Erziehungspartnerschaft ist ein dynamischer, wechselseitiger Prozess: Eltern und Fachkräfte übernehmen gemeinsam Verantwortung für eine gelingende außerfamiliäre Betreuung sowie gute kindliche Entwicklungsbedingungen. Die Akteur:innen – Eltern und Fachkräfte – sind aufeinander bezogen und befinden sich in einem kommunikativen Austausch über das Kind, über Elternthemen sowie Anliegen der Fachkraft. In einer gelingenden Erziehungspartnerschaft ist die Kommunikation von Wertschätzung und Interesse geprägt. Auch zeitliche Ressourcen sind bedeutsam: Beide Seiten nehmen sich ausreichend Zeit für Gespräche und Austausch. Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen steht die gelingende Kommunikation zwischen Eltern und Fachkräften, denn dies ist das zentrale Kennzeichen einer tragfähigen Erziehungspartnerschaft. Sie als Fachkraft werden im Laufe ihres Berufslebens mit sehr unterschiedlichen Elternpersönlichkeiten in Kontakt kommen. Da es für eine gelingende Kommunikation wichtig ist, die ganz unterschiedlichen Bedürfnisse von Eltern wahrzunehmen und zu verstehen, ist diesem Thema der letzte Abschnitt des Kapitels gewidmet (› 1.3).

1.1 Erziehungspartnerschaft

Pädagogische Fachkräfte möchten in aller Regel sehr gute Entwicklungsbedingungen für die ihnen anvertrauten Kind bereitstellen. Das Wohl des Kindes steht im Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit, die sich an den Grundrechten und Grundbedürfnissen orientiert. Dies erfordert immer einen respektvollen Umgang mit Kindern und deren Eltern sowie ein individuelles Eingehen auf kindliche Bedürfnisse und Entwicklungsaufgaben.

Pädagogischen Fachkräften ist bewusst, dass sie jedes Kind früher oder später wieder verabschieden werden. Die Begleitung ist somit von Anfang an zeitlich begrenzt, was diese jedoch keinesfalls in ihrer Bedeutung schmälert. Vielmehr gilt es, den begrenzten Zeitraum ausreichend zu nutzen, sodass sich eine tragfähige Erziehungspartnerschaft etabliert.

Erziehungspartnerschaft

Die Kennenlernphase und die Eingewöhnung markieren den Einstieg in die sogenannte Erziehungspartnerschaft. Eltern und pädagogische Fachkräfte übernehmen im Fall einer gelingenden Erziehungspartnerschaft gemeinsam Verantwortung für die kindliche Entwicklung. Es entwickelt sich eine vertrauensvolle Kommunikation, die von Respekt, Wertschätzung und Lösungsorientierung geprägt ist (Roth 2022).

Pädagogische Fachkräfte betreuen in Krippen, Kindertagesstätten sowie in der Großtagespflege die Kinder – nicht deren Eltern. Da Letztere jedoch in aller Regel die wichtigsten Bindungspersonen im Leben der Kinder sind, umfasst eine professionelle außerfamiliäre Betreuung immer den aktiven Miteinbezug der Eltern. Kinder sind ab dem Tag ihrer Geburt Individuen, können aber gleichzeitig nicht losgelöst von ihren Eltern betrachtet werden. Ihre Entwicklung korrespondiert immer mit den Entwicklungschancen, die ihnen von Elternseite geboten werden. Ihre Entwicklung ist unweigerlich in die Qualität der Eltern-Kind-Dynamik eingebettet, die bestenfalls von ausreichend Bindungssicherheit geprägt ist. Somit ist es für pädagogische Fachkräfte von großer Bedeutung,

etwas über die familiären Lebensumstände zu erfahren,

von den Eltern zu hören, wie diese ihr Kind zu Hause erleben,

in Erfahrung zu bringen, bei welchen Themen sich die Eltern möglicherweise professionelle Unterstützung wünschen.

Im Idealfall benennen Eltern von sich aus Herausforderungen, die sie aktuell als Elternteil ihres Kindes erleben, gewähren Einblicke in ihr Familiensystem und sind motiviert, den bisherigen Entwicklungsverlauf ihres Kindes zu reflektieren. Dieser Einblick ins Private wird möglich, wenn Eltern sich im Kontakt mit Fachkräften sicher und angenommen fühlen. Diese annehmende Haltung von Fachkraftseite erhöht die Bereitschaft der Eltern, sich zu öffnen, und ist die Grundvoraussetzung dafür, dass sich eine Erziehungspartnerschaft überhaupt entwickeln darf.

