Der menschliche Körper ist an Haut und Schleimhäuten physiologischerweise mit Mikroorganismen besiedelt. Im Darm ist die Anwesenheit von Bakterien sogar lebensnotwendig, weil sie wesentlich an der Aufspaltung der Nahrungsmittel mitwirken. Diese physiologische Keimbesiedlung stellt keinen Krankheitswert dar.
Mit Keimen besiedelt sind einige Hohlorgane, die Verbindung zur Außenwelt haben:
Mund-Rachen-Raum
obere Trachea
Magen-Darm-Trakt
äußere Harnröhrenmündung
Vagina
Andere Hohlorgane hingegen sind steril, obwohl sie in offener Verbindung mit keimtragenden Hohlräumen stehen:
Mittelohr (Verbindung zum Rachen)
Lungenalveolen (Verbindung zur Trachea)
Gallenwege und Pankreasgang (Verbindung zum Magen-Darm-Trakt)
Harnleiter und Harnblase (Verbindung zur äußeren Harnröhrenöffnung)
Eileiter und Gebärmutter (Verbindung zur Vagina)
Mithilfe von körpereigenen Schutzschranken (Schleimbarriere, Sphinktermuskulatur) wird die Keimbesiedelung dieser sterilen Hohlorgane normalerweise verhindert ( ▶ Tab. 6.1 ). Sind diese Barrieren für Erreger durchlässig, entsteht eine aufsteigende Entzündung (aszendierende Infektion).
Körperregion |
physiologisch keimbesiedelt |
physiologisch steril |
Lokalisation der Keimbarriere |
Erkrankung bei aszendierender Infektion |
Mundhöhle |
Mund-Rachen-Raum |
Mittelohr |
Tuba Eustachii |
Otitis media |
Lunge |
(obere) Trachea |
Lungenalveolen |
(kleine) Bronchien |
Pneumonie |
Gastrointestinaltrakt |
Magen-Darm-Kanal |
Gallenwege und Pankreasgang |
Sphincter Oddi (Papilla Vateri) |
Cholangitis, Pankreatitis |
Urogenitaltrakt |
äußere Harnleitermündung |
Harnleiter, Harnblase |
Harnröhre |
Harnwegsinfekt |
Weibliche Geschlechtsorgane |
Vagina |
Adnexe, Uterus |
Muttermund |
Adnexitis, Endometritis |
Definition
Der Begriff Hospitalismus (von Hospital = Krankenhaus) bezeichnet körperliche und seelische Schäden, die ein Patient durch einen Krankenhausaufenthalt erleidet. Dementsprechend unterscheidet man den infektiösen vom psychischen Hospitalismus.
Definition
Ein infektiöser Hospitalismus ist die Infektion eines Patienten mit krankenhaustypischen Bakterien. Man spricht auch von nosokomialer Infektion (nosokomial = griech.: im Krankenhaus erworben).
Mehrere Faktoren sind für eine nosokomiale Infektion verantwortlich. Durch die antibiotikabedingte Selektion gibt es in einer Klinik mehr resistente Keime als in der normalen Umwelt (multiresistente Erreger, s.u.). Zudem sind die Abwehrkräfte eines kranken Menschen durch seine Grundkrankheit geschwächt. Dementsprechend groß ist die Möglichkeit, dass ein Patient durch Keime im Krankenhaus infiziert wird. Besonders gefährdet sind schwer kranke Patienten auf Intensivstationen.
Merke
Händedesinfektion. Die wichtigste Maßnahme zur Verhütung einer nosokomialen Infektion für Ärzte und das Pflegepersonal ist die Händedesinfektion.
Definition
Der psychische Hospitalismus umfasst alle psychischen und geistigen Störungen, die bei einem längeren Krankenhausaufenthalt auftreten können.
Betroffen vom psychischen Hospitalismus sind überwiegend Kinder und polytraumatisierte Patienten („Krankenhaus-Koller“).
Die wichtigsten Krankheitserreger sind Bakterien, Viren, Protozoen, Pilze und Würmer. Bei chirurgischen Infektionen haben Bakterien die größte Bedeutung.
Bakterien Bakterien (griech.: Stäbchen) sind einzellige Lebewesen von einfacher Baustruktur, die sich durch Querteilung vermehren. Die typische Größe liegt zwischen 01–10 µm.
Man kann Bakterien nach verschiedenen Kriterien einteilen:
Äußere Form: Es gibt Kokken (Kugelbakterien) und Stäbchen.
Anfärbbarkeit im Labor: Besonders wichtig ist die Gramfärbung. Sie erlaubt es, Bakterien in grampositive (sind nach Anfärbung blau) und gramnegative (sind nach Anfärbung rot) zu unterscheiden.
Fähigkeit, Sporen zu bilden: Sporen sind äußerst widerstandsfähige Dauerformen eines Bakteriums, die das Überleben unter ungünstigen Bedingungen sicherstellen sollen (die Sporenform der Bakterien ist nicht zu verwechseln mit den Sporen der Pilze, Moose und Farne, die der Vermehrung dienen). Zu den Krankheiten, die durch sporenbildende Bakterien verursacht werden, gehören z. B. der Wundstarrkrampf (Tetanus), der Milzbrand und die Botulismusinfektion.
Abhängigkeit von Sauerstoff: Die meisten Bakterien benötigen (wie der Mensch) für ihren Stoffwechsel Sauerstoff. Man nennt diese Bakterien Aerobier. Manche Bakterien können auch ohne Sauerstoff leben, manche sogar nur ohne Sauerstoff. Sie heißen deshalb Anaerobier. Zu den anaeroben Bakterien gehört z. B. der Erreger des Gasbrands. Für ihn wirkt Sauerstoff wie Gift.
Zusatzinfo
Eitererreger. Die wichtigsten eiterbildenden Bakterien (Eitererreger) sind:
Kokken (Staphylo-, Strepto-, Pneumo-, Meningo-, Gonokokken)
Pseudomonas
Klebsiellen
Escherichia coli
Viren Viren sind keine Zellen, sondern Riesenmoleküle. Ihr Durchmesser beträgt etwa 0,02–0,2 µm mm. Damit sind sie wesentlich kleiner als eine Körperzelle und unter dem Lichtmikroskop nicht sichtbar.
Lebens- und Vermehrungsfähigkeit eines Virus sind an die Anwesenheit von Zellen des befallenen Wirtsorganismus gebunden. Viren bauen ihre Erbinformation in die DNA der Wirtszellen ein und programmieren diese so um, dass die Zellen immer mehr Viren produzieren. Für sich allein können Viren nicht überleben.
Für den Chirurgen wichtige Virusinfektionen sind z. B. Hepatitis, AIDS, Tollwut.
Merke
Gegen Viren sind sämtliche Antibiotika wirkungslos. Antibiotika wirken nur gegen Bakterien.
Definition
Multiresistene Erreger (MRE) sind Bakterien, die gegen mehrere unterschiedliche Antibiotika unempfindlich sind. Man spricht auch von Problemkeimen, in Laienkreisen von „Krankenhauskeimen“ oder „Killerkeimen“.
Der zunehmende Gebrauch von Antibiotika führt bei den Bakterien zu einer Selektion. Die auf das verabreichte Antibiotikum unempfindlichen Keime überleben und vermehren sich. Die Population der resistenten Bakterien nimmt also zu. Es werden immer neue Antibiotika entwickelt, die auch die bisher resistenten Keime treffen. In der überlebenden Gruppe entwickeln sich Bakterien, die auch gegen die neuen Antibiotika resistent sind. So entsteht ein nicht endender Kampf zwischen neuester Forschung und Bakterium. Es wird auch zukünftig immer Keime geben, die sich an neue Antibiotika anpassen und „resistent“ werden.
Beispiele für derzeit relevante multiresistente Erreger:
MRSA = multiresistenter Staphylococcus aureus
ORSA = Oxacillin-resistenter Staphylococcus aureus
ESBL = Extended-Spectrum-Beta-Lactamase-Bildner
VISA = Vancomycin-intermediate Staphylococcus aureus
VRSA = Vancomycin-resistenter Staphylococcus aureus
VRE = Vancomycin-resistenter Enterococcus
MRSA und ORSA sind die gleichen Keime. MRSA hat im klinischen Alltag die größte Bedeutung, weil er durch direkten Kontakt übertragen wird, meistens durch die Hände des Personals.
Merke
Multiresistente Erreger (MRE) befinden sich nicht nur in Arztpraxen und Krankenhäusern, sondern überall.
