KAPITEL 7

Bluthochdruck überlisten

Die umfassendste und systematischste Untersuchung, die je zu Todesursachen durchgeführt wurde, wurde erst kürzlich in Lancet, einer der weltweit führenden medizinischen Fachzeitschriften, veröffentlicht.1 An der von der Bill & Melinda Gates Foundation finanzierten Global Burden of Disease Study waren fast fünfhundert Wissenschaftler aus fünfzig verschiedenen Ländern beteiligt, und es wurden dabei fast einhunderttausend Datenquellen überprüft.2 Die Ergebnisse dieser Untersuchung erlauben es uns, Fragen wie „Wie viele Menschenleben könnten wir retten, wenn die Welt den Konsum von Erfrischungsgetränken stark einschränken würde?“ zu beantworten. Die Antwort? 299.521.3 Erfrischungsgetränke und ihre leeren Kalorien scheinen sich also nicht nur schädlich auf die Gesundheit auszuwirken, sondern sogar einem frühzeitigen Tod den Weg zu bereiten. Sie scheinen jedoch nicht ansatzweise so tödlich wie Speck, Fleischwurst, Schinken und Hot Dogs zu sein. Industriell verarbeitete Fleischprodukte werden für den Tod von über achthunderttausend Menschen pro Jahr verantwortlich gemacht. Weltweit gesehen sind das viermal mehr Menschen als die, die wegen eines illegalen Drogenkonsums sterben.4

Diese Studie stellte gleichzeitig fest, welche Lebensmittel Leben retten können, wenn sie zu einem festen Bestandteil der Ernährung gemacht werden. Der Verzehr von mehr Vollkorn könnte potenziell jedes Jahr 1,7 Millionen Menschenleben retten. Mehr Gemüse? 1,8 Millionen Menschenleben. Wie sieht es mit Samen und Nüssen aus? 2,5 Millionen Menschenleben. Die Wissenschaftler untersuchten keine Bohnen, fanden aber heraus, welches unter allen Lebensmitteln die Welt am meisten benötigt: Obst. Wenn alle Menschen weltweit mehr Obst äßen, könnten 4,9 Millionen Leben gerettet werden. Das sind fast 5 Millionen Menschenleben, die in auf dem Spiel stehen, und ihre Rettung besteht nicht aus einem Medikament oder einer Impfung, sondern sehr wahrscheinlich einfach nur aus mehr Obst.5 Als größten Risikofaktor der Welt für einen frühzeitigen Tod identifizierten die Wissenschaftler Bluthochdruck.6 Bluthochdruck, auch als Hypertonie bekannt, tötet weltweit über neun Millionen Menschen pro Jahr.7 Das ist deshalb der Fall, weil er zum Tod durch verschiedene andere Ursachen beiträgt, wie bspw. Aneurysmen, Herzinfarkten, Herzversagen, Nierenversagen und Schlaganfällen.

Ihr Blutdruck wurde vermutlich das letzte Mal beim Arzt gemessen. Die Schwester nennt dabei zwei Zahlen, wie z. B. „115 zu 75“. Die erste Zahl (der systolische Druck) steht für den Druck in den Arterien, während ihr Blut vom Herz durch den Körper gepumpt wird, während die zweite Zahl (diastolischer Druck) angibt, wie hoch der Druck in den Arterien ist, wenn das Herz zwischen den Schlägen pausiert. Die American Heart Association definiert „normalen“ Blutdruck mit einem systolischen Wert unter 120 und einem diastolischen Wert unter 80, bzw. 120/80. Alles, was über 140/90 liegt, wird als hyperton angesehen. Die Werte dazwischen werden als Prähypertonie bezeichnet.8

Erhöhter Blutdruck belastet das Herz und kann die empfindlichen kleinen Blutgefäße in Nieren und Augen beschädigen, Hirnblutungen verursachen und sogar dazu führen, dass sich bestimmte Arterien ballonartig aufblähen und reißen. Da Bluthochdruck so viele Organsysteme schädigen und das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle, zwei der häufigsten Todesursachen, erhöhen kann, ist es nicht verwunderlich, dass er weltweit als Todesrisikofaktor Nummer 1 gilt.

In den USA leiden fast achtundsiebzig Millionen Menschen an Bluthochdruck – das ist etwa einer von drei US-amerikanischen Erwachsenen.9 Je älter Sie werden, umso höher wird in der Regel auch Ihr Blutdruck. Daher wird davon ausgegangen, dass diese Krankheit bei über 65 Prozent aller US-Amerikaner über fünfundsechzig Jahren diagnostiziert werden wird.10 Dies hat dazu geführt, dass viele Menschen, und zwar auch Ärzte, glauben, dass hoher Blutdruck eine unvermeidbare Konsequenz des Alterungsprozesses ist, so wie Falten oder graue Haare. Wir wissen aber seit fast einem Jahrhundert, dass das nicht der Fall ist.

In den 1920er-Jahren maßen Wissenschaftler den Blutdruck von eintausend einheimischen Kenianern, die sich salzarm und vor allem von vollwertigen pflanzlichen Lebensmitteln ernährten – Vollkorn, Bohnen, Obst sowie dunklem grünem Blattgemüse und anderen Gemüsesorten.11 Bis sie vierzig Jahre alt waren, glich der Blutdruck der in dörflichen Gegenden lebenden Kenianer dem von Europäern und US-Amerikanern und lag bei ungefähr 125/80. Je älter die Europäer und US-Amerikaner aber wurden, umso mehr stieg ihr Blutdruck und überflügelte den der Kenianer immer mehr. Mit sechzig Jahren war ein durchschnittlicher Mensch aus dem westlichen Kulturkreis bereits hyperton und hatte einen Blutdruck über 140/90. Und die Kenianer? Ab sechzig Jahren hatte sich deren durchschnittlicher Blutdruck tatsächlich noch verbessert und lag bei einem Wert von ungefähr 110/70.12

Die 140/90-Schwelle wird als willkürliche Grenze angesehen.13 So wie auch bei Cholesterin oder Körperfett ist es von Vorteil, einen Blutdruck zu haben, der unter dem „normalen“ Wert liegt. Daher scheinen Menschen davon zu profitieren, wenn ihr sogenannter „normaler Blutdruck“ von 120/80 auf 110/70 sinkt.14 Doch wie lässt sich dies erreichen? Schauen Sie sich die Kenianer an: Es ist nicht nur möglich, sondern scheinbar ganz typisch für Menschen, die eine gesunde, pflanzenbasierte Lebensweise verfolgen.

In einem Zeitraum von zwei Jahren wurden 1.800 Patienten in ein ländliches kenianisches Krankenhaus eingeliefert. Wie viele Fälle von Bluthochdruck waren darunter? Kein einziger. Es gab auch keinen einzigen Fall von Atherosklerose, der häufigsten Todesursache in den USA.15

Hoher Blutdruck scheint also ein selbst gewähltes Übel zu sein. Sie können sich weiterhin auf westliche Art ernähren und dabei Ihre Arterien sprengen, oder Sie entscheiden sich dazu, ein bisschen Druck abzulassen. Tatsache ist, dass sich der Hauptrisikofaktor der Menschheit, einen frühzeitigen Tod zu sterben, scheinbar ganz einfach vermeiden lässt. Ohne Medikamente und ohne Skalpelle. Nur mit dem Mund.

Natrium

Die zwei hervorstechendsten ernährungsbezogenen Risiken für Tod und Behinderung in der Welt sind wahrscheinlich zu wenig Obst und zu viel Salz. Fast fünf Millionen Menschen scheinen jedes Jahr zu sterben, weil sie nicht genug Obst essen,16 während übermäßiger Salzkonsum vermutlich bis zu vier Millionen Menschen tötet.17

Salz besteht zu 40 Prozent aus Natrium und zu 60 Prozent aus Chlorid. Natrium ist ein lebenswichtiger Nährstoff, der allerdings bereits in ausreichend kleinen Mengen in Gemüse und anderen Lebensmitteln enthalten ist. Wenn Sie zu viel davon verzehren, kann Ihr Körper mit einem erhöhten Blutdruck darauf reagieren, da er so überschüssige Flüssigkeiten und Salz aus seinem Organismus drücken möchte.18

In den ersten 90 Prozent unserer menschlichen Evolution ernährten wir uns sehr wahrscheinlich so, dass wir täglich weniger als die in einem Viertel Teelöffel Salz enthaltene Natriummenge pro Tag aßen.19 Wie das? Wahrscheinlich, weil wir hauptsächlich Pflanzen verzehrten.20 Wir haben es Millionen Jahre lang ohne Salzstreuer ausgehalten, sodass sich unsere Körper zu natriumkonservierenden Maschinen entwickelten. Das war so lange gut für uns, bis wir entdeckten, dass sich mit Salz Lebensmittel konservieren lassen.21 Das war ein Segen für die Menschheit, da es noch keine Kühlgeräte gab. Es war nicht wichtig, ob die Zugabe von Salz zum Essen zu einem allgemeinen Anstieg des Blutdrucks führte – die Alternative lautete schließlich Verhungern, weil alle gelagerten Lebensmittel verrotteten.