Natürlich sind Eltern kritisch in der Auswahl von potenziellen Betreuungspersonen. Dies ist in ihrem Fürsorgesystem angelegt. Je jünger und unreifer die Kinder sind, desto sichtbarer wird dieses Elternverhalten auch nach außen. Insbesondere die Kennenlernphase zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften ist eine sensible Phase, die durchaus auch störanfällig sein kann. Dies wird ausführlich im ersten Abschnitt des Praxisteils „Die beziehungsorientierte Eingewöhnung“ anhand von vier Fallbeispielen thematisiert (› Kapitel 2.1). Aber auch zu späteren Zeitpunkten, wenn sich bereits eine Erziehungspartnerschaft etabliert hat, kann es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten und Differenzen zwischen Eltern und Fachkräften kommen. Eine tragfähige Erziehungspartnerschaft zerbricht daran nicht. Vielmehr gelingt es, Missverständnisse zu korrigieren und sich bei unterschiedlichen Standpunkten auch wieder anzunähern. Das primäre Ziel der Zusammenarbeit geht nicht verloren: Das Kind soll sich in der pädagogischen Einrichtung wohlfühlen (› Kapitel 2.2 und 2.3).

1.2 Elterngespräche in Kita, Krippe und Kindertagespflege

Kommunikation mit den Eltern findet in Kita, Krippe und Kindertagespflege täglich statt. Es gibt die sogenannten Tür-und-Angel-Gespräche. Es gibt geplante Entwicklungsgespräche. Auch die spontane Bitte der Eltern, sich über ein bestimmtes Thema auszutauschen, wird häufig an Fachkräfte herangetragen. Das Gelingen dieser Gespräche wird durchaus auch davon beeinflusst, inwieweit Eltern sich Zeit dafür nehmen und die Bereitschaft mitbringen, sich auf die Perspektive der Fachkraft einzulassen. Entscheidend ist jedoch, wie es Ihnen als Fachkraft gelingt, das Interesse und Vertrauen der Eltern zu gewinnen. Dies wird ganz wesentlich dazu beitragen, dass die Eltern gerne von sich und ihrem Kind berichten. Ebenso entscheidend für den Kommunikationsverlauf sind Kompetenzen, den Austausch zu strukturieren und mit lebendigen Inhalten zu füllen. Nach einem guten Gespräch haben Eltern in aller Regel neue Einsichten gewonnen, fühlen sich gestärkt sowie informiert. Sie können möglicherweise (wieder) einfühlsamer mit ihrem Kind umgehen und sind auch weniger in Sorge, dass ihnen die Erziehung ihres Kindes missglücken könnte. Dies wiederum geht automatisch mit positiven Effekten für die Kinder einher und unterstreicht, wie bedeutsam pädagogische Fachkräfte an dieser Stelle sind.

Eltern wünschen sich ein Gespräch mit pädagogischen Fachkräften, um etwas über ihr Kind zu erfahren, um sich selbst und ihr Kind besser zu verstehen oder kindliche Entwicklung von einem anderen Standpunkt aus zu betrachten. Dies sind kommunikationsbereite Eltern, die mit ihren interessierten, manchmal auch sorgenvollen Fragen ein intensives Gespräch entstehen lassen. Andere Eltern wiederum müssen zu einem Gespräch gebeten, vielleicht sogar explizit aufgefordert werden. Die scheinbare Lustlosigkeit und ihr vermeintliches Desinteresse, um möglicherweise den Schein einer gut funktionierenden Familie nach außen hin zu wahren, kann das Entstehen eines guten Gesprächs deutlich erschweren.

