die von seinem Biografen genannten Zahlen sind beeindruckend: Um den Küstenstreifen zu erschliessen, begibt sich «Guisan im Juli 1782 […] nach Approuague. Er liess sich mit einer Gruppe von 800 Schwarzen am linken Flussufer drei Meilen vom Meer entfernt nieder» (Eynard 1844, S. 263); und auf La Gabrielle wird ihm «eine Erhöhung um 700 Neger für den königlichen Betrieb genehmigt, kaum hatte er den Wunsch danach geäussert» (ebenda, S. 144).

Die Ereignisse im Zusammenhang mit der Französischen Revolution setzen der Karriere des Waadtländers ein Ende. Ihm wird vorgeworfen, dem Gouverneur nahe zu stehen, und im Juli 1791 muss er nach Europa zurückkehren. Seine auf den Antillen erworbenen Fähigkeiten stellt er später in den Dienst seiner Heimat, indem er in der helvetischen Republik als Tiefbauingenieur tätig ist. Guisan stirbt am 19. Juni 1801 im Alter von 61 Jahren.

Die Pflanzer sind nicht die einzigen Eidgenossen, die sich auf dem amerikanischen Kontinent niederlassen. Weitere Schweizer finden sich auch im Kolonialhandel. Sie sind insbesondere im Verkauf von verarbeiteten Erzeugnissen, die aus Europa importiert werden, und im Export von Kolonialwaren tätig. Der Zürcher Salomon Kitt (1744–1825) gründet beispielsweise in St.Eustatius die Firma Kitt&Reinwald und in St.Thomas mit dem Basler Reinhard Iselin (1714–1781) die Firma Kitt, Iselin& Co. (Peyer 1968, S. 177f.). Die beiden Unternehmen sind im Konsignationsgeschäft für Kaufleute tätig, die sich insbesondere in Amsterdam niedergelassen haben.

Wie wir gleich sehen werden, sind Isaak Faesch und Johann Jakob Hoffmann ein gutes Beispiel für Schweizer Kaufleute, die es in den Tropen zu Reichtum gebracht haben. Isaak Faesch kann auch von seinen Aufgaben in der holländischen Kolonialverwaltung profitieren, um ein Vermögen anzuhäufen. Wie Guisan zwingt auch er uns, die Einteilung der auf den Antillen oder in Amerika lebenden Schweizer in Pflanzer, Händler, Beamte und Soldaten zu relativieren, da manche im Lauf ihrer Karriere gleichzeitig oder nacheinander mehrere dieser Berufe ausüben. Jedenfalls gehören auch sie in die Kategorie der Schweizer Sklavenbesitzer, mit der wir uns in diesem Kapitel beschäftigen.

Isaak Faesch und Johann Jakob Hoffmann: zwei Basler erwerben auf den Antillen ein Vermögen

Über die Tätigkeit der zwei Basler Isaak Faesch und Johann Jakob Hoffmann im 18. Jahrhundert auf den holländischen Antillen liegen uns dank eines Korrespondenzbuchs, das eine bedeutende Anzahl Briefe in holländischer und französischer Sprache enthält, ausführliche Informationen vor.

Isaak Faesch (1687–1758), der Onkel des bereits erwähnten Johann Jakob Faesch (vgl. Dynastie der Faesch), tritt in den Dienst der West-Indischen Compagnie und wird 1737 zum Gouverneur der holländischen Kolonie auf St.Eustatius ernannt. In dieser Funktion schlägt er einen Aufstand auf der Insel St.Marteen nieder. 1740 wird Faesch zum Gouverneur von Curaçao befördert. Während seiner Geschäftstätigkeit in St.Eustatius besitzt der Basler offenbar Sklaven. Am 3. Januar 1741 schreibt er an einen Korrespondenten in Amsterdam: «Ich habe das Pech, in St.Eustatius […] ein beträchtliches Vermögen zurückzulassen, das ich mir trotz meinen Bemühungen und meinem Entschluss, alle Anzahlungen zu akzeptieren, vor meiner Abfahrt nicht habe auszahlen lassen können. Ich muss mich gegenwärtig noch um einen Teil des Schmucks, Gold- und Silbermedaillen, Goldkugeln, Sklaven, Möbel und anderen Kram kümmern, die ich nicht losgeworden bin.»

Während seiner Zeit als Gouverneur floriert die Kolonie Curaçao, eine Drehscheibe für den Weiterverkauf von Sklaven an englische und französische Pflanzer auf den Antillen. Während der Amtszeit des Baslers gehen Tausende Afrikanerinnen und Afrikaner in diesem Hafen von Bord (Goslinga 1985, S. 612). Faesch besitzt selbst Dutzende Schwarze, die er mehrheitlich auf der Plantage Hato arbeiten lässt, die der holländischen West-Indischen Compagnie gehört. Anfang 1750 bricht dort ein Aufstand aus, als die den Sklaven zugeteilten Lebensmittelrationen reduziert werden. Der Basler Gouverneur gibt Befehl, die Rebellion rücksichtslos niederzuschlagen. Innerhalb eines Tages bekommt die abkommandierte Miliz die Situation in den Griff. 48 Schwarze werden enthauptet, ihre Körper verbrannt und die Köpfe auf Pfosten im Hafen ausgestellt. Faesch, der selbst 39 Sklaven verliert, beklagt einzig den finanziellen Verlust durch den Aufstand.

Als Gouverneur ist es Isaak Faesch nicht mehr erlaubt, in Handelsgeschäften tätig zu sein; sein Partner Johann Jakob Hoffmann übernimmt daher offiziell die Geschäfte und wird vom Neffen Isaak Faeschs, Johann Rudolf Faesch, unterstützt. Johann Jakob Hoffmann und Johann Rudolf Faesch arbeiten ebenso wie Isaak Faesch bis 1740 als Kommissionäre für holländische Gesellschaften und Händler und verkaufen die Erzeugnisse, die diese auf die Inseln senden: hauptsächlich Stoffe, von denen einige in der Schweiz hergestellt werden. Die Textilien sind grossenteils für den illegalen Export in die spanischen Kolonien Amerikas bestimmt. Neben dieser Tätigkeit exportieren die beiden Basler Zucker, Kaffee, Tabak, Kakao und andere Kolonialwaren nach Amsterdam.

Johann Jakob Hoffmann beteiligt sich auch auf eigene Rechnung und auf Rechnung seiner Geschäftspartner in St.Eustatius am Handel mit afrikanischen Sklavinnen und Sklaven (Bodmer 1946, S. 305). Er ist der einzige Schweizer auf den Antillen, über den wir einen Hinweis auf Beteiligung am Sklavenhandel gefunden haben (siehe erstes Kapitel). Hoffmann kauft den englischen Händlern in St.Christopher Afrikanerinnen und Afrikaner ab und lässt sie nach Venezuela an die Küste bringen, wo sie gegen Kakao eingetauscht werden. Um Steuern zu vermeiden, die in Curaçao für den Schwarzenhandel zu entrichten sind, gibt der Basler übrigens die Order, die Sklaven als Seeleute zu verkleiden. Die Anweisungen Hoffmanns an einen Handelspartner zeugen von diesem Geschäft mit dem Sklavenhandel:

«[…] Als ich diesen meinen Brief schon abgeschlossen hatte, vernahm ich, dass in St.Christoffer täglich einige Negerschiffe erwartet werden, aber dass dort keine Sklaven benötigt werden. Bitte kaufen Sie auf meine Rechnung etwa 30–35 Köpfe Sklaven im Alter von 15–16 Jahren. Bezahlen Sie aber nicht mehr als 70–75 peseten pro Stück. […] Damit dieser Sklavenankauf vorteilhaft für mich wird, kann ich zwei Drittel Mädchen und ein Drittel Buben annehmen – unter der Bedingung, dass sie sorgfältig ausgesucht werden, frei von Gebrechen und ‹Gesichten› sind, besonders die, die für die spanische Küste bestimmt sind und die für meine Rechnung fahren werden. Die Sklaven sollen dem Kapitän zu sorgfältiger Behandlung anbefohlen, gut versorgt und verpflegt werden, damit sie nicht Schaden nehmen, auch sollten sie nicht eng eingepfercht werden.» (Zitiert nach Debrunner 1994, S. 9f.)

Als Hoffmann 1742 seine Anteile an Johann Rudolf Faesch abtritt und nach Europa zurückkehrt, verliert sich die Spur dieses Basler Geschäfts. Isaak Faesch ist bis zu seinem Tod 18 Jahre lang Gouverneur von Curaçao. Als er im Oktober 1758 stirbt, hinterlässt er ein beträchtliches Vermögen.

Die Schicksale der Schweizer, die auf die Antillen oder nach Südamerika auswandern, weichen stark voneinander ab. Manche wie Isaak Faesch oder der Neuenburger Pierre Alexandre DuPeyrou (1729–1794) bringen es zu einem Vermögen. Der in Paramaribo in Surinam geborene DuPeyrou gelangt durch eine Erbschaft in den Besitz von Grundstücken in dieser Kolonie. Später lässt er sich in Neuenburg nieder und erzielt ein ansehnliches Einkommen aus seinen Überseebesitzungen. Aus einer einzigen Plantage bezieht er jährlich zwischen 24000 und 40000 Livres, was dem Tausendfachen eines damaligen Lehrerlohns in Neuenburg entspricht. Jacques-Pierre Brissot, der in der französischen Abolitionistenbewegung während der ersten Revolutionsjahre eine wichtige Rolle spielt (siehe drittes Kapitel), widmet dem Lebensstil DuPeyrous in seinen Memoiren einige Zeilen:

«Herr DuPeyrou wohnte in einem herrlichen Palais, dessen Bau ihn mehr als eine Million kostete, da es oft nötig war, die Natur zu bezwingen und aus der Ferne Materialien oder Möbel herbeizuschaffen. Der vergoldete Salon, der besser zu Paris passen würde als in eine verlassene Bergwelt, stand in allzu grossem Kontrast zur Einfachheit des Herrn, der Wohltätigkeit seiner Gemahlin und der Büste Rousseaus, die dort verehrt wurde. Ich bedauerte, dass Herr DuPeyrou sein immenses Einkommen, das er aus seinen Plantagen in Surinam bezog, nicht im öffentlichen Nutzen einsetzte […].» (Brissot 1911, Bd. 1, S. 289f.)

Für andere wie den Genfer Jean Trembley (1719–1791) erweist sich der Aufenthalt auf den Karibischen Inseln als schwieriger. 40 Jahre lang muss Trembley als Eigentümer und Verwalter von Plantagen in Saint-Domingue einen Misserfolg nach dem anderen einstecken. In einem Brief, den er 1785 an seinen Vetter schreibt, zeichnet er die wichtigsten Etappen seines Lebens nach:

«Einer unserer Landsleute verkauft mir ein Grundstück im Flachland von Cap, um eine grosse Summe zurückzuzahlen, die er mir schuldete. Er betrügt mich schändlich. Nach einigen Jahren fruchtloser Arbeit auf diesem Land und dem Verlust von Negern sehe ich mich gezwungen, es unter grossen Verlusten wieder zu verkaufen. Ich kehre nach Artibonite [Region in Saint-Domingue] zurück, wo ich mich zuerst aufgehalten hatte. Dort erwartet mich neues Unglück […]. Ich übernehme ein landwirtschaftliches Grundstück: Der Hof brennt ab und ich erleide Verluste […]. Ein ausgezeichneter Freund bietet mir Zuflucht und ein kleines Grundstück an, um es mit ein paar Negern, die mir geblieben sind, zu bewirtschaften. Ich richte dort eine Baumwollplantage ein, die eine reiche Ernte verspricht, doch diese wird durch Raupen fast vollständig vernichtet. Es gelingt mir dennoch, mich durch den Kauf von Negern auf Kredit zu festigen. Ich übernehme ein bewässerbares Land zur Bewirtschaftung, leite in mühseliger Arbeit vom Oberlauf eines Flusses an einer Staustelle Wasser her und verteile es. Ich baue Indigo und Baumwolle an. Die Indigo-Pflanzen geben wenig her, und die Baumwolle, die im ersten Jahr im Verhältnis zum kleinen Umfang des Geländes, das ich dafür verwendet habe, hohe Erträge abwirft, bringt in den kommenden Jahren, als ich meine Pflanzungen ausdehne, fast nichts mehr ein.» (Zitiert nach Debien 1955, S. 14f.)

Nach weiteren Unternehmungen, die ebenfalls scheitern, stirbt Trembley 1791. Vermutlich fällt er einem Aufstand auf der Insel zum Opfer.

Bisher sind wir auf den Fall individueller Auswanderer eingegangen. Es gibt aber auch Beispiele kollektiver Auswanderungen von Schweizern, die in Gruppen nach Amerika aufbrechen, um dort Kolonien zu gründen. Sie lassen sich als Grundstückseigentümer nieder und setzen für die Bewirtschaftung ihrer Besitzungen Sklaven ein. Zwei solche Erfahrungen seien hier näher beschrieben: eine in Surinam und eine in den nordamerikanischen Kolonien.

