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S. Boblest et al.Spezielle und allgemeine Relativitätstheoriehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-63352-6_6

6. Relativistische Mechanik

Sebastian Boblest1  , Thomas Müller2   und Günter Wunner3  
(1)
Dürnau, Deutschland
(2)
Max-Planck-Institut für Astronomie, Haus der Astronomie, Heidelberg, Deutschland
(3)
Universität Stuttgart, 1. Institut für Theoretische Physik, Stuttgart, Deutschland
 
Wie wir bereits gesehen haben, ist die Newton'sche Mechanik nicht kovariant unter Lorentz-Transformationen, zum Beispiel führt eine konstante Beschleunigung a auf eine Geschwindigkeit v(t) = at > c für t > ca. Unser Ziel ist die Formulierung einer Lorentz-kovarianten Mechanik, die bei kleinen Geschwindigkeiten in die Newton'sche Mechanik übergeht. Wir betrachten dazu ein Punktteilchen in der 4-dimensionalen Raumzeit. Die Weltlinie des Teilchens ist gegeben durch
$$ {x}^{\mu }={x}^{\mu }(t)=\left(\begin{array}{l}\hfill ct\hfill \\ {}\hfill \boldsymbol{r}(t)\hfill \end{array}\right). $$
(6.1)
Diese Bahnkurve ist gleich definiert wie in der Newton'schen Mechanik und entspricht der Menge aller Ereignisse, die auf der Bahn des Teilchens liegen. Aufgrund der Zeitdilatation vergeht die Zeit im Ruhsystem des Teilchens aber anders als für einen äußeren Beobachter. Deshalb ist auch die Parametrisierung über die Eigenzeit in der Form
$$ {x}^{\mu}\left[t\left(\tau \right)\right]=\left(\begin{array}{l}\hfill ct\left(\tau \right)\hfill \\ {}\hfill \boldsymbol{r}\left[t\left(\tau \right)\right]\hfill \end{array}\right) $$
(6.2)
wichtig.

Unser Ziel ist es, die anderen, in der klassischen Mechanik auftretenden Größen Geschwindigkeit, Beschleunigung, Impuls und Energie kovariant zu formulieren, um uns den so gewonnenen Formalismus dann an Beispielen klar zu machen. Eine wirklich umfassende Darstellung der relativistischen Mechanik werden wir aber nicht vornehmen, so werden wir z. B. die Verallgemeinerung des Drehimpulses nicht diskutieren. Weitere Details findet der interessierte Leser z. B. in [3].

6.1 Vierergeschwindigkeit

Bei der Definition einer Vierergeschwindigkeit haben wir das Problem, dass die Koordinatenzeit t kein Lorentz-Skalar ist, deshalb ist dxμ∕dt auch nicht Lorentz-kovariant. Wir haben aber bereits gesehen, dass die Eigenzeit τ ein Lorentz-Skalar ist. Deshalb ist
$$ {u}^{\mu }=\frac{\mathrm{d}{x}^{\mu }}{\mathrm{d}\tau } $$
(6.3)
ein kontravarianter Vierervektor und heißt Vierergeschwindigkeit . Mit der Definition des Eigenzeitdifferentials (5.​46) folgt
$$ {u}^{\mu }=\gamma (t)\frac{\mathrm{d}{x}^{\mu }}{\mathrm{d}t} $$
(6.4)
und mit der Abkürzung $$ \mathrm{d}{x}^i/  \mathrm{d}t={\dot{x}}^i $$ sowie $$ \dot{\boldsymbol{r}}={\left({\dot{x}}^1,{\dot{x}}^2,{\dot{x}}^3\right)}^{\mathrm{T}} $$ erhalten wir
$$ {u}^{\mu }=\gamma (t)\left(\begin{array}{c}c\\ {}\dot{\boldsymbol{r}}\end{array}\right)\quad  \mathrm{und}\quad  {u}_{\mu }={\eta}_{\mu \nu}{u}^{\nu }=\gamma (t)\left(\begin{array}{c}-c\\ {}\dot{\boldsymbol{r}}\end{array}\right). $$
(6.5)
Die Kontraktion der Vierergeschwindigkeit liefert dann einen Lorentz-Skalar:
$$ {u}_{\mu }{u}^{\mu }=-{\gamma}^2{c}^2+{\gamma}^2{\dot{\boldsymbol{r}}}^2={\gamma}^2{c}^2\left(-1+{\beta}^2\right)=-{c}^2<0. $$
(6.6)
Es ist also in jedem Fall uμuμ < 0 und daher ist uμ ein zeitartiger Vektor.

6.2 Viererbeschleunigung

Analoges Vorgehen führt zur Viererbeschleunigung
$$ {b}^{\mu }=\frac{\mathrm{d}{u}^{\mu }}{\mathrm{d}\tau }=\frac{{\mathrm{d}}^2{x}^{\mu }}{\mathrm{d}{\tau}^2}. $$
(6.7)
Wenn wir diesen Ausdruck explizit auswerten, finden wir
$$ {b}^{\mu }=\gamma \frac{\mathrm{d}{u}^{\mu }}{\mathrm{d}t}=\gamma \frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\left[\gamma \left(\begin{array}{c}c\\ {}\dot{\boldsymbol{r}}\end{array}\right)\right]=\gamma \dot{\gamma}\left(\begin{array}{c}c\\ {}\dot{\boldsymbol{r}}\end{array}\right)+{\gamma}^2\left(\begin{array}{c}0\\ {}\ddot{\boldsymbol{r}}\end{array}\right). $$
(6.8)
Mit
$$ \dot{\gamma}=\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\frac{1}{\sqrt{1-{\boldsymbol{\beta}}^2}}={\gamma}^3\boldsymbol{\beta} \cdotp \dot{\boldsymbol{\beta}} $$
(6.9)
folgt dann
$$ {b}^{\mu }={\gamma}^4\boldsymbol{\beta} \cdotp \dot{\boldsymbol{\beta}}c\left(\begin{array}{l}\hfill 1\hfill \\ {}\hfill \boldsymbol{\beta} \hfill \end{array}\right)+{\gamma}^2c\left(\begin{array}{l}\hfill 0\hfill \\ {}\hfill \dot{\boldsymbol{\beta}}\hfill \end{array}\right)=c{\gamma}^4\left(\begin{array}{l}\hfill \boldsymbol{\beta} \cdotp \dot{\boldsymbol{\beta}}\hfill \\ {}\hfill \dot{\boldsymbol{\beta}}/  {\gamma}^2+\left(\boldsymbol{\beta} \cdotp \dot{\boldsymbol{\beta}}\right)\boldsymbol{\beta} \hfill \end{array}\right). $$
(6.10)
Nur im ersten Term der Raumkomponenten tritt $$ \boldsymbol{\beta} =\dot{\boldsymbol{r}}/  c $$ nicht auf. Man erkennt deshalb leicht, dass
$$ {b}^{\mu}\to \left(\begin{array}{c}0\\ {}\ddot{\boldsymbol{r}}\end{array}\right),\quad  \mathrm{f}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{r}\quad  \beta \ll 1 $$
(6.11)
gilt, d. h. im Grenzfall kleiner Geschwindigkeiten erhalten wir das korrekte nichtrelativistische Resultat.

6.3 Viererimpuls

Die Ruhemasse eines Teilchens ist ein Lorentz-Skalar. Damit lässt sich der Viererimpuls direkt als
$$ {p}^{\mu }=m{u}^{\mu }= m\gamma \left(\begin{array}{c}c\\ {}\dot{\boldsymbol{r}}\end{array}\right) $$
(6.12)
einführen.