Neugier als Haltung

Sie als pädagogische Fachkraft lernen im Laufe Ihres Berufslebens äußerst verschiedene Elternpersönlichkeiten kennen. Sie kommen mit Familiensystemen in Berührung, die im Vergleich miteinander nicht unterschiedlicher sein könnten und dennoch ein gutes, behütetes Aufwachsen für Kinder ermöglichen. Sich Familien grundsätzlich neutral, wertschätzend sowie kultursensibel anzunähern, erfordert geistige Flexibilität und gereifte Empathieentwicklung. Neugier als Haltung ist hierbei äußerst hilfreich. Natürlich kann ein Beziehungs- und Erziehungsverhalten befremdlich erscheinen. Wenn Sie hellhörig werden und sich Sorgen über das Kindeswohl machen, so muss dies immer ernst genommen werden. Ein wirkliches Verstehen oder zumindest der Wille, es verstehen zu wollen, ist jedoch die Basis einer tragfähigen Erziehungspartnerschaft. Diese urteilsfreie Haltung kann Sie als Fachkraft durch so manch schwieriges Elterngespräch „tragen“: Sind wir neugierig, so fällt es uns leichter, mit Spannung, Konzentration und innerer Anteilnahme den Ausführungen des Gegenübers zu lauschen.

Ziele von Elterngesprächen

Eltern können sehr unterschiedliche Fragen einbringen. Dies führt zu einer breiten Varianz von Themen in Elterngesprächen. Natürlich ist hier fachliches Wissen notwendig, um Eltern mittels aktueller Erkenntnisse aus den Erziehungswissenschaften sowie der Psychologie gut begleiten zu können (› Kapitel 3). Doch ein rein belehrendes Gespräch ist in der Regel nicht ausreichend. Vielmehr gilt es zu verstehen, was die Eltern bewegt und was diese selbst noch nicht ausreichend für sich verstanden haben. Die Kennzeichen von guter Kommunikation in diesem Setting sind:

Würdigung der erbrachten Fürsorgearbeit auf Elternseite.

Anerkennung des elterlichen Bemühens, ihr Kind empathisch zu verstehen, auch dann, wenn dies bislang selten gelingt.

Eine verständnisvolle, angenehme sowie annehmende Gesprächsatmosphäre, um die Selbstöffnungsbereitschaft der Eltern zu erhöhen.

Festigung der Erziehungspartnerschaft basierend auf Vertrauen und Respekt.

Eine gute Auftragsklärung: Was soll heute hier besprochen werden und was darf getrost auf später verschoben werden?

Spezifische Herausforderungen

Vielleicht ist es Ihnen bislang noch gar nicht in diesem Ausmaß bewusst gewesen: Beinahe alle Eltern nehmen pädagogische Fachkräfte als Autoritären wahr, denen man sich im besten Fall – aufgrund ihrer Professionalität – gerne anvertraut. Die Sichtweise, dass die Systeme – pädagogische Einrichtung sowie Elternhaus – sich durchaus misstrauisch entgegentreten können, ist realistisch. Kinder verhalten sich bei ihren Eltern in aller Regel unverstellt und authentisch. Sie zeigen dort möglicherweise Affekte, die sie in der pädagogischen Einrichtung unterdrücken, um das Gruppengeschehen nicht zu stören oder ungewollt die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Eltern wiederum schweigen möglicherweise aus Angst, Scham und aufgrund der Sorge, in ihrer Rolle als „gute“ Mutter, als „guter“ Vater zu versagen. Auf diese Weise stabilisieren sich dysfunktionale Familiensysteme, da Hilfsangebote, wie z.B. ein Elterngespräch, nicht stattfinden. Somit gibt es auf beiden Seiten Asymmetrien im jeweiligen Wissensstand: Eltern, die immer wertvolle Einsichten über ihre Kinder zur Verfügung haben, da sie mit diesen zusammenleben. Fachkräfte, die das Kind in seinem gruppenbezogenen Verhalten erleben sowie in der Beziehung zu ihnen selbst. Wenn Eltern und Fachkräfte hier etwas beobachten, das sie dauerhaft beschäftigt oder sorgt, dies jedoch nicht angemessen miteinander besprechen, erschwert dieses Schweigen das Gelingen der Erziehungspartnerschaft erheblich.

Eltern möchten in aller Regel einen guten Elternjob machen. Es stimmt sie traurig und nachdenklich, wenn sie Schwierigkeiten mit ihren Kindern feststellen, die als „unauflösbar“ erlebt werden. Eltern möchten einen guten Elternjob machen – auch dann, wenn sie kindliche Bedürfnisse beständig missinterpretieren und die Kommunikation mit ihrem Kind verbesserungswürdig ist. Damit eine familiäre Weiterentwicklung überhaupt möglich wird, sollten Fachkräfte insbesondere die kleinen Schritte und Erfolge im Rahmen von Elterngesprächen würdigen. Um im Takt mit der Familie zu bleiben, ist es entscheidend, das Erwartungstempo zu drosseln. Jeder Elternteil hat mindestens eine Fähigkeit, eine Ressource, die ihn einzigartig und wertvoll macht. Dies zu benennen und sichtbar zu machen, geht immer mit einer elterlichen Stärkung einher.