Multiresistente Erreger haften auch an klinisch gesunden Menschen. Ohne Infektionssymptome stellen die Keime aber keine Bedrohung dar. Im Krankenhaus haben MRE eine Bedeutung, weil sie vorgeschädigte Patienten zusätzlich „krank machen“ können, insbesondere Patienten mit geschwächtem Immunsystem oder auf Intensivstation.
Screening In vielen Kliniken wird bei Risikopatienten vor einer geplanten stationären Aufnahme ein Screening durchgeführt, um beim Nachweis von MRE geeignete Maßnahmen ergreifen zu können. Dazu gehören Patienten, die in den letzten Wochen stationär in einem Krankenhaus waren oder offene Wunden haben. Die multiresistenten Keime gedeihen besonders gut auf chronischen Wunden, z.B. Ulzera. Beim Screening werden z.B. aus dem Nasen-Rachen-Raum und von Wunden Abstriche genommen und anschließend im Labor mikrobiologisch untersucht.
Maßnahmen bei Keimbesiedelung Wenn bei einem Patienten multiresistente Erreger nachgewiesen sind, werden die Hygienemaßnahmen mit der hausinternen Hygienefachkraft abgestimmt. Je nach Erreger und Ausbreitung kann es notwendig sein, den betroffenen Patienten in ein Einzelzimmer zu verlegen. Medizinisches Personal und Besucher müssen dann bei Betreten des Zimmers spezielle Schutzkleidung, eventuell auch einen Mund-Nasen-Schutz tragen und selbstverständlich unmittelbar nach jedem Patientenkontakt die Hände desinfizieren.
Sanierung Am häufigsten liegt ein Befall mit MRSA auf der Haut oder im Nasen-Rachen-Bereich vor. Eine medikamentöse Therapie mit Antibiotika ist bei fehlenden Krankheitssymptomen nicht indiziert. Die Keimentfernung (Sanierung oder Dekolonisation) gilt als erfolgreich beendet, wenn die Kontrolluntersuchungen (Abstrich) im Abstand einiger Tage zweimal hintereinander „negativ“ sind, also keine resistenten Keime mehr enthalten.
Für die Sanierung gibt es verschiedene Maßnahmen. Gebräuchlich sind z.B.:
Der Patient wäscht oder duscht sich jeden Tag komplett, einschließlich der Haare, mit einer speziellen antimikrobiellen Seife.
3-mal täglich wird die Nase gereinigt und anschließend eine antibakterielle Salbe in und rund um die Nase aufgetragen.
Nach jedem Zähneputzen, mindestens 2-mal täglich, wird der Mund mit einer antibakteriellen Lösung ausgespült. Eine Zahnprothese wird in die gleiche Lösung eingelegt.
Bei Sanierungsmaßnahmen im häuslichen Umfeld sind weitere Maßnahmen erforderlich:
Patient und Betreuungspersonen müssen umfassend über die Sanierungs- und Hygienemaßnahmen aufgeklärt werden.
Tägliches Wechseln und Waschen (> 60 Grad) von Bettwäsche, Handtüchern, Kleidung.
Geschirr heiß abwaschen, am besten im Geschirrspüler bei mindestens 60°C.
Regelmäßige Reinigung mit Desinfektionsmitteln von Flächen, die häufig angefasst werden, z.B. Lichtschalter und Türklinken, Wasserhähne.
Entsorgung persönlicher Hygiene- und Kosmetikartikel, die vor der Sanierung verwendet wurden, z.B. Zahnbürste, Deodorant, Nassrasierer.
Meldepflicht Der Nachweis von MRSA in Blut oder Liquor (Hirnflüssigkeit) muss von dem Untersuchungslabor an das regionale Gesundheitsamt gemeldet werden. Der MRSA-Nachweis in der Nase oder auf der Wunde eines Patienten ist hingegen nicht meldepflichtig.
Ob in besonderen Situationen auf der Station eines Krankenhauses eine Meldepflicht besteht, muss mit der zuständigen Hygienefachkraft geklärt werden.
Unter Sterilisation („Entkeimung“) versteht man die Abtötung aller lebenden Substanzen, also Bakterien einschließlich der Bakteriensporen, Viren und sonstiger Krankheitserreger. Desinfektion („Entseuchung“) bedeutet Abtötung aller pathogenen Keime, wobei einige widerstandsfähige Bakteriensporen (Tetanus, Gasbrand, Milzbrand) überleben können.
Merke
Steril heißt absolut keimfrei, also frei von jeglichen lebensfähigen Keimen oder deren Sporen. Desinfiziert heißt frei von infektiösen Keimen. Desinfiziertes Material ist also nicht steril, weil es pathogene Keime oder Sporen enthalten kann.
Sterilisationsverfahren Im Krankenhaus erfolgt die Sterilisation von OP-Instrumenten durch die Dampfhochdrucksterilisation im Autoklaven (kurz: „Steri“). Die Instrumente werden über 20 Min. einer Temperatur von 120 °C ausgesetzt (bzw. 6 Min. bei 134 °C).
Nicht hitzebeständige Gegenstände werden durch Gassterilisation (mit Formaldehyd oder Ethylenoxid) sterilisiert.
Zusatzinfo
Mit kochendem Wasser (100 °C) ist eine Sterilisation nicht möglich!
Desinfektionsverfahren Je nach Anwendungsgebiet sind verschiedene Verfahren möglich:
Die Desinfektion von Instrumenten erfolgt vorwiegend mit chemischen Lösungen.
Zur Hautdesinfektion vor Injektionen und Blutentnahmen ist die Sprühdesinfektion gebräuchlich, wobei die vorgeschriebene Einwirkzeit von 30–60 Sek. zu beachten ist.
Zur korrekt durchgeführten chirurgischen Händedesinfektion ist eine Waschzeit von 5 Min. in geeigneter Lösung erforderlich. Damit lässt sich eine Keimfreiheit von etwa 99 % erreichen, jedoch niemals eine Sterilisation (absolute Keimfreiheit).
Definition
Unter Asepsis versteht man das Fehlen von infektiösen Krankheitskeimen. Unter Antisepsis versteht man die Behandlung von Wunden und Gegenständen, um vorhandene Krankheitskeime infektionsunfähig zu machen.
Der Begriff Asepsis bezieht sich auf Gegenstände, die mit dem Patienten in Berührung kommen: OP-Instrumente, Verbandstoff, Hände der Chirurgen und der Pflegepersonen.
Zur Antisepsis gehören die verschiedenen Methoden der Keimbekämpfung, wie Desinfektion und Sterilisation.
Aseptisches Arbeiten in der Chirurgie Beim aseptischen Arbeiten wird jegliche Keimübertragung in eine Wunde oder von einem Patienten auf den anderen möglichst vermieden. Es gelten folgende Regeln:
Eine hygienische Händedesinfektion müssen Sie vor und nach pflegerischen Verrichtungen beim Patienten vornehmen.
Patienten mit infizierten Wunden (septische Patienten) sind von denen mit nicht infizierten Wunden (aseptische Patienten) räumlich zu trennen.
Die pflegerische Versorgung von aseptischen Patienten erfolgt immer vor der von septischen Patienten (z. B. bei der Durchführung von Verbandwechseln).
Infizierte Gebiete oder Gegenstände dürfen Sie nur mit sterilen und unsterilen Handschuhen berühren.
Patienten gelangen in die Operationsabteilung durch die Patientenschleuse. Hier wird eine zusätzliche Umlagerung vorgenommen, denn die Betten der Patienten werden als Keimträger betrachtet und dürfen nicht in die Schleuse.
Pflegepraxis
Anleitung. Patienten und Angehörige müssen über den Grund von Isolationsmaßnahmen und entsprechenden Verhaltensweisen aufgeklärt werden. Dazu zählen z.B.:
Wunde und Wundumgebung möglichst nicht direkt berühren
Instruktion zum Anlegen von Schutzkleidung vor Betreten des Zimmers
Händedesinfektion nach Verlassen des Patientenzimmers
keine Topfpflanzen, da diese eine potenzielle Keimquelle darstellen
Stoffe, die im Körper eine Abwehrreaktion hervorrufen, nennt man Antigene. Als Antigen wirken Infektionserreger und deren Toxine (Giftstoffe). Eingedrungene Antigene können durch Phagozytose von Granulozyten oder Makrophagen (unspezifische zelluläre Abwehr) „gefressen“ werden.