An dieser Stelle ist ein Hinweis angebracht: Man findet in der Literatur oft die Aussage, dass die Masse eines Teilchens geschwindigkeitsabhängig über m(γ) = m0γ sei. Tatsächlich kann man mit dieser Definition oft gut arbeiten. Streng genommen gehört der Faktor γ in (6.12) aber zur Vierergeschwindigkeit und nicht zur Masse. Die Ruhemasse eines Teilchens ist ein Lorentz-Skalar und nicht geschwindigkeitsabhängig.

6.4 Viererkraft

Die Newton'sche Grundgleichung der Mechanik ist
$$ {\boldsymbol{F}}^{\mathrm{N}}=\dot{\boldsymbol{p}}, $$
(6.13)
mit der Newton'schen Kraft FN. Es bietet sich daher als speziell-relativistische Verallgemeinerung der Ansatz
$$ {F}^{\mu }=\frac{\mathrm{d}{p}^{\mu }}{\mathrm{d}\tau }=\gamma \frac{\mathrm{d}{p}^{\mu }}{\mathrm{d}t}=m{b}^{\mu } $$
(6.14)
an. Dieser Ansatz ist allerdings nicht streng beweisbar, sondern lässt sich nur durch experimentelle Überprüfung verifizieren. Wir setzen (6.10) ein und erhalten
$$ {F}^{\mu }= mc{\gamma}^4\left(\begin{array}{c}\boldsymbol{\beta} \cdotp \dot{\boldsymbol{\beta}}\\ {}\dot{\boldsymbol{\beta}}/  {\gamma}^2+\left(\boldsymbol{\beta} \cdotp \dot{\boldsymbol{\beta}}\right)\boldsymbol{\beta} \end{array}\right)=\left(\begin{array}{c} mc{\gamma}^4\boldsymbol{\beta} \cdotp \dot{\boldsymbol{\beta}}\\ {}\gamma {\boldsymbol{F}}^{\mathrm{N}}\end{array}\right). $$
(6.15)
Im zweiten Schritt haben wir dabei für die Raumkomponenten die Newton'sche Relation FN = dp∕dt zusammen mit (5.​46) verwendet, die ja weiterhin gilt.
Wir können aus den Raumkomponenten von (6.15) den Zusammenhang
$$ {\boldsymbol{F}}^{\mathrm{N}}= mc\gamma \left(\dot{\boldsymbol{\beta}}+{\gamma}^2\left(\boldsymbol{\beta} \cdotp \dot{\boldsymbol{\beta}}\right)\boldsymbol{\beta} \right) $$
(6.16)
ablesen. Diesen verwenden wir jetzt, um einen Ausdruck für die 0-te Komponente zu erhalten, denn es gilt
$$ {\displaystyle \begin{array}{rll}\gamma \boldsymbol{\beta} \cdotp {\boldsymbol{F}}^N&amp; = mc{\gamma}^2\boldsymbol{\beta} \cdotp \dot{\boldsymbol{\beta}}+ mc{\gamma}^4\left(\boldsymbol{\beta} \cdotp \dot{\boldsymbol{\beta}}\right){\boldsymbol{\beta}}^2&amp; \\ {}&amp; = mc{\gamma}^2\boldsymbol{\beta} \cdotp \dot{\boldsymbol{\beta}}\left(1+{\gamma}^2{\beta}^2\right)= mc{\gamma}^4\boldsymbol{\beta} \cdotp \dot{\boldsymbol{\beta}}={F}^0\end{array}} $$
(6.17)
und damit
$$ {F}^{\mu }=\gamma \left(\begin{array}{c}\boldsymbol{\beta} \cdotp {\boldsymbol{F}}^{\mathrm{N}}\\ {}{\boldsymbol{F}}^{\mathrm{N}}\end{array}\right)=m{b}^{\mu }. $$
(6.18)
Mit der eingeführten Viererkraft lassen sich dann die relativistischen Bewegungsgleichungen formulieren.

6.5 Kräftefreie Bewegung

Eine kräftefreie Bewegung ist beschreibbar als die kürzeste Verbindung zwischen zwei Raumzeit-Ereignissen A und B. Die Berechnung erfolgt über Variation des Weges (Abb. 6.1), d. h.
Abb. 6.1

Variation des Weges. Betrachtet werden kleine Variationen δr(t) des Weges r(t) von Ereignis A zu Ereignis B, mit der Bedingung, dass δr(tA) = δr(tB) = 0

$$ \delta \underset{A}{\overset{B}{\int }}\mid \mathrm{d}s\mid =0. $$
(6.19)
Wir müssen hier den Betrag von ds benutzen, da für zeitartige Intervalle ds2 < 0 gilt. Den Weg parametrisieren wir dabei über die Zeit t. Nach Einsetzen der Definition des Linienelementes folgt
$$ {\displaystyle \begin{array}{rll}\delta \underset{A}{\overset{B}{\int }}\mid \mathrm{d}s\mid &amp; =\delta \underset{A}{\overset{B}{\int }}\sqrt{c^2\mathrm{d}{t}^2-\mathrm{d}{x}^2-\mathrm{d}{y}^2-\mathrm{d}{z}^2}=\delta \underset{A}{\overset{B}{\int }}\sqrt{c^2-{\dot{\boldsymbol{r}}}^2}\, \mathrm{d}t&amp; \\ {}&amp; =-\underset{A}{\overset{B}{\int }}\frac{\dot{\boldsymbol{r}}\delta \dot{\boldsymbol{r}}}{\sqrt{c^2-{\dot{\boldsymbol{r}}}^2}}\, \mathrm{d}t.\end{array}} $$
(6.20)
Im zweiten Schritt haben wir dabei entsprechend der Ableitungsregeln umgeformt. Zur Auswertung des Integrals wenden wir die Produktintegration an. Wir setzen
$$ p=\frac{\dot{\boldsymbol{r}}}{\sqrt{c^2-{\dot{\boldsymbol{r}}}^2}}\quad  \mathrm{und}\quad  \mathrm{d}q=\delta \dot{\boldsymbol{r}}\cdotp \mathrm{d}t $$
(6.21)
und erhalten nach Differentiation bzw. Integration
$$ \mathrm{d}p=\left[\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\frac{\dot{\boldsymbol{r}}}{\sqrt{c^2-{\dot{\boldsymbol{r}}}^2}}\right]\, \mathrm{d}t\quad  \mathrm{und}\quad  q=\delta \boldsymbol{r}. $$
(6.22)
Dabei haben wir ausgenutzt, dass die Differentiation und die Variation vertauschbar sind, d. h.
$$ \delta \dot{\boldsymbol{r}}=\delta \frac{\mathrm{d}\boldsymbol{r}}{\mathrm{d}t}=\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\delta \boldsymbol{r}. $$
(6.23)
Wir setzen diese Ergebnisse ein und erhalten
$$ {\left.-\frac{\dot{\boldsymbol{r}}}{\sqrt{c^2-{\dot{\boldsymbol{r}}}^2}}\cdotp \delta \boldsymbol{r}\right|}_A^B+\underset{A}{\overset{B}{\int }}\delta \boldsymbol{r}(t)\left[\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\frac{\dot{\boldsymbol{r}}}{\sqrt{c^2-{\dot{\boldsymbol{r}}}^2}}\right]\, \mathrm{d}t=0. $$
(6.24)
Da δr(A) = δr(B) = 0 verschwindet der erste Term. Jetzt haben wir
$$ \underset{A}{\overset{B}{\int }}\delta \boldsymbol{r}(t)\left[\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\frac{\dot{\boldsymbol{r}}}{\sqrt{c^2-{\dot{\boldsymbol{r}}}^2}}\right]\, \mathrm{d}t=0\quad  \mathrm{f}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{r}\ \mathrm{beliebige}\quad  \delta \boldsymbol{r}(t). $$
(6.25)
Diese Gleichung lässt sich für alle δr(t) nur erfüllen, wenn die Zeitableitung in eckigen Klammern verschwindet. Wir führen die Ableitung aus und erhalten:
(6.26)
Das bedeutet $$ \ddot{\boldsymbol{r}}=\mathbf{0} $$ bzw. $$ \dot{\boldsymbol{r}}={\dot{\boldsymbol{r}}}_0=\mathrm{const} $$. Durch Multiplikation von (6.26) mit der Masse m0 erhalten wir
$$ \frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\frac{m_0\cdotp \dot{\boldsymbol{r}}}{\sqrt{c^2-{v}^2}}=\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}{m}_0\gamma \boldsymbol{\beta} =\mathbf{0.} $$
(6.27)
Dabei haben wir $$ \dot{\boldsymbol{r}}/  c=\boldsymbol{\beta} $$ eingesetzt. Dies ist die Gleichung für den relativistischen Impuls für den Fall, dass eine kräftefreie Bewegung vorliegt. Er ist dann eine Erhaltungsgröße.