Auch in einer sicheren Eltern-Kind-Bindungsbeziehung kann es stürmische, schwierige Phasen geben. Die Vorstellung, dass eine sichere Bindung eine harmonische Beziehung zum Kind begründet, ist meist eine Wunschvorstellung, die jedoch wenig mit der Realität zu tun hat.

1.3 Elternpersönlichkeiten

Ein kleines Kind braucht seine Eltern mehr oder weniger beständig. Damit sind nicht nur pflegerische Tätigkeiten gemeint, die Eltern im Idealfall feinfühlig und somit bindungsstärkend übernehmen. Damit ist insbesondere die Erfüllung von emotionalen Bedürfnissen des Kindes nach Sicherheit, Liebe, Trost, Anerkennung und spielerischer Anregung gemeint. Zugleich liegt es aber auch in der Natur von Elternfürsorge, angemessen Grenzen zu kommunizieren, um das Kind vor Gefahren zu bewahren und es ebenso auf persönliche Grenzen – eigene oder von anderen – aufmerksam zu machen. Elternschaft bedeutet stets, dass eine kritische Auseinandersetzung mit der bisherigen Persönlichkeitsentwicklung notwendig ist. Dies macht eine Reflexion von Kindheitsprägungen und inneren Glaubenssätzen erforderlich. Natürlich müssen Eltern verantwortungsvoll das Kind und seine Entwicklung in den Mittelpunkt rücken, dabei jedoch auch eigene Ressourcen im Blick behalten – wohl wissend, dass das eigene Wohlbefinden entscheidend für ein positives Familienklima ist. Eltern leisten somit auf verschiedenen Ebenen eine intensive emotionale Arbeit: das emotional unreife Kind betreffend, indem dieses begleitet und reguliert wird, und sich selbst betreffend, indem eigene Gefühlszustände eben nicht nur weggeschoben, sondern ebenfalls reguliert werden. Auf diese Weise bietet Elternschaft die hervorragende Möglichkeit, innerlich zu reifen.

Gleichzeitig erleben alle Eltern bei der Begleitung ihrer Kinder persönliche Limitierungen und stoßen dabei manchmal sehr unerwartet auf eigene Grenzen. Dies kann eine schmerzliche Erkenntnis sein, da es das innere Konzept der „guten Mutter“, des „guten Vaters“ infrage stellt. Gereifte Eltern – diese Bezeichnung ist nicht als wertende Einordnung zu verstehen, sondern das Ergebnis einer wertschätzenden Beobachtung –, zerbrechen nicht an dieser Realität, sondern arbeiten lösungsorientiert an ihrer persönlichen Weiterentwicklung. Es gelingt ihnen, gelegentliches Versagen in der Elternrolle angemessen zu reflektieren. „Nicht immer gut genug zu sein“ stimmt jene Eltern nachdenklich, lässt sie jedoch nicht verzweifeln. Damit verzichten sie auf eine dramatische Inszenierung ihrer selbst und lassen eigene Befindlichkeiten nicht zum Motor ihres Antriebs werden. Es gelingt ihnen, einen Alltag zu etablieren, der pragmatisch-liebevoll den vielfältigen Anforderungen gerecht wird.

Eltern, die auf eigene sichere Bindungserfahrungen zurückgreifen können, sind meist kompetent im Umgang mit kindlichen Emotionen und sozialen Situationen, die sich mit Kindern ergeben. So gelingt es ihnen in aller Regel verlässlich, ihr Kind emotional zu verstehen, den kindlichen Gesichtsausdruck sowie mögliche Intentionen ihres Nachwuchses richtig zu interpretieren (Strüber 2019).

