3 Katzen

Barbara Schneider

3.1 Allgemeines

Katzen sind Patienten, die überaus schwierig im Umgang sein können. Dies liegt zum einen an ihrer wehrhaften Natur, aber auch an ihrer Stressempfindlichkeit. Die Belastung durch einen Tierarztbesuch sollte nicht unterschätzt werden. Katzen können auch noch einige Tage danach ein zum Negativen verändertes Verhalten zeigen ▶ [46]. Diese Stressbelastung für ihre Katze und auch sie selbst ist einer der Gründe, warum Katzenbesitzer laut einer in den USA durchgeführten Studie deutlich seltener mit ihrem Tier zum Tierarzt gehen als beispielsweise Hundehalter ▶ [46].

Gerade in einer Tierarztpraxis oder Tierklinik werden Katzen mit einer Vielzahl von Stressoren konfrontiert ▶ [36]:

Trotz der großen Stressanfälligkeit wird das Verhalten von Katzen in der Tierarztpraxis häufig fehlinterpretiert. Gerade eher subtile Anzeichen für Stress oder Angst ( ▶ Abb. 3.1) werden oftmals übersehen.

Abb. 3.1 Mit dieser Katze soll ein Medical Training durchgeführt werden. Sie fühlt sich sichtlich unwohl (beachte die seitlich gestellten Ohren und das Ignorieren der Futterbelohnung).

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Aus diesen Gründen ist es für das Personal einer tierärztlichen Praxis besonders wichtig, das Normalverhalten von Katzen zu kennen sowie auch deren Körpersprache deuten zu können. Nur mit einem ausreichenden Grundwissen um Normalverhalten und Bedürfnisse ist eine wirklich tierfreundliche Behandlung möglich.

3.1.1 Normalverhalten und Implikationen für die Tierarztpraxis

Im Folgenden werden die für die tierärztliche Praxis relevantesten Verhaltensweisen näher besprochen, sowie die daraus folgenden Empfehlungen für den Umgang mit Katzen.

3.1.1.1 Sozialverhalten

Das Sozialverhalten von Katzen ist komplizierter als früher angenommen wurde. Sie können sowohl Einzelgänger als auch soziale Tiere sein und sind als „fakultativ sozial“ anzusehen. Ob eine Katze eher ein Einzelgänger oder ein soziales Tier ist, hängt hauptsächlich davon ab, wie die Katze aufgewachsen ist ▶ [45]. Vor allem solche Katzen, die in sozialen Gruppen groß geworden sind, verhalten sich im späteren Leben eher sozial. Doch auch eigentlich soziale Katzen können wieder zu Einzelgängern werden: Leben Katzen über einen längeren Zeitraum ohne Kontakt zu anderen Artgenossen, kann die Fähigkeit zum friedlichen sozialen Zusammenleben verkümmern.

Die frühen Erfahrungen bestimmen auch zu einem großen Teil, wie gerne eine Katze mit Menschen zusammen ist. Katzen müssen in der sensiblen Phase der Sozialisierung auf Menschen sozialisiert werden, um diese im späteren Leben als Sozialpartner zu akzeptieren. Diese Sozialisierungsphase beginnt etwa im Alter von vier Wochen und reicht bis in den vierten Lebensmonat hinein. Wenn eine Katze in dieser Zeit zahlreiche positive Kontakte mit einer Vielzahl unterschiedlicher Menschen hat, dann wird sie später deutlich umgänglicher sein.

Hat sie jedoch keine oder aber überwiegend schlechte Erfahrungen mit Menschen in diesem Zeitraum gemacht, dann bleibt die Katze ihnen gegenüber in der Regel scheu und vorsichtig. Solche Katzen zeigen mitunter ausgeprägte Angstaggression gegenüber Tierärzten oder anderen, unbekannten Menschen. Bei diesen Katzen ist es unwahrscheinlich, dass sie sich durch Berührungen oder Streicheln in der Tierarztpraxis beruhigen lassen. Deutlich sinnvoller ist es, ihnen so viel Ruhe wie möglich zukommen zu lassen. Dem Versteckbedürfnis dieser Katzen sollte in besonderem Maße Rechnung getragen werden. Dies kann beispielweise durch einen abgedeckten Katzenkorb, ein mit einem Handtuch verhangenen stationären Käfig etc. geschehen. Das Anbieten spezieller Leckerlis kann im Einzelfall die Kooperation dieser Tiere erhöhen.