Antigene rufen aber auch die Bildung von Antikörpern hervor. Dies sind Schutzstoffe, die von den B-Lymphozyten (spezifische zelluläre Abwehr) nach Antigenkontakt gebildet werden. Es handelt sich um Eiweißkörper (Globuline), die mit den entsprechenden Antigenen spezifisch reagieren (wie ein Schlüssel, der nur in ein bestimmtes Loch passt – „Schlüssel-Schloss-Prinzip“).
Antikörper gehen mit den entsprechenden Antigenen eine spezifische biochemische Bindung ein, wodurch die Wirkung des krank machenden Antigens verloren geht. Diese Antigen-Antikörper-Reaktion ist die Grundlage immunologischer Wirkung. Das Antigen wird nach Kontakt mit dem entsprechenden Antikörper „maskiert“ und praktisch ungefährlich.
Definition
Bei der aktiven Immunisierung (aktive Impfung) werden Antigene, also Bestandteile des Infektionserregers oder seines Toxins, in den Körper eingebracht. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert.
Bei der industriellen Herstellung des aktiven Impfstoffs wird der Erreger (oder sein Toxin) durch spezielle chemisch-technische Verfahren derart verändert, dass die immunologische (antigene) Wirkung erhalten bleibt, die krank machende (pathogene) Eigenschaft jedoch verloren geht. Bei der aktiven Impfung sind die Erreger also abgetötet oder derart vorbehandelt, dass sie nicht zum Krankheitsausbruch führen. Dennoch wird das Immunsystem aktiviert und eine Antikörperbildung erfolgt beim Empfänger als immunologische Antwort auf den Antigenreiz innerhalb von Tagen oder Wochen.
Merke
Aktive Impfung. Der Körper muss aktiv werden und selbst Antikörper bilden.
Vorteile Der Impfschutz hält bei der aktiven Impfung länger an, weil das gesamte körpereigene Abwehrsystem stimuliert wird. Die Wirkungsdauer kann durch Auffrischungsimpfungen verstärkt und verlängert werden (sog. Booster-Effekt). Diese Auffrischungsimpfungen sind bei allen aktiven Impfungen zum Erzielen eines ausreichenden Impfschutzes (hoher Antikörperspiegel) erforderlich. So sind z. B. bei einer Tetanus-Grundimmunisierung im 1. Jahr 3 Impfungen erforderlich, eine weitere nach 5–10 Jahren.
Nachteile Die Antikörper müssen im Impfling erst produziert werden, stehen also nicht sofort zur Abwehr der Krankheitserreger zur Verfügung. Verlangt der Infektionsmodus einen sofortigen Impfschutz, ist die aktive Immunisierung allein nicht ausreichend.
Definition
Bei der passiven Immunisierung (passive Impfung) werden spezifische Antikörper (Immunglobuline) gegen bestimmte Infektionserreger in den menschlichen Körper injiziert. Diese Antikörper sind sofort wirksam.
Die Antikörper werden aus dem Blut von Menschen oder Tieren gewonnen, die mit dem Krankheitserreger (Antigen) bereits Kontakt hatten und dadurch Antikörper gebildet haben.
Merke
Passive Impfung. Der Körper bleibt passiv und bildet die Antikörper nicht selbst.
Vorteile Die Antikörper stehen dem erkrankten menschlichen Organismus nach der Impfung sofort zur Verfügung und müssen nicht erst durch einen Antigenreiz gebildet werden.
Nachteile Die Wirkung der passiven Impfung hält nur einige Wochen an, weil die Antikörper (wie alle Eiweiße) vom menschlichen Organismus allmählich abgebaut werden. Will man einen längerfristigen Impfschutz erreichen, kombiniert man deshalb (wie bei der Tetanusimpfung) die passive mit einer aktiven Impfung (Simultanimpfung).
Merke
Simultanimpfung. Die gleichzeitige aktive und passive Impfung nennt man Simultanimpfung.
Stichverletzungen stellen für das medizinische Personal ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Viele dieser Verletzungen sind vermeidbar.
Die Stichverletzungen treten am häufigsten bei der Entsorgung benutzter spitzer und scharfer Gegenstände auf.
Im Rahmen der Biostoffverordnung gilt für Deutschland die „Technische Regel für biologische Arbeitsstoffe“. Danach sind zur Blutentnahme nur spezielle Sicherheitskanülen erlaubt, die das Verletzungsrisiko beim medizinischen Personal durch integrierte Schutzsysteme reduzieren.
Merke
Sollten Sie mit Blut von Patienten in Berührung kommen, orientieren Sie sich bitte an ▶ Abb. 6.1. Im Zweifel kontaktieren Sie eine Hygienefachkraft.
Abb. 6.1 Handlungskette bei Blutkontakt. Je nachdem ob Sie sich mit einem kontaminierten Instrument gestochen/geschnitten haben oder es zu einer Kontamination mit (geschädigter) Haut gekommen ist, können Sie sich an der Handlungskette orientieren.
Unter dem Begriff Infektion versteht man das Eindringen von krankheitserregenden (pathogenen) Mikroorganismen in den menschlichen Körper, wo sie sich vermehren und Krankheitssymptome hervorrufen, also zum Infekt führen.
Man kann Infektionen nach ihrem Ausmaß und den verantwortlichen Erregern einteilen:
Lokale Infektionen sind örtlich begrenzt.
Wenn Bakterien in den Kreislauf gelangen, kann sich eine primär lokale Infektion zu einer systemischen Infektion entwickeln.
Lokale Infektionen machen sich durch die klassischen Entzündungszeichen bemerkbar ( ▶ Tab. 3.3 ), die im Einzelfall mehr oder weniger stark ausgeprägt sein können.
Für die Behandlung lokaler Infektionen gelten folgende Grundsätze:
Die Eiteransammlungen müssen durch chirurgische Maßnahmen entfernt werden.
Ist eine lokale Entzündung sehr ausgeprägt oder ungünstig gelegen, kann man die Heilung durch Ruhigstellung (Gipsschiene) des entzündeten Körperteils fördern.
Eine Antibiotikagabe ist nur angebracht, wenn chirurgische Maßnahmen entweder nicht möglich sind oder die Entzündung durch diese Maßnahmen nicht vollständig einzudämmen ist.
Wie bei allen Verletzungen ist der Tetanusschutz zu überprüfen und ggf. zu vervollständigen.
Definition
Ein Abszess ist ein Eiterherd, der durch einen membranartigen entzündlichen Wall aus Granulationsgewebe abgegrenzt ist. Der Abszessherd ist (im Gegensatz zum Empyem) in einer vor der Infektion nicht vorhandenen Höhle lokalisiert.
Ursache und Lokalisation Die Eitererreger dringen von außen durch die verletzte Haut in den Körper ein (Abszesse im Wundbereich) oder gelangen auf dem Blutweg in innere Organe (hämatogene Abszesse).
Der Schweißdrüsenabszess geht von einer mit Eitererregern infizierten Schweißdrüse aus, meist in der Achselhöhle ( ▶ Abb. 6.2).
Abb. 6.2 Schweißdrüsenabszess. Vor der Abszessspaltung wird die Haut mit PVP-Lösung desinfiziert.
Symptome Die lokalen Symptome eines Abszesses sind Rötung, Schmerz, Schwellung, Überwärmung (= klassische Entzündungszeichen, ▶ Tab. 3.3 ). Bei größeren Abszessen finden sich Fieber und Abgeschlagenheit, im Labor Leukozytose und CRP-Erhöhung.
Therapie Ziel ist die Beseitigung des Eiters ( ▶ Abb. 6.3). Abszesse können punktiert und über einen eingebrachten Katheter drainiert werden. Ansonsten erfolgt die operative Spaltung durch Inzision mit Einlegen einer Drainage.
Abb. 6.3 Abszess.
Abb. 6.3a Punktion.
Abb. 6.3b Spaltung.
Definition
Ein Empyem ist eine Eiteransammlung in einem präformierten Hohlraum (z. B. Gelenk, Gallenblase, Pleurahöhle). Im Gegensatz zum Abszess ist der Eiter beim Empyem also in einem natürlichen Hohlraum des Körpers lokalisiert.
Symptome Die Symptome des Empyems entsprechen denen des Abszesses (Kap. ▶ 6.2.1).
Therapie Die therapeutische Maßnahme besteht in der operativen Eröffnung und der Drainage nach außen.
Definition
Die Phlegmone ist im Gegensatz zu Abszess und Empyem nicht von einer Membran oder Körperhöhle zum Gesunden abgegrenzt. Es handelt sich um eine durch Eitererreger hervorgerufene Entzündung, die sich in Gewebsspalten diffus und flächenhaft ausbreitet.