„Bindungsüberengagierte“ Eltern

Für manche Eltern ist ihre innere Reifung mit besonderen Hürden sowie Herausforderungen verbunden. Viele der heutigen Eltern setzen sich intensiv mit ihrer eigenen Bindungs- und Entwicklungsgeschichte auseinander. Sie sind bestens informiert, verwenden souverän und selbstbewusst Fachbegriffe aus Psychologie und Bindungsforschung. Diese Eltern wissen um die Bedeutung von sicheren Bindungserfahrungen. Ihr Bestreben, eine bindungssichere Kindheit zu gestalten, ist dabei jedoch überschießend, sodass diese Gruppe als „bindungsüberengagiert“ beschrieben werden kann. Die ständige Sorge vor einer Traumatisierung des Kindes, ausgelöst durch unfeinfühlige Behandlung, verunsichert, belastet und ängstigt jene Eltern enorm.

Dies kann dazu führen, dass alltägliche Situationen wie beispielsweise eine Aufbruchssituation vor dem Kindergarten oder das Verlassen des Spielplatzes jedes Mal erneut zu einem hochemotionalen Szenario werden. Die Eltern trauen sich nicht mehr, eigene Bedürfnisse angemessen zu benennen und ihrem Kind angemessen Frustrationen zuzumuten. Dabei bieten solche Erfahrungen, solange diese eingebettet in einem liebevollen Familienklima stattfinden und die Eltern das Kind mit seinen entstehenden Gefühlen nicht allein lassen, wichtige Lernerfahrungen. Kinder haben viele Wünsche, aber nicht alle davon sind Bedürfnisse, die eine sofortige Erfüllung erforderlich machen. Im Zusammensein mit den Eltern erleben zu dürfen, dass ein Wunsch mit einem „Nein“, und zwar alternativlos, beantwortet wird, ist natürlich frustrierend. Gereifte Eltern halten diese Konflikte aus, bleiben dabei zugewandt, gütig und stets versöhnlich.

Bindungsüberengagierte Eltern dagegen fürchten oftmals jene Konflikte. Sie sehnen sich nach einer harmonischen, innigen Beziehung zu ihrem Kind und können starke Verunsicherung erleben, wenn genau dies nicht eintrifft. Das kann dazu führen, dass jene Eltern ihr Kind beständig umkreisen, sie werden oftmals als „nicht loslassende Elternteile“ beschrieben.

Pädagogische Fachkräfte erleben jene Eltern häufig als ängstlich im Umgang mit ihrem Nachwuchs sowie rasch irritierbar. So reicht möglicherweise ein kritischer Blick oder der Hinweis, sich doch bitte verbindlich an die Bring- und Abholzeiten zu halten, um solche Eltern zu kränken oder stark zu verunsichern.

Eltern mit wenig Interesse an einer Erziehungspartnerschaft

Dann gibt es noch eine weitere Elterngruppe, die sich kaum mit kindlichen Bindungsbedürfnissen auseinandersetzt. Jene Eltern brauchen einen starken, intensiven Reiz, um Fürsorgeverhalten überhaupt zeigen zu können. Zwar trösten auch diese Eltern ihr Kind, aber erst dann, wenn es intensiv schreit, beispielswiese aufgrund einer Verletzung. Emotionale Verunsicherungen des Kindes werden oftmals überhaupt nicht bemerkt, oder das Kind wird dazu angehalten, Gefühle zu unterdrücken. Dies wird mit positiver Entwicklung assoziiert. Zwar kümmern sich auch diese Eltern um ihr Kind, wenn es erkrankt ist, jedoch erst dann, wenn es hoch fiebert. Leichtere Infekte aktivieren das elterliche Fürsorgesystem kaum. Dies erklärt, warum erkrankte Kinder in die Betreuung gebracht werden. In den Augen ihrer Eltern ist das Kind nicht „richtig“ krank, sodass ein reibungsloses Funktionieren im Alltag erwartet wird.

Jene Eltern betrachten Eingewöhnungskonzepte als überflüssiges, störendes Element, da dies ein rasches Abgeben des Kindes erschwert. Sie haben kaum bis wenig Interesse, eine Erziehungspartnerschaft mit den pädagogischen Fachkräften aufzubauen. Sie wünschen sich in erster Linie eine konstante Kinderbetreuung, um ungestört ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können.

Sie als pädagogische Fachkraft können in Ihrem Arbeitsalltag somit sehr unterschiedliche Interaktionsstile sowie Elternpersönlichkeiten beobachten. Es gibt Eltern, die kindliche Autonomie als Wert stark erhöhen, sodass dies zu Lasten der Eltern-Kind-Beziehung geht. Ebenso gibt es Eltern, die das kindliche Streben nach Autonomie nicht gut zulassen können und ihr Kind beständig „überregulieren“. Es gibt Eltern, denen es schwerfällt, sich verlässlich in der Elternrolle zu zeigen. Es gibt Eltern, die eigentlich alles richtig machen wollen, aber aufgrund einer starken Erschöpfung beständig an ihre eigenen Grenzen stoßen.