Eine «Basler Kolonie» in Surinam

Auf Anregung des Gouverneurs von Surinam, Johan Jacob Mauricius, beschliessen die holländischen Behörden 1747 einen Plan zur Besiedlung des Landes mit Schweizern und Deutschen. Zu diesem Zweck wenden sie sich an die Basler Regierung: «Die Herren Bürgermeister der Stadt Amsterdam haben gemeinsam mit den Herrschaften der Surinam- Gesellschaft beschlossen, in genanntem Land in Amerika, das unvergleichlich fruchtbarer ist als die besten Böden Europas und in einem ausgezeichneten Klima, eine neue Niederlassung mit einer Anzahl Familien von Schweizer Landwirten zu gründen. In dieser Angelegenheit haben sie sich an die hohen und mächtigen Herren, die Magistraten von Basel, gewandt, um die Erlaubnis zu erhalten, die besagten Familien, die sich in erwähntem Surinam niederlassen wollen, ausreisen zu lassen.» (SAB, Auswanderung A 2.)

Die von Amsterdam unterbreiteten Bedingungen sind viel versprechend: Die Überfahrt nach Amerika wird bezahlt und die Siedler erhalten in Surinam so viel Land, wie sie bebauen können, Lebensmittel, Werkzeug und Zuchttiere. Zudem halten die holländischen Behörden detailliert fest: «Jeder Familie werden zehn Sklaven zugesprochen, die ihnen helfen sollen, ihr Land urbar zu machen.» (Ebenda) Die Tatsache, dass ihren Bürgern Sklaven versprochen werden, übergehen die politischen Behörden in Basel kommentarlos; dieser Umstand scheint kein Problem darzustellen. Sie willigen ein, den Appell weiterzuleiten, und halten ausdrücklich fest: «Die interessierten Familienoberhäupter müssen sich vor kommendem Januar beim Basler Kommissar und Abgeordneten vorstellen – man erwartet von ihnen, dass sie unserer Heiligen Reformierten Religion angehören, dass es in der Familie mindestens drei arbeitsfähige Männer gibt und sich keine unheilbar Kranken darunter finden […].» (Ebenda) Schliesslich brechen im Jahr 1748 zehn Basler Familien mit insgesamt 93 Personen nach Surinam auf. Aufzeichnungen darüber, ob sich ihnen Bürger anderer Kantone angeschlossen haben, liegen uns nicht vor.

Nachdem die Basler und Baslerinnen über drei Monate in Amsterdam auf die Überfahrt gewartet haben, gelangen sie schliesslich nach Surinam, wo sie mit deutschen Immigranten eine Kolonie in Oranjepad in der Gegend des Para-Flusses errichten. Der Gouverneur hofft, mit ihrer Anwesenheit in dieser Region die Marronage, das Flüchten von Sklaven, eindämmen zu können. Doch die Lebensbedingungen, die die Basler Familien erwarten, scheinen den in Amsterdam gemachten Versprechungen nicht gerecht zu werden. Am 29. Dezember 1748 richtet Heinrich Dägen im Namen der anderen Siedler ein Schreiben an die Stadt Basel. Er betont, dass sie fast verhungern, und beteuert: «Ein hohe obridgkeidt Sie wollen doch auff angsterdam schreiben das wird wieder aus dem land kommen können wir sahen nie kein Pfarherr man kan kein kindt nicht lassen lehren, wir wissen von kainem sondag nicht in summa ich kan nicht alles shreiben wie hier das land ist und wan einer nur ein wordt sagt so wirdt man gleich angeschlossen.» (SAB, A 3/140)

Heinrich Dägen verbringt tatsächlich fast ein Jahr im Gefängnis, offenbar weil er gefordert hat, dass die von Amsterdam der Stadt Basel gegebenen Versprechen eingelöst werden. Nach seiner Freilassung – nach der er allerdings immer noch auf einem holländischen Fort arbeiten muss – wendet er sich am 3. Oktober 1749 erneut an den Basler Bürgermeister: «Wir sind gehalten wie Sklaven.» (SAB, A 3/179) Der Gouverneur von Surinam vermerkt übrigens in seinem Tagebuch: «Die Schweizer verursachen mir viel Ärger.» (Zitiert in Goslinga 1985, S. 664) Inzwischen werden die Schweizer Siedler auch von entflohenen Sklaven angegriffen. Ein grosser Teil stirbt aber vor allem an Tropenkrankheiten. 1751 ist die kleine Kolonie ausgelöscht, nur elf aus Basel und der Pfalz kommende Immigranten haben überlebt (Poulalion 1986, S. 41).

Die Schweizer Kolonien in den Vereinigten Staaten

Auch die Schweizer, die in eine der 13 Kolonien Nordamerikas emigrieren, sind mit der Sklaverei konfrontiert. Anstatt alle Schweizer Bürger aufzuführen, die in dieser Gegend mit Sklavenarbeit in Berührung kommen, konzentrieren wir uns auf jene Emigranten, die sich in South Carolina niederlassen, dessen Wirtschaft seit dem 17. Jahrhundert auf dem Plantagensystem beruht. Hunderte Schweizer, die in dieser Zeit nach South Carolina auswandern, gründen in einer von der Sklaverei geprägten Gesellschaft Siedlerkolonien. Einer von ihnen, der Berner Hans Georg Strigger, stellt schon bei seiner Ankunft 1736 fest: «Es seynd in disem Land gar vill Schwartze Sclaven, sie werden verhandelt wie das Vieh.» (Schelbert/Rappolt 1977, S. 81)

Unter den Siedlungen, die in diesen Gebieten von Schweizern aufgebaut werden, findet sich eine Kleinstadt, deren Gründer der Neuenburger Jean Pierre de Pury (1675–1736) bzw. Purry ist, wie er sich von nun an nennt. Purry ist der Vater von David de Pury (1709–1786), der in Lissabon in den Sklavenhandel involviert war (siehe erstes Kapitel). Bevor er in die Vereinigten Staaten auswandert, hat sich Jean Pierre de Pury bereits im Kolonialhandel betätigt. 1714 ist er bei der holländischen Ostindischen Compagnie beschäftigt und reist nach Südafrika, Australien und Indonesien. In diesem Zusammenhang verfasst der Neuenburger 1718 eine Broschüre, die bezeichnend für sein Verhältnis zu den versklavten Arbeitskräften ist. In seinem Text erteilt er der holländischen Gesellschaft Ratschläge, wie in Südafrika und Australien neue Gebiete kolonisiert werden sollen. De Pury regt an, die Ländereien von Sklaven bearbeiten zu lassen:

«Selbst wenn es nicht möglich wäre, einige Landwirte zu finden, könnte das Land in diesem Fall von Sklaven bebaut werden. Die Römer haben es nicht anders gemacht. Zudem werden wir in diesem Land [Jakarta in Ostindien, d.V.] nur von Sklaven beiderlei Geschlechts bedient. Wir haben fast keine anderen Arbeiter, da die Sklaven in allen Berufszweigen tätig sind: als Schneider, Schuster, Schlosser, Zimmerleute, Schreiner und andere. Die Oboenspieler, Geiger und sonstigen Musiker, die hier für Hochzeiten oder andere fröhliche Anlässe engagiert werden, sind ebenfalls nur Sklaven. Warum sollten wir sie also nicht daran gewöhnen können, Reben anzubauen, Bäume zu schneiden oder andere Tätigkeiten im Bereich der Landwirtschaft zu verrichten, wenn man sie ihnen beibringt?» (Zitiert nach Migliazzo 2002, S. 73)

13 Jahre später gründet Jean Pierre de Pury also eine kleine Stadt in South Carolina am Ufer des Savannah-Flusses. Einige 100 Schweizer lassen sich in Purrysburg nieder und stürzen sich in Landwirtschaft und Handel. Infolge des Aufschwungs und der Vergrösserung der landwirtschaftlichen Flächen wächst in der Schweizer Kolonie der Anteil an Sklavenarbeitern. Rund 20 Jahre nach der Gründung besitzen die Einwohner der Stadt Dutzende Sklaven. Wie viele tatsächlich Schweizern gehören, wissen wir nicht. Bekannt ist jedoch, dass sich Jean Pierre de Pury darum kümmert, South Carolina mit Arbeitskräften zu versorgen. So scheinen de Pury und sein Partner David Montagut 1736 auf einem Handelsschiff eine grosse Anzahl Afrikanerinnen und Afrikaner zu importieren. Letztere werden in der Stadt Beaufort an die Pflanzer der Region verkauft (Rowland et al. 1996, S. 130 und 188).

Da Purrysburg keine idealen landwirtschaftlichen Bedingungen bietet, verlässt ein grosser Teil der Einwohner die Stadt schon bald wieder. Manchen der Schweizer gelingt es daraufhin, in anderen Regionen South Carolinas ein Vermögen zu erwirtschaften. Das gilt für den Lausanner Henri de Saussure (1709–1761), der in Coosawhatchie ein Handelskontor eröffnet und mit dem Anbau von Reis beginnt. 1752 gibt er an, 14 Sklaven zu halten (Meriwether 1974, S. 39). Die Familie Huguenin lässt sich ebenfalls in dieser Region nieder und verwaltet die grösste Reisplantage am Fluss Coosawhatchie. Mitte des 19. Jahrhunderts beschäftigt ein gewisser Julius Gillison Huguenin 329 Sklaven auf einer Parzelle von mehr als 1900 Hektar (Rowland et al. 1996, S. 379). Charles Purry, der älteste Sohn von Jean Pierre de Pury, eröffnet in den 40er-Jahren des 18. Jahrhunderts ein Geschäft in Okatee Bluff. 1754 soll er von einem seiner Sklaven vergiftet worden sein, was einen Skandal auslöst (zitiert nach Rowland et al. 1996, S. 76).

Im selben Jahr wie Purrysburg wird in South Carolina eine weitere Schweizer Kolonie gegründet. Johannes Tobler (1696–1765), ein aus Rehetobel in Appenzell Ausserrhoden stammender ehemaliger Landeshauptmann, führt 1736 eine Gruppe von 192 Schweizern an das Ufer des Savannah-Flusses, um dort in der Gegend von New Windsor (heute Beach Island) eine Kolonie zu gründen. Tobler betreibt dort eine grosse Landwirtschaft und eröffnet ein Handelskontor. 1752 schreibt der Appenzeller einem Korrespondenten in der Schweiz: «Ich besitze nun eine ausgedehnte Haushaltung, verschiedene gute, bequeme Häuser, Scheunen, Hütten, Magazine von Landesprodukten und Handelswaaren, Knechte, Mägde, Neger, Ross und Vieh; wohne an einem erhöheten, gesunden Platz und gebiete wie ein Fürst über eine Strecke urbaren Landes, das über eine Stunde lang und halb so breit ist.» (Schelbert/Rappolt 1977, S. 89) Toblers Schreiben ist zu entnehmen, dass auch andere Schweizer in der Kolonie Sklaven als Arbeitskräfte einsetzen: «Im Ganzen zeichnen sich die Deutschen und Schweizer durch Wohlstand Fleiss und wechselseitigen Dienstleistungen vor allen anderen Kolonisten aus; ich kenne Berner, die ein bis zweitausend Stück Vieh, viele Negern [sic!], Häuser und andere weitläufige Besitzungen haben.» (Ebenda, S. 90) Daniel Waldburger aus Teuffen ist einer der erwähnten Schweizer, die seinen Angaben zufolge in der Kolonie gute Geschäfte gemacht haben.

Wir haben Schweizer Sklavenhalter in Amerika und der Karibik beschrieben. Wie haben die Schweizer die Sklaverei und jene Männer und Frauen empfunden, die sich in ihrem Besitz befanden? Unterscheidet sich ihre Haltung von jener der Bürger anderer Kolonialmächte? Zeichnen sich die Schweizer in Bezug auf die Sklaverei besonders aus, da sie weniger direkt am System teilhaben, das man «imperiale Kultur» zu nennen pflegt? Die Antwort auf die letzte Frage lautet, um es gleich vorwegzunehmen: nein.

Die Schweizer und die Frage der Sklaverei im 18. Jahrhundert

Wie bereits erwähnt, wurde der Status der Arbeitskräfte in den französischen Kolonien im Code noir, dem Sklavengesetzbuch, geregelt (siehe erstes Kapitel). Einer der Artikel erklärt die Sklaven zu einer Sache, zu einem beweglichen Gut. Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass das Verhalten der Europäerinnen und Europäer gegenüber diesen versklavten Arbeitskräften von Gewalt und Verachtung geprägt ist. Die Schweizer bilden da keine Ausnahme. So verkündet Isaak Faesch als Gouverneur von Curaçao eine Reihe von Massnahmen zur öffentlichen Ordnung, die den befreiten Schwarzen und den Sklaven und Sklavinnen gelten. Seine Politik begründet er wie folgt: «Die Unverschämtheit der Farbigen und Schwarzen, der Freigekommenen ebenso wie der Sklaven, wird immer unerträglicher; diese Menschen schämen sich nicht, die guten Bürger Tag und Nacht zu belästigen, sie schlecht und verächtlich zu behandeln, [und sie] sind vom Trinken verblödet […].» (Goslinga 1985, S. 541) Auf Anweisung des Baslers dürfen die Sklaven und Mulatten ohne Erlaubnis ihrer Herren nach neun Uhr abends nicht mehr auf die Strasse; zudem darf den Schwarzen kein Alkohol mehr ausgeschenkt werden. Um diese Anweisungen durchzusetzen, führt Faesch 1745 wieder Strafen wie Auspeitschen, Brandmarkungen mit glühendem Eisen und die Verbannung in die Salinen der Antilleninsel Bonaire ein.