Ursache Krankheitserreger einer Phlegmone ist meistens der Streptokokkus. Eintrittspforte der Eiterbakterien sind oft kleine Verletzungen an Hand oder Fuß, insbesondere zwischen den Zehen.
Pflegepraxis
Hautpflege. Die Haut zwischen den Zehen ist besonders anfällig für Interdigitalmykosen (Fußpilz), die zu Phlegmonen führen können. Erste Anzeichen eines Fußpilzes sind eine trockene, rissige und juckende Haut. Wichtig ist, die Haut zwischen den Zehen trocken zu halten, da ein feuchtes und warmes Milieu die Entstehung einer Fußmykose begünstigt.
Symptome Typische Symptome sind unscharf begrenzte, schmerzhafte Schwellungen mit Rötung sowie Funktionseinschränkung des erkrankten Gebiets ( ▶ Abb. 6.4).
Wegen der mangelnden Abgrenzung zum gesunden Gewebe neigt die Phlegmone zum raschen Fortschreiten in alle Richtungen (z. B. die V-Phlegmone, ▶ Abb. 6.9).
Therapie Die operative Eröffnung ist nur bei größerer Eiteransammlung erforderlich. Ansonsten erfolgt eine konservative Therapie mit Antibiotikagabe und Ruhigstellung.
Abb. 6.4 Phlegmone. 7 Tage alte Risswunde mit phlegmonöser Entzündung.
Definition
Das Erysipel (griech.: Röte) ist eine bakterielle Entzündung, die sich unter der Haut als flächenhafte Rötung ausbreitet. Man bezeichnet ein Erysipel auch als Wundrose.
Ursache und Lokalisation Erreger des Erysipels sind hämolysierende Streptokokken. Die Bakterien geben gewebeauflösende Enzyme ins Gewebe ab (z. B. Streptokinase), wodurch sich ihr rasches Ausbreiten in den Gewebespalt erklärt. Die ubiquitären (= überall vorkommenden) Erreger gelangen durch direkten Kontakt (beliebige Gegenstände, Hände usw.) über oft kleinste Epitheldefekte (z.B. Fußpilz) ins Unterhautfettgewebe, um sich dort in den Lymphspalten auszubreiten.
Diese lokale Infektion wird überwiegend am Unterschenkel beobachtet.
Zusatzinfo
Apathogen. Zur Gruppe der Streptokokken gehören viele Formen, von denen einige apathogen sind, andere hingegen verschiedene Krankheitsbilder hervorrufen können (z.B. Tonsillitis, Scharlach, rheumatisches Fieber, Glomerulonephritis, Endokarditis, Wundbettfieber).
Symptome Um die Eintrittspforte herum bildet sich eine scharf gegen die Umgebung abgegrenzte, flächenhafte Rötung ( ▶ Abb. 6.5). Diese breitet sich kreisförmig im Sinne einer Phlegmone aus. Die Beteiligung der Lymphgefäße ist häufig an den nach proximal ziehenden roten Streifen (Lymphangitis) zu erkennen.
Therapie Neben Ruhigstellung, Hochlagerung und Salbenverbänden wird Penicillin G verabreicht. Die ursächliche Wunde (Fußpilz, Unterschenkelgeschwür) wird der Grundkrankheit entsprechend behandelt.
Die Prognose ist gut, eine Immunität wird jedoch nicht erworben.
Abb. 6.5 Erysipel. Scharf begrenzte Rötung.
Definition
Der Furunkel ist eine von einer Haarbalgdrüse ausgehende eitrige Entzündung ( ▶ Abb. 6.6c). Bei mehreren Furunkeln oder generalisiertem Befall spricht man von Furunkulose.
Zusatzinfo
Pathogenität. Die Furunkulose darf nicht mit der harmlosen Pubertätsakne verwechselt werden. Diese entsteht auf dem Boden einer hormonellen Seborrhö (vermehrte Talgproduktion). Allerdings gibt es fließende Übergänge.
Ursache Häufigster Erreger eines Furunkels ist der Staphylokokkus.
Lokalisation Furunkel können an jeder Stelle der behaarten Haut auftreten, bevorzugt sitzen sie an Kopf, Hals, Rücken und Oberschenkel. Die Furunkulose tritt gehäuft bei Patienten mit Diabetes mellitus auf.
Symptome Die Furunkel äußern sich als schmerzhafte, gerötete Knoten mit zentralem Eiterpfropf und Ödembildung in der Umgebung (sog. „Mitesser“).
Therapie Im Anfangsstadium werden Furunkel immer konservativ behandelt mit Ichtholanl (sog. „Zugsalbe“). Bei größeren Eiteransammlungen kann die operative Eröffnung (Inzision) mit Ausräumung des Eiters und des abgestorbenen Gewebes notwendig werden. Bei der Furunkulose werden zusätzlich systemisch Antibiotika verabreicht.
Komplikationen Bei einer Ausbreitung der eitrigen Entzündung in die Umgebung kann ein Karbunkel, ein Abszess oder eine Phlegmone entstehen.
Besonderheiten beim Gesichtsfurunkel Der Furunkel im Gesicht neigt wegen des lockeren Gewebes und der mechanischen Irritation durch die mimische Muskulatur zur Ausbreitung. Da vom Gesicht direkte venöse Verbindungen über die Augenhöhle zum Gehirn bestehen, ist die Gefahr einer hämatogenen Streuung der Eitererreger in das Gehirn mit der möglichen Folge einer Meningitis oder Enzephalitis gegeben. Deshalb sollten Gesichtsfurunkel in Augennähe nicht ausgequetscht werden. Oft ist eine antibiotische Behandlung indiziert, bei großen Furunkeln die operative Inzision.
Abb. 6.6 Eitrige Infektionen der Haut.
Abb. 6.6a Akne.
Abb. 6.6b Follikulitis.
Abb. 6.6c Furunkel.
Abb. 6.6d Karbunkel.
Definition
Unter einem Karbunkel (wörtlich: fressendes Geschwür) versteht man eine diffuse, flächenhafte, hart infiltrierte, eitrige Gewebsentzündung ( ▶ Abb. 6.6d und ▶ Abb. 6.7).
Ursache Ausgangspunkt ist häufig ein durch Ausdrücken und Quetschen misshandelter Furunkel, der sich auf benachbarte Haarbälge ausgebreitet hat. Patienten mit einem Diabetes mellitus sind disponiert zur Entstehung von Karbunkeln.
Symptome Das gesamte Entzündungsgebiet ist hart infiltriert, gerötet und bei Bewegung schmerzhaft.
Therapie Im Anfangsstadium erfolgt eine konservative Behandlung mit Salbenverbänden. Bei fortgeschrittenem Befund müssen die konfluierenden Eiterherde operativ inzidiert und ausgeschnitten werden. Die zurückbleibende Höhle wird austamponiert und drainiert. Wie bei allen eitrigen Infekten bleibt die Wundhöhle offen und heilt durch Granulation (sekundäre Wundheilung).
Abb. 6.7 Karbunkel. Das über dem rechten Schulterblatt lokalisierte Karbunkel ist spontan perforiert.
Definition
Unter einem Panaritium versteht man die eitrige Entzündung im Bereich eines Fingers, seltener der Zehen.
Abb. 6.8 Panaritium. Typischer Befund eines eitrigen Fingerinfekts, ausgehend vom Nagelfalz.
Ursache Die Erreger treten von außen durch kleine Hautverletzungen, häufig nach Maniküre, in das Gewebe ein ( ▶ Abb. 6.8).
Pflegepraxis
Fußpflege. Patienten mit Diabetes mellitus wird empfohlen, die Pflege der Füße von ausgebildeten medizinischen Fußpflegefachkräften durchführen zu lassen.
Symptome und Komplikationen Das Panaritium äußert sich durch lokale Schwellung, Rötung und pochenden (pulssynchronen) Schmerz.
Die besondere Gefahr des Panaritiums besteht darin, dass der Eiter sich zwischen den Strukturen in Finger und Hand leicht nach proximal ausbreiten kann ( ▶ Abb. 6.9). Erreicht der eitrige Infekt den Mittelhandbereich, so spricht man von Hohlhandphlegmone. Ist der Infekt so weit fortgeschritten, sind dauerhafte Funktionsstörungen der Hand die Folge.
Abb. 6.9 V-Phlegmone. Weil die beugeseitigen Sehnenscheiden von Daumen und Kleinfinger in Verbindung stehen, kann sich ein Infekt auf diesem Wege von Daumen zu kleinem Finger und umgekehrt ausbreiten, was man wegen des Aspekts als V-Phlegmone bezeichnet.