Doch wie geht es uns jetzt damit? Schließlich müssen wir uns nicht mehr von Eingelegtem und Dörrfleisch ernähren. Wir Menschen sind dazu ausgelegt, zehnmal weniger Natrium zu verzehren, als wir es heute tun.22 Viele sogenannte salzarme Diäten können eigentlich als Diäten mit hohem Salzgehalt angesehen werden. Darum ist es gerade beim Thema Natrium so wichtig, zu verstehen, was als „normal“ betrachtet wird. Ein „normaler“ Salzverzehr kann zu einem „normalen“ Blutdruck führen, der dazu beiträgt, dass wir an „normalen“ Todesursachen wie Herzinfarkten und Schlaganfällen sterben.23

Die American Heart Association empfiehlt, weniger als 1.500 mg Natrium pro Tag zu verzehren24 – das entspricht etwa einem Dreiviertel Teelöffel. Ein durchschnittlicher Amerikaner verzehrt mehr als das Doppelte dieser Menge, nämlich etwa 3.500 mg pro Tag.25 Die Reduzierung des Natriumverzehrs um nur 15 Prozent könnte jedes Jahr weltweit Millionen Menschenleben retten.26

Wenn wir unseren Salzkonsum um einen halben Teelöffel pro Tag senken, was sich erreichen lässt, wenn wir auf salzige Lebensmittel verzichten und unser Essen nicht zusätzlich salzen, könnten wir vermutlich 22 Prozent aller Todesfälle durch Schlaganfälle und 16 Prozent aller tödlichen Herzinfarkte vermeiden. Das wären potenziell mehr gerettete Leben als möglich wären, wenn wir Menschen mit hohem Blutdruck erfolgreich mit Blutdruckpillen behandeln könnten.27 Einfach ausgedrückt ist das simple Reduzieren von Salz zu Hause eine wahrscheinlich weitaus wirksamere Methode, als sich ein Rezept vom Arzt zu holen. Das Leben von bis zu zweiundneunzigtausend US-Amerikanern könnte jedes Jahr gerettet werden, wenn diese einfach weniger Salz äßen.28

Die Beweise dafür, dass Natrium den Blutdruck erhöht, sind eindeutig und wurden durch randomisierte Doppelblindstudien belegt, die schon vor Jahrzehnten durchgeführt wurden.29 Wenn wir Patienten mit einem hohen Blutdruck auf eine salzarme Diät setzen, sinkt ihr Blutdruck. Wenn sie bei der salzarmen Ernährung bleiben und ein Placebo verabreicht bekommen, passiert nichts. Wenn wir ihnen aber Salz in Form einer Pille geben, die schrittweise Natrium freigibt, steigt ihr Blutdruck wieder.30 Je mehr Salz wir den Patienten heimlich verabreichen, umso höher steigt deren Blutdruck.31

Schon eine einzige Mahlzeit reicht dafür aus. Wenn wir Menschen mit einem normalen Blutdruck eine Suppe essen lassen, die die Salzmenge enthält, die in einer durchschnittlichen US-amerikanischen Mahlzeit enthalten ist,32 steigt ihr Blutdruck innerhalb der nächsten drei Stunden im Vergleich zum Verzehr einer Suppe, die kein zusätzliches Salz enthält, immer mehr an.33 Dutzende ähnlicher Untersuchungen zeigen, dass sich bei einem reduzierten Salzverzehr der Blutdruck senken lässt. Je größer die Reduktion, umso größer die gesundheitlichen Vorteile. Wenn Sie die Salzmenge aber nicht verringern, kann ein chronisch hoher Salzverzehr im Laufe des Lebens zu einem schrittweisen Anstieg des Blutdrucks führen.34

Ärzten wurde früher beigebracht, dass ein „normaler“ systolischer Wert bei etwa 100 plus Lebensalter liegt. Das ist tatsächlich der Fall, wenn Sie geboren werden. Babys haben einen Blutdruck von etwa 95/60. Doch je älter Sie werden, umso mehr kann der systolische Wert von 95 steigen, sodass er in Ihren Zwanzigern vielleicht schon bei 120 liegt. Wenn Sie vierzig sind, ist er vielleicht schon auf 140 gestiegen, was die offizielle Grenze zu Bluthochdruck ist, und steigt dann mit zunehmendem Alter vielleicht noch weiter.35

Was würde passieren, wenn Sie, anstatt zehnmal so viel Natrium zu verzehren, wie Ihr Körper vertragen kann, nur noch die natürlichen Mengen äßen, die in vollwertigen Lebensmitteln vorkommen? Ist es möglich, dass Ihr Blutdruck Ihr gesamtes Leben lang niedrig bleiben würde? Um diese Theorie zu überprüfen, müssten wir in unserer modernen Zeit eine Bevölkerungsgruppe finden, die kein Salz verwendet, keine industriell hergestellten Nahrungsmittel verzehrt und auch nicht zum Essen ausgeht. Um eine salzfrei lebende Kultur zu finden, mussten Wissenschaftler tief in den Regenwald des Amazonasgebiets vordringen.36

Die Yanomamo-Indianer, die weder Salzsteuer noch Kartoffelchips oder KFC kennen, haben den geringsten Natriumkonsum, der je gemessen wurde, d. h. eine Menge, die der ähnlich ist, die wir vor Urzeiten verzehrten.37 Und siehe da, Wissenschaftler fanden heraus, dass der Blutdruck unter älteren Yanomamo dem von Yanomamo-Jugendlichen entspricht.38 Wenn sie jung sind, haben sie einen Blutdruck von 100/60 und halten diesen ihr ganzes Leben lang. Die Wissenschaftler konnten keinen einzigen Fall mit Bluthochdruck finden.39

Warum glauben wir, dass dies am Natriumkonsum liegt? Schließlich tranken die untersuchten Yanomomo keinen Alkohol, ernährten sich ballaststoffreich und pflanzenbasiert, bewegten sich viel und waren nicht fettleibig.40 Eine interventionelle Untersuchung konnte beweisen, dass es am Natrium lag. Stellen Sie sich vor, wir könnten eine Gruppe von Menschen bilden, die buchstäblich an unkontrollierbarem Bluthochdruck sterben (auch als maligne Hypertonie bekannt), einer Krankheit, bei der Sie durch Blutungen in den Augen blind werden, die Nieren und allmählich auch das Herz versagen. Was würde passieren, wenn Sie diese Gruppe von Menschen auf eine Diät mit einer von den Yanomamo verzehrten Salzmenge setzten, bzw. einer Salzmenge, die normal für die Spezies Mensch wäre?

Hier kommt Dr. Walter Kempner mit seiner Reis-Obst-Diät ins Spiel. Ganz ohne Medikamente schaffte er es, den Blutdruck von Patienten, der auf einem unglaublichen Hoch von 240/150 lag, nur mithilfe einer Ernährungsumstellung auf 105/80 zu senken. Wie konnte er es ethisch vertreten, diesen Patienten ihre Medikamente vorzuenthalten? Ganz einfach: Moderne bluthochdrucksenkende Mittel waren damals noch nicht erfunden. Dr. Kempner führte seine Versuche in den 1940er-Jahren durch.41 Maligne Hypertonie kam damals einem Todesurteil gleich und ließ den Betroffenen nur noch etwa sechs Monate Lebenszeit.42 Dennoch schaffte es Dr. Kempner, den Krankheitsverlauf durch eine veränderte Ernährung in 70 Prozent der Fälle umzukehren.43 Auch wenn es sich dabei nicht nur um eine natriumarme, sondern auch um eine streng pflanzliche und fett- und eiweißarme Ernährung handelte, wird Dr. Kempner heute als derjenige gewürdigt, der ohne jeden Zweifel nachwies, dass sich ein hoher Blutdruck oft schon durch eine salzarme Ernährung senken lässt.44

Zusätzlich zu hohem Blutdruck können salzreiche Mahlzeiten auch zu einer deutlich beeinträchtigen Arterienfunktion45 führen, und zwar auch bei den Menschen, deren Bluthochdruck nicht auf hohe Salzmengen reagiert.46 Das heißt, dass Salz die Arterien auch dann schädigen kann, wenn es sich nicht negativ auf den Bluthochdruck auswirkt. Und diese schädliche Wirkung kann bereits innerhalb von dreißig Minuten einsetzen.47

Mit einer Technik namens Doppler-Flowmetrie können Wissenschaftler die Durchblutung in den winzigen Blutgefäßen der Haut messen. Nach einem salzreichen Essen nimmt die Durchblutung deutlich ab, es sei denn, es wird Vitamin C in die Haut injiziert, was der durch das Natrium bewirkten verringerten Durchblutung der Blutgefäße entgegenzuwirken scheint. Wenn ein Antioxidans es schafft, die Wirkung von Natrium zu blockieren, dann scheint der Mechanismus, durch den das Salz es schafft, die arterielle Funktion einzuschränken, oxidativer Stress zu sein, also die Bildung freier Radikale in der Blutbahn.48 Der Konsum von Natrium, so hat sich herausgestellt, scheint die Aktivität eines wichtigen antioxidativen Enzyms namens Superoxid-Dismutase zu unterdrücken,49 das in der Lage ist, eine Million freier Radikale pro Sekunde unschädlich zu machen.50 Wenn die Wirkung dieses Super-Enzyms durch Natrium extrem gedrosselt wird, kann ein immenser oxidativer Stress entstehen, der die Arterien stark beschädigt.