Dennoch lässt sich im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts eine Veränderung im Verhalten einiger Pflanzer feststellen. Auch manche Schweizer zeigen in der Ausbeutung der Sklaven und Sklavinnen eine gewisse «Mässigung». Wie bereits erwähnt, sorgt sich Louis Pourtalès um Gesundheit und Ernährung seiner Arbeitskräfte. Auch Jean Trembley empört sich in einem Schreiben an Maulévrier, einen französischen Pflanzer, den er über den Gang der gemeinsamen Geschäfte unterrichtet, über die Grobheiten des Verwalters Frémont gegenüber Frauen: «Ich schicke Ihnen zwei Ihrer Negerinnen zurück, die sich darüber beschweren, dass Herr Frémont sie bestrafen möchte, weil sie sich gestern Abend aufgrund ihrer Schwangerschaft weigerten, schwere, ihre Kräfte übersteigende Lasten auf dem Kopf zu tragen, um ihrer Gesundheit nicht zu schaden. Zudem beschweren sie sich darüber, dass er ihnen mit schlechter Behandlung droht, weil sie nicht auf seine Zudringlichkeiten eingehen wollten.» (Debien 1956, S. 62)

Jean Samuel Guisan ist jener Schweizer, der sich am intensivsten Gedanken über die Lebensbedingungen der Sklaven macht. 1788 verfasst er ein Werk mit dem Titel Traité sur les terres noyées de la Guiane, appelées communément Terres-Basses (Abhandlung über die Überschwemmungsgebiete Guayanas, gemeinhin Terres-Basses genannt), in dem er seine Arbeiten und Pläne zur Nutzung der Kolonie beschreibt. Darin widmet er über 50 Seiten dem Umgang mit den Arbeitskräften. Wie erwähnt, hat Guisan auf den Plantagen seines Onkels in Surinam und als königlicher Ingenieur in Französisch-Guayana reichhaltige Erfahrungen im Umgang mit Sklavinnen und Sklaven gesammelt. Guisans Ausführungen kommen einem Handbuch gleich, das Empfehlungen für das Verhältnis zwischen Meistern und Sklaven abgibt. Dabei geht es Guisan nicht um die Befreiung der Sklaven, sondern darum, ihre Fortpflanzung zu gewährleisten, da der Erwerb dieser Arbeitskräfte zunehmend schwierig und teuer wird. Für die Siedler lohnt es sich daher, sorgsam mit ihren Sklavinnen und Sklaven umzugehen. Guisan geht in seinem Text ausführlich auf den Umgang mit Kindern, Alten und Schwangeren ein, denen ein besonderes Augenmerk gelten solle. Gleichzeitig empfiehlt er eine gewisse Strenge und bei Bedarf auch den Einsatz körperlicher Strafen. (Für ausführliche Zitate aus Guisans Handbuch siehe Anhang.)

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Titelseite des 1788 erschienenen Buchs «Traité sur les terres noyées de la Guiane, appelées communément Terres-Basses» von Jean Samuel Guisan

Auf manchen Plantagen gilt Gewalt also nicht als einziges Mittel, die «Sklaven im Zaum zu halten». Ein solches Augenmerk auf das Schicksal der versklavten Arbeiterinnen und Arbeiter, das sich auf den Antillen ab 1770 bemerkbar macht, lässt sich auf verschiedene Gründe zurückführen (Debien 1974, S. 473ff.): Zum einen stellen die Sklavinnen und Sklaven wie das Vieh ein «Vermögen» dar, mit dem man sorgfältig umgehen muss. Manche Pflanzer begreifen, dass sie den Ertrag ihrer Arbeitskräfte verbessern können, wenn sie sie weniger hart behandeln. Die steigenden Sklavenpreise erklären ebenfalls, warum mit dem Humankapital sorgsam umzugehen ist. Zudem müssen die Sklaven in bewegten Zeiten, die von zahlreichen Aufständen geprägt sind, schonend behandelt werden. Diese «Sorge» spricht aus den Aussagen von Louis Pourtalès über den Verwalter einer seiner Plantagen: «Er hatte uns in seiner Eigenschaft als Verwalter überhaupt nicht zugesagt, da er nicht initiativ und fähig genug war, die mit der Verwaltung von Plantagen […] verbundenen Aufgaben zu erfüllen, und vor allem, da er von den Negern ungemein gehasst wurde, die ihn mehrfach bedrohten, was umso mehr ins Gewicht fällt, als man zur Zeit versuchen muss, alle Auseinandersetzungen zwischen den Negern und den Weissen zu vermeiden.» (FP, 2/XII, 17. Februar 1793) Und schliesslich handelt es sich bei Pflanzern wie Louis Pourtalès und in geringerem Ausmass bei Jean Trembley und Jean Samuel Guisan um gebildete Menschen, die dem aufklärerischen Gedankengut über den Respekt vor der menschlichen Natur durchaus etwas abgewinnen können (siehe drittes Kapitel). Dennoch sind die Versuche, den Alltag der Arbeiter zu verbessern, auch eine Form, Vorwürfen der Sklavereigegner zuvorzukommen.

Die dargestellte Haltung hat offenbar auch Verwirrung gestiftet. So behauptet Eynard, der Biograf Guisans, dieser sei ein Vorläufer im Kampf für die Abschaffung der Sklaverei gewesen (siehe drittes Kapitel): «Vielleicht fehlte ihm auch nur die Zeit, um gemeinsam mit Buxten und Wilberforce [zwei englische Abolitionisten] als einer der grossen Wohltäter der Menschheit in die Geschichte einzugehen.» (Eynard 1844, S.326) Liest man Guisans Buch, ergibt sich ein differenzierteres Bild. Nirgends in Guisans Werk ist die Rede von der Notwendigkeit, den Sklavenhandel oder die Sklaverei abzuschaffen. Seine Worte sind von humanitären Überlegungen und vor allem von der Sorge getragen, die versklavten Arbeitskräfte, auf denen die Wirtschaft der Kolonien beruht, zu schonen und angesichts der steigenden Sklavenpreise ihre Reproduktion zu erleichtern.

Auch muss festgestellt werden, dass zwischen dem «humanistischen Diskurs» und dem täglichen Verhalten eine erhebliche Kluft bestehen kann. 1787 wirft ein Kolonialbeamter, mit dem Guisan oft im Streit liegt, diesem vor, selbst und zum Teil ungerechtfertigt von der Peitsche Gebrauch zu machen. Guisan gibt zur Antwort, dass er die Nachlässigkeit der «Neger», die ein zügiges Vorankommen der Arbeiten verzögere, nicht zulassen könne (Benot 1997, S. 23).

Auch Jean Trembley stellt die Sklaverei nicht in Frage. Ihm fehlt es vielmehr an jeglichem Verständnis für die französischen Intellektuellen, die diese Einrichtung abschaffen wollen: «Dasselbe gilt für das, was Ihr mir über die Ansichten des berühmten Montesquieu zur Sklaverei der Neger sagt. Ich wiederhole, dass diese sie als weniger hart empfinden, als sich manche gute Philanthropen vorstellen, weil sie nur aus der Entfernung nach zu allgemeinen Vorstellungen urteilen. […] Hätten Sie den ungestümen, unverstellten Jubel gesehen, in den meine Neger bei der Ankunft meines Neffen ausgebrochen sind, wären Sie zum Urteil gelangt, dass die guten Neger weit davon entfernt sind, sich unter einem guten Herrn unglücklich zu fühlen, und Sie wären gerührt gewesen zu sehen, wie sie ihm aus freien Stücken entgegengekommen sind, um ihre Zufriedenheit zu bekunden und in Tänzen seine Ankunft als ein ausgesprochen erfreuliches Ereignis zu feiern.» (Brief von Trembley an Bonnet, 8. September 1785, zitiert nach Gür 1970, S. 6) Trembley kritisiert sogar in aller Schärfe die «Société des Amis des Noirs», die erste echte Vereinigung von Sklavereigegnern in Frankreich, die 1788 in Paris gegründet wird. Für Trembley ist es eine «Sekte so genannter Menschenfreunde, die die Kolonien und eine unendliche Zahl an Grundstücken zugrunde richten wollen, ohne dadurch das Schicksal jener, denen zuliebe sie ihre Philanthropie angeblich betreiben, glücklicher zu machen, und statt dessen ihr Schicksal verschlimmern.» (Zitiert nach Debien 1955, S. 24) Wie wir im folgenden Kapitel sehen werden, befindet sich unter den Aktivisten der «Société des Amis des Noirs» auch der eine oder andere Genfer Mitbürger von Trembley.

Das Verhalten der fortschrittlichen Pflanzer ist also nicht eindeutig. Tatsächlich vermischt sich darin kapitalistisches Denken, eine manchmal rücksichtslose Ausbeutung, christliche Nächstenliebe, Philanthropie, Paternalismus und Rassismus. Vor allem ändert es nichts an der Stellung der Arbeitskräfte: «Im Grunde gibt es für die Sklaven keine ‹guten Herren› und kann es keine solchen geben. Welche materielle Behandlung auch immer ihnen zuteil wird, der Sklave ist ein erniedrigtes, entfremdetes, gedemütigtes, auf die Stufe eines Tieres gestelltes Wesen.» (Schnakenbourg 1980, S. 62)

Die Haltung, die Guisan gegenüber den versklavten Arbeitskräften einzunehmen empfiehlt, zielt darauf ab, den Fortbestand des bestehenden Systems der Sklaverei in den Plantagen zu sichern. Angesichts der immer heftigeren Angriffe auf dieses System greifen die Kolonialbehörden ebenfalls immer umfassender ein und heuern Armeen an, um sicherzustellen, dass die ausbeuterische Arbeitsteilung weiterhin beibehalten wird. An den militärischen Einsätzen wirken auch Schweizer mit.

Die Beteiligung von Schweizer Soldaten und Söldnern an der Aufrechterhaltung der Sklaverei

Zwischen 1450 und 1850 brechen über eine Million junge Städter und Landbewohner aus der heutigen Schweiz auf, um sich als Söldner im Ausland zu verpflichten. Die Mehrheit dient in Europa, manche sind aber auch in Überseegebieten im Einsatz und tragen damit zur Ausbreitung der europäischen Kolonien bei. Soldaten der Eidgenossenschaft finden sich beispielsweise in den englischen Einheiten, die im 18. Jahrhundert Indien erobern. Um ihr Handelsimperium in Asien zu verteidigen, rekrutiert die West-Indische Compagnie deutsche, skandinavische und schweizerische Söldner. Die Schweizer sind nicht nur an der kolonialen Expansion Europas beteiligt, sondern tragen in der Karibik auch dazu bei, die Sklaverei aufrechtzuerhalten.

In dieser Weltregion beruht das Kolonialsystem bis ins 19. Jahrhundert auf der Ausbeutung der versklavten Arbeitskräfte. Zahlreiche Sklaven und Sklavinnen versuchen, sich gegen die harten Arbeitsbedingungen und die Brutalität der europäischen Pflanzer und Verwalter zu wehren. Im Allgemeinen lassen sich zwei Arten von Widerstand unterscheiden: «passiver» Widerstand durch schlecht oder langsam ausgeführte Arbeit oder Vergiftung von Vieh etc. und «aktiver» Widerstand durch Aufstände oder Flucht. Die Pflanzer empfinden die weglaufenden Sklaven (Marrons) als Bedrohung, da sie für die auf den Ländereien verbleibenden Sklaven ein schlechtes Beispiel abgeben. Da die ausgerissenen Sklaven und Sklavinnen zudem in den Wäldern oder anderen Gegenden Zuflucht suchen, die sich wenig für Landwirtschaft eignen, müssen sie die Plantagen bestehlen und plündern, um sich mit Nahrung zu versorgen. Abgesehen davon sind sie im Vergleich zu den Europäern relativ zahlreich. Um 1760 zählt die weisse Bevölkerung Surinams knapp 3000 Personen, während gleichzeitig rund 5000 bis 6000 weggelaufene Sklaven in der Kolonie leben. Auch wenn Letztere nicht geschlossen auftreten, sondern voneinander isolierte Gruppen bilden, stellen sie durch ihre Zahl dennoch eine reale oder imaginäre Gefahr für die weissen Siedlerinnen und Siedler dar. Manchmal erheben sich die Sklaven gegen die Plantagenbesitzer und die Kolonialmacht. Die Antillen werden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von zahlreichen Aufständen erschüttert.

In ihren Versuchen, den Aktivitäten der organisierten Banden weggelaufener Sklaven ein Ende zu setzen und die Aufstände zu unterdrücken, stützen sich die Kolonialbehörden im Allgemeinen auf vor Ort stationierte Truppen. Zeitweise sind sie aber überfordert und müssen von der Metropole Verstärkung anfordern. An solchen Niederschlagungsoperationen im 18. Jahrhundert sind auch Schweizer Söldner und Soldaten beteiligt. Um die Beteiligung zu veranschaulichen, haben wir zwei wichtige Ereignisse ausgewählt: den Kampf gegen die weggelaufenen Sklavinnen und Sklaven in Surinam zwischen 1762 und 1768 und die von Napoleon entsandte Expedition Leclerc zur Niederschlagung des Aufstands von Toussaint Louverture in Saint-Domingue (1801–1803).