Therapie Um die gefährliche Ausbreitung der eitrigen Infektion in Richtung Hand zu verhindern, ist eine frühzeitige operative Eröffnung (Inzision) mit Entleerung des Eiters und Einlegen einer kleinen Gummilasche zur Drainage erforderlich. Der Eingriff kann in Lokalanästhesie nach Oberst oder Plexusanästhesie durchgeführt werden (Kap. ▶ 11.1.3). Anschließend erfolgt die Ruhigstellung durch einen Schienenverband.
Definition
Der eingewachsene Zehennagel ist eine bakterielle Weichteilentzündung am Nagelrand. Dabei wächst der Zehennagel nach unten gekrümmt Richtung Knochen. Am häufigsten ist die Großzehe betroffen.
Ursache Das Leiden wird durch zu enges Schuhwerk und falsches Schneiden der Nägel (am Nagelrand nicht gerade geschnitten) begünstigt.
Symptome Die wichtigsten Symptome sind lokale Schmerzen und Entzündungszeichen ( ▶ Tab. 3.3 ).
Therapie Nach einer Emmert-Plastik ( ▶ Abb. 6.10) wächst der Nagel innerhalb von 3–5 Monaten in normaler Form nach.
Abb. 6.10 Emmert-Plastik.
Abb. 6.10a Eingewachsener Großzehennagel; Operation in Blutsperre (Gummizügel) und Oberst-Anästhesie.
Abb. 6.10b Der eingewachsene Nagelrand wird durch keilförmige Exzision entfernt.
Definition
Unter einer Lymphangitis versteht man eine bakterielle Entzündung der Lymphbahnen.
Sind auch die zugehörigen Lymphknoten erkrankt (schmerzhaft geschwollen), so spricht man von einer Lymphadenitis (Lymphknotenentzündung).
Ursache Meist ist ein kleiner subkutaner Abszess bzw. ein Panaritium Quelle der aufsteigenden lymphatischen Infektion. Die Lymphangitis ist Zeichen einer fortgeleiteten Entzündung, wobei die Eitererreger in die Lymphbahnen eingedrungen sind und nach proximal in Richtung Körperstamm vordringen. Die zwischengeschalteten „regionalen“ Lymphknoten stellen Abfangstationen des Körpers dar. Sind auch sie befallen, so schwellen sie schmerzhaft an (Lymphadenitis).
Symptome Die Lymphangitis kann man an dünnen, verzweigten, rot erscheinenden Streifen erkennen, die in der Haut entlang der Lymphbahnen zu sehen sind ( ▶ Abb. 6.11). Die Lymphstränge sind druckschmerzhaft. Die Patienten haben Fieber und die Laborwerte zeigen erhöhte Entzündungsparameter (Leukozytose, erhöhtes CRP).
Abb. 6.11 Lymphangitis. Entzündete Lymphbahnen sind als rote Streifen in der Haut erkennbar. Ausgangspunkt ist hier ein Fingerinfekt (Panaritium).
Da alle Lymphbahnen in das Blutgefäßsystem münden, kommt es bei weiterem Fortschreiten der bakteriellen Entzündung zum Einschwemmen der Keime in die Blutbahn (Bakteriämie), was zur Sepsis (Kap. ▶ 6.3) führen kann.
Merke
Die Lymphangitis ist immer ein gefährliches Zeichen einer bereits fortgeschrittenen bakteriellen Entzündung.
Therapie Vorrangig ist die Ruhigstellung der Extremität. Wegen der Gefahr eines Keimübertritts in die Blutbahn erfolgt eine systemische Antibiotikabehandlung. Zur lokalen Therapie können feuchte antiseptische Verbände (z. B. mit Rivanol) angewendet werden.
Pflegepraxis
Lagerung. Die Lagerung erfolgt nach Lokalisation:
Der Arm wird auf einer Oberarmschiene gelagert.
Bei Befall des Beines erfolgt die Hochlagerung der Extremität auf einer Schiene.
Grundsätzlich sollten Patienten weitgehend Bettruhe einhalten.
Definition
Eine Thrombophlebitis ist eine oberflächliche Venenentzündung im Unterhautfettgewebe.
Ursache Am Arm ist eine häufig Folge einer intravenösen Infusion. Am Bein kann es bei Varizen auch spontan zur Thrombophlebitis kommen. Nähere Informationen finden Sie in Kap. ▶ 30.2.2.
Definition
Unter Sepsis versteht man eine komplexe systemische Entzündungsreaktion des Körpers. Der Begriff ähnelt dem Terminus SIRS (Systemisches inflammatorisches Response Syndrom). In Laienkreisen spricht man auch von „Blutvergiftung“. Die meist schwer verlaufende Erkrankung kann bis zum Tod führen (Multiorganversagen).
Das Krankheitsbild der Sepsis ist seit dem Altertum bekannt. Es überlappt mit dem modernen intensivmedizinischen Terminus SIRS. In der Chirurgie wird der Begriff „Sepsis“ bevorzugt, wenn eine bakterielle Infektionsquelle bekannt ist. SIRS ist ein übergeordneter Begriff für allgemeine schwere Entzündungsreaktionen des Gesamtorganismus, auch wenn kein Infektionsherd bekannt ist.
Ursache Gelangt eine größere Zahl von Bakterien in die Blutbahn, so werden die Abwehrkräfte des Körpers überfordert. Die Bakterien gelangen mit dem Blutstrom in die Körperorgane (hämatogene Streuung, Bakteriämie), bleiben dort haften (bevorzugt in den Kapillarnetzen von Gehirn und Leber sowie an den Herzklappen) und vermehren sich. Dadurch entstehen septische Herde, häufig Pneumonie oder Peritonitis. Aus diesen gelangen immer wieder Keime in die Blutbahn (septische Streuung). Ein wesentlicher Faktor für die Organschäden bei einer Sepsis sind mikrovaskuläre Schrankenstörungen durch Kapillarschäden („capillary leak“) und Störungen des Immunsystems.
Symptome Von einer Sepsis spricht man, wenn 2 oder mehr der in ▶ Tab. 6.2 aufgelisteten klinischen Zeichen vorliegen. Häufig kommt es zu Organschäden. Wenn die Organdysfunktionen zum Tod führen, spricht man von Multiorganversagen.
Sepsis und Organschäden |
Klinische Zeichen |
Sepsis (bei 2 oder mehr Symptomen) |
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Mögliche Organschäden |
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Die häufigste Kombination von Fieber und Leukozytose spricht für eine noch intakte Reaktion des Immunsystems. Das Fieber zeigt oft septische Temperaturzacken ( ▶ Abb. 6.12) verbunden mit Schüttelfrost. Demgegenüber spricht die Kombination von einer niedrigen Körpertemperatur und Leukopenie für eine Abwehrschwäche und wird auch als „kaltes SIRS“ bezeichnet.
Abb. 6.12 Fieberkurve bei Sepsis. Typisch ist der intermittierende Temperaturverlauf mit normalen Temperaturen am Morgen und steilem Fieberanstieg im Tagesverlauf.
Zu Beginn des septischen Krankheitsverlaufs gibt es eine Phase der Hyperinflammation (gesteigerte Entzündungsreaktion), die einige Tage andauert. Die danach folgende Phase kann eine anhaltende Schwäche des Immunsystems zeigen.
Weitere typische Symptome bei der Sepsis und dem SIRS sind:
mikrovaskuläre Schrankenstörung durch Kapillarschäden („capillary leak“) mit Ödembildung
disseminierte intravasale Gerinnung (DIG) mit mikrovaskulärer Thrombosierung
diffuse Blutungsneigung
Organversagen durch Mikrozirkulationsstörung
Therapie Betroffene Patienten müssen auf der Intensivstation behandelt werden. Dort muss zügig eine erhebliche intravenöse Volumensubstitution erfolgen. Häufig ist eine künstliche Beatmung notwendig. Wenn möglich sollte eine bakterielle Ursache (Streuquelle) operativ beseitigt werden. Eine hoch dosierte systemische Antibiotikagabe erfolgt fast immer. Unbehandelt führt die Sepsis zum septischen Schock und zum Tod durch Kreislaufversagen.
Immunstimulierende Therapien zur Behandlung des komplexen, meist schwer verlaufenden Krankheitsbilds werden erforscht. Trotz der wissenschaftlichen Bemühungen gibt es aber derzeit noch keine wesentlichen therapeutischen Fortschritte.
