Romanisch-byzantinischer Stil
Große und kleine Prachtfassaden am Canal Grande
Dieser Mischstil prägte die Sakralarchitektur Venedigs vom 11. bis 13. Jh., als die Lagunenstadt stark unter byzantinischem Einfluss stand. Während sich die Romanik im Westen zur ersten länderübergreifenden Baukunst des Christentums entwickelte, dominierte in Venedig der architektonische Geschmack des Ostens. An der Entstehung der ersten Steinkirchen arbeiteten Handwerker und Mosaizisten aus dem östlichen Kulturraum mit. Die mit einzigartigen Goldmosaiken verzierte Markuskirche (→ S. 106), die nach dem Vorbild der Apostelkirche in Byzanz geschaffen wurde, verkörpert die östliche Bautradition am augenfälligsten; aber auch Santa Fosca auf Torcello weist eine typisch byzantinische Raumaufteilung auf, während die romanische Säulenbasilika Santa Maria Assunta von Torcello mit großartigen byzantinischen Apsismosaiken ausgestattet ist.
Der Einfluss des Ostens machte sich auch in der venezianischen Profanarchitektur des 13. Jh. bemerkbar. Obwohl man sich an romanischen Grundmustern orientierte, waren zierliche Säulen, filigrane Dekorationen, Loggien und Zinnenränder typische Merkmale der ersten venezianischen Palazzi. In dieser Zeit ging man dazu über, die Häuser nicht länger aus Holz, sondern aus gebrannten Ziegeln zu errichten und die Fassaden mit edlen Marmorsorten und farbigen Inkrustationen zu verkleiden. Offene Loggien im Erd- und Obergeschoss betonten die Leichtigkeit der Bauweise. Vorbilder für diesen Stil fanden die Venezianer im byzantinischen Ravenna, aber vor allem in Byzanz selbst, das sie 1204 eroberten und von wo sie wertvolle Baumaterialien und Spolien (erbeutete Bauteile wie Säulen, Kapitelle, Reliefs etc.) in ihre Heimatstadt brachten. Bis auf die beiden benachbarten Palazzi Corner Loredan und Dandolo Farsetti (→ S. 126), die Ca’ da Mosto (→ S. 127) und den - für die damalige Zeit - kolossalen Fondaco dei Turchi (→ S. 132) sind jedoch kaum noch profane Gebäude mit deutlichen romanisch-byzantinischen Stilelementen erhalten geblieben.