Kombiniert mit einer Rückfahrt per Ausflugsschiff oder einer Weiterfahrt gen Wannsee oder Potsdam, ist Spandau mit seiner Altstadt und der Zitadelle immer einen Zwischenstopp wert.
Wenn der Spandauer sagt, er geht in die Stadt, geht er in die Spandauer Altstadt und nicht nach Berlin - die Zitadellenstadt am Zusammenfluss von Havel und Spree ist sich selbst genug und braucht kein Berlin. Man hat ein ausgeprägtes Wir-Gefühl (untermauert durch ein Abonnement auf die Wasserballmeisterschaft, bereits 32. Titel) und im Vergleich zu Berlin auch die längere Stadthistorie. Dass der westlichste Berliner Bezirk gleichzeitig mit vielen sozialen Problemen (Überschuldung, Arbeitslosigkeit, niedriges Bildungsniveau) konfrontiert ist, tut dem keinen Abbruch. Man hat ja die Altstadt, von fließendem Wasser und Verkehr umgeben. Gerne wird sie als die schönste Berlins gepriesen. Das mag stimmen; Vergleichen mit wirklich pittoresken Altstadtensembles anderer deutscher Städte hält sie jedoch nicht stand. Hier ist man stolz auf ein wenig Fachwerk und ein gotisches Haus, anderswo stehen solche Häuser in Reihe. Das war einst auch in Spandau so, doch im 2. Weltkrieg war der Stadtteil als Zentrum der Rüstungsindustrie ein bevorzugtes Ziel der Bomber. Heute erinnert Spandau trotz liebevollen Wiederaufbaus eher an eine typisch westdeutsche Mittelstadt - mit Karstadt und C & A in der Fußgängerzone und einem Woolworth am Hauptplatz, hier „Markt“ genannt. Die Altstadt ist weitestgehend verkehrsberuhigt, das macht sie im Sommer, wenn die Wirte im Freien eintischen, reizvoll. Mittwochs und samstags findet ein Markt statt.
Spandauer Zitadelle
Kommt man am U-Bahnhof Spandauer Rathaus ans Tageslicht, so steht man schon vor dem mächtigen Amtsgebäude mit seiner über 100 m breiten Front. Es wurde zwischen 1911 und 1913 errichtet, als Spandau noch eine eigenständige Stadt war (bis 1920). Schräg gegenüber liegt der gläserne Spandauer Bahnhof, wie der Berliner Hauptbahnhof von Gerkan, Marg und Partner entworfen. Spaziert man in die entgegengesetzte Richtung, gelangt man zum bereits angesprochenen Markt und zur St.-Nikolaikirche, eine Hallenkirche aus dem 14. Jh. Nördlich der Straße Am Juliusturm (links der Falkenseer Platz - fast nirgendwo in Berlin kracht’s öfter) erstreckt sich der sog. Kolk, das charmanteste Eck der Altstadt. Rechts davon thront auf einer Insel in der Havel die →Zitadelle, die mit Abstand größte Sehenswürdigkeit Spandaus.
Sehenswertes
Zitadelle: Die Spandauer Zitadelle, eine der besterhaltenen Renaissancefestungen Deutschlands, ging aus einer slawischen Burganlage hervor. Mal war sie Grenzfeste, mal Sitz der brandenburgischen Markgrafen und Kurfürsten. Zum Schutz der Residenzstadt Berlin wurde sie zwischen 1560 und 1594 zu ihrer heutigen Form als Quadrat mit vier spitzwinkligen Bastionen an den Ecken um- und ausgebaut. Nur einmal war die Festung umkämpft, das war 1813. Die Preußen verteidigten sie jedoch nicht, ganz im Gegenteil: Sie belagerten das von Napoleons Truppen besetzte Spandau. Heute beherbergt die Festung u. a. Ateliers, Werkstätten und Kunsträume, das Stadtgeschichtliche Museum Spandau, eine Ausstellung zur Geschichte der Zitadelle, eine Kanonenausstellung, ein Puppentheater (Programm auf www.theater-zitadelle.de) und den Fledermauskeller, ein Schaugehege mit rund 200 Tieren. Dieses wird vom Berliner Artenschutzteam geleitet, das im Sommer auch Führungen durch die Kasematten anbietet, die bis zu 10.000 Fledermäusen als Winterquartier dienen. Zudem kann man den Juliusturm besteigen, das älteste profane Bauwerk Berlins (13. Jh.), 146 Stufen sind es hinauf. Ab Ende 2014 sollen zudem im ehemaligen Proviantmagazin Berliner Denkmäler gezeigt werden, die einst das Stadtbild prägten und nach politischen Umbrüchen entfernt wurden. Im Sommer ist der Hof der Zitadelle Schauplatz des Citadel Music Festivals(→ Berlin rund ums Jahr, S. 72/73) und vieler größerer Open-Air-Konzerte.