Zusatzinfo
Der Begriff „septisch“. Die Verwendung des Begriffs „septisch“ drückt im klinischen Sprachgebrauch eine Besiedlung mit pathogenen bakteriellen Eitererregern aus. Eine septische Wunde ist also mit Eitererregern kontaminiert. Chirurgische Eingriffe in bakteriell besiedeltem Gebiet (z. B. Abszessspaltung, Osteomyelitisausräumungen) nennt man septische Operationen. Den Operationssaal, in dem diese Eingriffe vorgenommen werden, wird septischer OP genannt.
Gibt es für ein Krankheitsbild nur einen verantwortlichen Erreger, so spricht man von einer „spezifischen“ Infektion. Im Folgenden sind nur die für die Chirurgie wichtigsten Infektionskrankheiten zusammengestellt. Diese sind heute selten, aber potenziell sehr gefährlich.
Definition
Die Tetanuserkrankung (Wundstarrkrampf) ist eine bakteriell bedingte Infektion. Die Krankheit entsteht nicht durch das Bakterium (Clostridium tetani), sondern durch das von ihm abgesonderte Gift (Toxin). Die Toxine führen über einen Befall des Nervensystems zu einer krampfhaften Lähmung der quergestreiften (willkürlichen) Muskulatur.
Das Clostridium tetani gehört zu den obligaten Anaerobiern, es benötigt also ein sauerstoffarmes Milieu. Das Bakterium bildet Sporen. Sporen sind (auch gegenüber Desinfektionsmaßnahmen) äußerst widerstandsfähig, die in praktisch jeder natürlichen Umgebung jahrzehntelang überleben können.
Zusatzinfo
Vorkommen. Bevorzugter Lebensraum des Erregers ist der Säugetierdarm. Von hier gelangt das Bakterium mit dem Kot und dem Naturdünger in oberflächliche Erdschichten. Besonders reich mit Tetanuserregern kontaminiert sind Gartenerde, Wiesenböden, Straßenstaub und moderndes Holz.
Um eine Infektion auszulösen, muss das Bakterium in menschliches Gewebe eindringen, was durch Hautverletzungen (Wunden) erfolgt. Weil das Clostridium tetani unter anaeroben Bedingungen besonders gut gedeiht, sind schmutzige, zerfetzte Wunden mit Nekrosen und Hohlraumbildung (Sauerstoffabschluss) besonders gefährdet. Das gilt insbesondere für Brandwunden und Schussverletzungen und für alle Wunden, die mit Erde in Berührung gekommen sind (z.B. Rasenmäher- und Holzsplitterverletzungen).
Merke
Grundsätzlich gilt jede Wunde als potenziell mit Tetanuserregern besiedelt. Eine direkte Ansteckung von Mensch zu Mensch erfolgt nicht.
In Ländern mit einem funktionierenden Impfschutz ist Tetanus selten. In Deutschland gibt es ca. 10 Erkrankungsfälle pro Jahr. Genaue Zahlen liegen nicht vor, weil Tetanus nicht meldepflichtig ist. Die Letalität der Tetanuserkrankung liegt bei 50%.
Weltweit sterben jährlich geschätzt 300 000 Menschen an Tetanus. Betroffen sind überwiegend Neugeborene, die von nicht immunisierten Müttern entbunden werden und bei denen eine hygienisch unzureichende Behandlung des Nabels erfolgte.
Die Krankheitssymptome des Tetanus werden nicht durch Bakterien direkt ausgelöst, sondern durch einen hochwirksamen Giftstoff (Toxin), den die Erreger nach außen ins Gewebe absondern. Die Toxine überschwemmen den menschlichen Organismus und führen zum Krankheitsausbruch.
Die Ausbreitung der Giftstoffe erfolgt bevorzugt im Nervengewebe. Die Erreger selbst bleiben im Wundbereich lokalisiert. Die Toxine wandern innerhalb der Nervenstränge von peripher (Wunde) nach proximal zum Rückenmark. Dort enthemmen sie die Impulsüberleitung an den Nervenüberleitungsstellen (Synapsen). Die Folge ist eine Dauererregung der Skelett- und Atemmuskulatur, also der gesamten willkürlich innervierten Muskeln.
Zwischen Verletzung (Eintritt des Erregers in den Körper) und ersten klinischen Krankheitszeichen vergehen beim Tetanus 2–14 Tage (Inkubationszeit).
Das klassische Symptom der Tetanuserkrankung sind anfallsartig auftretende Muskelkrämpfe. Die Anfälle können durch geringste äußere Sinnesreize (Berührung, Luftzug, Licht anschalten, Ansprechen) ausgelöst werden. Typischerweise beginnen die Muskelkrämpfe im Gesicht, um sich dann von oben nach unten auszudehnen. Innerhalb weniger Stunden greift der Starrkrampf auf die Rückenmuskulatur über. Zuletzt wird die Atemmuskulatur mit dem Zwerchfell von den Krämpfen erfasst. Die Folge ist Tod durch Ersticken.
Der generalisierte Muskelkrampf beim Tetanus stellt eine maximale Körperanstrengung dar und geht mit einem entsprechend hohen Energieverbrauch und Fieber um 41 °C einher. Das Großhirn wird vom Tetanustoxin nicht geschädigt, die Betroffenen sind also bei vollem Bewusstsein.
Zusatzinfo
Abgrenzung. Beachten Sie den Unterschied zwischen Tetanus und Tetanie:
Während der Tetanus eine spezifische Infektionskrankheit ist, bezeichnet die Tetanie ein Symptom, nämlich das Krampfen. Es handelt sich nicht um eine spezifische Erkrankung. Die Ursachen für Muskelkrämpfe eines Patienten können äußerst vielfältig sein. Am häufigsten wird die Tetanie durch psychische Erregungszustände mit verstärkter Atmung ausgelöst (Hyperventilationstetanie). Eine weitere Ursache ist die Hypokalzämie (z. B. nach totaler Nebenschilddrüsenentfernung).
Die Behandlung eines Tetanuskranken muss auf einer Intensivstation erfolgen. Neben unspezifischen Maßnahmen, wie hochkalorische parenterale Ernährung, Pneumonieprophylaxe, Volumen- und Elektrolytbilanzierung, Blutgaskontrollen, umfasst die Therapie des Tetanus die folgenden Schwerpunkte.
Chirurgische Wundbehandlung Die Wunde stellt den Sitz der Tetanusbazillen dar. Großzügige Ausschneidung und Eröffnung reduzieren die Zahl der Erreger und schaffen durch Sauerstoffzutritt ungünstigere Überlebens- und Vermehrungsbedingungen. Die Wunde bleibt offen (sekundäre Wundheilung).
Immunisierung Das für die Krankheitssymptome verantwortliche Tetanustoxin wird durch sofortige Gabe des spezifischen Antikörpers (Tetanus-Antiserum, passive Impfung) unschädlich gemacht. Durch die Antikörpergabe wird jedoch nur das frei im Blut kreisende Toxin neutralisiert und nicht die Tetanusbazillen selbst. Bereits im Nervengewebe haftendes Gift wird durch die passive Impfung nicht mehr erreicht.
Antibiotika Eine hoch dosierte intravenöse Antibiotikatherapie gegen den Tetanuserreger und Folgeinfektionen (Pneumonie) ist immer indiziert.
Muskelrelaxierung Muskelrelaxierung und Sedierung dienen der Prophylaxe von Krämpfen, der Senkung des Energieverbrauchs und der Verbesserung der Atemfunktion.
Beatmung In schweren Fällen muss wegen der Erstickungsgefahr durch Krampf der Atemmuskeln eine künstliche Beatmung durchgeführt werden.
Isolierung Der Wundstarrkrampf ist nicht ansteckend. Dennoch sollte eine Isolierung durch Unterbringung in einem ruhigen, abgedunkelten Einzelzimmer erfolgen, denn die Krampfanfälle können durch geringste Sinnesreizungen ausgelöst werden.
Wegen der Gefährlichkeit der Erkrankung sind vorbeugende Maßnahmen von größter Bedeutung. Neben der korrekten chirurgischen Wundbehandlung ist die Tetanusimpfung von herausragender Bedeutung.
Zur Tetanusprophylaxe gibt es sowohl einen aktiven als auch eine passiven Impfstoff. Um einen sofortigen und langfristigen Impfschutz zu erreichen, werden diese Impfstoffe in verschiedenen Kombinationen und zeitlichen Abständen verabreicht.
Pflegepraxis
Wundbehandlung. Verschmutzte und nekrotische Wunden dürfen zur Vermeidung eines anaeroben Milieus nie primär verschlossen werden.