6.6 Relativistische Energie

Schauen wir uns nochmal die Viererkraft $$ {F}^{\mu }=\gamma {\left(\boldsymbol{v}\cdotp {\boldsymbol{F}}^{\mathrm{N}}/  c,{\boldsymbol{F}}^{\mathrm{N}}\right)}^{\mathrm{T}} $$ aus (6.18) an. Für die 0-te Komponente gilt:
$$ {F}^0=m\frac{\mathrm{d}{u}^0}{\mathrm{d}\tau }= m\gamma \frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\left(\gamma c\right)=\gamma \frac{\boldsymbol{v}\cdotp {\boldsymbol{F}}^{\mathrm{N}}}{c}. $$
(6.28)
Daraus ersehen wir den Zusammenhang
$$ \frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\left( m\gamma {c}^2\right)=\boldsymbol{v}\cdotp {\boldsymbol{F}}^{\mathrm{N}}=\frac{{\boldsymbol{F}}^{\mathrm{N}}\cdotp \mathrm{d}\boldsymbol{x}}{\mathrm{d}t}=\frac{\mathrm{d}W}{\mathrm{d}t}, $$
(6.29)
mit der Arbeit W. Damit können wir für die relativistische Energie
$$ W=\gamma m{c}^2=E $$
(6.30)
schreiben. Bei der Integration von (6.29) tritt eine Integrationskonstante auf, die wir in (6.30) so gewählt haben, dass die Energie des ruhenden Teilchens mit Ruhemasse m
$$ E=m{c}^2 $$
(6.31)
ist.

6.6.1 Äquivalenz von Masse und Energie

Gl. (6.31) ist die vielleicht berühmteste Formel der Physik überhaupt. Jeder Masse ist über diesen Zusammenhang eine Energiemenge zugeordnet. Für 1 kg Materie ergibt sich z. B.
$$ {E}_{1\,  \mathrm{kg}}\approx 8,988\cdotp 1{0}^{16}\mathrm{J}. $$
(6.32)
Zum Vergleich: In Deutschland betrug der Gesamtenergieverbrauch 2013 etwa 1,38 · 1019 J [2]. Könnte man Materie in großen Mengen direkt in Energie umwandeln, so würden also etwa 154 kg ausreichen, um den gesamten Energiebedarf Deutschlands zu decken.

Es ist alles andere als trivial, den Zusammenhang (6.31) theoretisch abzuleiten, Einstein selbst widmete diesem Problem eine ganze Reihe von Arbeiten, ohne wirklich vollständig erfolgreich zu sein. Eine Übersicht über seine Versuche gibt ein Artikel von Hecht [4].

Experimentell ist diese Relation aber glänzend bestätigt, so verwendeten Rainville et al. [7] Kernreaktionen, bei denen ein Nuklid ein Neutron einfängt und danach ein γ-Photon emittiert. Der Massenunterschied Δm zwischen Kern und Neutron vor der Reaktion und dem resultierenden Kern nach dem Einfang sollte genau der Energie des Photons entsprechen. Die Gruppe fand das Ergebnis
$$ 1-\frac{\Delta m{c}^2}{E}=\left(-1,4\pm 4,4\right)\cdotp 1{0}^{-7}. $$
(6.33)
Wir vergleichen nun zuerst das allgemeine Ergebnis für die relativistische Energie mit dem Viererimpuls in (6.12) und erkennen den Zusammenhang
$$ E=\gamma m{c}^2=c{p}^0\quad  \mathrm{bzw}.\quad  {p}^0=\frac{E}{c}, $$
(6.34)
also können wir den Viererimpuls auch als
$$ {p}^{\mu }=\left(\begin{array}{c}E/  c\\ {} m\gamma \boldsymbol{v}\end{array}\right)=\left(\begin{array}{c}E/  c\\ {}\boldsymbol{p}\end{array}\right) $$
(6.35)
schreiben. In dieser Form bezeichnen wir ihn als Energie-Impuls-Vektor. Für ihn gilt
$$ {p}_{\mu }{p}^{\mu }=-\frac{E^2}{c^2}+{\boldsymbol{p}}^2. $$
(6.36)
Da pμ p μ ein Lorentz-Skalar ist, hat es in jedem Inertialsystem den gleichen Wert. Im Ruhsystem des Teilchens ist aber p = 0 und die Energie entspricht der Ruheenergie. Aus dem Vergleich sehen wir, dass allgemein
$$ -\frac{E^2}{c^2}+{\boldsymbol{p}}^2=-{m}^2{c}^2 $$
(6.37)
gilt. Damit können wir schließlich den Zusammenhang
$$ {E}^2={m}^2{c}^4+{c}^2{\boldsymbol{p}}^2\quad  \mathrm{bzw}.\quad  E=\sqrt{m^2{c}^4+{c}^2{\boldsymbol{p}}^2} $$
(6.38)
zwischen relativistischer Energie und relativistischem Impuls gewinnen. Gl. (6.38) ist der relativistische Energiesatz. Für kleine Impulse lässt sich der Ausdruck für E in (6.38) in eine Taylorreihe entwickeln:
$$ E=m{c}^2\sqrt{1+\frac{{\boldsymbol{p}}^2}{m^2{c}^2}}\approx m{c}^2\left(1+\frac{{\boldsymbol{p}}^2}{2{m}^2{c}^2}+\dots \right)=\frac{{\boldsymbol{p}}^2}{2m}+m{c}^2+\mathcal{O}\left({\boldsymbol{p}}^4\right), $$
(6.39)
mit der Ruheenergie mc2 und der kinetischen Energie $$ {\boldsymbol{p}}^2/  (2m)+\mathcal{O}\left({\boldsymbol{p}}^4\right) $$. Allgemein ist die relativistische Energie die Summe der kinetischen Energie und der Ruheenergie. Das muss insbesondere beim Vergleich mit der nichtrelativistischen kinetischen Energie berücksichtigt werden.
Was passiert nun für große Geschwindigkeiten? Im Fall m > 0 gilt für |v| → c wegen γ
$$ E\to \infty . $$
(6.40)
Die relativistische Energie divergiert, wenn sich die Geschwindigkeit der Lichtgeschwindigkeit nähert. Daraus folgt, dass sich Teilchen mit nicht verschwindender Ruhemasse immer langsamer als Licht bewegen müssen, denn um sie auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen, müsste man unendlich viel Energie aufbringen.
Machen wir uns das an einem Beispiel klar. Die Ruheenergie des Protons beträgt
$$ {E}_{\mathrm{p}}={m}_{\mathrm{p}}{c}^2=938,272046(21)\,  \mathrm{MeV}. $$
(6.41)
Bewegt sich ein Proton mit etwa β = 0,9999999725, so ist seine Gesamtenergie$$ E=4\,  \mathrm{TeV} $$ und damit über 4000-mal so groß wie seine Ruheenergie! Im Large Hadron Collider, dem momentan weltgrößten Teilchenbeschleuniger, treffen Protonen genau mit einer solchen Energie aufeinander, d. h. bei zwei gleich schnellen Protonen entspricht dies einem Stoß bei 8 TeV. Abb. 6.2 zeigt die relativistische Energie im Vergleich zur Newton'schen kinetischen Energie für ein Proton.
Abb. 6.2