Schon nach einer salzreichen Mahlzeit erhöht sich nicht nur der Blutdruck, sondern beginnen auch die Arterien damit, sich zu verhärten.51 So haben wir vermutlich schon vor Tausenden von Jahren herausgefunden, dass zu viel Salz schlecht für uns ist. Um aus dem „Klassiker des Gelben Kaisers zur Inneren Medizin“, einem alten Text der traditionellen chinesischen Medizin, zu zitieren: „Wird zu viel Salz im Essen verwendet, versteift sich der Puls …“52 Wir brauchen also gar keine aufwendige Doppelblindstudie. Vielleicht müssen wir nur jemanden eine Tüte Kartoffelchips essen lassen und dann seinen Puls fühlen.

Wie zu erwarten ist die Salzindustrie nicht sonderlich von der Idee angetan, den Salzkonsum einzuschränken. Im Jahr 2009 zitierte die American Heart Association die Vorsitzende des U.S. Dietary Guidelines Advisory Committee mit der Aussage, dass US-Amerikaner ihren Salzkonsum einschränken sollten. Das Salt Institute, eine Handelsorganisation der Salzindustrie, warf ihr daraufhin vor, Salz gegenüber „ungesunde Vorurteile“ zu hegen und „im Voraus über die Salzthematik geurteilt zu haben“.53 Das ist so, als würde sich die Tabakindustrie darüber beschweren, dass die Mitarbeiter der American Lung Association dem Rauchen gegenüber voreingenommen sind. Natürlich fühlte sich nicht nur die Salzindustrie angegriffen. Wie sich herausstellte, trägt Käse zu einem Großteil des Natriumanteils an einer durchschnittlichen US-amerikanischen Ernährung bei.54 Der National Dairy Council stellte sich mit seiner Verurteilung der Empfehlungen des Dietary Guidelines Advisory Committee daher schnell hinter die Salzindustrie.55 Die Salzindustrie verfügt über ihre eigenen PR- und Lobbyfirmen, mit denen sie nach dem Muster der Tabakindustrie versucht, die Gefährlichkeit ihres Produkts herunterzuspielen.56 Die wahren Schurken sind aber nicht notwendigerweise die Salzminenbarone – ; es ist die Lebensmittelindustrie. Dieser milliardenschwere Industriezweig verwendet das billigste Salz und den billigsten Zucker, um seine Produkte an den Mann zu bringen.57 Aus diesem Grund ist es so schwer, bei einer durchschnittlichen US-amerikanischen Ernährungsweise den Natriumanteil zu senken, da sich drei Viertel des Salzes in industriell verarbeiteten Produkten verstecken und nicht aus dem Salzstreuer rieseln.58 Extrem süße und extrem salzige Speisen stumpfen die Geschmacksknospen ab, sodass natürliche Lebensmittel teilweise nur noch nach Pappe schmecken.

Daher stimmt es wohl auch, dass selbst die reifste Frucht nie ganz so süß wie Froot Loops schmeckt.

Es gibt aber noch zwei andere wichtige Gründe, weshalb die Lebensmittelindustrie ihren Produkten Salz zusetzt. Wenn Sie Fleisch salzen, absorbiert es Wasser. Auf diese Weise können Unternehmen das Gewicht ihrer Produkte um bis zu 20 Prozent erhöhen. Da Fleisch in Pfund oder Kilogramm verkauft wird, bedeutet dies um bis zu 20 Prozent höhere Profite, und zwar mit einem nur sehr geringen Kostenaufwand. Der zweite, allseits bekannte Grund ist, dass Salz uns durstig macht. Es steckt Kalkül dahinter, wenn in Bars kleine Schüsseln mit kostenlosen gesalzenen Nüssen oder Salzstangen herumstehen. Aus diesem Grund stammen Erfrischungsgetränke und Snacks oftmals auch von demselben Großunternehmen. Ein kaltes Getränk und ein salziger Snack sind eine tolle Kombination. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Pepsi und die Chipsmarke Frito-Lay zum selben Mutterkonzern gehören.59

Quizfrage! Was hat in den USA wohl den höchsten Natriumgehalt: eine Portion Rindfleisch, eine Portion gebackenes natürliches Hühnchen, eine große Portion McDonald’s Pommes frites oder eine Portion salziger Knabberbrezeln?

Die Antwort: Hühnchen. Die US-amerikanische Geflügelindustrie injiziert geschlachteten Hühnern gewöhnlich Salzwasser, um ihr Gewicht künstlich zu erhöhen. Diese Hühner dürfen trotzdem als „100 Prozent natürlich“ gekennzeichnet werden. Die Zeitschrift Consumer Reports fand heraus, dass einige Supermarkthühnchen derartig mit Salz vollgepumpt waren, dass sie pro Portion unglaubliche 840 g Natrium enthielten – also die gesamte Natriummenge eines ganzen Tages in nur einer Hühnchenbrust.60

Das natriumreichste Essen, das US-amerikanische Kinder und Teenager verzehren, ist Pizza.61 Ein einziges Stück Salamipizza von Pizza Hut kann bereits die Hälfte der empfohlenen Tagesmenge an Natrium enthalten.62 Bei Erwachsenen über fünfzig ist es Brot, doch bei denjenigen zwischen zwanzig und fünfzig Jahren ist das Lebensmittel mit dem höchsten Natriumgehalt Hühnerfleisch, und nicht, wie man wahrscheinlich denken würde, Dosensuppen, Salzstangen bzw. -brezeln oder Kartoffelchips.63

Wie können wir uns das angeborene Verlangen nach Salz, Zucker und Fett abtrainieren? Geben Sie sich ein paar Wochen Zeit, und Ihre Geschmacksknospen werden sich verändern. Als Wissenschaftler Probanden auf eine salzarme Diät setzten, begannen diese nach und nach den Geschmack salzfreier Suppen zu mögen, und fühlten sich vom Geschmack der salzigen Suppen, die sie früher mochten, abgestoßen. Im weiteren Verlauf der Untersuchung, als die Probanden ihre Suppen wieder nach eigenem Geschmack salzen durften, verwendeten diese dafür immer weniger Salz, da ihre Geschmacksknospen sich an eine gesündere Salzmenge gewöhnt hatten.64

Dasselbe gilt vermutlich auch für Zucker und Fett. Es ist wahrscheinlich, dass wir Menschen Fett tatsächlich schmecken können, ganz so, wie wir auch einen süßen, sauren oder salzigen Geschmack erkennen.65 Personen, die auf eine fettarme Diät gesetzt wurden, begannen, fettarme Speisen fettreichen vorzuziehen.66 Ihre Zunge kann Fett gegenüber tatsächlich empfindlicher werden, und je empfindlicher sie wird, umso weniger Butter, Fleisch, Milchprodukte und Eier werden Sie essen. Das heißt allerdings im Umkehrschluss, dass Ihr Geschmackssinn abstumpft, wenn Sie zu viel Fettiges essen, was dazu führt, dass Sie mehr Kalorien und mehr Fett, Milchprodukte, Fleisch und Eier essen und am Ende zunehmen.67 All dies kann schon innerhalb einiger Wochen passieren.68

Es gibt drei Dinge, die Sie tun können, um das Salzproblem in den Griff zu bekommen.69 Erstens: Salzen Sie beim Essen nicht nach. (Eine von drei Personen scheint ihr Essen sogar nachzusalzen, ohne es vorher überhaupt zu kosten!)70 Zweitens: Salzen Sie nicht beim Kochen. Das Essen mag zunächst fade schmecken, doch in zwei bis vier Wochen werden die Salzrezeptoren in Ihrem Mund empfindlicher werden, und das Essen wird besser Ihnen schmecken. Ob Sie es glauben oder nicht, schon nach zwei Wochen werden Sie den Geschmack von salzarmem Essen wahrscheinlich mehr mögen.71 Probieren Sie stattdessen Kombinationen aus köstlichen Lebensmitteln, Kräutern und Gewürzen wie Pfeffer, Zwiebeln, Knoblauch, Tomaten, Gemüsepaprika, Basilikum, Petersilie, Thymian, Sellerie, Limette, Chilipulver, Rosmarin, Paprikapulver, Curry, Koriander und Zitrone aus.72 Es ist auch eine gute Idee, so selten wie möglich auswärts zu essen. Auch Restaurants, die kein Fast Food servieren, verwenden in der Regel reichlich Salz.73 Zu guter Letzt sollten Sie alles Ihnen Mögliche tun, um industriell verarbeitete Lebensmittel zu vermeiden.