Grundimmunisierung Diese besteht beim Tetanus aus 3 aktiven Impfungen innerhalb eines Jahres. Der Impfstoff enthält keine Antikörper, sondern manipuliertes Tetanustoxin, das seine krank machende (pathogene) Eigenschaft verloren, die antigene Wirkung jedoch bewahrt hat. Die Antikörperbildung erfolgt durch das Immunsystem des Geimpften. Um die Antikörperproduktion zu stimulieren, werden mehrere aktive Impfungen nacheinander verabreicht (Booster-Effekt).
Ziel der Präventivmaßnahmen gegen Tetanus ist die frühzeitige aktive Immunisierung der Gesamtbevölkerung. Die erste Tetanusimpfung erfolgt im 3. Lebensmonat.
Merke
Zeitlicher Abstand der Impfungen bei der Grundimmunisierung:
Impfung zum Wahlzeitpunkt
Impfung: 4–8 Wochen später
Impfung: 4–12 Monate nach der 2. Impfung
Impfung: 5–10 Jahre nach der 3. Impfung (= Auffrischimpfung)
Pflegepraxis
Beratung. Das Schema der Grundimmunisierung können Sie sich gut merken und dem Patienten entsprechend weitergeben: 3 Impfungen: jetzt – in 4 Wochen – in 4 Monaten.
Auffrischimpfung Nach der Grundimmunisierung hält der Impfschutz 5–10 Jahre an. Dann lässt die Wirkung nach, weil die Antikörper im Laufe der Zeit vom Körper abgebaut werden, wenn kein erneuter immunologischer Stimulus zur Neubildung erfolgt. Deshalb sollte alle 5–10 Jahre eine Wiederholungsimpfung vorgenommen werden.
Simultanimpfung Es wird sowohl der aktive als auch der passive Impfstoff injiziert. Vorteil ist ein sofortiger Impfschutz.
Pflegepraxis
Notfallmaßnahmen. Alle Tetanusimpfstoffe werden intramuskulär injiziert. Die Applikation in den M. deltoideus (Schulterbereich) wird offiziell empfohlen und ist geeigneter als die intragluteale Injektion (Gesäß). Bei der Simultanimpfung erfolgt eine Injektion rechts und eine links.
Kontraindikationen gegen das Impfen Kontraindikationen gegen die Tetanusimmunisierung gibt es allenfalls bei nachgewiesenen schweren Nebenreaktionen auf frühere Tetanusimpfungen, sonst sind keine bekannt. Eine allergische Disposition (umfangreicher Allergiepass) und eine bestehende Schwangerschaft sind ebenfalls kein Grund, im Verletzungsfall auf die Tetanusimpfung zu verzichten.
Zusatzinfo
Überdosierung. Sollte es (aus Unkenntnis) zu mehrfachen aktiven und passiven Impfungen innerhalb kurzer Zeit gekommen sein, so ist dies ohne klinische Relevanz, weil Nebenwirkungen durch Überdosierungen praktisch keine Bedeutung haben. Das Risiko der Tetanuserkrankung überwiegt das Risiko einer eventuellen Mehrfachdosierung bei Weitem.
Praktisches Vorgehen beim Impfen Bei der prophylaktischen Tetanusimpfung unterscheidet man 2 Ausgangssituationen:
Tetanusschutz des Gesunden: Die Impfung des unverletzten Menschen erfolgt zu einem Wahlzeitpunkt, um einen Impfschutz für eventuelle spätere Verletzungen zu erlangen.
Tetanusschutz des Verletzten: Bei jeder Wunde besteht die potenzielle Gefahr einer Tetanusinfektion, deshalb erfolgt die Impfung der frisch verletzten Patienten baldmöglichst nach dem Unfall, um einen sofortigen Impfschutz gegen die möglicherweise erlangte Tetanusinfektion sicherzustellen.
Tetanusimmunisierung des Gesunden Liegt keine Verletzung vor, muss der volle Impfschutz nicht sofort verfügbar sein. Die Impfung erfolgt als aktive Immunisierung (Grundimmunisierung, Auffrischimpfung ).
Tetanusimmunisierung des Verletzten Weil jede Wunde Ursprung einer Tetanusinfektion sein kann, muss bei jeder Hautverletzung ein sofortiger ausreichender Impfschutz (hoher Antikörperspiegel) sichergestellt werden. Dazu erfolgt ggf. (unzureichender Impfschutz, verschmutzte Wunde) die passive Immunisierung mit Antikörpern gegen das Tetanustoxin. Im Einzelfall empfiehlt sich folgendes Vorgehen ( ▶ Tab. 6.3 ):
Patienten ohne oder mit nur unzureichendem Impfschutz Bei allen Wunden Tetanussimultanimpfung und Vervollständigung der Grundimmunisierung durch aktive Impfungen nach 4 Wochen und 4 Monaten.
Patienten mit vollständigem Impfschutz
Letzte Impfung vor weniger als 5 Jahren: Bei sauberen Wunden erfolgt keine erneute Impfung. Bei verschmutzten (stark tetanusgefährdeten) Wunden ist eine einmalige aktive Impfung zur Auffrischung der Grundimmunisierung notwendig. Anschließend besteht wieder Impfschutz für 5–10 Jahre.
Letzte Impfung vor über 5 Jahren: Bei sauberen Wunden genügt eine einmalige aktive Impfung als Auffrischimpfung. Bei verschmutzten Wunden ist eine Tetanussimultanimpfung erforderlich. Dadurch wird ein sofortiger zusätzlicher Impfschutz und durch die aktive Impfung eine Auffrischimpfung mit Verlängerung der Grundimmunisierung erreicht.
Letzte Impfung vor über 10 Jahren: Bei allen Wunden wird eine Tetanussimultanimpfung durchgeführt. Ein Neubeginn der Grundimmunisierung ist nicht nötig.
Pflegepraxis
Tetanus. Im Zweifelsfall (Impfschutz nicht durch Impfpass eindeutig geklärt) wird immer eine Simultanimpfung (also gleichzeitige passive und aktive Impfung) durchgeführt.
Impfschutz |
saubere Wunde |
verschmutzte Wunde |
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nicht vorhanden oder nicht sicher bekannt |
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+
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+
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letzte Impfung vor: |
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< 5 Jahren |
Keine Impfung |
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5–10 Jahren |
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+
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vor > 10 Jahren |
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+
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+
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= aktive Impfung
= passive Impfung |
Definition
Die Tollwut ist eine viral bedingte Tierkrankheit und wird durch Tierspeichel (Biss) auf den Menschen übertragen. Sie ruft im Gehirn schwerste Verhaltens- und Wesensveränderungen hervor, die der Krankheit ihren Namen gegeben haben (Rabies, lat.: Tollheit, Wahnsinn; Lyssa, griech.: Wut).
Erreger und Eintrittspforte Weltweit sterben jährlich 50 000 Menschen an Tollwut, die meisten in Indien. Das Tollwutvirus wird hauptsächlich durch Hunde, Füchse und Affen übertragen. Deutschland gilt seit 2008 als tollwutfrei. Die Gefahr des Einschleppens aus dem Ausland durch Tiere und Urlaubsreisende besteht jedoch weiterhin, sodass die Impfmaßnahmen ihre Bedeutung behalten, weil die Erkrankung bei Ausbruch immer tödlich verläuft.
Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch Biss eines infizierten Haus- oder Wildtiers. Weil die Viren über die Speicheldrüsen sezerniert werden, ist der Speichel der Tiere hochinfektiös.
Die Viren lagern sich in den peripheren Nervenenden im Wundbereich an, um sich dann entlang den Nervensträngen langsam nach proximal in Richtung Zentralnervensystem auszubreiten.
Symptome Die Inkubationszeit bei Tollwut kann sich in der extremen Spanne zwischen 6 Tagen und 1 Jahr (!) bewegen, sodass die Bisswunde längst vergessen ist, wenn die Krankheit ausbricht.
Nach Biss- und Kratzverletzungen treten folgende Symptome auf:
Beginn mit Unruhe und Wesensveränderungen (psychische Alteration)
Schmerzen und Empfindungsstörungen im Bereich der ehemaligen Wunde
Reflexsteigerung mit Muskelkrämpfen besonders im Rachenbereich. Dadurch kann das Schlucken unmöglich werden und es tritt starker Speichelfluss auf, besonders beim Anblick von Wasser (Hydrophobie)
zunehmende Tobsuchtsanfälle („rasende Wut“)
ausgedehnte Lähmungen kennzeichnen das nahende Ende der Erkrankung
Therapie Bei einem Biss durch ein tollwutverdächtiges Tier wird die Wunde mit Desinfektionsmittel ausgespült (Keimreduktion). Die Impfung ist auch dann noch indiziert, wenn die Bissverletzung schon einige Tage zurückliegt, z. B. nach Rückkehr von einer Urlaubsreise (postexpositionelle Impfung, ▶ Tab. 6.4 ).