Vergleich zwischen relativistischer und Newton'scher kinetischer Energie für ein Proton. Beim relativistischen Ausdruck ist die Ruheenergie abgezogen. Für β → 1 divergiert der relativistische Energieausdruck

6.6.2 Photonen und der Compton-Effekt

Photonen haben keine Ruhemasse. Deswegen gilt
$$ {p}_{\mu }{p}^{\mu }=\frac{E^2}{c^2}-{\boldsymbol{p}}^2={m}^2{c}^2=0. $$
(6.42)
Daraus folgt dann
(6.43)
Mit den Zusammenhängen und zwischen Impuls und Wellenvektor, bzw. Energie und Frequenz für Photonen haben wir dann
(6.44)
mit dem Viererwellenvektor kμ. Aus (6.43) sehen wir, dass
$$ \mid \boldsymbol{k}\mid =\frac{\omega }{c} $$
(6.45)
gelten muss, d. h. kμ ist ein lichtartiger Vektor.
Wir betrachten weiter ein beliebiges Teilchen mit Masse m1 und untersuchen, was bei der Emission von Photonen passiert, wie es z. B. bei angeregten Atomen der Fall ist. Um einfacher rechnen zu können, nehmen wir an, dass sich das Teilchen in Ruhe befindet und zwei Photonen in entgegengesetzte Richtungen emittiert, sodass kein Rückstoß erfolgt und die Raumkomponenten des Viererimpulses sich nicht ändern (s. Abb. 6.3). Die Erhaltung des Gesamt-Viererimpulses führt auf
Abb. 6.3

Zur Äquivalenz von Masse und Energie: Ein Teilchen, das 2 Photonen gleicher Energie in entgegengesetzte Richtungen emittiert, ändert seinen Impuls und entsprechend auch seine kinetische Energie nicht, es muss also seine Ruhemasse verringern

$$ \left(\begin{array}{c}{E}_1/  c\\ {}0\end{array}\right)=\left(\begin{array}{c}\mid \boldsymbol{p}\mid \\ {}-\boldsymbol{p}\end{array}\right)+\left(\begin{array}{c}{E}_2/  c\\ {}0\end{array}\right)+\left(\begin{array}{c}\mid \boldsymbol{p}\mid \\ {}\boldsymbol{p}\end{array}\right). $$
(6.46)
Daraus folgt für E2
$$ {E}_2={E}_1-2c\mid \boldsymbol{p}\mid \quad  \mathrm{bzw}.\quad  {m}_2{c}^2={m}_1{c}^2-2c\mid \boldsymbol{p}\mid . $$
(6.47)
Daher können wir schließen, dass weiter
$$ {m}_2={m}_1-2\frac{\left|\boldsymbol{p}\right|}{c}={m}_1-2\frac{E_{\mathrm{Photon}}}{c^2} $$
(6.48)
gilt. Abgestrahlte Energie, d. h. Photonen bzw. elektromagnetische Strahlung, verringert also die Ruhemasse des Teilchens.
Ein besonders wichtiger Fall ist die Streuung von Photonen an Teilchen, insbesondere an Elektronen. Wir nehmen an, das Photon bewege sich entlang der x-Achse und das Elektron befinde sich in Ruhe. Für die Viererimpulse pμ des Photons und eμ des Elektrons gilt dann
(6.49)
Weiter definieren wir den Gesamt-Viererimpuls
$$ {g}^{\mu }={p}^{\mu }+{e}^{\mu }. $$
(6.50)
Bei dem Stoß bleibt der Gesamtimpuls erhalten, d. h. es gilt
$$ {p}^{\mu }+{e}^{\mu }={p}^{\prime \mu }+{e}^{\prime \mu }. $$
(6.51)
Der Viererimpuls eμ des Elektrons nach dem Stoß ist für uns nicht von Interesse. Wir eliminieren ihn deshalb aus dem Zusammenhang (6.51). Dazu bilden wir das Skalarprodukt mit $$ {p}_{\mu}^{\prime } $$ und nutzen den Zusammenhang $$ {p}_{\mu}^{\prime }{p}^{\prime \mu }=0 $$ aus. Dann ist
$$ {p}_{\mu}^{\prime }{p}^{\mu }+{p}_{\mu}^{\prime }{e}^{\mu }={p}_{\mu}^{\prime }{e}^{\prime \mu } $$
(6.52)
Weiter ist unter Verwendung von pμeμ = pμeμ
$$ {g}_{\mu }{g}^{\mu }={m}_{\mathrm{e}}^2{c}^2+2{p}_{\mu }{e}^{\mu }+0={m}_{\mathrm{e}}^2{c}^2+2{p}_{\mu}^{\prime }{e}^{\prime \mu }+0={g}_{\mu}^{\prime }{g}^{\prime \mu } $$
(6.53)
und damit
$$ {p}_{\mu }{e}^{\mu }={p}_{\mu}^{\prime }{e}^{\prime \mu }. $$
(6.54)
Eingesetzt in (6.52) liefert das
$$ {p}_{\mu}^{\prime }{p}^{\mu }+{p}_{\mu}^{\prime }{e}^{\mu }={p}_{\mu }{e}^{\mu }. $$
(6.55)
Nach dem Stoß kann das Photon zum einen seine Energie, d. h. seine Frequenz bzw. Wellenlänge geändert haben und zum anderen seine Flugrichtung. Wir können deshalb den Ansatz
(6.56)
machen, wobei wir unser Koordinatensystem so wählen, dass die Bewegung des Photons nach dem Stoß in der xy-Ebene verläuft. Wir setzen (6.49) und (6.56) in (6.55) ein und bilden die Skalarprodukte. Dann haben wir
(6.57)
Wir sind am Verhältnis von alter zu neuer Wellenlänge interessiert. Deshalb setzen wir ω = 2πcλ und entsprechend ω′ = 2πcλ′ ein und formen um zu
$$ \lambda^{\prime }-\lambda =\frac{h}{m_{\mathrm{e}}c}\left(1-\cos \left(\theta \right)\right). $$
(6.58)
Dabei bezeichnet
$$ {\lambda}_{\mathrm{e}}:= \frac{h}{m_{\mathrm{e}}c}=2,4263102389(16)\cdotp 1{0}^{-12}\mathrm{m} $$
(6.59)
die Compton-Wellenlänge1 des Elektrons. Sie gibt die Wellenlängenvergrößerung eines Photons an, das senkrecht an einem Elektron gestreut wird. Sie ist unabhängig von der Wellenlänge des einfallenden Photons. Energiereiche Photonen mit kleiner Wellenlänge verlieren in einem Stoß also besonders viel Energie.

6.6.3 Weitere Beispiele

Die Äquivalenz von Masse und Energie wird in vielen physikalischen Prozessen deutlich.
  1. 1.