In den meisten erforschten Ländern sind industriell verarbeitete Lebensmittel für nur etwa die Hälfte des von den Menschen aufgenommenen Natriums verantwortlich. In den USA aber nehmen wir durch den Verzehr solcher Produkte so viel Natrium auf, dass wir unseren Salzkonsum, auch wenn wir komplett auf Salz in der Küche und am Esstisch verzichten würden, nur um einen geringen Bruchteil einschränken könnten.74 Versuchen Sie Lebensmittel zu kaufen, bei denen auf dem Etikett weniger Milligramm Natrium als Gramm pro Portion ausgewiesen sind. Wenn es sich z. B. um eine Portionsangabe von 100 g handelt, sollte das Produkt weniger als 100 mg Natrium enthalten.75 Alternativ können Sie auch darauf achten, dass es pro Portion weniger Milligramm Natrium als Kalorien sind. Diesen Trick habe ich von einem meiner Lieblingsernährungsberater, Jeff Novick, gelernt. Die meisten Menschen nehmen etwa 2.200 Kalorien pro Tag zu sich. Wenn alles, was Sie essen, mehr Kalorien als Natrium hätte, würden Sie es wahrscheinlich wenigstens bis unter die von den Dietary Guidelines for Americans empfohlene Obergrenze von 2.300 mg Natrium pro Tag schaffen.76

Im Idealfall würden Sie nur Lebensmittel kaufen, auf die gar keine Etiketten aufgeklebt sind. Es wird davon ausgegangen, dass es fast unmöglich ist, bei einer Ernährungsweise, die ausschließlich aus naturbelassenen, vollwertigen Lebensmitteln besteht, mehr als die 1.500 mg Natrium pro Tag zu sich zu nehmen, die die strengen Richtlinien der American Heart Association empfehlen.77

Vollkorn

Im Durchschnitt reduzieren Bluthochdruckmedikamente das Risiko von Herzinfarkten um 15 Prozent und das von Schlaganfällen um 25 Prozent.78 Doch in einer randomisierten, kontrollierten Untersuchung konnten drei Portionen Vollkorn am Tag bei den Probanden dieselbe blutdrucksenkende Wirkung erzielen.79 Die Untersuchung ergab, dass eine vollkornreiche Ernährung dieselben Vorteile, aber nicht die nachteiligen Nebenwirkungen hat, die häufig durch blutdrucksenkende Medikamente hervorgerufen werden, wie bspw. Störungen des Elektrolythaushalts bei den Menschen, die Diuretika (allgemein als „Wassertabletten“ bekannt) nehmen,80 ein erhöhtes Brustkrebsrisiko bei denjenigen, die Kalziumkanalblocker (wie z. B. Norvasc oder Diltiazem bzw. Cardizem) einnehmen,81 Lethargie und Impotenz bei denen, die Betablocker (wie Lopressor und Corgard) nehmen,82 plötzliche lebensgefährdende Schwellungen bei denen, die ACE-Hemmer (wie Vasotec/Enalapril und Altace/Ramipril) einnehmen83 und ein erhöhtes Risiko ernst zu nehmender Stürze bei scheinbar jeder Art dieser Bluthochdruckmedikamente.84

Auch Vollkorn hat Nebenwirkungen – aber gute! Der Verzehr von Vollkorn wird mit einem geringeren Risiko für Typ-2-Diabetes, koronare Herzkrankheiten, Gewichtszunahme85 und Darmkrebs86 in Verbindung gebracht. Betrachten wir es einmal im Ganzen: Während Vollkorn wie bspw. Vollkornhaferflocken, Vollkornweizen und brauner Reis bewiesenermaßen das Risiko verringern, chronische Krankheiten zu entwickeln,87 kann dies durch verarbeitetes Getreide tatsächlich erhöht werden. Wissenschaftler der Harvard University haben z. B. herausgefunden, dass der regelmäßige Verzehr von braunem Reis das Risiko einer Entstehung von Typ-2-Diabetes verringert, der Verzehr von weißem Reis dieses Risiko aber erhöhen kann. Der tägliche Verzehr von weißem Reis wurde mit einem um 17 Prozent erhöhten Diabetesrisiko in Verbindung gebracht, während das Ersetzen eines Drittels einer täglichen Portion weißen Reises mit braunem Reis zu einem Sinken des Risikos um 16 Prozent führen könnte. Es scheint, dass das Ersetzen von weißem Reis mit Vollkornhaferflocken oder -gerste ein noch erfolgreicherer Schritt sein dürfte, da sich das Diabetesrisiko dadurch scheinbar um ganze 36 Prozent senken lässt.88

Schon aufgrund der verringerten Risikofaktoren für Herzkrankheiten, die bei interventionellen Untersuchungen mit Vollkorn beobachtet wurden,89 überrascht es nicht, dass die Menschen, die regelmäßig Vollkorn essen, auch das Fortschreiten arterieller Krankheiten einschränken konnten. Bei Studien, die zwei der wichtigsten Körperarterien untersuchten – die Koronararterien, die das Herz versorgen, und die Karotisarterien bzw. Halsschlagadern, die das Gehirn versorgen – stellte sich heraus, dass die Personen, die am meisten Vollkorn verzehrten, deutlich geringere Arterienverengungen hatten.90,91 Da atherosklerotische Plaque in den Arterien zu unseren häufigsten Todesursachen zählt, sollten Sie diesen Prozess im Idealfall aber nicht nur verlangsamen, sondern aufhalten oder sogar ganz umkehren. Wie wir in Kapitel 1 gesehen haben, ist dafür mehr als nur Vollkorn nötig: Es braucht ebenfalls vollwertiges Obst und Gemüse, naturbelassene ganze Bohnen und weitere vollwertige pflanzliche Lebensmittel, wie auch eine deutlich geringere Aufnahme von Transfetten, gesättigten Fetten und Cholesterin, sprich der Substanzen, die zu einem Verschluss der Arterien beitragen.

Wie wäre es mit der DASH-Diät?

Was tun, wenn Sie bereits wie achtundsiebzig Millionen US-Amerikaner zu den Menschen gehören, die hohen Blutdruck haben? Wie können Sie ihn senken?

Die American Heart Association (AHA), das American College of Cardiology (ACC) und die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) empfehlen gesammelt, dass die Patienten zunächst versuchen sollten, ihre Lebensweise zu ändern, d. h. abzunehmen, ihren Salz- und Alkoholkonsum zu verringern, sich mehr sportlich zu betätigen und sich gesünder zu ernähren.92

Sollten diese empfohlenen Änderungen der Lebensweise jedoch nicht helfen, steht der Gang zur Apotheke an. Als Erstes wird meist ein Diuretikum („Wassertabletten“) verschrieben, und bevor Sie auch nur „Pharma-Cocktail“ aussprechen können, kommen immer mehr neue Medikamente hinzu; so lange, bis Ihr Blutdruck sinkt. Bluthochdruckpatienten nehmen in der Regel drei verschiedene Blutdruckmittel zur selben Zeit ein,93 doch nur die Hälfte von ihnen scheint auch nur die Erstrangmedikamente über einen längeren Zeitraum zu nehmen.94 (Dafür sind zum Teil deren Nebenwirkungen verantwortlich, die u. a. Erektionsstörungen, Erschöpfung und Wadenkrämpfe einschließen.)95 Letzten Endes beseitigen die Medikamente die Ursache des Problems nicht. Der Grund für Bluthochdruck ist kein Mangel an Medikamenten. Die Ursache, die alldem zugrunde liegt, besteht darin, was Sie essen und wie Sie leben.