Grad der Exposition |
Exposition durch ein Tier* |
Exposition durch einen Tollwut-Impfstoffköder |
Impfschema |
Grad I |
Berühren und Füttern von Tieren, Belecken der intakten Haut |
Berühren von Impfstoffködern bei intakter Haut |
keine Impfung |
Grad II |
oberflächliche, nicht blutende Kratzer durch ein Tier, Belecken der nicht intakten Haut |
Kontakt mit der Impfflüssigkeit eines beschädigten Impfstoffköders mit nicht intakter Haut |
aktive Impfung mit Tollwut-Impfstoff an den Tagen 0, 3, 7, 14, 28** |
Grad III |
Bissverletzung oder Kratzwunde, Kontamination von Schleimhäuten mit Speichel (z. B. durch Lecken, Spritzer) |
Kontamination von Schleimhäuten und frischen Hautverletzungen mit der Impfflüssigkeit eines beschädigten Impfstoffköders |
Simultanimpfung (aktiv und passiv) mit Tollwut-Impfstoff und Tollwut-Immunglobulin* |
* gilt nur bei einem tollwutverdächtigen oder tollwütigen Wild- oder Haustier ** Ausnahmen finden sich bei den Herstellerangaben |
Tollwutgefährdeter Personenkreis Bei beruflich exponierten Personen (Tierärzte, Jäger, Personal von Tollwutlaboratorien) kann eine prophylaktische aktive Impfung sinnvoll sein.
Merke
Ohne Immunisierung führt Tollwut immer zum Tod. Die Letalität liegt bei ungeimpften Personen bei 100 %!
Definition
Gasbrand ist eine bakterielle Infektionskrankheit. Stoffwechselvorgänge des Erregers verursachen eine charakteristische Gasbildung im Gewebe („Gasödem“). Das anaerobe Bakterium sondert ein hochgiftiges Toxin ab, wodurch die Krankheit bei rasch fortschreitender Gewebezerstörung („Brand“) und schweren Allgemeinsymptomen häufig zum Tod führt.
Erreger Erreger sind verschiedene Bakterien, die zu den Clostridien gehören. Am häufigsten findet man Clostridium perfringens. Wie der Tetanuserreger sind die Clostridien zur Sporenbildung fähig und gehören zu den obligaten Anaerobiern. Die Clostridien bzw. ihre Sporen kommen ubiquitär (überall) vor und leben vorwiegend in Erdreich, Straßenstaub und Darm von Mensch und Tier.
Zusatzinfo
Jede mit Erde, Staub oder Fäkalien verunreinigte Wunde ist potenziell gasbrandgefährdet!
Häufigkeit und Prognose In Ländern mit ausreichenden Maßnahmen zur Desinfektion und der Einsatzmöglichkeit von Antibiotika ist Gasbrand selten, in Deutschland ca. 50 Fälle pro Jahr. In Entwicklungsländern tritt Gasbrand häufiger auf. Die Letalität beträgt ca. 50 %.
Eintrittspforte Man findet häufig Clostridien in Wunden, ohne dass sich das klinische Bild einer Gasbrandinfektion entwickelt. Die Wundkontamination führt nur zum Vollbild der Erkrankung, wenn für den anaeroben Erreger günstige Verhältnisse vorliegen. Diese sind gegeben bei stark zertrümmerten Wunden mit ausgedehnten Quetschungen, Nekrosen und ischämischen Bezirken (sauerstoffarmes Milieu). Gasbrand ist nicht ansteckend.
Pathophysiologie Der Erreger bildet diverse Toxine, die zu einer nekrotischen Einschmelzung des Gewebes führen. Durch Stoffwechselvorgänge des Bakteriums entstehen Gase, die eine rasche Ausbreitung des Erregers und seiner Giftstoffe in den aufgeblähten Gewebespalten (Gasödem) begünstigen.
Gelangen genügend Toxine in den Kreislauf, werden alle Organe schwer geschädigt. Der Tod tritt innerhalb von Stunden unter den Zeichen des Herz-Kreislauf-Versagens ein.
Symptome Die Inkubationszeit beträgt 2–4 Tage, kann jedoch zwischen Stunden und Wochen schwanken.
Erste Symptome sind starke Schmerzen im Wundbereich. Es folgt eine massive Schwellung. Durch hämolytischen Zerfall färbt sich die betroffene Muskulatur dunkel bis schwarz ( ▶ Abb. 6.13a). Die Gasbildung kann verschieden stark ausgeprägt sein und ist palpatorisch („Knistern“) und röntgenologisch (Lufteinschlüsse im Gewebe, „Fiederung“) erkennbar ( ▶ Abb. 6.13b).
Innerhalb weniger Stunden kann sich der anfänglich lokal begrenzte Infekt „brandartig“ nach proximal ausdehnen und auf den Rumpf übergreifen, womit die Prognose infaust (hoffnungslos) wird. Allgemeinerscheinungen, verursacht durch die Toxine, sind Schwäche, Erbrechen, Durchfall, Schock.
Abb. 6.13 Gasbrand.
Abb. 6.13a Eine Woche nach Oberschenkelamputation rechts, die Wunde ist eröffnet (Fäden vorzeitig entfernt).
Abb. 6.13b Selber Patient; typische Lufteinschlüsse (Gasbildung) in der Muskulatur des Oberschenkelstumpfs (sog. „Muskelfiederung“).
Therapie Neben der üblichen symptomatischen Behandlung (Schockbekämpfung, Transfusion, Elektrolytausgleich usw.) bei den schweren Krankheitsverläufen umfasst die spezielle Therapie folgende Schwerpunkte:
Chirurgische Wundbehandlung Im Vordergrund steht die frühzeitige, breite Eröffnung der Wunde mit Exzision aller betroffenen nekrotischen Gewebeanteile. Dadurch werden die für den Erreger günstigen anaeroben Lebensbedingungen vermieden. Oft können die Patienten nur durch rasche, offene Amputation der erkrankten Extremität gerettet werden.
Sauerstoff-Überdruckkammer Das Behandlungsprinzip besteht darin, den Krankheitserreger durch Sauerstoff zu schädigen, weil dieser nur in sauerstoffarmer Umgebung gedeiht (obligater Anaerobier). Der an Gasbrand erkrankte Patient wird in eine spezielle Kammer gebracht, wo Sauerstoff unter Überdruck auf ihn und die Wunde einwirkt (hyperbare Sauerstoffbehandlung). Die technischen Voraussetzungen für diese Therapiemöglichkeit sind nur an wenigen Zentren gegeben.
Antibiotika Eine hoch dosierte antibiotische Behandlung erfolgt entsprechend der Austestung (Antibiogramm).
Immunisierung Im Gegensatz zu Tetanus und Tollwut haben Impfungen beim Gasbrand keine nennenswerte Bedeutung erlangt.
Definition
Milzbrand (Anthrax) ist eine Tierkrankheit (Zoonose), kann jedoch auch auf den Menschen übertragen werden.
Erreger und Symptome Erreger ist das sporenbildende Bakterium Bacillus anthracis. Der klassische Infektionsweg durch direkten Kontakt infizierter Weidetiere ist heute selten. Je nach Eintrittspforte entwickelt sich ein Hautmilzbrand mit einer schwarzen Pustel (anthrax, griech.: kohlenschwarz) oder ein Lungenmilzbrand oder ein Darmmilzbrand. Innere Organe können zerstört werden, insbesondere die Milz („Milzbrand“).
Zusatzinfo
Milzbrand als Biowaffe. Die extrem widerstandsfähigen Milzbrandsporen haben als biologischer Kampfstoff Bedeutung erlangt, weil sie sich in Sprengköpfen lagern und als Aerosol großflächig versprühen lassen. Die Infektion des Menschen auf diesem Wege führt zum Lungenmilzbrand mit einer Letalität (ohne Behandlung) von über 50 %.
Therapie Eine sofortige Behandlung mit Antibiotika (z.B. Ciprofloxacin) kann Milzbrand im Frühstadium heilen.
Prophylaxe In Deutschland ist kein Impfstoff verfügbar. Der beim Militär in den USA eingesetzte Impfstoff ist schlecht verträglich. Die Impfung einer großen Bevölkerungsgruppe, auch bei drohendem biologischem Terrorismus, kommt daher kaum infrage.