Praxistipp

Jegliches Handling von Katzen, die extreme Angstaggression zeigen, sollte immer möglichst schnell (aber nicht hektisch), kurz und effektiv erfolgen.

Häufig empfiehlt es sich, den sogenannten „ ▶ Towel Wrap“ ( ▶ Abb. 3.14), zu verwenden. Dieser vermittelt zum einen der Katze eine gewisse Sicherheit, zum anderen hilft er dem Praxisteam, verletzungsfrei zu bleiben.

3.1.1.2 Verhalten gegenüber anderen Tierarten

Katzen empfinden den Kontakt mit Hunden in der Regel als belastend. Da Hunde auch ganz unterschiedlich auf Katzen reagieren können, ist es das Beste, beide in der Tierarztpraxis voneinander zu trennen. Idealerweise gibt es gut getrennte Wartebereiche für Hunde und Katzen.

Als Raubtiere mit einem äußerst hohen Jagdtrieb müssen Katzen auch von Vögeln und kleinen Heimtieren getrennt gehalten werden. Dies reduziert sowohl den Stress der Beutetiere, als auch die Erregung des Katzenpatienten.

3.1.1.3 Beobachtungs- und Versteckbedürfnis

Katzen haben das Bedürfnis, ihre Umgebung von einem sicheren Ort aus zu beobachten. Das bedeutet, dass sie sich nur dann wohl fühlen, wenn ihnen entsprechende Rückzugsorte zur Verfügung stehen. Daher muss auch in den Boxen im stationären Bereich ein entsprechender Rückzugsort vorhanden sein. Das kann beispielweise der gewohnte Transportkorb sein, der als Höhle dient ( ▶ Abb. 3.2) – unter der Voraussetzung, dass der Käfig insgesamt entsprechend groß ist.

Abb. 3.2 Bei einem stationären Aufenthalt muss Katzen, unabhängig von der Dauer der Unterbringung, eine Rückzugsmöglichkeit zur Verfügung gestellt werden. Am einfachsten geschieht dies mit dem vertrauten Katzenkorb.

(Quelle: Dr. Ilona Backofen, Dietenheim.)

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Zusätzlich kann noch ein Handtuch zur teilweisen Abdeckung des Käfigs verwendet werden, um den Katzen ein größeres Sicherheitsgefühl zu geben.

Da sich Katzen im Allgemeinen sicherer fühlen, wenn sie einen erhöhten Beobachtungsposten innehaben, muss außerdem dafür gesorgt werden, dass sie in höher gelegenen Boxen untergebracht werden und nicht direkt auf Fußbodenhöhe. Auch im Wartezimmer muss dies beachtet werden. Katzenkörbe sollten immer erhöht abgestellt werden, beispielsweise auf dem Schoß des Besitzers. Katzenhalter sind gezielt darauf hinzuweisen.

3.1.1.4 Pheromone und Gerüche

Katzen verfügen über einen ausgeprägten Geruchssinn; u.a. orientieren sie sich mithilfe von Gerüchen und kommunizieren auch olfaktorisch. Dies kann man sich in der Tierarztpraxis zunutze machen. Von verschiedenen Pheromonen, die der innerartlichen Kommunikation von Katzen dienen, gibt es synthetisch hergestellte Varianten zu kaufen. Die Produkte Feliway® und Felifriend® sind dabei für den Tierarzt besonders relevant.