Wie schon zuvor besprochen liegt der ideale Blutdruck, der so definiert wird, dass ein darunter liegender Wert keine Vorteile mehr bringt, wahrscheinlich bei ungefähr 110/70.96 Ist es wirklich möglich, ohne Medikamente einen so niedrigen Blutdruck zu erreichen? Denken Sie daran, dass dies der durchschnittliche Blutdruck von über sechzigjährigen Männern im ländlichen Afrika war, die abgesehen von ihrer traditionellen pflanzenbasierten Ernährung und ihrer Lebensweise keine speziellen Behandlungsmethoden anwendeten.97 Im ländlichen China sind die Ergebnisse ähnlich: 110/70, das ganze Leben hindurch, ohne eine altersbedingte Steigerung.98 Der Grund dafür, weshalb wir vermuten, dass die pflanzenbasierte Ernährung mit dem niedrigen Blutdruck zusammenhängt, ist, dass in der westlichen Welt nur eine Gruppe bei routinemäßigen Untersuchungen so einen niedrigen Blutdruck erzielt: die der Vegetarier.99

Steht in den Empfehlungen der AHA, ACC und CDC dann auch, dass sich Menschen mit einem hohen Blutdruck fleischfrei ernähren sollten? Nein. Sie empfehlen stattdessen die DASH-Diät, die für Dietary Approaches to Stop Hypertension (Ernährungskonzept zur Senkung des Blutdrucks) steht – ein Ernährungsprogramm, das eigens dafür entwickelt wurde, um den Blutdruck zu senken.100 Auch wenn es mitunter als lakto-vegetarische Diät101 (Milchprodukte ja, aber kein Fleisch und keine Eier) beschrieben wird, ist dies nicht der Fall. Die DASH-Diät rückt zwar Obst, Gemüse und fettarme Milchprodukte in den Vordergrund, enthält aber trotzdem Fleisch – man soll nur weniger davon essen.102

Warum nicht einfach eine stärker pflanzenbasierte Ernährung empfehlen? Wir wissen seit Jahrzehnten, dass „Lebensmittel tierischen Ursprungs sehr deutlich mit dem systolischen und diastolischen Blutdruck in Verbindung stehen, nachdem Faktoren wie Alter und Gewicht herausgerechnet wurden“.103 Dies ist ein Zitat aus einer Reihe von Untersuchungen, die der renommierte Arzt Frank Sacks mit seinen Kollegen bereits in den 1970er-Jahren durchführte. Es gibt aber auch Untersuchungen, die bis in die 1920er-Jahre zurückreichen, und die beweisen, dass das Hinzufügen von Fleisch zu einer vorher pflanzenbasierten Ernährung schon innerhalb von einigen Tagen zu einem deutlich erhöhten Blutdruck führen kann.104

Warum ist die DASH-Diät dann nicht fleischfrei? Auf Grundlage der Arbeit von Dr. Sacks an der Harvard Universität erkannte die American Heart Association an, dass „einige der niedrigsten Blutdruckwerte in industrialisierten Ländern bei strengen Vegetariern dokumentiert wurden. …“105 War denjenigen, die die DASH-Diät erarbeiteten, Dr. Sacks‘ Arbeit vielleicht nicht bekannt? Doch, denn Dr. Sacks war der Vorsitzende des Komitees, das das Design der Diät erstellte.106

Der Grund, weshalb die DASH-Diät explizit an vegetarischen Ernährungsweisen ausgerichtet wurde, aber dennoch nicht fleischfrei ist, wird Sie vielleicht überraschen. Das oberste Ziel der DASH-Diät bestand ausdrücklich darin, Ernährungsgewohnheiten einzuführen, „die die blutdrucksenkenden Vorteile einer vegetarischen Ernährungsweise haben, und trotzdem noch genug tierische Produkte enthalten, dass sie auch für Nicht-Vegetarier schmackhaft sind. …“107 Dr. Sacks hatte zuvor sogar gezeigt, dass der Blutdruck von Vegetariern mit einem zunehmenden Konsum an Milchprodukten immer mehr anzusteigen schien.108 Er glaubte jedoch, dass es sinnlos sei, eine Ernährungsweise zu bewerben, der seiner Ansicht nach nur wenige Menschen folgen würden. Dies ist ein immer wiederkehrendes Thema bei offiziellen Ernährungsempfehlungen. Anstatt einfach darüber zu informieren, was die Wissenschaft herausgefunden hat, und es dann den Menschen selbst zu überlassen, eigene Entscheidungen zu treffen, bevormunden Experten die Bevölkerung, indem sie anpreisen, was sie für praktisch statt für ideal halten. Indem sie die Entscheidung schon vorher für die Menschen treffen, untergraben sie die Möglichkeiten derjenigen, die für eine optimale Gesundheit ihr Leben noch stärker verändern würden.

Die DASH-Diät führt dazu, dass der Blutdruck sinkt, doch diese Wirkung scheint weniger mit dem Wechsel zu fettarmen Milchprodukten und weißem Fleisch oder weniger Süßigkeiten und zugesetzten Fetten als mit der höheren Menge an Obst und Gemüse zu tun zu haben.109 Wenn diese Vorteile den zur Ernährung hinzugefügten pflanzlichen Lebensmitteln zu verdanken sind, warum sollte man nicht danach streben, die Ernährung der Menschen grundsätzlich und von Anfang an auf diesen gesündesten Lebensmitteln basieren zu lassen?

Diese Frage stellt sich umso mehr dank einer Metaanalyse aus dem Jahr 2014 (eine Zusammenstellung vieler verschiedener Untersuchungsergebnisse), die zeigte, dass vegetarische Ernährungsweisen den Blutdruck besonders gut zu senken scheinen.110 Je mehr Pflanzen enthalten sind, umso besser scheint es zu sein. Fleischfreie Ernährungsweisen wirken generell wie „ein Schutz gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen … einige Krebsarten und die Gesamtsterblichkeit“, doch vollständig pflanzenbasierte Ernährungsweisen „scheinen einen zusätzlichen Schutz vor Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes und kardiovaskulärer Sterblichkeit zu bieten.“111

Je mehr pflanzliche Lebensmittel die Ernährung enthält, umso mehr scheinen Bluthochdruckraten schrittweise zu sinken. Die Untersuchung der neunundachtzigtausend Kalifornier aus Kapitel 6 ergab, dass Flexitarier, d. h. Menschen, die weniger Fleisch essen, vielleicht nur wenige Male im Monat, im Vergleich zu Menschen, die mehr als einmal pro Woche Fleisch essen, ein um 23 Prozent niedrigeres Bluthochdruckrisiko haben. Diejenigen, die außer Fisch überhaupt kein Fleisch essen, hatten ein um 38 Prozent geringeres Bluthochdruckrisiko, während die, die weder Fleisch noch Fisch aßen, ein um 55 Prozent niedrigeres Risiko hatten. Die Menschen, die ganz auf Fleisch, Eier und Milchprodukte verzichteten, erzielten die besten Ergebnisse: ein um 75 Prozent verringertes Bluthochdruckrisiko. Wer sich rein pflanzlich ernährt, konnte scheinbar das Risiko dieser häufigen Todesursache um drei Viertel eliminieren.112 Als Wissenschaftler sich den Zusammenhang von Diabetes und Körpergewicht anschauten, sahen sie dieselben fortschrittlichen Verbesserungen, sobald der Verzehr tierischer Produkte ab- und der pflanzlicher zunahm. Wer sich pflanzlich ernährte, hatte nur einen Bruchteil des Diabetesrisikos, sogar ohne die Berücksichtigung von Gewichtsvorteilen.113 Doch galt dies auch für Bluthochdruck? Im Durchschnitt sind Personen, die sich komplett pflanzlich ernähren, etwa 15 Kilogramm leichter als diejenigen mit einer konventionellen Ernährungsweise.114 Vielleicht sind deren Blutdruckwerte nur so gut, weil sie dünner sind? Oder um es anderes auszudrücken: Haben Omnivoren, die genauso dünn wie Veganer sind, dieselben guten Blutdruckwerte?

Um diese Frage zu beantworten, müssten Wissenschaftler eine Gruppe von Personen finden, die sich auf durchschnittliche westliche Art und Weise ernähren, aber gleichzeitig so dünn wie Personen sind, die sich rein pflanzlich ernähren. Um solch fitte und schlanke Probanden zu finden, suchten Wissenschaftler nach Ausdauersportlern, die im Durchschnitt seit einundzwanzig Jahren etwa siebenundsiebzig Kilometer pro Woche rannten. Wer zwanzig Jahre lang fast zwei Marathons pro Woche rennt, wird wahrscheinlich automatisch so schlank wie ein Pflanzenfresser, egal was er oder sie isst! Die Wissenschaftler verglichen diese Spitzensportler mit zwei weiteren Gruppen: inaktiven Fleischessern, die sich pro Woche weniger als eine Stunde sportlich betätigten, und inaktiven Veganern, die sich hauptsächlich von naturbelassenen, ungekochten pflanzlichen Lebensmitteln ernährten.

Welche Ergebnisse kamen dabei heraus? Wie zu erwarten hatten die Spitzensportler mit einer konventionellen US-amerikanischen Ernährung bessere Blutdruckwerte als die Fleischesser, die sich nicht bewegten. 122/72 im Vergleich zu 132/79, was bereits in den prähypertensiven Bereich fällt. Und die inaktiven Veganer? Sie erreichten einen erstaunlichen Durchschnittswert von 104/62.115 Auch das Rennen von weit über dreitausend Kilometern im Jahr scheint den Blutdruck nicht so stark zu senken wie das Herumhängen auf der Couch als Veganer.

Lebensmittel, die vor Bluthochdruck schützen

Eine natriumarme Ernährungsweise, die auf einer vollwertigen pflanzlichen Kost basiert, scheint die beste Methode zu sein, um hohen Blutdruck zu senken. Was aber, wenn Sie sich bereits so ernähren, der Wert von 110/70 aber immer noch in weiter Ferne liegt? Es gibt einige bestimmte Lebensmittel, die besonders wirksam vor Bluthochdruck schützen können.