    Angeregte Atome oder Moleküle sind schwerer als Atome oder Moleküle im Grundzustand. Betrachten wir das Wasserstoffatom, so wird die Bindungsenergie von $$ 13,6\,  \mathrm{eV} $$ frei, wenn sich aus einem Proton und einem Elektron ein Wasserstoffatom bildet. Die Masse des Wasserstoffatoms ist also kleiner als die Masse von Proton plus Elektron. Man spricht vom Massendefekt , hier verursacht von der negativen Bindungsenergie von Elektron und Proton. Für das Wasserstoffatom ist dieser Effekt relativ klein, da die Protonenmasse in (6.41) etwa 70 Millionen mal größer ist als die Bindungsenergie.

     
  2. 2.
    Atomkerne zeigen, wie bereits kurz angesprochen, ebenfalls einen Massendefekt. Die Gesamtmasse von Atomkernen ist kleiner als die Summe der Massen der Protonen und Neutronen. Der Massendefekt ergibt sich aus der Bindungsenergie EBc2 aufgrund der starken Wechselwirkung. Die Masse des Atomkernes ist also
    $$ m\left(A,Z\right)=Z{m}_{\mathrm{p}}+\left(A-Z\right){m}_{\mathrm{n}}+\frac{E_{\mathrm{B}}}{c^2}, $$
    (6.60)
    wobei EB < 0 ist. Wir betrachten als Beispiel das Nuklid 12C. Hier ist A = 12 und Z = 6. Die atomare Masseneinheit ist
    $$ {m}_{\mathrm{u}}=\frac{1}{12}m\left({}^{12}\mathrm{C}\right)=1,660538921(73)\cdotp 1{0}^{-27}\, \mathrm{kg}. $$
    (6.61)
    Im Vergleich zur Masse der einzelnen Bestandteile ergibt sich
    $$ \frac{\frac{1}{12}\left(6{m}_{\mathrm{p}}+6{m}_{\mathrm{n}}+6{m}_{\mathrm{e}}\right)}{m_{\mathrm{u}}}\approx 1,008, $$
    (6.62)
    mit der Neutronenmasse
    $$ {m}_{\mathrm{n}}=1,674927351(74)\cdotp 1{0}^{-27}\, \mathrm{kg} $$
    (6.63)
    und der Elektronenmasse
    $$ {m}_{\mathrm{e}}=9,10938291(40)\cdotp 1{0}^{-31}\, \mathrm{kg}. $$
    (6.64)

    Das heißt etwa 0,8% der Masse der Protonen und Neutronen geht in die Bindungsenergie.

     
  3. 3.

    Bei Kernspaltungs- und Kernfusionsreaktionen kann eine große Menge an Energie freiwerden. In Kap. 19 werden wir sehen, dass Sterne ihre Leuchtenergie aus Fusionsprozessen gewinnen.

     
  4. 4.
    Teilchen und Antiteilchen können paarweise erzeugt oder vernichtet werden, z. B. in der Reaktion
    $$ {e}^{+}+{e}^{-}\leftrightarrow 2\gamma . $$
    (6.65)
    Aus Elektron und Positron entstehen also zwei Photonen. Der Elektronenmasse entspricht ein Energieäquivalent von etwa $$ 511\,  \mathrm{keV} $$ Daher gilt
    $$ {E}_{\gamma}\ge 511\, \mathrm{keV}. $$
    (6.66)

    Hier werden 100 % der Masse in Energie umgewandelt. Die Ruheenergie der Elektronen ist eine untere Grenze für die freiwerdende Energie, da die Elektronen auch kinetische Energie besitzen.

     

6.7 Reise mit konstanter Beschleunigung

Als Anwendung der gerade hergeleiteten Zusammenhänge betrachten wir einen Raumfahrer, dessen Raumfahrzeug in seinem Ruhsystem konstant mit a = g = 9,81 ms−2 in x-Richtung beschleunigt wird.

6.7.1 Bewegungsgleichungen

Das Inertialsystem S, bezüglich dessen wir die Gleichungen aufstellen wollen, soll bei der Erde ruhen. Das Ruhsystem der Rakete bezeichnen wir mit S′. Dieses soll sich entlang der x-Achse von S bewegen. Dann ergibt sich für die Viererbeschleunigung bμ = (0, g, 0, 0)T. Die Transformation ins Erdsystem erfolgt mit der inversen Lorentz-Transformation aus (5.​22) über
$$ {b}^{\mu }={\varLambda_{\alpha}}^{\mu }{b}^{\prime \alpha }=\left(\begin{array}{cccc}\gamma &amp; \beta \gamma &amp; 0&amp; 0\\ {}\beta \gamma &amp; \gamma &amp; 0&amp; 0\\ {}0&amp; 0&amp; 1&amp; 0\\ {}0&amp; 0&amp; 0&amp; 1\end{array}\right)\cdotp \left(\begin{array}{l}0\\ {}g\\ {}0\\ {}0\end{array}\right)=\left(\begin{array}{c}\beta \gamma g\\ {}\gamma g\\ {}0\\ {}0\end{array}\right) $$
(6.67)
Wir werten den Ausdruck für die Beschleunigung weiter aus. Dazu verwenden wir, dass β = β ex im Erdsystem gilt. Es ist dann
$$ {b}^x=\gamma g=\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}\tau }{u}^x=\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}\tau}\left(\gamma v\right)=\gamma \frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\left(\gamma v\right)= c\gamma \frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\left(\gamma \beta \right) $$
(6.68)
und damit
$$ g=\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\left(\gamma v\right). $$
(6.69)
Mit den Anfangsbedingungen x(0) = 0 und v(0) = 0 folgt
$$ \gamma v= gt=\gamma \frac{\mathrm{d}x}{\mathrm{d}t}\quad  \mathrm{und}\ \mathrm{weiter}\quad  \frac{\mathrm{d}x}{\mathrm{d}t}=v=\frac{gt}{\gamma }=\sqrt{1-{\beta}^2}\, gt. $$
(6.70)
Aus (6.70) ergibt sich c2β2 = (1 − β2)g2t2, bzw. (c2 + g2t2)β2 = g2t2 und damit schließlich
$$ \beta (t)=\frac{gt}{\sqrt{c^2+{g}^2{t}^2}}=\frac{1}{\sqrt{c^2/  \left({g}^2{t}^2\right)+1}}&lt;1. $$
(6.71)
Die Geschwindigkeit bleibt also für alle Zeiten kleiner als die Lichtgeschwindigkeit (s. Abb. 6.4). Um die Bahnkurve x(t) zu erhalten, integrieren wir die Geschwindigkeit v(t) = (t). Das ergibt
Abb. 6.4

Entwicklung der Geschwindigkeit bei konstanter Beschleunigung. Während in der Newton'schen Mechanik die Geschwindigkeit der Rakete über alle Grenzen wächst (gestrichelte Linie), ist in der SRT die Lichtgeschwindigkeit β = 1 die obere Schranke (durchgezogene Linie)

$$ x(t)\  =\underset{0}{\overset{t}{\int }}v\left(t^{\prime}\right)\, \mathrm{d}t^{\prime }={\left.c\sqrt{t^{\prime 2}+\frac{c^2}{g^2}}\right|}_0^t=\frac{c^2}{g}\left[\sqrt{1+{\left(\frac{gt}{c}\right)}^2}-1\right]. $$
(6.72)
Eine Entwicklung von (6.72) für kleine t liefert $$ x(t)\approx \frac{g}{2}{t}^2 $$ wie in der Newtonʼschen Mechanik. Für große Zeiten dagegen ist x(t) ≈ ct, unabhängig vom Wert der Beschleunigung (s. Abb. 6.5).
Abb. 6.5