Um die Wende von den 60er- zu den 70er-Jahren des 18. Jahrhunderts bilden sich in Surinam neue Banden von weggelaufenen Sklaven. Diese Marrons sind mutiger als ihre Vorgänger. Die Überfälle sind sehr gut geplant, und sie werden mit der Zeit zu einer ernsthaften Bedrohung für die Kolonie. Die Pflanzer sind besorgt. So macht sich Alexandre DuPeyrou, als er von der Verwüstung eines Grossteils seiner Ländereien durch weggelaufene Sklaven erfährt, «nach Surinam auf, doch das Schiff, auf dem er sich befand, wurde auf die Insel Madera geworfen, und er kehrte daraufhin nach Spanien und von dort nach Neuenburg zurück» (Comte de Wemyss, zitiert in Eigeldinger 1996, S. 71).

Der Gouverneur beschliesst daraufhin, aus der Metropole Unterstützung anzufordern. Diese schickt ein Expeditionskorps von 800 Mann, dem sich weitere 400 Soldaten anschliessen. Die Expedition, die Anfang des Jahres 1773 in Surinam ankommt, wird von einem Schweizer geleitet. Es handelt sich um Oberst Louis-Henri Fourgeoud (etwa 1715 bis 1779), Bürger von Bussigny im Kanton Waadt, der sich schon zehn Jahre zuvor bei der Niederschlagung der Sklaven in Berbice hervorgetan hat. «[Oberst Fourgeoud] war ungestüm, leidenschaftlich, eingebildet und rachsüchtig. Wiewohl den Einzelnen gegenüber nicht grausam, war er doch für alle gemeinsam ein Tyrann; sein schmutziger Geiz und sein Machtmissbrauch kostete einigen das Leben. Er war überdies voreingenommen, undankbar und ein Wirrkopf; doch er trotzte der Müdigkeit wie Gefahren mit heldenhaftestem Mut und grösster Beharrlichkeit. Bei aller Strenge und Härte, die er seinen Offizieren gegenüber an den Tag legte, gebrach es ihm nicht an Freundlichkeit gegenüber seinen Soldaten. Obschon er las, konnte er aus seiner Lektüre keinen Nutzen ziehen, da er keinerlei Bildung erfahren hatte. Kurzum, nur wenige waren fähig, besser zu sprechen und in den meisten Fällen schlechter zu handeln als er.» (Stedman 1989, S. 54f.)

Diese Beschreibung Fourgeouds und seiner «Expedition» nach Surinam ist uns dank eines wertvollen Zeugnisses überliefert, des Berichts des Engländers Jean-Gabriel Stedman, der unter dem Befehl des Schweizer Obersten dient. In seinen Memoiren, die den Titel Reise nach Surinam tragen, stösst man auch auf andere Schweizer, die an dieser Expedition teilnehmen. Stedman erwähnt beispielsweise einen Kapitän Meyland, einen Freund von Oberst Fourgeoud, mit dem er eine Auseinandersetzung hat, in der er am Ende aber das letzte Wort behält: «Jetzt forderte ich von ihm, entweder mich um Verzeihung zu bitten, oder den Zweykampf mit Pistolen, die wir mit unsern linken Händen abfeuern wollten, zu endigen! Meyland wählte das erstre, wir versöhnten uns […].» (Stedman 1797, S. 190)

Fourgeoud bedient sich verschiedener Strategien, um die Aufständischen zu bezwingen. Er führt zahlreiche bewaffnete Expeditionen in die Wälder, um die Stützpunkte der Aufständischen aufzuspüren und zu zerstören. Neben seinen Soldaten setzt er bei seinen Expeditionen auch «Schwarze Jäger» ein, also ehemalige Sklaven, die freigelassen werden, wenn sie sich für seine Truppen verpflichten. Diese Männer leisten Fourgeoud wichtige Dienste bei der Jagd auf entflohene Sklaven: «Wo der Europäer nicht die geringste Spur […] wahrnimmt, da bemerkt das umherschweifende Auge der Neger den zerbrochenen Zweig und das breitgetretene welke Laub, die ihm verrathen, dass sein Feind sich hier befand.» (Ebenda, S. 200)

Auch vor brutalen Bestrafungen der Aufständischen, deren er habhaft wird, schreckt Fourgeoud nicht zurück: «Am 26the [hatte] Obrister Fourgeoud … drey einzelne unbewaffnete Negern, die eine Kahlpalme umhauen wollten, angetroffen. Einer von ihnen war entwischt: von den beyden andern, die gefangen genommen wurden, war dem einen der Schenkel zerschossen worden: man band ihm dann Hände und Füsse und zwey Negern [sic!] trugen ihn auf diese Weise, an einem Pfahl hängend, so, dass das ganze Gewicht seines Körpers seine zerschmetterten blutenden Schenkel niederzog, ohne dass die Wunde verbunden oder mit etwas bedeckt gewesen wäre, und sein Kopf zur Erde niederhing. So wurde der Unglückliche durch Dick und Dünn sechs Meilen weit nach dem Lager gebracht.» (Ebenda, S. 201f.)

Fourgeoud und seinen Soldaten setzen wesentlich gefährlichere Gegner zu als die Aufständischen. Bedingt durch die stundenlangen Märsche durch die Wälder leiden sie unter klimabedingten Krankheiten, schlechter Ernährung und Erschöpfung. Stedman beschreibt in seinem Werk an verschiedenen Stellen die ausgesprochen schwierigen Lebensbedingungen der Soldaten: «Unser Zustand war über alle Beschreibung jammervoll. Hunger und Entkräftung hatten die ganze kleine Armee erschöpft: mehrere, die unfähig geworden waren, zu gehen, mussten von den Negern nachgetragen werden.» (Ebenda, S. 195f.) Im April 1778 verlässt Fourgeoud Surinam und kehrt nach Europa zurück. Von den 1200 Soldaten, die sich am Kampf beteiligen, überleben nur rund 100. Die grosse Mehrheit wird durch Krankheit hinweggerafft. Oberst Fourgeoud selbst stirbt kurze Zeit nach seiner Rückkehr in den Niederlanden.

Umstritten ist, ob es Fourgeoud und seinen Truppen gelungen ist, die Aufständischen zu bezwingen. Die Meinungen darüber gehen auseinander. Der Schweizer Oberst ist selbst davon überzeugt, die Kolonie gerettet zu haben, und auch einer seiner Freunde scheint dieser Meinung zu sein, denn er schreibt ihm am 3. Dezember 1777 in Beantwortung seiner Briefe: «Die Kolonie wird Ihnen auf ewig für alles, was Sie während so vieler Jahre an Mutigem und Mühsamem geleistet haben, um ihr Frieden und Sicherheit zu verschaffen, verpflichtet sein.» (Zitiert nach Morren 1973–1974, S. 58) Der Gouverneur und die Pflanzer in Surinam sind gegenteiliger Meinung. Sie betonen, dass sie sich der von den entlaufenen Sklaven ausgehenden Gefahr selbst schneller und billiger entledigt hätten. Denn die Finanzierung der Expedition Fourgeoud bringt die Kolonie in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten, sodass sich die Behörden gezwungen sehen, die Steuern zu erhöhen.

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Oberst Louis-Henri Fourgeoud in Surinam (Gravur von Th. König). Die Bildunterschrift lautet: «Dieser Krieger ist Fourgeoud, der mit harter Faust und Mut in den Gebieten Surinams Ruhe und Ordnung wiederherstellte und die Wälder vom Gesindel befreite, das die Pflanzer seit Jahren ausplünderte und quälte. Zum Bedauern aller rechtschaffenen Menschen starb er nach so vielen Diensten, doch sein Andenken lebt in aller Herzen weiter.» (In: Morren 1973–1974, S. 57)

1791 ist Saint-Domingue, eine französische Kolonie, infolge des Sklavenaufstands unter der Führung von Dominique Toussaint Louverture in Aufruhr. Im Mai 1801 lässt dieser über eine Autonomieverfassung abstimmen, die ihm Vollmachten verleiht, ihn zum Generalgouverneur auf Lebzeiten ernennt und ihm das Recht einräumt, seinen Nachfolger zu bestimmen. Die Unabhängigkeitserklärung veranlasst Bonaparte, sieben Monate später seinen Schwager, General Leclerc, mit 20000 Mann in die Kolonie zu schicken, um dort die französische Autorität wiederherzustellen. Trotz der Kapitulation und der darauf folgenden Deportation von Louverture nach Frankreich mündet die Expedition schon bald in ein Desaster. Leclerc stirbt im Oktober 1802, und Bonaparte sieht sich Ende des Jahres gezwungen, neue Truppen zu entsenden. Bonaparte möchte auch das 1. Bataillon der 3. helvetischen Halbbrigade nach Saint-Domingue schicken – 1789 waren infolge eines Abkommens zwischen Frankreich und der helvetischen Republik sechs Halbbrigaden geschaffen worden und in den Dienst Frankreichs getreten).

Die Ankündigung der geplanten Abfahrt nach Saint-Domingue löst heftige Reaktionen im schweizerischen Bataillon aus. Im Dezember 1802 schreibt der Kommandant der 3. Halbbrigade an den Sekretär des helvetischen Kriegsdepartements, er sei entschlossen, alles zu unternehmen, um die Verschiffung seiner Soldaten zu verhindern. Einen Monat später doppelt der Verwaltungsrat der Halbbrigade nach: In einem Schreiben an die französischen Militärbehörden protestiert er energisch gegen die Entscheidung, eidgenössische Truppen auf die Antillen zu schicken. Er fügt hinzu, dass das Abkommen zwischen der Schweiz und Frankreich die Entsendung helvetischer Soldaten nach Amerika durch die französischen Behörden nicht zulässt und Letztere nicht auf See dienen dürfen. Die Lage in Haiti erklärt zweifellos, dass die Verantwortlichen der Brigade ihre Truppen nicht dorthin entsenden wollen. Diese Einwände bleiben aber ungehört.

Im April 1803 trifft die Verstärkung in Port-au-Prince ein. Doch die militärische Intervention bleibt erfolglos. Im November desselben Jahres kapituliert General Rochambeau, der Nachfolger Leclercs. Am 1. Januar 1804 wird in Saint-Domingue, das sich ab diesem Zeitpunkt den Namen Haiti gibt, die Unabhängigkeit ausgerufen.

Die helvetischen Soldaten bezahlen einen hohen Preis. Von den 635 schweizerischen Soldaten, die nach Saint-Domingue aufbrechen, überleben nur elf; sieben von ihnen kehren nach Europa zurück. Der Grossteil der 3. Halbbrigade stirbt an Gelbfieber, «der Rest, von wenigen Einzelpersonen abgesehen, durch Krieg und Schiffbruch», wie 1809 Auguste Pidou, Präsident des Lausanner Kleinen Rates, an Susette dʼIllens schreibt (zitiert nach Tornare 2003, S. 62). Diese will sich nämlich wieder verheiraten und benötigt dafür eine Todesbescheinigung für ihren Mann Jonathan, der an der Expedition nach Saint-Domingue teilgenommen hat. Doch nicht nur die helvetischen Soldaten werden stark dezimiert. Von den insgesamt 59000 Soldaten, die Frankreich entsendet, um Saint-Domingue wiederzuerobern, sterben 49000, davon 80 Prozent an Krankheiten.

Das Einschiffen schweizerischer Truppen nach Saint-Domingue

«Die Offiziere und die gesamte Truppe haben für diese Einschiffung den besten Willen an den Tag gelegt; nur der Kapitän [...] hat seinen Rücktritt erklärt. Dieser Gehorsam hat auf den Oberkommandierenden einen ausgezeichneten Eindruck gemacht; er hat dem Brigadekommandanten versprochen, dem Kriegsministerium der Französischen Republik über diesen Beweis guter Disziplin Bericht zu erstatten, der umso auffallender ist, als französische Bataillone mit derselben Bestimmung weit davon entfernt waren, dieselbe Unterwerfung zu zeigen, und sich heftig widersetzten. Dieser wahrhaft militärische Gehorsam wird der dritten Halbbrigade stets zu Ehren gereichen und beweist, dass sich die alte Disziplin der Schweizer auch in unseren neu gebildeten Korps bewundern lassen wird.

Der Teil des Korps, der eingeschifft wurde, erhielt den geschuldeten Sold und drei Monate im Voraus ausbezahlt; nur die persönliche Seebekleidung wurde nicht vollständig geliefert.

Was zur bereitwilligen Einschiffung beigetragen haben mochte, ist der Wunsch der Truppe, Korsika zu verlassen, wo sie sowohl wegen der Krankheiten als auch wegen der verspäteten Auszahlungen und wegen der Not, in der die Soldaten gelassen werden, sehr unglücklich ist.»