Das Thema Vollkorn haben wir bereits besprochen. Jetzt werde ich besonders auf Leinsamen, Hibiskustee und nitratreiches Gemüse eingehen. Gemahlene Leinsamen allein „führten zu einer der stärksten blutdrucksenkenden Wirkung, die je durch eine Ernährungsintervention erreicht wurden.“116 Schon wenige Esslöffel pro Tag scheinen zwei- bis dreimal wirksamer zu sein als die Aufnahme eines aeroben Ausdauertrainings117 (natürlich ist beides zusammen am besten – Leinsamen zum selbstverständlichen Teil der Ernährung zu machen, und Sport dazu).

Der Verzehr von rohem und gekochtem Gemüse wird ebenso mit einem niedrigeren Blutdruck in Verbindung gebracht, doch scheint rohes Gemüse noch etwas besser zu wirken.118 Untersuchungen ergaben, dass auch ein erhöhter Verzehr von Bohnen, Spalterbsen, Kichererbsen und Linsen hilfreich sein kann,119 also schreiben Sie diese auch gleich auf Ihre Einkaufsliste. Rotwein könnte ebenso helfen, aber nur, wenn er alkoholfrei ist. Nur Wein, dem der Alkohol entzogen wurde, scheint tatsächlich den Blutdruck zu senken.120

Auch Wassermelonen schützen vor zu hohem Blutdruck, was wunderbar (und köstlich) ist, doch müssten Sie wohl täglich etwa ein Kilo davon essen, um eine spürbare Wirkung zu erzielen.121 Kiwis brachten leider nichts. Bei einer Untersuchung, die von einem Kiwi-Unternehmen in Auftrag gegeben wurde, zeigen diese Früchte keine schützende Wirkung.122 Vielleicht sollte sich die Kiwi-Industrie ein Beispiel am California Raisin Marketing Board nehmen, das eine Untersuchung finanzierte, die zeigten sollte, dass Rosinen den Blutdruck senken können. Um die Vorteile der Rosinen aufzublähen, wurde der Kontrollgruppe Junk Food gegeben. Die Untersuchung fand also heraus, dass Rosinen den Blutdruck senken können, aber scheinbar nur im Vergleich zu Fudge Cookies, Cheez-It Crackern und Chips Ahoy Cookies!123

Leinsamen

In den Kapiteln 11 und 13 werden wir sehen, wie wirksam Leinsamen vor Brust- und Prostatakrebs schützen können. Wenn Wissenschaftler allerdings Begriffe wie „wunderbar“ zu deren Beschreibung verwenden, sollten Sie etwas skeptisch werden. (Eine medizinische Fachzeitschrift überschrieb einen Artikel sogar mit „Leinsamen: Eine wunderbare Verteidigung gegen einige kritische Krankheiten.“)124 Eine bemerkenswerte interventionelle Untersuchung, deren Ergebnisse in der Fachzeitschrift Hypertension veröffentlicht wurden, legt allerdings nahe, dass der Begriff „wunderbar“ in diesem Zusammenhang gar nicht so unpassend ist.

Selten sieht man eine Ernährungsstudie diesen Kalibers: Es handelte sich um eine prospektive, placebokontrollierte, randomisierte Doppelblindstudie. Das ist mit Essen nur sehr schwer machbar. Bei einem Arzneimitteltest ist eine Blindstudie einfach: Die Forscher geben jemandem eine Zuckerpille, die genauso aussieht wie das Medikament, sodass weder die Probanden, die sie einnehmen, noch diejenigen, die sie verabreichen, wissen, welche die echte ist. (Daher der Begriff „doppelblind“.) Aber wie macht man das mit Essen? Die meisten Menschen werden es bemerken, wenn jemand probiert, ihnen eine Viertel Tasse Leinsamen unters Mittagessen zu mischen.

Die Wissenschaftler wendeten eine clevere Strategie an, um dieses Problem zu umgehen: Sie stellten eine Reihe von Rezepten für häufige Lebensmittel und Produkte wie z. B. Muffins oder Pasta zusammen, in denen sie Placebo-Zutaten wie Kleie und Melasse verstecken konnten, um die Konsistenz und die Farbe von Speisen mit Leinsamen zu erzeugen. Auf diese Weise konnten sie Probanden randomisiert in zwei Gruppen einteilen und heimlich esslöffelweise täglich gemahlene Leinsamen in die Mahlzeiten der Hälfte der Probanden mischen, um herauszufinden, ob dies irgendeinen Unterschied machen würde.

Nach sechs Monaten hatten diejenigen, die die Placebo-Mahlzeiten gegessen und mit Bluthochdruck begonnen hatten, immer noch Bluthochdruck, obwohl viele von ihnen mehrere Blutdruckmedikamente einnahmen. Im Durchschnitt begannen sie mit einem Wert von 155/81 und hatten am Ende einen von 158/81. Wie sah es mit den Bluthochdruckpatienten aus, die unwissentlich jeden Tag Leinsamen gegessen hatten? Ihr Blutdruck sank von 158/82 auf 143/75. Ein Sinken des diastolischen Werts um sieben Punkte mag sich nicht nach viel anhören, doch es wird davon ausgegangen, dass dies im Verlauf der Zeit 46 Prozent weniger Schlaganfälle und 29 Prozent weniger Herzerkrankungen bedeuten würde.125

Wie sieht dieses Ergebnis im Vergleich zur Einnahme von Medikamenten aus? Die Leinsamen konnten den systolischen und diastolischen Blutdruckwert um bis zu fünfzehn bzw. sieben Punkte senken. Wirkungsstarke blutdrucksenkende Medikamente wie Kalziumkanalblocker (bspw. Norvasc, Cardizem oder Procardia) konnten den Blutdruck um nur acht bzw. drei Punkte senken. Auch ACE-Hemmer (wie Vasotec, Lotensin, Zestril oder Altace) senken den Blutdruck der Patienten um nur fünf bzw. zwei Punkte.126 Gemahlene Leinsamen scheinen zwei- bis dreimal wirksamer als diese Medikamente zu sein, und haben darüber hinaus nur positive Nebenwirkungen. Zusätzlich zu ihrer krebsbekämpfenden Eigenschaft wurde in klinischen Untersuchungen bewiesen, dass sie auch dabei helfen, Cholesterin, Triglyceride und den Blutzuckerwert unter Kontrolle zu halten, Entzündungen zu vermindern und wirksam gegen Verstopfung zu helfen.127

Hibiskustee bei Bluthochdruck

Hibiskustee, aus den Blüten der Pflanze mit demselben Namen hergestellt, ist auch als Roselle, Agua de Jamaica oder saurer Tee bekannt. Dieser Tee mit seinem typisch säuerlichen, cranberryartigen Geschmack und seiner intensiven roten Farbe wird überall auf der Welt heiß und auch kalt getrunken. Im Vergleich zum Antioxidantiengehalt von 280 anderen häufig getrunkenen Getränken schafft es Hibiskustee auf Platz 1 und schlägt damit andere gesunde Schwergewichte, einschließlich des hochgelobten grünen Tees.128 Schon eine Stunde nach dem Trinken schießt die antioxidative Kraft des Bluts in die Höhe und zeigt, dass die antioxidativen Phytonährstoffe des Tees vom Organismus absorbiert wurden.129 Welche Wirkung hat dieser Tee auf Ihre Gesundheit?

Leider hilft er nicht viel gegen Fettleibigkeit. Nachdem übergewichtigen Menschen über Monate hinweg Hibiskustee verabreicht wurde, konnten Wissenschaftler im Vergleich zu einem Placebo nur einen Gewichtsverlust von etwa einem halben Pfund pro Monat dokumentieren.130 Frühe Untersuchungen zur cholesterinsenkenden Wirkung des Tees sahen vielversprechend aus, da sie nahelegten, dass schon das Trinken von täglich zwei Tassen über einen Zeitraum von einem Monat ein Sinken des Cholesterinspiegels um 8 Prozent bewirken könne,131 doch als die Ergebnisse all dieser Untersuchungen zusammengefasst wurden, waren keine klar erkennbaren Vorteile mehr ersichtlich.132 Das mag daran liegen, dass der Hibiskustee aus irgendwelchen Gründen nur bei der Hälfte der Probanden zu wirken schien. Wenn Sie zu dieser glücklichen Hälfte gehören, könnten Sie Ihren Cholesterinwert allerdings um bis zu 12 Prozent senken.133

Bluthochdruck allerdings ist die Paradedisziplin von Hibiskus.134 Eine placebokontrollierte Doppelblindstudie der Tufts University, die Hibiskustee mit einem künstlich gefärbten und aromatisierten Doppelgängergetränk verglich, zeigte, dass drei Tassen Hibiskustee täglich den Blutdruck bei Patienten mit Prähypertonie deutlich mehr senkten als das Placebo-Getränk.135 Doch um wie viel mehr? Wie wirksam ist das Trinken von Hibiskustee im Vergleich zu anderen Maßnahmen?