Relativistische Bewegungsgleichung der Rakete: Während in der Newton'schen Mechanik der zurückgelegte Weg für alle Zeit mit gt2∕2 pro Zeit t zunimmt (gestrichelte Linie), ändert er sich in der SRT für große t proportional zu ct, unabhängig von der Beschleunigung g

Betrachtung aus Sicht des Raumfahrers

Wir wissen jetzt, wie die konstant beschleunigte Bewegung im Ruhsystem eines zurückbleibenden Beobachters aussieht. Wie aber sieht der Raumfahrer selbst seine Bewegung? Um das zu untersuchen, müssen wir die Geschwindigkeit und den zurückgelegten Weg als Funktion der Eigenzeit ausdrücken. Der Zusammenhang zwischen Zeit t und Eigenzeit τ ist nach (5.​46)
$$ \tau =\underset{0}{\overset{t}{\int }}\frac{1}{\gamma \left(t^{\prime}\right)}\, \mathrm{d}t^{\prime }=\underset{0}{\overset{t}{\int }}\sqrt{1-{\beta}^2\left(t^{\prime}\right)}\, \mathrm{d}t^{\prime }. $$
(6.73)
Nach Einsetzen von (6.71) erhalten wir
$$ \tau =\underset{0}{\overset{t}{\int }}\sqrt{1-\frac{g^2{t}^{\prime 2}}{c^2+{g}^2{t}^{\prime 2}}}\, \mathrm{d}t^{\prime }=\frac{c}{g}\ln \left[\frac{gt}{c}+\sqrt{1+{\left(\frac{gt}{c}\right)}^2}\right]=\frac{c}{g}\mathrm{arsinh}\left(\frac{gt}{c}\right). $$
(6.74)
Wir lösen nach t auf und finden
$$ t\left(\tau \right)=\frac{c}{g}\sinh \left(\frac{g}{c}\tau \right). $$
(6.75)
Mit diesem Ergebnis können wir die Weltlinie x(τ) der Rakete auch bezüglich ihrer Eigenzeit ausdrücken. Einsetzen von (6.75) in (6.72) ergibt
$$ x\left(\tau \right)=\frac{c^2}{g}\left[\cosh \left(\frac{g}{c}\tau \right)-1\right]. $$
(6.76)
Sowohl die vergangene Zeit t im Erdsystem als auch die zurückgelegte Strecke hängen also exponentiell von der Beschleunigungsdauer τ ab. Man spricht auch von hyperbolischer Bewegung, weil t(τ) und x(τ) über die hyperbolischen Funktionen definiert sind.

Wegen des exponentiellen Zusammenhangs zwischen vergangener Eigenzeit und zurückgelegter Strecke könnte ein Raumfahrer, der lediglich mit Erdbeschleunigung konstant beschleunigt, während relativ kurzer Zeitdauern sehr weit entfernte Punkte im Universum erreichen. Gegen die tatsächliche Durchführung einer solchen Reise spricht aber, neben vielen technischen Problemen, der immense Energiebedarf, um die Beschleunigung dauerhaft aufrechtzuerhalten.

6.7.2 Anwendung auf das Zwillingsparadoxon

Mit der gerade hergeleiteten Bahnkurve können wir das in Abschn. 4.​4 bereits kurz angesprochene Zwillingsparadoxon quantitativ diskutieren. Wir nehmen an, einer der beiden Zwillinge reise eine bestimmte Zeit τ1 in seiner Eigenzeit mit Beschleunigung g, dann die doppelte Zeit mit Beschleunigung −g, um bei seinem Zielpunkt bei τ = 2τ1 in Ruhe anzukommen, und für den Rückweg die betragsmäßig gleiche, aber entgegengerichtete Geschwindigkeit zu erreichen, und schließlich wieder die ursprüngliche Zeit mit Beschleunigung g, um bei der Erde anzuhalten (s. Abb. 6.6). Er kehrt also nach einer Eigenzeit 4τ1 zur Erde zurück.
Abb. 6.6

Abschnitte der Rundreise im Zwillingsparadoxon. In Abschnitt ① beschleunigt der Raumfahrer auf sein Reiseziel hin. In Abschnitt ② bremst er auf dem Hinweg ab, in Abschnitt ③ beschleunigt er wieder auf die Erde zu, und in Abschnitt ④ bremst er schließlich ab, um bei der Erde anzuhalten