(Bundesarchiv [BA], B, Bd. 3252, 1801–1803, Bericht vom Staatssekretär für Krieg, Schmid, Bern, 3. März 1803)

Die Napoleonischen Kriege als Wendepunkt

Nach 1815 verringert sich die Präsenz von Schweizern auf den Antillen. Das ist kein Zufall. Denn gleichzeitig findet, bedingt durch die revolutionären Ereignisse, die die Kolonien erschüttern, und die zunehmende Ausmergelung des Bodens auf den Antillen, ein starker Einbruch im europäischen Handel mit der Karibik statt. Zudem wird die Wirtschaft dieser Zuckerrohrinsel im 19. Jahrhundert durch die Konkurrenz des in Europa aus Zuckerrüben gewonnenen Zuckers und die ungünstige Entwicklung der Preise für Zuckerrohr stark in Mitleidenschaft gezogen. Die europäischen Kapitalisten wenden sich daraufhin anderen Gebieten in Nord- und Südamerika – insbesondere Brasilien und den Vereinigten Staaten – zu, die aufgrund ihrer neu erworbenen Unabhängigkeit nicht mehr dem Kolonialpakt unterliegen und damit nicht mehr an den exklusiven Handel mit der Metropole gebunden sind. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wächst also die Abhängigkeit Europas gegenüber diesen beiden Regionen. 1810 beträgt der von westlichen und us-amerikanischen Fabriken verbrauchte Anteil an Rohbaumwolle aus den Vereinigten Staaten 50 Prozent, 1830 sind es 93 Prozent. Gleichzeitig liefert der Süden der Vereinigten Staaten zu dieser Zeit etwa 50 Prozent des Tabaks. Brasilien steigt dagegen im 19. Jahrhundert zum weltweit führenden Kaffeeproduzenten und -exporteur auf.

Die Neuausrichtung des Handels auf andere Regionen kommt im Werdegang von Heinrich Escher (1776–1853) und Antoine Borel (1791–1857) gut zum Ausdruck. Ersterer ist der Vater des berühmten Industriellen, Financiers und Begründers der Kreditanstalt, Alfred Escher (1819–1882). Heinrich Escher, der für seine Brüder auf Kuba eine Kaffeeplantage kauft, besitzt in Pennsylvania ein landwirtschaftliches Gut, betreibt in Georgia Bodenspekulation und kommt 1804 nach South Carolina, wo er in den Handel mit Reis, Tabak und Kaffee einsteigt. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz als wohlhabender Mann wird er mit dem Vorwurf konfrontiert, sich dank der Sklaverei bereichert zu haben. Wie Willi Wottreng betont, liegen keine Beweise über Eschers direkte Beteiligung an diesem Geschäft vor, doch aller Wahrscheinlichkeit nach dürfte er Sklaven besessen haben (Wottreng 2005). Sicher aber basieren die im Handel und Verkauf von Kolonialwaren akkumulierten Profite immanent auf der Arbeit von Sklavinnen und Sklaven, die diese Erzeugnisse anbauen – die Feststellung gilt für zahlreiche Schweizer Geschäftsleute, die in diesem Teil der Welt tätig sind.

Der Neuenburger Antoine Borel findet nach seiner Lehre in Basel eine Stelle in Paris bei Schweizer Glaubensbrüdern, den Händlern und Financiers Meuron und Coulon. 1816 bricht er als Manager einer Kommanditgesellschaft, die mit den beiden genannten Personen gegründet worden ist, in die Vereinigten Staaten auf. Die Geschäfte gestalten sich beidseits des Atlantiks schwierig, und 1818 erteilt ihm Louis de Meuron in einem Schreiben folgenden Ratschlag: «In Frankreich laufen die Geschäfte gegenwärtig so schlecht, und mit der Erfahrung, die Sie sich in Amerika erworben haben, würde ich Ihnen empfehlen, sich dort niederzulassen, wenn Sie etwas Entsprechendes finden.» (Zitiert nach Wasserfallen 2002, S. 39)

Borel vergleicht die Situation in Kuba mit jener in Brasilien: «Beim gegenwärtigen Stand der Preise für Sklaven in Brasilien wäre es vielleicht vorteilhafter, eine Plantage in La Havana zu finanzieren, aber ich kann das nicht beurteilen, solange ich das Land und seine Bewohner nicht gesehen habe; vielleicht gibt es auch Insekten, die die Ernte bedrohen, und Ausfuhrsteuern auf die Erzeugnisse; doch das Land wird Ausländern dort für eine gewisse Zeit gratis überlassen, die Regierung schützt die Ausländer und die Sklaven kosten 150 bis 200 $.» (Archives Borel, Brief vom 23. Mai 1819)

Antoine Borel lässt sich von den verlockenden Aussichten in Brasilien letztlich doch nicht überzeugen. Im gleichen Jahr lässt er sich in Le Havre nieder, wo er sich mit Edouard Borel zusammenschliesst – mit dem ihn trotz gleich lautenden Namens keine verwandtschaftliche Beziehung verbindet. Edouard Borel ist mit der Schwester von Auguste de Meuron, dem berühmten Meuron de Bahia (siehe Kasten), verheiratet. Dank ihrer Verbindungen in die Vereinigten Staaten und nach Brasilien bereichern sich die beiden Borel mit der Einfuhr von Tropenerzeugnissen (insbesondere Kaffee), die sie in die Schweiz weiterleiten, wo sich Antoines Bruder Frédéric Borel um den Absatz kümmert. Andere Schweizer versuchen dagegen, in Brasilien reich zu werden.

Auguste de Meuron de Bahia

Der Neuenburger Auguste de Meuron (1789–1852) ist ein Enkel von Pierre de Meuron-Luze, einem wichtigen Indienne-Fabrikanten. Nach Aufenthalten in Paris, England und New York kehrt er nach Lissabon zurück, wo er mit Geschäftspartnern die Firma Meuron & Cie. ins Leben ruft, um in Brasilien eine Kommissionsfirma zu gründen. 1817 trifft de Meuron in Bahia ein; zwei Jahre später nimmt er die Herstellung und Kommerzialisierung von Tabak auf. Er schliesst sich mit dem aus Bern stammenden Gabriel May zusammen und gründet, nach wie vor unter dem Firmennamen Meuron & Cie., eine erste Fabrik für Schnupftabak, der unter der Bezeichnung «geriebener Tabak» vertrieben wird. Dank des durchschlagenden Erfolgs der Fabrik werden 1832 in Rio de Janeiro und 1836 in Pernambouc zwei weitere Niederlassungen eröffnet, die erste unter Führung des Waadtländers Benjamin Samuel Dapples. Meuron&Cie. kontrolliert über zwei Drittel der südamerikanischen Schnupftabakproduktion und erzielt Gewinne von bis zu 800000 neuen Schweizer Franken jährlich. Aus gesundheitlichen Gründen kehrt de Meuron 1837 nach Neuenburg zurück, führt das Unternehmen in Bahia aber weiter. 1851, ein Jahr nach Dapplesʼ Tod, schliesst sich de Meuron mit Jules-Ferdinand de Pury in einer Firma zusammen, um eine Tabakfabrik zu betreiben, die von Dapples in den 40er-Jahren des 19. Jahrhunderts in Andarahy Pequeno nahe Rio aufgebaut wurde.

De Meurons Tabakfabriken stützen sich auf die Arbeit von Sklavinnen und Sklaven. In der Fabrik in Andarahy sind 24 Arbeitskräfte beschäftigt, 18 davon sind Sklaven. In seinem Testament verfügt de Meuron 1851, «dass bei seinem Tod Verrissimo und Rocardo aus Bahia sofort freizulassen sind und desgleichen im Falle einer Auflösung des Unternehmens alle anderen Sklaven im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Verdienste».

Schweizer Sklavenbesitzer in Brasilien im 19. Jahrhundert

Als sich 1807 der portugiesische König João vi. in Brasilien niederlässt, hat dies eine gewisse wirtschaftliche Liberalisierung und Öffnung des Landes für den Aussenhandel zur Folge. Von den neuen Handelsmöglichkeiten und der Siedlungspolitik des Königs angezogen, wandern zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer nach Brasilien aus. Ab 1817 werden die ersten Schweizer Firmen gegründet, darunter jene von Auguste de Meuron in Bahia. Manche dieser Einwanderer, die zum Teil über ein beachtliches Kapital verfügen, kaufen grosse Grundstücke, um dort Kaffee-, Zuckerrohr-, Baumwoll-, Tabak- oder Kakaoplantagen anzulegen, während andere sich im Handel betätigen. In einer zweiten Phase brechen ab 1829 Handwerker, Schreiner, Zimmerleute, Schmiede, Gouvernanten und Hausangestellte aus verschiedenen Schweizer Kantonen auf, um in Brasilien die Bedürfnisse der Händler und Grundstückseigentümer zu befriedigen. Die meisten der Grossgrundbesitzer (Fazendeiros) lassen sich in der Provinz Rio de Janeiro, der Region, in der die schweizerische Siedlung Nova Friburgo liegt, und in der Provinz Bahia nieder. Dank des Bestands des Schweizer Konsulats in Bahia und der Recherche von Didier Grange verfügen wir über detaillierte Kenntnisse über die Schweizer Fazendeiros in dieser Region (Grange 1989).

Zwischen 1819 und 1919 kommen 911 schweizerische Einwanderer und Einwanderinnen nach Bahia und lassen sich vor allem in der 1818 von Deutschen und Schweizern gegründeten Kolonie Leopoldina im Süden der Provinz nieder. Anfangs handelt es sich vor allem um Waadtländer und Neuenburger, doch nach und nach kommt die Mehrheit der Einwanderer aus der Deutschschweiz und dort insbesondere aus Zürich. Diese Schweizer kommen in ein Land, in dem die Sklaverei noch in Kraft ist (sie wird 1888 abgeschafft). Die Grundstückseigentümer kaufen Sklaven, um ihre Ländereien bearbeiten zu lassen, die Geschäftsleute kaufen sie, um sie als Verpacker in ihren Lagern oder als Hausbedienstete einzusetzen. Der Schaffhauser Lukas Jezler leitet beispielsweise in Cachoeira einen Tabak- und Zigarrenhandel; das Inventar, das nach seinem Ableben erstellt wird, weist den Besitz von 13 Sklaven aus.

Obwohl wir uns in diesem Buch auf den Fall Bahia beschränkt haben, gilt es festzuhalten, dass sich in anderen Regionen Brasiliens die Schweizer Händler und Grundstückseigentümer ebenfalls der Arbeit von Sklaven bedienen. Der Sondergesandte der Eidgenossenschaft, Johann Jakob von Tschudi, stellt in seinem Bericht an den Bundesrat vom 20. Dezember 1860 fest, dass er in der Region São Paulo eine Anzahl Schweizer getroffen hat, «manche von ihnen sind reiche Fazendeiros, die jetzt 100–150 Sclaven besitzen und jährlich für 60–150000 Franken und darüber Kaffee producieren» (SAB, Fremde Staaten: Brasilien, A2).

Die Schweizer, die in Leopoldina Kaffee anbauen, sind wirtschaftlich sehr erfolgreich. Die Kolonie kann sich insbesondere dank der Arbeit der Sklavinnen und Sklaven rasch entwickeln und wird zum führenden Kaffeeproduzenten der Provinz Bahia. Die bei Todesfällen vom Konsulat erstellten Inventarlisten geben Auskunft über das Vermögen der Schweizer. Allerdings ist nur eine sehr kleine Zahl dieser Fazendeiros berücksichtigt; so erlauben die Archive keine Aussage über den Gesamtreichtum der Ländereien. In den Inventaren sind neben Möbeln und Vieh auch die Sklaven aufgelistet, die der Verstorbene besessen hat. Aufgeführt sind Vorname, Alter, allfällige Qualifikationen sowie der geschätzte Wert und der Gesundheitszustand der Sklaven. 1868 wird beispielsweise Marco, ein elfjähriger Junge, im Inventar einer grossen schweizerischen Plantage als «defekt» bezeichnet. Der Konsul kümmert sich zudem oft selbst um die Auflösung des Besitzes der Verstorbenen, wozu auch der öffentliche Verkauf der Sklaven gehört. Die diplomatischen Vertreter der Schweiz betrachten die Tatsache, dass ihre Landsleute Sklaven und Sklavinnen als Arbeitskräfte halten, offenbar als normal und sehen darin kein moralisches Problem.

Die Gesamtzahl der Sklaven dieser Kolonie, die sich im Besitz von Schweizern befinden, lässt sich nicht beurteilen. 1848 leben in Leopoldina insgesamt offenbar 1267 Sklavinnen und Sklaven, doch welcher Anteil davon Deutschen und welcher Schweizern gehört, ist unbekannt. Uns liegen zwei Inventare für Personen vor, die in den Jahren 1835 und 1837 gestorben sind. Der Neuenburger Philippe Huguenin hinterlässt die Plantage «Pombal Second» mit Kaffeesträuchern über eine Strecke von 13 Kilometern und 36 Sklaven; der Wert diese Sklaven wird auf 10680 Milréis, also rund 30000 damalige Franken, geschätzt. Der Gesamtbesitz beläuft sich auf nahezu 80000 Franken, was zu dieser Zeit dem Lohn eines Schlossers in der Romandie entspricht, wenn er während 76 Jahren arbeiten würde. Die aus Vevey kommende Witwe Emilie Wasserfall besitzt fünf Sklaven und ein Grundstück, deren Wert sich zusammen auf rund 14000 Franken beläuft.