Der PREMIER Clinical Trial teilte Hunderte Männer und Frauen mit erhöhtem Blutdruck nach dem Zufallsprinzip in eine „nur beratene“ Kontrollgruppe und eine zweite Gruppe auf, deren Lebensweise aktiv geändert wurde. Den Probanden der Kontrollgruppe wurde eine Broschüre und der Hinweis gegeben, sie sollten abnehmen, ihren Salzkonsum einschränken, sich in höherem Maße sportlich betätigen und gesünder essen (d. h. z. B. zur DASH-Diät wechseln). Die Gruppe, deren Verhalten bzw. Lebensweise aktiv geändert wurde, bekam dieselben Anweisungen, darüber hinaus aber auch Einzelberatungen und Gruppentreffen. Außerdem führten die Probanden Ernährungstagebücher und ihre körperliche Aktivität sowie ihre Kalorien- und Natriumaufnahme wurde überwacht.

Innerhalb von sechs Monaten erreichte diese Gruppe im Vergleich zu der lediglich beratenen Gruppe ein Sinken ihres systolischen Blutdruckwertes um vier Punkte. Das mag nicht nach viel klingen, doch auf eine ganze Bevölkerung gerechnet könnten fünf Punkte weniger jährlich 14 Prozent weniger tödlich endende Schlaganfälle, 9 Prozent weniger tödliche Herzinfarkte und 7 Prozent weniger Todesfälle insgesamt bedeuten.136 In der Tufts-Untersuchung bewirkte eine Tasse Hibiskustee zu jeder Mahlzeit das Sinken der systolischen Blutdruckwerte der Probanden um 6 Punkte im Vergleich zur Kontrollgruppe.137

Um Ihren Blutdruck zu senken, sollten Sie nach wie vor abnehmen, Ihren Salzkonsum einschränken, mehr Sport treiben und sich gesünder ernähren. Die Beweise belegen allerdings, dass Ihnen eine Tasse Hibiskustee am Tag einen zusätzlichen Vorteil einbringen kann, der sich sogar mit dem von Blutdruckmedikamenten vergleichen lässt. Im direkten Vergleich mit einem Blutdruckmedikament zeigte sich, dass zwei Tassen starker Hibiskustee jeden Morgen (mit insgesamt 5 Teebeuteln) genauso wirksam den Blutdruck von Probanden senkte wie eine Anfangsdosis Captopril, die zweimal täglich eingenommen wird.138

Es gibt jedoch auch Unterschiede: Captopril kann Nebenwirkungen haben, am häufigsten Ausschlag, Husten und eine Beeinträchtigung des Geschmacks. Es kann sogar, wenn auch nur in äußerst seltenen Fällen, zu einem tödlich endenden Anschwellen der Schleimhäute in Hals und Rachen führen.139 Bei Hibiskustee wurden keine Nebenwirkungen berichtet, auch wenn er nicht ohne Grund „saurer Tee“ genannt wird. Spülen Sie Ihren Mund nach dem Trinken am besten mit Wasser aus, damit die natürliche Säure des Tees Ihren Zahnschmelz nicht angreift.140 Da Hibiskustee außerdem beachtliche Mengen an Mangan enthält,141 würde ich Ihnen, nur um sicherzugehen, nicht empfehlen, mehr als einen Liter pro Tag davon zu trinken.

Die Kraft des NO

Stickstoffmonoxid (NO) fungiert im Körper als wichtiger Botenstoff und transportiert die Nachricht „Sesam, öffne dich!“ Wenn NO vom Endothel, dem Gewebe, das die Blutgefäße auskleidet, freigesetzt wird, signalisiert es den Muskelzellen in den Gefäßwänden, dass sie sich entspannen sollen, wodurch sich die Gefäße weiten und mehr Blut hindurchfließen kann. Genauso funktionieren auch Nitroglycerin-Pillen: Das Nitroglycerin, das Leute einnehmen, wenn sie Brustschmerzen haben, wird in NO umgewandelt, das die Koronararterien weitet, wodurch mehr Blut zum Herzmuskel fließen kann. Tabletten gegen Erektionsstörungen wie Viagra funktionieren auf die gleiche Weise. Sie verstärken die Signalwirkung von NO, wodurch sich die Blutgefäße im Penis weiten und mehr Blut hineinfließen kann.

Die Erektionsstörung, über die Sie sich wirklich Sorgen machen sollten, ist eine endotheliale Dysfunktion, sprich die Unfähigkeit des die Arterien auskleidenden Gewebes, genügend NO zu produzieren, damit sich die Arterien richtig weiten können. Stickstoffmonoxid wird von einem Enzym namens NO-Synthase produziert. Der natürliche Feind dieses Enzyms sind freie Radikale, die sich nicht nur gierig das Stickstoffmonoxid einverleiben, sondern auch das Enzym selbst befallen und dazu zwingen können, noch mehr freie Radikale freizusetzen.142

Ohne genügend NO können sich Ihre Arterien versteifen, funktionsunfähig werden, dadurch Ihren Blutdruck erhöhen und somit das Herzinfarktrisiko steigern.

Sie müssen daher Ihren Körper im Verlauf des Tages mit reichlich antioxidantienreichen pflanzlichen Lebensmitteln versorgen, um die freien Radikale auszuschalten und die NO-Synthase unbehelligt ihre Arbeit machen zu lassen, die darin besteht, ihre Arterien voll funktionsfähig zu halten. Es gibt ein Ultraschallgerät, mit dem Wissenschaftler die durch NO bewirkte Weitung der Arterien messen können. Eine Untersuchung, bei der dieses Messgerät verwendet wurde, ergab, dass sich die Erweiterung der Arterien von Menschen, die eine durchschnittliche westliche Ernährungsweise befolgen, nur wenig verschlechtert, wenn sie noch weniger Antioxidantien zu sich nehmen. Es scheint, dass wir fast schon die niedrigste Funktionsstufe unserer Arterien erreicht haben, und es nicht mehr viel Raum für eine weitere Verschlechterung gibt. Doch wenn man Menschen mit einer antioxidantienreichen Ernährung u. a. statt Bananen Beeren und statt heller dunkle Schokolade essen lässt, erfahren diese bereits innerhalb von nur zwei Wochen ein deutliche Verbesserung der Fähigkeit ihrer Arterien, sich zu entspannen und normal zu weiten.143

Zusätzlich zum Essen antioxidantienreicher Lebensmittel, die dem Körper dabei helfen, NO zu produzieren, können Sie auch bestimmte Gemüsesorten essen, wie bspw. Rote Bete und dunkelgrünes Blattgemüse, das reich an natürlichen Nitraten ist, die Ihr Körper in Stickstoffmonoxid umwandeln kann. (Um den Unterschied zwischen Nitrat und Nitrit zu herauszufinden, schauen Sie in Kapitel 10 nach.) Dieser Prozess erklärt, warum es Wissenschaftlern gelang, bei Freiwilligen innerhalb einiger Stunden nach dem Trinken von Rote-Bete-Saft eine Senkung des systolischen Blutdruckwerts um 10 Punkte herbeizuführen – eine Wirkung, die den ganzen Tag lang anhielt.144

Diese Untersuchung wurde allerdings mit gesunden Probanden durchgeführt. Selbstverständlich müssen wir die Kraft von Roter Bete da testen, wo sie am meisten gebraucht wird – bei Menschen mit Bluthochdruck. Wenn nitratreiches Gemüse die führende Todesursache bei uns Menschen derartig beeinflussen kann, warum brauchte es dann bis zum Jahr 2015, um die Ergebnisse einer solchen Untersuchung zu veröffentlichen? Nun, wer würde solch eine Untersuchung finanzieren wollen? Die einflussreiche Rote-Bete-Industrie? Pharmakonzerne streichen jedes Jahr über 10 Milliarden Dollar für Blutdruckmedikamente ein.145 Mit Roter Bete lassen sich keine Milliarden machen. Darum haben wir Glück, dass es karitative Stiftungen wie die British Heart Foundation gibt, die schließlich eine Untersuchung finanzierte, bei der die Wirkung von Rote-Bete-Saft bei Menschen mit hohem Blutdruck getestet wurde.

Der Hälfte der Probanden wurde über einen Zeitraum von vier Wochen täglich eine Tasse Rote-Bete-Saft verabreicht, während die andere Hälfte ein nicht zu unterscheidendes nitratfreies Placebo-Getränk bekam. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass bei den Safttrinkern der systolische Blutdruckwert nicht nur um 8 Punkte sank, sondern sich auch Woche um Woche verbesserte, was nahelegte, dass sich der Blutdruck bei einem länger angelegten Versuch vermutlich noch weiter verbessert hätte. Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass „nitratreiches Gemüse ein sowohl kosteneffizienter und erschwinglicher wie auch vorteilhafter gesundheitspolitischer Ansatz bei der Bluthochdruckbehandlung sein kann.“146

Die optimale Dosierung scheint eine halbe Tasse bzw. 120 ml zu sein.147 Rote-Bete-Saft verdirbt allerdings schnell, ist verarbeitet und mitunter nicht einfach erhältlich. Eine 425 g-Dose Rote Bete enthält ungefähr dieselbe Menge an Nitrat. Die konzentrierteste Nitratquelle ist jedoch dunkles Blattgemüse. Die folgende Liste führt die zehn nitratreichsten Lebensmittel in absteigender Reihenfolge auf. Wie Sie sehen, belegt dunkles Blattgemüse acht der zehn Plätze.