Da sich während der Reise das Vorzeichen der Beschleunigung zweimal umkehrt, ergeben sich in diesem Fall die Funktionen tZw(τ) und xZw(τ) als abschnittsweise definierte Funktionen. Die Phasen ② und ③ der Reise in Abb. 6.6 können dabei zusammengefasst werden. Löst man die entsprechenden Gleichungen für die einzelnen Zweige, so ergibt sich
$$ {t}_{\mathrm{Zw}}\left(\tau \right)=\frac{c}{g}\left\{\begin{array}{ll}\sinh \left(\frac{g}{c}\tau \right)&amp; \mathrm{f}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{r}\, \tau \le {\tau}_1,\\ {}\sinh \left[\frac{g}{c}\left(\tau -2{\tau}_1\right)\right]+2\sinh \left(\frac{g}{c}{\tau}_1\right)&amp; \mathrm{f}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{r}\, {\tau}_1&lt;\tau \le 3{\tau}_1,\\ {}\sinh \left[\frac{g}{c}\left(\tau -4{\tau}_1\right)\right]+4\sinh \left(\frac{g}{c}{\tau}_1\right)&amp; \mathrm{f}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{r}\, 3{\tau}_1&lt;\tau \le 4{\tau}_1\end{array}\right. $$
(6.77)
und
$$ {x}_{\mathrm{Zw}}\left(\tau \right)=\frac{c^2}{g}\left\{\begin{array}{ll}\cosh \left(\frac{g}{c}\tau \right)-1&amp; \mathrm{f}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{r}\, \tau \le {\tau}_1,\\ {}2\cosh \left(\frac{g}{c}{\tau}_1\right)-\cosh \left[\frac{g}{c}\left(\tau -2{\tau}_1\right)\right]-1,&amp; \mathrm{f}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{r}\, {\tau}_1&lt;\tau \le 3{\tau}_1,\\ {}\cosh \left[\frac{g}{c}\left(\tau -4{\tau}_1\right)\right]-1&amp; \mathrm{f}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{r}\, 3{\tau}_1&lt;\tau \le 4{\tau}_1.\end{array}\right. $$
(6.78)
Die Integrationskonstanten der verschiedenen Zweige ergeben sich dabei aus der Stetigkeitsbedingung an die Funktionen.
Um die Geschwindigkeit β(τ) auf der Reise zu bestimmen, benutzen wir wieder den Zusammenhang (5.​46), d. h.
$$ \gamma \left(\tau \right)=\frac{\mathrm{d}t}{\mathrm{d}\tau }=\frac{1}{\sqrt{1-\beta {\left(\tau \right)}^2}},\quad  \mathrm{bzw}.\quad  \beta \left(\tau \right)=\pm \frac{\sqrt{\gamma^2-1}}{\gamma }. $$
(6.79)
Dabei müssen wir im zweiten Zweig das negative Vorzeichen wählen. Mit der Relation $$ {\cosh}^2(x)-{\sinh}^2(x)=1 $$ ergibt das
$$ {\beta}_{\mathrm{Zw}}\left(\tau \right)=\left\{\begin{array}{ll}\tanh \left(\frac{g}{c}\tau \right)&amp; \mathrm{f}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{r}\, \tau \le {\tau}_1,\\ {}-\tanh \left[\frac{g}{c}\left(\tau -2{\tau}_1\right)\right],&amp; \mathrm{f}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{r}\, {\tau}_1&lt;\tau \le 3{\tau}_1,\\ {}\tanh \left[\frac{g}{c}\left(\tau -4{\tau}_1\right)\right]&amp; \mathrm{f}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{r}\, 3{\tau}_1&lt;\tau \le 4{\tau}_1.\end{array}\right. $$
(6.80)
Wegen $$ \tanh (y)\in \left(-1,1\right) $$ sehen wir daran wieder, dass die Geschwindigkeit immer kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist.
Wir betrachten als Beispiel eine Reise mit Beschleunigungsdauer τ1 von 2 Jahren. Für den reisenden Zwilling dauert diese Reise demnach 8 Jahre. Aus (6.77) ergibt sich für den Zwilling auf der Erde dagegen eine Zeitspanne2 von
$$ t\left(4{\tau}_1\right)=15,03\,  \mathrm{y}. $$
(6.81)
Erst nach dieser Zeit kehrt für ihn der reisende Zwilling wieder zurück. Die maximale Entfernung zur Erde erreicht der Raumfahrer natürlich zur halben Reisezeit. Aus (6.78) ergibt sich
$$ x\left(2{\tau}_1\right)=5,82\,  \mathrm{ly}. $$
(6.82)
Aus (6.80) ergibt sich die maximale Reisegeschwindigkeit zu
$$ {\beta}_{\mathrm{max}}=\beta \left({\tau}_1\right)=-\beta \left(3{\tau}_1\right)=0,968 $$
(6.83)
nach einer zweijährigen Beschleunigungsdauer. Dies entspricht einem Wert γ(τ1) = 4,00. In Abb. 6.7 ist die Reise des Zwillings veranschaulicht. In der oberen Teilabbildung ist der Zusammenhang zwischen vergangener Koordinatenzeit und Entfernung zur Erde dargestellt. Die Punkte maximaler Geschwindigkeit auf Hin- und Rückreise, sowie der Umkehrpunkt sind markiert. Abb. 6.7 (Mitte) zeigt den Zusammenhang zwischen Koordinatenzeit t und Eigenzeit τ. Die drei Stellen, die den Punkten in der oberen Teilabbildung entsprechen, sind wieder gezeigt. Die Steigung dieser Kurve ist γ(τ). Am Umkehrpunkt ist β = 0 und entsprechend γ = 1. An diesem Punkt verlaufen Koordinatenzeit und Eigenzeit gleich schnell. Das genaue Gegenteil gilt an den beiden Punkten maximaler Geschwindigkeit, dort ist jeweils γ = 4,00 und dementsprechend das Verhältnis von Eigenzeit zu Koordinatenzeit extremal. Abschließend zeigt Abb. 6.7 (unten) die Entwicklung der Geschwindigkeit auf der Reise. Aufgrund der Zeitdilatation wäre es sogar, natürlich rein theoretisch, möglich, zu Lebzeiten bis an die Grenze des beobachtbaren Universums zu reisen. Die Gesamtdauer τf einer Rundreise zu einem Objekt in Entfernung s von der Erde lässt sich leicht aus (6.78) bestimmen. Dazu lösen wir die Bedingung
$$ x\left(2{\tau}_1\right)=2x\left({\tau}_1\right)=s $$
(6.84)
nach τ1 auf und finden für die Gesamtdauer der Reise
$$ {\tau}_{\mathrm{f}}=4{\tau}_1(s)=4\frac{c}{g}\operatorname{arcosh}\left(\frac{1}{2}\frac{gs}{c^2}+1\right). $$
(6.85)
In Tab. 6.1 sind Gesamtreisezeiten sowie die vergangene Koordinatenzeit, die Maximalgeschwindigkeit und der maximale γ-Faktor für typische Entfernungen zu nahen Sternen, dem Andromedanebel, sowie dem Ende des beobachtbaren Universums gezeigt. Dieses haben wir grob abgeschätzt als Alter des Universums [6] mal Lichtgeschwindigkeit, was im Wesentlichen der Hubble-Distanz entspricht (s. Abschn. 23.​3).
Abb. 6.7

Weltlinie x(t) (oben), Koordinatenzeit t(τ) (Mitte) und Geschwindigkeit β(τ) (unten) des reisenden Zwillings. Bei der Weltlinie sind zusätzlich Lichtsignale an die Erde für die Zeiten t = τ1, 2τ1 und 3τ1 eingezeichnet

Tab. 6.1

Vergleich der Reisen zu verschiedenen Zielen im klassischen Zwillingsparadoxon. Aufgelistet sind die vergangene Eigenzeit τf des Raumfahrers und die vergangene Koordinatenzeit t(τf) am Ende der Reise, sowie die maximal erreichte Geschwindigkeit βmax und der maximale Lorentz-Faktor. Betrachtet werden typische Entfernungen zu nahen Sternen, eine Reise zum Andromedanebel, der etwa zwei Millionen Lichtjahre entfernt ist, und zum Ende des sichtbaren Universums; siehe auch [5]

Entfernung [ly]

τf [y]

t(τf) [y]

βmax

γmax

5

7,55

13,32

0,9602

3,582

100

18,03

203,84

0,9998

52,64

2,00 · 106

56,31

4,00 · 106

1 − 4,69 · 10−13

1,033 · 106

1,3784 · 1010

90,54

2,76 · 1010

1 − 9,87 · 10−21

7,12 · 109

Aufgrund der extremen Zeitdilatation könnte ein Raumfahrer in seiner Lebenszeit selbst extremste Entfernungen im Bereich von Milliarden von Lichtjahren zurücklegen. Wir werden in der Kosmologie aber sehen, dass unser Universum keine statische Raumzeit wie die Minkowski-Raumzeit ist, sondern als expandierender Raum beschrieben werden kann. In einer solchen Raumzeit ergeben sich für das Zwillingsparadoxon noch weitere Aspekte, da sich die Raumzeit, insbesondere während einer sehr langen Reise, ausdehnt. Man benötigt für diesen Fall dann ein Konzept der konstanten Beschleunigung in einer gekrümmten Raumzeit, das in [8] diskutiert wird. Wir möchten diesen Fall aber nicht behandeln. Außerdem wäre er erst nach der Behandlung der ART und der entsprechenden Gleichungen der Kosmologie verständlich. Eine entsprechende Diskussion findet der interessierte Leser in [1].

Ein weiteres Problem ist die unglaubliche Energiemenge, die für eine solche Reise nötig wäre. Die relativistische Energie in (6.30) ergibt sich als Lorentz-Faktor mal der Ruheenergie. Wenn also auf einer Reise Lorentz-Faktoren im Bereich 106 und höher auftreten, bräuchte man genug Treibstoff, um ein millionenfaches der Ruheenergie des Raumschiffes zu erzeugen. Selbst wenn man direkt Materie und Antimaterie zerstrahlen könnte, hätte man ein Last zu Treibstoffverhältnis von weit über Eins zu einer Million, da der Treibstoff für spätere Reisephasen anfangs ja auch noch beschleunigt werden muss.

6.8 Relativistische Kreisbahn

Als kleine Ergänzung möchten wir noch den Fall einer gleichförmigen Bewegung auf einer Kreisbahn ansprechen. In diesem Fall ist die Beschleunigung betragsmäßig immer noch konstant, zeigt aber stets senkrecht zur Bewegungsrichtung.