Zwei Inventare aus den Jahren 1867 und 1868 geben Auskunft über grössere Besitzungen. Der aus Rolle stammende Samuel Tattet ist Eigentümer der Plantagen «Bella Vista» und «Bella Vista 2»; er besitzt Kaffeesträucher auf einer Länge von 16 Kilometern und 95 Sklaven. Insgesamt wird der Wert seines Besitzes auf 534000 Schweizer Franken geschätzt, was 593 Jahreseinkommen eines Schlossers seiner Herkunftsregion entspricht. Der grösste erfasste Besitz ist jener des Schaffhausers Hans Flach, dem er den Namen «Helvetia» gegeben hat. Als er 1868 stirbt, hinterlässt er 151 Sklaven im Wert von 214000 Franken und Kaffeesträucher auf einer Länge von über 100 Kilometern. Insgesamt wird sein Besitz auf 950000 Franken geschätzt, was 905-mal dem Jahreslohn eines Zürcher Schreiners entspricht.

Diese beiden Fälle scheinen darauf hinzudeuten, dass es der zweiten Generation von Schweizer Fazendeiros, die sich in Bahia niedergelassen haben, gelungen ist, ein beachtliches Vermögen anzuhäufen. Überdies machen die Sklavinnen und Sklaven rund ein Fünftel des Gesamtwerts ihres Besitzes aus. Ein weiteres Indiz erlaubt uns, die Dimensionen dieses Phänomens zu beurteilen: 1876 findet in Leopoldina eine Versammlung von Fazendeiros statt, an der über die Reinigung einer zur Kolonie führenden Strasse diskutiert wird. Alle anwesenden Pflanzer erklären sich bereit, ein Kontingent an eigenen Sklaven bereitzustellen. Der Neuenburger Auguste Béguin schickt 20 Männer und Frauen, der Waadtländer L. Bornard 15, der Zürcher Friedrich Blum acht, der Waadtländer Félix Joseph sechs, der Neuenburger Auguste Cousandier zehn, der Waadtländer Albert Champion acht, der Waadtländer Octave Joseph vier und der Schaffhauser Hans Martin Vögelin zwei Sklaven. Daraus lässt sich schliessen, dass der Besitz von Sklaven für die eidgenössischen Pflanzer in Bahia etwas Selbstverständliches ist. Das bleibt auch in der Schweiz nicht unbemerkt, zumal ein Vergleich mit dem Status einer anderen Gruppe von schweizerischen Einwanderern in diesem Land, den Teilpächtern, gezogen wird.

Die Haltung der eidgenössischen Behörden zur von Schweizern praktizierten Sklaverei

Als 1850 in Brasilien der Sklavenhandel, wenn auch nicht die Sklaverei verboten wird, was zu einer Erhöhung der Sklavenpreise führt, ermutigt die Regierung europäische Arbeiterinnen und Arbeiter zur Einwanderung. Zahlreiche Schweizer und Schweizerinnen nutzen die vermeintliche Möglichkeit, der Armut im eigenen Land zu entkommen. Sie verschulden sich, um die Überfahrt zu finanzieren, und sind durch diese Schulden an die brasilianischen Fazendeiros gebunden, wodurch sie zu Teilpächtern werden. Sie lassen sich vor allem in der Provinz São Paulo nieder. Sehr rasch wird Bern auf die elenden Lebensbedingungen dieser schweizerischen Bürgerinnen und Bürger aufmerksam. Wie die Historikerin Béatrice Ziegler aufzeigt, kommt es Mitte der 50er-Jahre des 19. Jahrhunderts in der Kolonie Ibicaba zu einem vom Graubündner Thomas Davatz angeführten Aufstand. Die Eidgenossenschaft schickt daraufhin den Sondergesandten Johann Jakob von Tschudi vor Ort, um eine Untersuchung durchzuführen und die Lage der Siedler zu verbessern.

1863 stellt der Schaffhauser Nationalrat Wilhelm Joos einen Zusammenhang zwischen dem Los dieser Siedler und den reichen Schweizer Grossgrundbesitzern her. Joos, der zwischen 1850 und 1853 in Brasilien gelebt hat, weiss aus eigener Anschauung, welchen Schwierigkeiten die Schweizer Halbpächter in diesem Land begegnen. Ihre schlechte Situation führt er darauf zurück, dass die Fazendeiros Sklaven beschäftigen und daher die Arbeit der freien Arbeitskräfte nicht angemessen würdigen.

Im Dezember 1863 reicht Joos eine Motion ein, da er die Lage der Teilpächter noch immer als prekär einschätzt. Nachdem er postuliert, die Eidgenossenschaft solle sich an der Abschaffung der Sklaverei beteiligen, fordert er strafrechtliche Bestimmungen für Schweizer, die Sklaven kaufen oder verkaufen. Grundeigentümer, die sich bereits im Besitz von Sklaven befinden, sollen von den Bestimmungen ausgenommen bleiben. Doch würden alle Nachkommen dieser afrikanischen Arbeitskräfte für frei erklärt. Der Antrag wird vom Bundesrat verworfen. Joos reicht am 26. September 1864 eine neue Motion ein, in der er den Bundesrat auffordert, Erkundigungen zur Frage einzuholen, «ob das Schicksal der zahlreichen schweizerischen Teilpächter, die sich in Brasilien aufhalten, nicht verbessert werden könnte, wenn Strafbestimmungen gegen Schweizer beschlossen würden, die Sklaven kaufen und verkaufen».

Nach Beratung mit dem Sonderbeauftragten der Eidgenossenschaft, von Tschudi, dem ehemaligen Generalkonsul der Schweiz in Brasilien, David, und dem ehemaligen Vizekonsul der Schweiz in Rio de Janeiro, Huber, antwortet der Bundesrat am 2. Dezember 1864. Gestützt auf die Meinung der Experten, stellt er zuerst die Situation der Schweizer Sklavenhalter dar. Er betont, dass einige der Schweizer Handwerker, die sich in Brasilien niedergelassen haben, sowie die Händler Sklaven als Arbeitskräfte einsetzten. Selbst der Generalkonsul der Schweiz in Rio de Janeiro beschäftige ein Sklavenpaar. Betroffen seien aber vor allem Grundstückseigentümer, die zum Teil Sklaven im Wert von bis zu 500000 Franken oder noch mehr besässen. Der Bundesrat betrachtet es als ungerecht, diese Kategorie von Schweizer Bürgern vor die Wahl zu stellen, auf ihre Staatsbürgerschaft zu verzichten oder ihre Arbeitskräfte zu befreien: «Man könnte, vom rechtlichen Standpunkte aus betrachtet, mit dem nämlichen Rechte, oder vielmehr Unrechte, den schweizerischen Fabrikbesitzern dekretiren, ihre Arbeiter zu entlassen […].» (Bundesblatt 1864, Bd. 3, Heft 53, S. 230ff.) Der Bundesrat beurteilt die Motion als nicht praktikabel, sagt voraus, dass sie keinerlei Wirkung zeigen würde, und behauptet, die Lage der schweizerischen Teilpächter habe sich bereits deutlich verbessert. Er kommt zum Schluss: «Mögen wir es beklagen, dass sich schweizerische Familien in Brasilien angesiedelt haben und dort zu sklavenbesitzenden Pflanzern geworden sind, und mögen wir glauben, dass dieses Verhältniss auf die Lage der schweizerischen Halbpachtkolonisten daselbst über einwirke: diesen Letztern dadurch helfen zu wollen, dass wir die Erstern ohne Weiteres um ihre Ehre und ihr schweizerisches Bürgerrecht, oder aber um einen Theil ihres immerhin rechtmässig erworbenen Vermögens bringen, widerstreitet unseren Begriffen von Moral und Gerechtigkeit.»

Joos gibt sich mit dieser Antwort nicht zufrieden. Er betont, dass die befragten Experten die schwierige Lage der Halbpächter unterschätzten und ihre Klagen nur abgenommen hätten, weil viele von ihnen gestorben seien. Der Nationalrat betont schliesslich die Tatsache, dass es politisch im Interesse der Eidgenossenschaft liege, die Motion anzunehmen. Da in den Vereinigten Staaten die Abschaffung der Sklaverei unmittelbar bevorsteht, geht er davon aus, dass diese es nicht zulassen würden, dass sie in Brasilien und Kuba weitergeführt wird. Die Schweiz sollte daher allfälligen amerikanischen Vergeltungsmassnahmen zuvorkommen und sich im Prozess der Abschaffung der Sklaverei engagieren. Am 10. Dezember 1864 reicht Joos eine neue Motion ein, in der er den Nationalrat auffordert, die ursprüngliche Motion noch einmal an den Bundesrat zu überweisen und zu fordern, dass gegen den Kauf von Sklaven durch Schweizer oder die Begünstigung des Sklavenhandels Massnahmen ergriffen werden. Dieses Gesuch wird mit 56 gegen 21 Stimmen abgelehnt.

So fahren die Schweizer in Brasilien fort, die Arbeitskraft von Sklaven auszubeuten, bis 1888 die Sklaverei in diesem Land endlich abgeschafft wird. Doch seit 1850 der Sklavenhandel verboten wurde, ist der Preis der Sklaven gestiegen, sodass es für die Pflanzer immer schwieriger wird, sich Sklaven als Arbeitskräfte zu beschaffen. Das 1871 beschlossene «Gesetz des freien Schosses», das alle von Sklavinnen geborenen Kinder für frei erklärt, trägt zum Niedergang des Wohlstands der schweizerischen Fazendeiros in Leopoldina bei. Viele dieser Grundbesitzer verlassen daraufhin die Region und ziehen in den Süden Brasiliens. Schliesslich wird 1895 das Vizekonsulat geschlossen, da Bern zur Einschätzung gelangt, die Schweizer Interessen in dieser Region seien nicht mehr wichtig genug, um eine diplomatische Vertretung zu rechtfertigen.

Die zwiespältige Haltung der «Basler Mission» gegenüber der Sklaverei

Auch die «Basler Mission», eine in ganz Europa einflussreiche Institution, wird mit dem Problem der Sklaverei konfrontiert. Als sie 1827 beschliesst, sich in Westafrika niederzulassen, wird in den Anweisungen an die Missionare erwähnt, das Afrika durch den transatlantischen Sklavenhandel angetane Unrecht, «jener unvertilgbare Schandfleck der europäischen Völker», müsse wieder gutgemacht werden («Instruktionen für unsere auf Liberia in Westafrika arbeitenden Missionarien», Oktober 1827, Missionsmagazin 1830). Doch ist die Mission in ihrer Arbeit in Afrika wiederholt mit dem Fortbestand der Sklavenarbeit konfrontiert.

1843 eröffnet die «Basler Mission» eine neue Station in Akropong an der Goldküste (heutiges Ghana). Der Missionar Andreas Riis hat zuvor mit Hilfe von Johannes Georg Widmann 24 ehemalige Sklavinnen und Sklaven der englischen Kolonie Jamaika angeworben. Es handelt sich um Afrikaner, die bereits dem christlichen Glauben angehören und Englisch sprechen – aus Sicht der Basler zwei erhebliche Vorteile. Die freigelassenen Sklavinnen und Sklaven müssen sich verpflichten, mindestens fünf Jahre an der Goldküste für die Mission zu arbeiten, bevor sie in ihr Land zurückkehren können. Mit ihnen baut Andreas Riis also die Mission in Akropong auf. Später kauft er eine Plantage, was der Missionsleitung in Basel missfällt, da sie es nicht gerne sieht, dass die Brüder Privatgrund besitzen. Daraufhin kauft der Basler anscheinend Sklaven, um sie auf seinem Grundstück arbeiten zu lassen. Obwohl die vorhandenen Unterlagen keine zuverlässige Aussage zulassen, dürfte er ihre Freilassung verzögert haben, um inzwischen ihre Arbeitskraft voll auszunutzen (Schlatter 1916, S. 36f., und Haenger 2000, S. 74). Das veranlasst die Missionsleitung in Basel, Sanktionen gegen Riis zu verhängen. In diesem Zusammenhang bezieht das Missionskomitee 1840 erstmals klar Stellung zur Sklaverei, die es in jeder Form verurteilt. Allerdings ist das Komitee der Ansicht, die betroffenen Arbeitskräfte sollten sich nicht gegen ihre Bedingungen auflehnen, sondern geduldig abwarten, bis sich ihre Lage ändert: «Kein Sklave, der ein Christ ist, darf sich mit Gewalt befreien oder durch Flucht der Sklaverei sich entziehen. Er soll in Demut und Geduld […] seinem heidnischen Herrn dienen, bis dieser ihn freilässt.» (Zitiert nach Schlatter 1916, S. 79) Die Sklaven können zum Christentum über- und der Mission beitreten, die Sklavenhalter seien dagegen auszuschliessen (Miller 1994, S. 135).