DIE 10 NITRATREICHSTEN LEBENSMITTEL

10. Rote Bete

9. Mangold

8. Eichblattsalat

7. Rote-Bete-Blätter

6. Basilikum

5. Mesclun-Salat

4. Kopfsalat

3. Koriander

2. Rhabarber

1. Rucola

Rucola belegt mit beeindruckenden 480 mg Nitrat pro einer Portion von 100 g den ersten Platz. Das ist mehr als viermal so viel, wie in Roter Bete steckt.148

Die gesündeste Art, genügend Nitrat aufzunehmen, ist der Verzehr eines großen Salats jeden Tag. Sie könnten natürlich auch Ergänzungsmittel nehmen, die die Wirkung von NO steigern, doch ist deren Sicherheit149 und Wirksamkeit150 fragwürdig, weshalb Sie besser darauf verzichten sollten. Wie sieht es mit Gemüsesaft aus, der sowohl Rote Bete als auch Spinat enthält? Dieser scheint nicht wirklich viel Nitrat zu enthalten, denn Sie müssten täglich neunzehn Liter davon trinken, um die empfohlene Tagesmenge an Nitrat aufzunehmen.151 Die Vorteile von Nitraten können eine Erklärung dafür liefern, warum der Verzehr von Blattsalat mit geringeren Herzerkrankungsraten152 und einer längeren Lebensdauer,153 ganz zu schweigen vom „Veggie Viagra“-Effekt, in Verbindung gebracht wird. Sie haben richtig gelesen. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Gemüse und der Sexualfunktion,154 und ebenso der verbesserten Durchblutung des wichtigsten Körperorgans, unseres Gehirns.155 Die einzige Nebenwirkung, die Sie dank Roter Bete erfahren werden, ist ein bisschen mehr Farbe in Ihrem Leben – sprich rötlich gefärbter Stuhl und hübscher pinkfarbener Urin.

Doping mit Rote-Bete-Saft

Ein Lamborghini ist nicht deshalb schneller als eine alte Möhre, weil die Chemie der Kraftstoffverbrennung bei einem Sportwagen in irgendeiner Weise anders ist als bei einer alten Karre. Es liegt daran, dass der Lamborghini einen stärkeren Motor hat. Genauso haben auch Sportler größere Muskeln und sind in der Lage, mehr Sauerstoff schneller zu ihren Muskeln zu transportieren. Doch grundsätzlich bleibt die Energiemenge, die der Körper dem Sauerstoff entziehen kann, gleich groß – zumindest dachten wir das bisher.

Vor etwa fünf Jahren wurde dieser Grundsatz der Sportphysiologie auf den Kopf gestellt – wegen Rote-Bete-Saft.

Nitrate, die in grünem Blattgemüse und Beten konzentriert vorkommen, helfen nicht nur durch das Unterstützen der Arterienerweiterung beim Transport sauerstoffreichen Blutes zu den Muskeln, sondern unterstützen den Körper auch dabei, mehr Energie aus diesem Sauerstoff zu herauszuziehen – etwas, das man zuvor nie für möglich gehalten hatte.

So kann z. B. schon ein kleiner Spritzer Rote-Bete-Saft Freitauchern dabei helfen, ihren Atem eine weitere halbe Minute als gewöhnlich anzuhalten.156 Nach dem Trinken von Rote-Bete-Saft waren Radfahrer in der Lage, mit derselben Intensität wie die Fahrer der Placebo-Gruppe zu fahren, und dabei 19 Prozent weniger Sauerstoff zu verbrauchen. Dann, als sie die Heimtrainer-Räder auf die Stufe „anspruchsvolles Radfahren“ hochstellten, erreichten sie statt nach 9:43 Minuten erst nach 11:15 Minuten den Erschöpfungszustand. Die Gruppe der Rote-Bete-Saft-Trinker zeigte eine größere Ausdauer, während sie weniger Sauerstoff verbrauchte. Kurz gesagt machte der Saft die Energieproduktion in den Körpern der Radfahrer effizienter. Kein Medikament, kein Steroid, Ergänzungsmittel oder irgendeine andere Behandlung konnte jemals das erreichen, was Rote-Bete-Saft zu schaffen scheint.157

Diese Wirkung stellt sich auch nach dem Essen ganzer Beteknollen ein. Bei einer anderen Untersuchung konnten Männer und Frauen, die fünfundsiebzig Minuten vor einem 5-Kilometer-Rennen anderthalb Tassen gebackene Rote Bete aßen, bei gleicher Herzfrequenz und geringerer empfundener Erschöpfung ihre Rennleistung verbessern.158 Schneller sein mit weniger Anstrengung? Her mit der Roten Bete!

Um die sportliche Leistung zu maximieren, scheint die ideale Dosis eine halbe Tasse Rote-Bete-Saft (oder drei etwa 8 cm große Rote Bete oder eine Tasse gekochter Spinat159) und der richtige Zeitpunkt zwei bis drei Stunden vor dem Wettkampf zu sein.160

Es scheint, dass die Sportnachrichten immer nur über Steroide und andere illegale leistungssteigernde Drogen berichten. Warum hat bisher noch niemand diese wirkungsstarken und vollkommen sauberen leistungssteigernden Gemüseknollen erwähnt? Be(t)dauerlich.

Ein Blutdruck-Check lässt sich schnell vergessen oder verschieben. Anders als bei vielen anderen häufigen Todesursachen sind die schleichenden Konsequenzen von Bluthochdruck oftmals erst dann offensichtlich, wenn Sie in den Krankenwagen verfrachtet oder ins Grab abgesenkt werden. Also gehen Sie in die nächste Apotheke oder zu Ihrem Arzt und lassen Sie Ihren Blutdruck messen. Wenn er zu hoch ist, ist die schlechte Nachricht, dass Sie zu der Milliarde Menschen zählen, die mit diesem Leiden leben müssen. Die gute Nachricht ist aber, dass Sie nicht zu den Millionen gehören müssen, die jedes Jahr daran sterben. Versuchen Sie gesünder zu essen und zu leben, und Sie werden von den Ergebnissen überrascht sein. Es folgen einige Erfahrungsberichte von Menschen, die genau das getan haben.

Jeden Tag gehen bei NutritionFacts.org Hunderte E-Mails von vielen Menschen ein, die gern berichten möchten, wie sie ihr Leben von Grund auf verändern konnten, indem sie ihre Gesundheit in die eigenen Hände nahmen. Da ist z. B. Bob, der einst fast 105 kg wog, einen Cholesterinwert von über 200 und explodierende Triglyceridwerte hatte. Nachdem er mit einer vollwertigen pflanzenbasierten Ernährung begann, schaffte er es, sein Gewicht auf 79 kg zu reduzieren, hat mittlerweile einen Gesamtcholesterinwert von 136 und braucht keine blutdrucksenkenden Medikamente mehr. Mit fünfundsechzig fühlt sich Bob nun so gut wie Jahrzehnte nicht mehr; nicht, weil er ein neues Sportprogramm absolviert oder ein neues Wunder-Medikament einnimmt, sondern nur, weil er seine Ernährung geändert hat.

Vor relativ kurzer Zeit schrieb mir Patricia. Ihr Bruder hatte gerade die Diagnose Bluthochdruck und Atherosklerose bekommen. Er hatte fast 30 Kilo Übergewicht und seine Hautfarbe glich der „weißen Papiers“. Er war so ungesund, dass er nicht einmal mehr eine Fahrerlaubnis bekam. Patricia und ihr Bruder begannen gemeinsam mit einer pflanzenbasierten Ernährung. Jetzt ist er fit und schlank, hat Normalgewicht und braucht keine blutdrucksenkenden Mittel mehr, und Patricia freut sich wie ein (zucker-, milch- und eifreies) Honigkuchenpferd.

Oder Dean zum Beispiel. Er stopfte sich mit dem typischen US-amerikanischen Essen voll und wurde fettleibig. Er hatte Bluthochdruck, also verschrieb ihm sein Arzt Medikamente. Dann bekam er einen hohen Cholesterinwert, also verschrieb ihm sein Arzt noch mehr Medikamente. Zusätzlich dazu erkrankte Dean jeden Winter an fiesen Atemwegsinfektionen, gegen die er Antibiotika nehmen musste. Irgendwann reichte es ihm, und er begann mit einer pflanzenbasierten Ernährung. Er hat inzwischen 23 kg verloren. Seine Blutzucker-, Cholesterin- und Blutdruckwerte sind alle normal. Und er kann die Winter endlich gesund genießen. Dean beendete seine Nachricht an mich mit diesem einfachen Versprechen: „Ich werde mich bis zum Ende meines Lebens pflanzlich ernähren.“ Dank seiner gesunden Ernährung wird dies wohl noch sehr lang sein.