Essen & Trinken
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Brauhaus in Spandau
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Zitadellen Schänke
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Kolk
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Has™r
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Konditorei Fester
Gerne wird die Zitadelle mit dem einstigen Spandauer Kriegsverbrechergefängnis der Alliierten verwechselt, in dem sieben NS-Größen einsaßen. Dieses lag an der Wilhelmstraße und wurde nach dem Tod von Rudolf Heß, des letzten Insassen, abgerissen. Der Toilettenspruch „Rudolf Hess, all alone, dancing the Spandau Ballet“ in einem Berliner Club soll eine britische Popband zur Umbenennung ihres Namens angeregt haben ...
Am Juliusturm 64. Zitadelle, tägl. 10-17 Uhr. 4,50 €, erm. 2,50 € (Ticket gilt für alle Ausstellungen). Fledermauskeller, tägl. 12-17 Uhr. Führungen durch die Kasematten meist Sa, Anmeldung unter www.bat-ev.de erforderlich. Zitadellenführungen März bis Ende Okt. Sa/So und feiertags um 11, 13 u. 15 Uhr. 3 €, erm. 2 €. www.zitadelle-spandau.de.
Praktische Infos
Anfahrt/Ausflugsschiffe
Stationen der 7 nahe der Zitadelle, in der Altstadt und am Rathaus (Ticket AB ist ausreichend, Dauer ab Mehringdamm ca. 35 Min.). Vom Hauptbahnhof fahren zudem die 3 und 75 nach Spandau (nicht viel schneller), dazu die RB 4 u. 14 (ca. 15 Min.) und diverse ICEs (superschnell).
Von Mitte Mai bis Mitte Sept. bietet sich stets Do um 19 Uhr eine Rückfahrt per Schiff an (MS Heiterkeit), bis zum Reichstag 1:30 Std., 15 €. Abfahrt am Lindenufer/Altstadt. April-Sept. kann man Mi, Fr und So mit der MS Heiterkeit die 7-Seen-Fahrt unternehmen. Dabei geht es durch den Großen und Kleinen Wannsee, den Stölpchen- und Griebnitzsee nach Babelsberg und Potsdam und zurück vorbei an der Pfaueninsel nach Spandau (Dauer 4 Std., Abfahrt 13.30 Uhr ebenfalls vom Lindenufer, 14,50 €, 36431588, www.ms-heiterkeit.de). Die Stern und Kreisschifffahrt hingegen tuckert vom Lindenufer von Mai bis Sept. tägl. um 11.20 Uhr gen Potsdam (2:30 Std.), einfache Fahrt 17,50 €, 5363600, www.sternundkreis.de. Lassen Sie sich alle Abfahrtszeiten vor Antritt der Tour bestätigen!
Information
Tourist Information, im gotischen Haus. Darüber eine Ausstellung zum Thema „Bauen und Wohnen“ des Stadtgeschichtlichen Museums. Mo-Sa 10-18 Uhr. Breite Str. 32, 3339388, www.partner-fuer-spandau.de.
Essen & Trinken
Kolk3 Das Restaurant in der alten Feuerwache serviert verfeinerte Altberliner, schlesische und ostpreußische Küche (darunter exzellente Fischgerichte). Etwas altbacken und beengend. Draußen sitzt man im Schatten der Stadtmauer gemütlich am Wasser. Hg. 8,50-16,50 €. Tägl. 11-23 Uhr. Hoher Steinweg 7, 3338879.
Brauhaus in Spandau1 In einem roten Backsteingebäude mit Schlot (1880 übrigens als Garnisons-Waschanstalt errichtet). Braukesselambiente, draußen ein gemütlicher Biergarten. Überschaubare Karte. Spezialität ist der Spandauer Lümmel (Fleischwurstring mit Kartoffel-Gurkensalat), dazu passt das süffige untergärige Vollbier des Hauses. Tägl. 11-24 Uhr, im Winter Mo erst ab 16 Uhr. Neuendorfer Str. 1, 3539070.
Hasır4 Gute türkische Küche, ein Ableger aus Kreuzberg (→ S. 245). Breite Str. 43, 35304792.
Zitadellen Schänke2 Im düsteren Backsteingewölbe der Zitadelle (→ Sehenswertes). Hier speist man bei flackerndem Kerzenlicht, zuweilen auch Gelage mit Bardengesang - das Mittelalter lässt grüßen. Serviert wird Deftiges, Hg. 12-18 €. Di-Fr 16-24 Uhr, Sa 11-24 Uhr, So 10-18 Uhr. 3342106.
Konditorei Fester5 Falls Sie der Oma Spandau zeigen, landen Sie hiermit einen Volltreffer. Tolle Kuchen und Torten (auch für Diabetiker), Pralinen und hausgemachte Marmelade zum Mitnehmen. Auch ein paar Tische im Freien am Hauptplatz. Mo-Sa 8-18 Uhr, So ab 11 Uhr. Markt 4.