Im Jahr 1860 taucht die Frage von Sklaven als Arbeitskräfte an einer Missionarskonferenz in Akropong noch einmal auf. Denn mehrere der afrikanischen Katechisten der «Basler Mission» an der Goldküste halten nach wie vor Sklavinnen und Sklaven. Die Konferenz von Akropong fasst folgenden Beschluss: Die Mitglieder der Missionsgemeinschaft müssen ihre Sklavinnen und Sklaven freilassen, wenn auch erst nach einer Übergangszeit von sechs Jahren. Die Missionsleitung (Leitungskomitee) in Basel ist mit dieser Vorgehensweise nicht zufrieden und reagiert mit einer feierlichen Erklärung: «Jeder Katechist ist anzuhalten, seine Sklaven und Pfänder auf der Stelle freizugeben, wenn er es nicht vorzieht, auf sein Amt zu verzichten.» Die Missionare können aber vom Komitee eine Entschädigung beantragen. Zudem dürfen neue Katechisten keine Sklaven mehr halten. Die Basler Leitung empfiehlt im Übrigen eine Untersuchung über die Verbreitung des Phänomens in der christlichen Gemeinde an der Goldküste (Der evangelische Heidenbote, April 1861).

Die Untersuchung fördert zutage, dass 23 Missionsangehörige an der Goldküste gesamthaft 242 Sklaven und Sklavinnen besitzen (Der evangelische Heidenbote, Juni 1862). Innerhalb der Mission entflammt daraufhin eine Debatte, die sich über mehrere Jahrzehnte hinzieht und in der sich zwei Lager gegenüberstehen: auf der einen Seite die Anhänger eines völligen Verbots von Sklavenarbeit, zu denen die Mehrheit der Leitung der «Basler Mission» und ein Teil der Missionare an der Goldküste gehören, auf der anderen Seite die Befürworter einer Übergangslösung, die den Realitäten vor Ort besser Rechnung tragen soll. Zu dieser Gruppe zählen einzelne Mitglieder des Basler Komitees wie der Hauptlehrer Gess sowie Missionare, die an der Goldküste tätig sind. Konfrontiert mit der Realität einer Institution, die in der afrikanischen Gesellschaft zutiefst verankert ist, sorgen sich Letztere vor allem um das Wachstum ihrer Gemeinde und fürchten, eine zu strenge Umsetzung der Weisungen aus Basel werde Afrikanerinnen und Afrikaner, die selbst Sklaven halten, vom Beitritt zur Mission abhalten. Die Diskussion mündet laut Aussage des Basler Komitees in eine regelrechte Krise. Das Komitee spricht sich weiterhin radikal gegen eine Übergangslösung aus, wie sein Inspektor (Präsident) bekräftigt: «Wollte man (wie die afrikanische General-Conferenz vorschlägt) die Sklaven (die von Christen gehalten werden) zwar frei erklären, aber noch sechs Jahre bei ihren Herren lassen, um Letztere durch solchen sechsjährigen Dienst zu entschädigen, so würde dies zur Folge haben, dass in dieser Zeit die gewesenen Sklaven nur um so härter würden gehalten werden, ohne dass man dadurch einen wesentlichen Zweck erreiche.» (Der evangelische Heidenbote, Oktober 1861)

1862 beschliesst die «Basler Mission» letztlich, dass die Sklaven innerhalb von zwei Jahren freizulassen sind, und sieht für deren Besitzer eine Entschädigung vor. Dazu wird eigens eine Kommission gegründet, die sich aus den Patres Mader, Schrenk und Aldinger zusammensetzt.

Knapp ein Jahr später informiert die Sonderkommission das Basler Komitee über die Fortschritte in der Realisierung des Beschlusses. An der Goldküste haben nahezu alle Missionsmitglieder die Sklaven in ihrem Besitz freigelassen; doch es handelt sich nur um eine teilweise Freilassung, denn die meisten müssen vier bis fünf Jahre für ihre Herren weiterarbeiten, um ihren Kaufpreis zurückzuerstatten. Man kann sich fragen, ob sich die «Basler Mission» mit dieser Lösung letztlich nicht die Auszahlung der beschlossenen Entschädigungen erspart.

Die Frage der Sklaverei beschäftigt die «Basler Mission» an der Goldküste noch weiter. 1880 schreibt der im Land stationierte Missionar Buck: «Also Sklaven, nur Sklaven stehen uns zur Verfügung. […] Treten die Sklaven, die faul und unsittlich sind, zum Christentum über, so wandeln sie sich Schritt für Schritt, nicht sofort.» (Der evangelische Heidenbote, Oktober 1880) Nicht anders ist es in Kamerun, wo die Mission seit 1885 präsent ist. Missionar H. Bohner, der die dortige Mission leitet, erklärt 1893, dass in Kamerun nur eine schrittweise Aufhebung der Sklaverei möglich ist, denn «eine mehr als tausendjährige Einrichtung, die das ganze Volksleben beherrscht, kann unmöglich auf einmal aufgehoben werden» (Missionsmagazin, 1893).

Welchen Einfluss genau die «Basler Mission» auf die Abschaffung der Sklaverei an der Goldküste und in Kamerun hat, ist schwer abzuschätzen, wie auch der Historiker Peter Haenger anmerkt. Die Entschlossenheit, mit der die Basler Leitung die Institution der Sklaverei verurteilt, wird, wie Haenger feststellt, gebremst durch die zwiespältige Haltung mancher Brüder und die tiefe Verankerung des Sklavensystems in den afrikanischen Gesellschaften (Haenger 2000).

Wie wir gesehen haben, führt die Tatsache, dass Schweizer Bürger oder Institutionen im Besitz von Sklaven sind, zu Reaktionen von amtlicher Seite (politische Behörden, Leitungsgremien der «Basler Mission»). Die von Eidgenossen praktizierte Sklaverei zeitigte in der Schweiz auch noch andere Folgen.

Präsenz afrikanischer Sklaven in der Schweiz

Manche Schweizer Staatsangehörige lassen einzelne Sklaven, die sich in Übersee in ihrem Besitz befinden, in die Schweiz kommen. Mehrheitlich hinterlassen diese kaum Spuren. Dies gilt zum Beispiel für Pedro und Vendredi, zwei Sklaven, die Charles de Meuron, Kommandant eines schweizerischen Regiments im Dienst der holländischen Ostindien-Compagnie, 1786 vom Cap mitbringt und die sich 1792/93 in Neuenburg aufhalten.

Über andere der in die Schweiz gebrachten Sklavinnen und Sklaven liegen mehr Informationen vor. Dabei stösst man auf Geschichten von Ausgrenzung, aber auch auf Berichte über eine «gelungene Integration». Auf zwei Episoden, die uns bezeichnend für das Schicksal dieser Afrikanerinnen und Afrikaner in der Schweiz scheinen, sei im Folgenden näher eingegangen. Es handelt sich um die Geschichte von Pauline Buisson und ihrem Sohn Hippolyte, die um die Wende zum 19. Jahrhundert in Yverdon leben, und um die Geschichte von Afrikanerinnen und Afrikanern, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der «Basler Mission» untergebracht sind.

Im Jahr 1786 (oder 1787) schreibt Johann Friedrich Blumenbach, ein bekannter Professor für Naturwissenschaften an der Universität Göttingen, folgende Zeilen: «Ich sah niemand, der mich hätte zurechtweisen können, als ein rücklings stehendes Frauenzimmer, von einer Schönheit des Wuchses, der mir auffallend war.

Aber wie ward ich nicht folgens [sic!] frappiert, da sie sich auf meine Ansprache umwandte, und ich an ihr eine Negresse von einer Gesichtsbildung fand, die einem solchen Wuchse aufs vollkommenste entsprach. Ein Gesicht, das durchaus – selbst in der Nase und den etwas stärkeren Lippen – doch sogar nichts auffalendes [sic!], geschweige denn unangenehmes hatte, dass die gleichen Züge bey einer weissen Haut gewiss allgemein gefallen haben müssten.

Und nun zu allem dem nicht nur die aufgeweckteste munterste Lebhaftigkeit bey einem sehr gesunden Verstande, sondern, wie ich bald nachher erfuhr, oben drein ausnehmende Einsicht und Geschicklichkeit in – der Entbindungskunst. Die zum Verlieben hübsche Negresse von Yverdun [sic!] ist weit und breit in der welschen Schweiz als beste Hebamme berühmt.» (Zitiert in Debrunner 1970, S. 21)

Diese «hübsche Negresse von Yverdun» heisst Pauline Buisson. Geboren ist sie in Saint-Domingue als Kind von Sklaven, die ursprünglich aus dem Kongo stammen. Sie ist «Eigentum» von David-Philippe Treytorrens (1721–1788), der sich im Dienste der holländischen Ostindischen Compagnie ein Vermögen erworben hat. Zu seinen «Heldentaten» gehört, als Offizier im Dienste Frankreichs den Aufstand der Schwarzen in Saint-Domingue niedergeschlagen zu haben. 1776 kehrt er nach Yverdon zurück und nimmt zwei seiner Sklaven, Pauline Buisson und François Mida, mit. Letzterer stirbt am 18. Dezember 1797 in der Schweiz. Pauline stirbt gemäss Totenregister von Yverdon am 10. Februar 1826, sie ist zwischen 70 und 80 Jahre alt.

Die Begegnung mit Pauline Buisson wird einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Denken von Blumenbach nehmen. 1775, rund zehn Jahre vor seiner Reise in die Schweiz, veröffentlicht dieser seine Dissertation mit dem Titel De generis Humani Varietate Nativa. Anhand des Studiums von Schädeln und der Hautfarbe definiert er die Eigenschaften von fünf menschlichen Rassen: der kaukasischen oder weissen, der mongolischen oder gelben, der äthiopischen oder schwarzen, der amerikanischen oder roten (kupfernen) und der malaysischen. Im 19. Jahrhundert findet diese Einteilung enormen Anklang. Noch heute wird der Begriff kaukasisch in den Vereinigten Staaten offiziell verwendet, um Personen mit weisser Hautfarbe zu bezeichnen. Ihre endgültige Ausformulierung erfährt die Klassifizierung im Handbuch der Naturgeschichte, das 1779/80 in Göttingen erscheint.

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Charles de Meuron mit seinen zwei Sklavendienern. (Familie Meuron, Militärmuseum in Colombier)

Obwohl Blumenbach die Einheitlichkeit der menschlichen Gattung unterstreicht, lobt er zunächst die unvergleichliche Schönheit der kaukasischen Rasse, während die anderen Rassen in seinen Augen mehr oder weniger weit von dieser Perfektion entfernt sind. Schrittweise gibt er aber diese ästhetische Hierarchisierung auf und unterstreicht die Bedeutung der Erziehung sowie die Gleichheit aller menschlichen Rassen in ihrer Fähigkeit, sich Bildung anzueignen (Tort 1995).

Als Blumenbach mit Pauline Buisson Bekanntschaft macht, hat er diesen intellektuellen Wandel bereits vollzogen. Dennoch veranlasst ihn laut Hans Debrunner die Begegnung mit der «schönen Negresse von Yverdun», in seinen späteren Schriften die Qualitäten der Afrikaner hervorzuheben. Dafür erstellt er eine Liste von Afrikanerinnen und Afrikanern, die für ihre Fähigkeiten bekannt sind. Diese Liste, auf der sich unter anderem die Namen von Pauline Buisson und Abbé Grégoire befinden, hat auch einen gewissen Einfluss auf die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei.

Neben dem Einfluss auf Blumenbach hinterlässt Pauline noch eine andere Spur in der Geschichte von Yverdon. 1791 bringt sie ein uneheliches Kind zur Welt, das den Namen Samuel-Hippolyte trägt. Dieses Kind gibt später Anlass zu einem Prozess zwischen der Gemeinde Yverdon und Henri de Treytorrens, einem Erben von David-Philippe. Im Prozess, der sich von 1826 bis 1834 hinzieht, geht es um den Status von Samuel, der aus Gründen, auf die wir im Folgenden eingehen, als «Sans-papiers» bezeichnet werden könnte. Für die Gemeinde ist diese Situation unhaltbar. «Doch ist es für das Schicksal von Buisson nicht vor allem und am vordringlichsten nötig, dass er einen Staat, eine Heimat hat?» (Archives dʼYverdon [ay], Réplique pour la ville dʼYverdon, November 1826, S. 10) Gemäss einem Abkommen, das die beiden Tanten von Henri de Treytorrens, Mme. de Treytorrens, geborene Le Fort, Witwe von David-Philippe, und ihre Schwägerin Mlle de Treytorrens, 1791 unterzeichnet haben und in dem sie sich verpflichten, Samuel Buisson die Staatsbürgerschaft des Landes zu beschaffen, geht die Gemeinde davon aus, dass es nach ihrem Tod Aufgabe ihres Neffen sei, die Kosten für die Einbürgerung von Paulines Sohn zu übernehmen. Henri de Treytorrens wehrt sich gegen diesen Entscheid aus Gründen, die aufzuzählen zu lang wären, die aber zum Teil mit den Kosten zusammenhängen, die das Einbürgerungsverfahren nach sich zieht.