Die Beobachtung von wenig einfühlsamem oder überfordertem Elternverhalten kann bei Ihnen die Motivation, sich insbesondere für davon betroffene Kinder zu engagieren, möglicherweise erhöhen. Dass der pädagogische Alltag mit Kindern erschöpfend sein kann, die zu Hause andauernd missverstanden und in ihren basalen Grundbedürfnissen frustriert werden, darf an dieser Stelle ebenso benannt werden.

Ein dauerhafter Mangel an Elternempathie führt zu langfristigen Störungen in der Eltern-Kind-Interaktion, geht immer zu Lasten der Eltern-Kind-Beziehung und ist der zentrale Auslöser für dysfunktionales Störverhalten im Kindesalter. Dabei geht es niemals um Schuld und Anklage. Wenn Eltern selbst eine stressvolle, oxytocinarme Kindheit erlebten, so können sie selbstverständlich weniger auf ein gut gereiftes inneres Stresssystem zurückgreifen. Dass sie in innere Not geraten, sollen sie nun selbst die Affekte ihres eigenen Kindes regulieren, ist nachvollziehbar. Das eigene Kind wird als böse, trotzig oder nicht aushaltbar erlebt – dabei sind es die eigenen Stresszustände, die es verunmöglichen, dem Kind als sichere Basis zur Verfügung zu stehen. Wenn Eltern mit den eigenen Unzulänglichkeiten zu heftig konfrontiert werden, so verschließen sie sich möglicherweise vollständig oder geraten in eine mehr oder weniger heftige Krise. Sie lehnen vielleicht weitere Gespräche ab oder nehmen daran oberflächlich teil, um sich selbst zu schützen. Somit kommt es zwischen Fachkraft und Eltern – wie auch im familiären System zwischen Eltern und ihren Kindern – zu einem wiederkehrenden Kreislauf von misslingender Kommunikation und misslingender echter Anteilnahme. Eine gewisse Behutsamkeit im Umgang mit Eltern bedeutet dabei keinesfalls dauerhafte Schonung im Gesprächsverlauf sowie in der Gestaltung der Erziehungspartnerschaft.

Elternsorgen und -ängsten Raum geben

Ist die Beziehung zwischen Fachkraft und Eltern jedoch möglichst „bindungssicher“, so können Elternsorgen und -ängste und auch elterliche Entwicklungsaufgaben deutlich besser miteinander besprochen werden. Natürlich entstehen auch zwischen Eltern und Fachkräften Bindungen. Fühlen sich Eltern angenommen, so wird die Fachkraft vertrauenswürdig sowie sicherheitsspendend erlebt. Die Eltern wissen dann: „Mir wird hier nichts geschehen. Ich darf mich öffnen und berichten. Gemeinsam suchen wir eine Lösung für die erlebten Schwierigkeiten." Noch wenig gereifte Eltern profitieren von pädagogischen Fachkräften, die auch gerne für diese Eltern eine sichere Basis darstellen. Ein professionelles Hilfeverständnis ist hier enorm wichtig: Niemals geht es darum, für das Kind ein „besserer Elternteil“ zu sein. Damit würde für die Eltern eine unerträgliche Konkurrenzsituation entstehen, und das Kind wiederum müsste früher oder später den schmerzlichen Verlust bewältigen, dass die Beziehung nicht von Dauer ist.

Robustheit und Abgrenzungsfähigkeit sind wichtige Eigenschaften, die Sie als pädagogische Fachkraft mitbringen sollten: Wenig gereifte Eltern erleben Ihre Existenz vielleicht als bedrohlich oder verunsichernd. Dies kann Ablehnung auslösen, andererseits aber auch maximale Bewunderung, sodass Sie beständig befragt und eingebunden werden. Wenn Sie spüren, dass eine engmaschige Begleitung Ihre eigenen Ressourcen und Kompetenzen überschreitet, so sollten Sie rechtzeitig weitere Hilfen mobilisieren und die Eltern an externe Beratungsstellen weitervermitteln.