Wir wollen unser Koordinatensystem so wählen, dass die Bewegung in der xy-Ebene verläuft. Zur Zeit τ = t = 0 soll sich unser Massepunkt bei den Koordinaten x = R, y = z = 0 befinden, wobei wir im Folgenden die z-Koordinate weglassen. Dabei bezeichnet R den Radius der Kreisbahn. Wie bisher wollen wir den Betrag der Viererbeschleunigung a = g wählen. Außerdem soll der Betrag der Geschwindigkeit entlang der Kurve konstant bleiben.

Die Weltlinie des Massepunktes muss dann von der Form
$$ {x}^{\mu}\left(\tau \right)=\left(\begin{array}{l}\hfill c\gamma \tau \hfill \\ {}\hfill R\cos \left(\omega \tau \right)\hfill \\ {}\hfill R\sin \left(\omega \tau \right)\hfill \end{array}\right) $$
(6.86)
sein, wobei γ jetzt zeitunabhängig sein muss, da die Geschwindigkeit konstant sein soll. Das Gleiche gilt entsprechend für die Winkelgeschwindigkeit ω. Für die Vierergeschwindigkeit erhalten wir dann
$$ {u}^{\mu}\left(\tau \right)=\frac{\mathrm{d}{x}^{\mu}\left(\tau \right)}{\mathrm{d}\tau }=\left(\begin{array}{l}\hfill c\gamma \hfill \\ {}\hfill - R\omega \sin \left(\omega \tau \right)\hfill \\ {}\hfill R\omega \cos \left(\omega \tau \right)\hfill \end{array}\right). $$
(6.87)
Um die Kreisfrequenz ω zu bestimmen, benutzen wir die Nebenbedingung uμuμ = −c2, die auf
$$ -{c}^2=-{c}^2{\gamma}^2+{R}^2{\omega}^2 $$
(6.88)
führt, d. h. es gilt
$$ \omega =\frac{c\gamma \beta}{R}, $$
(6.89)
wobei wir den Zusammenhang γ2 − 1 = γ2β2 ausgenutzt haben. Für die Viererbeschleunigung erhalten wir weiter
$$ {b}^{\mu}\left(\tau \right)=\frac{\mathrm{d}{u}^{\mu}\left(\tau \right)}{\mathrm{d}\tau }=\left(\begin{array}{l}\hfill 0\hfill \\ {}\hfill -R{\omega}^2\cos \left(\omega \tau \right)\hfill \\ {}\hfill -R{\omega}^2\sin \left(\omega \tau \right)\hfill \end{array}\right). $$
(6.90)
Die Viererbeschleunigung ist wieder über eine Lorentz-Transformation wie in (6.67) mit der Beschleunigung im Ruhsystem des Beobachters verknüpft, allerdings mit dem Unterschied, dass sie in diesem Fall während der gesamten Bewegung senkrecht zur Bewegungsrichtung steht. Wenn wir in (6.67) für die Beschleunigung b = (0, −g, 0,0) für den Zeitpunkt τ = t = 0 einsetzen, so sehen wir sofort, dass in diesem Fall bμ = (0, −g, 0, 0) ohne einen zusätzlichen Faktor γ gilt. Für alle anderen Zeiten ist die Situation analog und ergibt sich durch eine zusätzliche Rotation des Bezugssystems.
Wir können wegen dieses Zwischenergebnisses dann einfach $$ \mid \underline{\boldsymbol{b}}\mid =\sqrt{b_{\mu }{b}^{\mu }}=g $$ setzen. Zusammen mit den Beziehungen (6.89) und (6.90) erhalten wir direkt
$$ \mid \underline{\boldsymbol{b}}\mid =\frac{c^2{\gamma}^2{\beta}^2}{R}, $$
(6.91)
bzw.
$$ R\left(\beta \right)=\frac{c^2{\gamma}^2{\beta}^2}{g}. $$
(6.92)
Im letzten Schritt haben wir dabei den Radius der Kreisbahn bestimmt. In der Newton'schen Mechanik erhalten wir den Radius der entsprechenden Kreisbahn durch Gleichsetzen der Beschleunigung a = g mit der Zentripetalbeschleunigung aZp = v2R, was auf
$$ R=\frac{v^2}{g}=\frac{c^2{\beta}^2}{g} $$
(6.93)
führt. Im relativistischen Fall tritt also ein zusätzlicher Faktor γ2 auf. Gleichzeitig geht für vc der Faktor γ → 1 und das klassische Ergebnis ergibt sich als nichtrelativistischer Grenzfall (s. Abb. 6.8).
Abb. 6.8

Radius R(β) einer Kreisbahn bei relativistischen Geschwindigkeiten und konstanter Beschleunigung a = g. Der Kreisradius in relativistischer Rechnung (durchgezogene Linie) divergiert bei β = 1, der Radius in Newton'scher Mechanik (gestrichelte Linie) steigt quadratisch mit der Geschwindigkeit. Das relativistische Ergebnis geht für kleine Geschwindigkeiten vc in das nichtrelativistische über

Es muss allerdings angemerkt werden, dass bei dieser Situation noch ein zusätzlicher Effekt auftritt, den wir in diesem Rahmen nicht behandeln wollen, nämlich die Thomas-Präzession3 des Bezugssystems des Raumfahrers. Diese führt dazu, dass nach einem vollständigen Umlauf das Bezugssystem des Raumfahrers nicht mehr parallel zum ursprünglichen Bezugssystem ist, es sei denn, der Raumfahrer korrigiert dies durch zusätzliche Navigation. Die Thomas-Präzession [9] ist auch als relativistische Korrektur zur Spin-Bahn-Kopplung in der Atomphysik von Bedeutung.

6.9 Übungsaufgaben

6.9.1 Rundreise auf Kreisbahn (für motivierte Rechner)

In dieser Übung werden die Ergebnisse der Abschn. 6.7 und 6.8 kombiniert zu einer Rundreise, die mit einer konstant geradlinig beschleunigten Phase beginnt und endet und bei der der Raumfahrer dazwischen mit konstanter Geschwindigkeit auf einer Kreisbahn fliegt (s. Abb. 6.9).
Abb. 6.9

Skizze zum wendenden Raumfahrer

Statt entlang der x-Achse muss der Raumfahrer jetzt um einen Winkel δ gegen die x-Achse verschoben starten, d. h. die Weltlinie bis zum Einschwenken auf den Wendekreis ist von der Form
$$ \left(\begin{array}{l}\hfill x\left(\tau \right)\hfill \\ {}\hfill y\left(\tau \right)\hfill \end{array}\right)=d\left(\tau \right)\left(\begin{array}{l}\hfill \cos \left[\delta \left({\tau}_1\right)\right]\hfill \\ {}\hfill \sin \left[\delta \left({\tau}_1\right)\right]\hfill \end{array}\right). $$
(6.94)
Über die hier eingeführte Abhängigkeit δ(τ1) des Anfangswinkels soll verdeutlicht werden, dass dieser Winkel von der Beschleunigungsdauer τ1 über den ebenfalls von τ1 abhängenden Radius des Wendekreises abhängt.
  1. (a)

    Bestimmen Sie die mathematische Darstellung der gesamten Weltlinie des Raumfahrers.

     
  2. (b)

    Ermitteln Sie, welche Entfernungen der Raumfahrer für gegebene Beschleunigungsdauern τ1 jetzt erreichen kann.

     
  3. (c)

    Bestimmen Sie dann die benötigte Beschleunigungsdauer für eine gegebene Entfernung und berechnen Sie die Gesamtreisedauer für den Raumfahrer und für einen auf der Erde verbleibenden Beobachter. Welche Unterschiede ergeben sich zur geradlinigen Reise?

     

6.9.2 Relativistische Beschleunigung

Berechnen Sie die beiden Skalarprodukte uμbμ und bμbμ und diskutieren Sie die Ergebnisse.