Der Prozess ist interessant, weil er ein Licht auf Einstellung und Verhalten von Bürgern und kantonalen Behörden gegenüber Afrikanerinnen und Afrikanern in der Schweiz wirft. Erwähnenswert ist zunächst der Status von Pauline Buisson bei ihrer Ankunft in diesem Land. Gilt sie auf Schweizer Boden als Sklavin oder als Hausangestellte? Für die Gemeinde besteht kein Zweifel: «Chevalier de Treytorrens, ein reicher Grundstückseigentümer auf Saint-Domingue, ist, wie es heisst, vor 50 Jahren wieder in sein Heimatland zurückgekehrt und hat eine Negerin und einen Neger mitgebracht. Diese Personen waren nicht nur seine Hausangestellten; sie waren als Sklaven sein Eigentum, wie das für seine Pferde gegolten hätte. Die lokale Behörde hatte bezüglich dieser Personen keinerlei Massnahme zu ergreifen, das damalige Gesetz erforderte nichts dergleichen. Sie gehörten einem Bürger dieses Landes und überdies einem nach Vermögen und Namen angesehenen Bürger; er war für sie verantwortlich.» (Ebenda, S. 8) In der Argumentation wird unterstellt, es sei Aufgabe der Familie Treytorrens und nicht der lokalen Behörden gewesen, die Situation der Sklaven und ihrer Nachkommen in Ordnung zu bringen. Der Anwalt von Henri de Treytorrens antwortet auf die Argumente der Gemeinde in ironischem Ton: «… in diesem Land der Freiheit wurde Sklavenhandel betrieben. Diese Personen (ein Neger und eine Negerin, die bei M. de Treytorrens als Hausangestellte dienten) waren nicht nur Hausangestellte, behauptet sie [die Gemeinde], sondern waren als Sklaven sein Eigentum, wie das für seine Pferde gegolten hätte. Wie denn, in diesem ach so freien Land, das allen offen stand, die hier den Hauch der Freiheit atmen wollten, und ihnen grosszügig Gastfreundschaft gewährte, hat es Sklaven gegeben, die ihrem Herrn gehörten wie seine Hunde und Pferde, die er behandeln konnte wie Lasttiere, die er schlagen, geisseln, ja sogar bewusstlos prügeln konnte; denn seinen Hund oder sein Pferd darf man bewusstlos prügeln; das ergibt sich aus dem Eigentumsrecht.» (ay, Duplique pour M. Henry de Treytorrens, November 1826, S. 11f.) Für den Anwalt «tut die Hautfarbe der Person nichts zur Sache; ob diese nun weiss, schwarz oder kupfern ist, spielt keine Rolle; und trotz des gegenteiligen Standpunkts der Gemeinde Yverdon sind wir der Meinung, dass auf helvetischem Boden die Negerin Pauline eine gewöhnliche Hausangestellte war und es auf dem Gebiet der Gemeinde keine Sklaven geben konnte.» (ay, Réponse pour M. Henry de Treytorrens, August 1826, S. 8) Die lokalen Behörden hätten also von Anfang an die Situation der ausländischen Hausangestellten und ihrer Nachkommen regularisieren müssen.

Der zweite interessante Punkt betrifft die Diskussion rund um die Einbürgerung Samuels. 1791 stellen die beiden Tanten von Henri de Treytorrens als ersten Schritt zur Einbürgerung bei den Behörden in Bern einen Antrag auf Staatsbürgerschaft für Samuel Buisson. Die Antwort fällt negativ aus: «Aus begründeten Erwägungen haben wir es nicht für gut befunden, auf den Antrag einzutreten, den wir den Damen abgewiesen haben […].» (Zitiert in Michaud 1969, S. 67) 20 Jahre später kommentiert die Gemeinde Yverdon diesen Entscheid mit den Worten: «1791 war die Regierung in Bern noch zu aristokratisch und hat die Einbürgerung des jungen Buisson abgelehnt, weil das Kind eine kupferne Hautfarbe hatte.» (ay, Réplique pour la Municipalité dʼYverdon, November 1826, S. 2) Soll das heissen, dass die demokratische Waadtländer Regierung toleranter gewesen wäre? Interessanterweise lehnen die Waadtländer Behörden zwischen 1820 und 1825 die Einbürgerung eines in Payerne bei einem gewissen Präsident Laval untergebrachten Afrikaners mit folgender Begründung ab: «Im Kanton Waadt wird die Staatsbürgerschaft nicht grosszügig vergeben. Vor allem hütet man sich, sie einem Afrikaner zu geben, der allen Mädchen, die in seine Hände geraten, Kinder anhängt.» (Ebenda, S. 7)

Dieses Zitat führt uns zu einem letzten interessanten Aspekt, der aus den Quellen zu diesem Prozess hervorgeht. Die wenigen öffentlichen Beurteilungen über Afrikanerinnen und Afrikaner betonen deren angeblich zügellose Sexualität. Die Gemeinde Yverdon schreibt beispielsweise 1826: «Durch die Ausfuhr einer jungen, aus einem heissen Klima kommenden Afrikanerin musste Monsieur le Chevalier de Treytorrens davon ausgehen, dass von ihr kaum die Tugenden des hiesigen Klimas erwartet werden konnten; er liess sie in seinem Haus […] in Kontakt mit den dort wohnenden Männern. Diese erregte Negerin, die durch keinerlei Bildung gelernt hatte, ihr heisses Blut zu zügeln, gab sich ihrem Verlangen hin. Sie wurde im Hause der Treytorrens schwanger und hat dort ihr Kind geboren. Die Gefahr liess sich leicht vorhersehen, und wenn die Familie beschlossen hat, dieses Risiko einzugehen, ist es ihr anzurechnen und sie hat alle Folgen zu tragen. Kurzum, Monsieur de Treytorrens hat aus Saint-Domingue eine leicht entflammbare Materie mitgebracht; sie hat Schaden angerichtet, und so obliegt es ihm oder seinem Erben, diesen wieder gutzumachen.» (ay, Demande pour la Municipalité dʼYverdon, Juni 1826, S. 3) Wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, hält sich dieses Bild von den sexuell zügellosen Schwarzen das ganze 19. Jahrhundert hindurch.

Der Prozess endet mit einer gütlichen Einigung zwischen den beiden Parteien. Samuel Buisson kommt das aber nicht mehr zugute. Er stirbt 1832 im Alter von 42 Jahren, ohne dass sein Status zuvor regularisiert worden wäre. In den Archiven finden sich einige Informationen über seinen Werdegang. Gemäss dem Wunsch von Mlle. de Treytorrens und ihrer Schwägerin kümmern sich deren Nachkommen um die Bildung von Samuel Buisson: Er absolviert eine Schuhmacherlehre und geht 1811 nach Frankreich, um dort seinen Beruf auszuüben. 1823 kommt er in die Schweiz zurück, doch der Neuanfang scheint wenig erfolgreich zu sein. In einem Auszug des Friedensrichters des Kreises Yverdon vom 8. Oktober 1827 kann man lesen: «Es ist allgemein bekannt, dass ein gewisser Hypolyte Buisson seine Arbeit und sein Geschäft weiterhin völlig vernachlässigt und täglich Nachtlokale besucht; dass sein Besitz konfisziert wurde […].» Allen Nachtlokalen der Stadt und der Umgebung ist in Zukunft untersagt, Buisson zu bedienen.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beherbergt Basel neben London und Paris eine der zweifellos ersten und grössten afrikanischen Gemeinden Europas. In der Stadt halten sich rund 25 Afrikanerinnen und Afrikaner auf, manche von ihnen ehemalige Sklavinnen oder Sklaven. Im Gegensatz zu London und Paris hängt die Anwesenheit der Afrikanerinnen und Afrikaner in der Rheinstadt nicht mit dem Überseehandel zusammen, sondern mit den Bemühungen der Pietisten, Afrika zu evangelisieren. In diesem Zusammenhang spielen zwei von Christian Friedrich Spittler gegründete Institutionen eine wichtige Rolle: die «Basler Mission» und die Pilgermission St.Chrischona nahe Riehen im Kanton Basel-Stadt. Auf die Tätigkeit der erstgenannten wurde bereits eingegangen. Die Pilgermission von St.Chrischona hat zum Ziel, Handwerker-Evangelisten auszubilden, also Missionare, die zugleich auch technisch geschult sind. Diese beiden Einrichtungen sind es, die Afrikaner und Afrikanerinnen aufnehmen, die von den in Afrika tätigen Missionaren geschickt werden.

1855 gründet Spittler mit dem anglikanischen Bischof von Jerusalem, dem aus der Romandie stammenden Samuel Gobat, in Äthiopien eine protestantische Mission. Gobat kennt dieses Land von seiner Tätigkeit als Missionar in den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts. Um die Verbindung zwischen Jerusalem und Äthiopien aufrechtzuerhalten, werden in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts in Alexandria, Kairo, Assuan und Khartum Stationen gegründet. Khartum, das freigelassene Sklaven aufnimmt, ist ein Vorläufer der späteren Asyle für befreite Sklaven, die, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, von der Schweizer Bewegung gegen die Sklaverei in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet werden.

So ist es nicht erstaunlich, dass sich unter den in Basel lebenden Afrikanern auch ehemalige Sklavinnen und Sklaven befinden. Zwei verdienen besondere Erwähnung: Pauline Fathme und Ruufoo. Pauline Fathme, Tochter eines Führers des im Süden Äthiopiens lebenden Oromo-Stammes, wird von arabischen Händlern entführt und verkauft. Nachdem sie zwölfmal an einen neuen Besitzer weiterverkauft worden ist, überlässt sie der ägyptische Gouverneur Mehmet Ali einem deutschen Abenteurer namens John von Müller. Dieser bringt sie nach Deutschland, wo sie eine protestantische Erziehung erhält. Ihr Wunsch, ihr «schlechtes» Volk zu konvertieren, verhilft ihr in pietistischen Kreisen zu einem gewissen Bekanntheitsgrad. Pauline Fathme stirbt 1855 in Basel. Im selben Jahr erscheint eine Biografie der jungen Frau, im Jahr darauf wird sie neu aufgelegt. Der Bericht der geglückten Missionierung Paulines findet grossen Anklang.

Bei Ruufoo handelt es sich um einen Jungen, der von seinen Eltern verkauft wird, um einen Tribut zu begleichen. Er wird im Sudan auf einem Sklavenmarkt von einem Missionar gekauft, der ihn nach Basel und später nach Deutschland schickt. Er hilft – wenn auch offenbar höchst widerwillig, da er von der Wichtigkeit seiner Aufgabe nicht allzu überzeugt zu sein scheint – bei der Übersetzung des Neuen Testaments in die Oromo-Sprache.

Die afrikanische Diaspora in Basel hat also einen gewissen Einfluss – zum einen in der Schweiz, wo ihre Anwesenheit ein missionarisches und kulturelles Interesse an Ostafrika weckt, zum anderen in ihrer Herkunftsregion, da die nach Afrika Zurückgekehrten wichtige Stellungen einnehmen und laut dem Geschichtsethnologen Wolbert Smidt «regelrechte Pioniere der Modernisierung Afrikas» sind (Smidt 2005).

In den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts unterbricht die «Basler Mission» die Ausbildungsprogramme. Zehn Jahre später kommen die Verantwortlichen der Pilgermission St.Chrischona angesichts der hohen Sterberate unter den nach Basel kommenden Afrikanerinnen und Afrikanern zum selben Entschluss, denn nahezu die Hälfte der Diaspora stirbt an Tuberkulose.

Schlussfolgerung

Im ersten Kapitel haben wir gesehen, dass Schweizer in der ersten Phase des so genannten Dreieckshandels an der Ausrüstung von Sklavenschiffen und/oder ihrer Belieferung mit Indiennes beteiligt waren. Im zweiten Kapitel haben wir uns mit Schweizer Staatsangehörigen befasst, die sich auf dem amerikanischen Kontinent aufhielten, für den der Sklavenhandel letztlich bestimmt war. Sie betätigten sich dort im Anbau von Kolonialprodukten, im Export der Erzeugnisse nach Europa oder Import von europäischen Fertigwaren. Manche übten auch Funktionen in der politischen Verwaltung der Kolonialgesellschaften aus. Andere wiederum trugen zur militärischen Niederwerfung der Sklavenrevolten bei und sicherten damit das Überleben der Plantagenwirtschaft. All diese Phasen waren untrennbar mit der Zwangsarbeit Tausender Männer und Frauen verbunden, die ihrem Herkunftsort entrissen, ihrer Freiheit beraubt und, in einen minderwertigen gesellschaftlichen Status abgeschoben, zum Leben unter oft grauenhaften Bedingungen gezwungen wurden. Genfer, Basler, Berner, Appenzeller und Waadtländer waren am System der Sklaverei beteiligt, indem sie sich diese Arbeitskräfte aneigneten und sie zwangen, für sie zu arbeiten. Sie unterschieden sich darin in nichts von anderen europäischen Kaufleuten, Beamten und Pflanzern. Die de Meurons, Hoffmanns, Faeschs, Pourtalèsʼ, Thurneysens, Flachs, Toblers oder de Purys waren Teil einer europäischen Wirtschaftselite, die während des 18. und 19. Jahrhunderts den atlantischen Handel und das Sklavereisystem, die sich oft als ausgesprochen rentabel erwiesen, aufrechterhielten und versorgten.