Il Sestiere di Castello - Das Castello-Viertel
Riva degli Schiavoni: Venedigs turbulenteste Uferpromenade
Größtes und kontrastreichstes der historischen Stadtviertel. Während sich im Westen das noble Ambiente des Markusviertels noch eine ganze Weile fortsetzt - besonders im Bereich der stark frequentierten Uferpromenade Riva degli Schiavoni -, stößt man im Osten auf Venedigs raue Peripherie mit vernachlässigten Arbeitervierteln und dem gigantischen Areal der traditionsreichen Werft Arsenale.
Auch für die Einheimischen ist der Übergang zwischen den beiden Vierteln San Marco und Castello fließend, wo genau die Grenze verläuft, interessiert eigentlich niemanden so genau. Fragt man jedoch nach der Schokoladenseite des Viertels, dann wird einmütig die Riva degli Schiavoni genannt, Venedigs breite Uferpromenade, die gleich hinter dem Dogenpalast beginnt. Im angrenzenden Bacino di San Marco (Markusbecken) lagen einst die ausländischen Handelsschiffe vor Anker, zusammen mit den venezianischen Galeeren und Segelschiffen sicherlich ein großartiger Anblick, der die Venezianer immer wieder zur Uferpromenade zog. Der Name Schiavoni stammt übrigens von den Händlern aus Dalmatien (Schiavonia), die hier ihren Warenumschlagplatz hatten. Obwohl das Ufer seine maritime Betriebsamkeit weitgehend verloren hat, ist es ein Tummelplatz und ein Verkehrsknotenpunkt geblieben, an dem sich die Einheimischen und Touristen von morgens bis abends an den Vaporetto-Stationen und auf den Kanalbrücken drängen.
Vor der prächtigen Kulisse der Uferpalazzi, von denen einige zu stilvollen Luxushotels umgewandelt worden sind, preisen fliegende Händler ihre Waren und Souvenirkreationen an, Gondeln schaukeln an den Holzstegen, und sehnsüchtige Blicke schweifen über die Lagune, die hier bereits zum Meer geworden zu sein scheint.
Wahrscheinlich ist es die Promenaden-Hektik, die bald den Entschluss reifen lässt, sich ins verzweigte Castello-Viertel zu begeben, um die dortigen Sehenswürdigkeiten aufzusuchen. Wie schon im Markusviertel gehören die großen und kleinen Campi mit ihren bedeutenden Kirchen zu den Attraktionen von West-Castello. Unweigerlich stößt man beim Bummel auf den beschaulichen Campo Santa Maria Formosa, wo sich Wege aus allen Richtungen kreuzen und wo noch viel authentische Alltagsatmosphäre herrscht. Und von den Bruderschaften (→ S. 46), die in Castello ansässig waren, sind es die Scuola Grande di San Marco und die Scuola San Giorgio degli Schiavoni, die noch heute eine lebendige Vorstellung vom Reichtum und der Bedeutung dieser typischen venezianischen Institutionen vermitteln.
Komplett anders präsentiert sich Ost-Castello mit dem riesigen Komplex des seit 1918 geschlossenen Arsenale. Diese im Hochmittelalter gegründete Schiffswerft war jahrhundertelang Venedigs industrieller Motor und Garant seiner Seeherrschaft. Die Arsenalotti (Werftarbeiter), die mit ihren Familien in den angrenzenden Wohnvierteln lebten, gehörten zum privilegierten venezianischen Proletariat. Heute sind die Wohngebiete dieses östlichen Stadtteils zum Teil verwaist, und das Gelände des Arsenals ist nicht frei zugänglich. Dennoch lohnt sich ein Streifzug durch dieses traditionsreiche, wenn auch ärmliche Randgebiet Venedigs unbedingt. Auch ein Museumsbesuch gehört zum Pflichtprogramm, denn das Museo Navale lässt die glorreiche Vergangenheit der alten Seerepublik bis ins Detail lebendig werden. Wer noch tiefer in die Stadtgeschichte eintauchen möchte, kann das - zumindest im übertragenen Sinn - auf der Kircheninsel San Pietro, wo sich eine der allerersten Lagunensiedlungen befand.
Am äußersten Ende von Castello, auf dem Gelände der Kunst-Biennale und auf der angrenzenden Wohninsel Sant’Elena, erstrecken sich erholsame Parkanlagen - und schnelle Vaporetto-Verbindungen führen zurück ins historische Zentrum.