Bei dem Produkt Feliway® handelt es sich laut Hersteller um eine chemische Kopie der F3-Fraktion feliner Gesichtspheromone. Diese Pheromone werden natürlicherweise über spezielle Drüsen im Bereich der Backen und Augen von einer Katze abgegeben. Katzen markieren mit ihnen Bereiche in ihrer Umgebung ( ▶ Abb. 3.3). Dieses geruchliche Markieren hilft den Katzen ihr Territorium zu definieren. Wenn ihre Umgebung nach ihren eigenen Pheromonen riecht, fühlen sich Katzen in der Regel deutlich sicherer.

Abb. 3.3 Diese Katze markiert einen Gegenstand in der ihr bekannten Wohnung mit Gesichtspheromonen der F3-Fraktion.

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Das Produkt Felifriend® repräsentiert die F4-Fraktion der Gesichtspheromone von Katzen. Es fördert vertrauten, freundlichen Geruch und kann in der Tierarztpraxis dazu eingesetzt werden, den Tierarzt freundlich riechen zu lassen. Es sollte auf die Hände des Untersuchers gesprüht werden. Bevor man eine Katze anfasst, muss man allerdings warten, bis sich der chemische Geruch des Sprays verflüchtigt hat. Laut dem Hersteller Ceva wurde dieses Produkt bis auf weiteres eingestellt. Restbestände können aber selbstverständlich noch verwendet werden.

Auch wenn es in Bezug auf Feliway® und Felifriend® Studien gibt, die eine (meist eingeschränkte) Wirksamkeit belegen (u.a. ▶ [40], ▶ [43]), kommen wieder andere Autoren zu dem Schluss, dass eine einmalige Anwendung des Sprays keinen signifikanten Einfluss auf das Verhalten bei tierärztlichen Prozeduren hat (u.a. ▶ [33]). Die Studie von Frank et al. ▶ [37] zeigt zudem sogar, dass im Allgemeinen bei Pheromon-Studien keine ausreichenden Belege für die Wirksamkeit der Produkte gefunden werden. Aufgrund der sich in den meisten Untersuchungen aber zumindest abzeichnenden Tendenz, dass die Pheromon-Sprays hilfreich sind, kann es in der Tierarztpraxis durchaus sinnvoll sein, die genannten Produkte zu verwenden.

Da das Geräusch des Sprühens viele Katzen erschreckt, sollten die Produkte immer in Abwesenheit der Tiere verwendet werden. Eine Ausnahme bildet hier der Feliway®-Zerstäuber für die Steckdose. Dieser kann problemlos kontinuierlich im Behandlungsraum verwendet werden.

3.1.1.5 Sehvermögen

Das Sehvermögen von Katzen ist darauf ausgerichtet, vor allem Bewegungen schnell und gut zu erfassen. Diese Fähigkeit hilft ihnen beim Jagen ihrer Beute, denn Katzen sind überwiegend Sichtjäger. Schnelle Bewegungen, besonders wenn sie für die Katze unerwartet sind, erhöhen daher aber auch die Reaktivität einer Katze ▶ [44]. Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass sich das Praxisteam ruhig und langsam bewegt, wenn es Katzen behandelt.

Da Katzen hervorragend an das Sehen in der Dämmerung angepasst sind, bevorzugen sie gedimmtes Licht. Die Beleuchtung im Behandlungszimmer sollte daher unbedingt dimmbar sein.

Praxistipp

Eine niedrige Lichtintensität hilft erregte Katzen zu beruhigen.

3.1.2 Körpersprache

Katzen können mithilfe ihrer Körpersprache durchaus deutlich kommunizieren. Besonders Angst und Stress lassen sich durch eine genaue Beobachtung oft schon sehr früh erkennen.

Grundsätzlich muss eine Katze immer in ihrer Gesamtheit beobachtet werden, wenn aus körpersprachlichen Signalen auf ihr Befinden geschlossen werden soll. Gerade bei der Bewertung von Angst- und Aggressionsverhalten muss zudem beachtet werden, dass die Übergänge fließend sein können. Katzen können darüber hinaus widersprüchliche Signale senden, indem beispielweise der Vorderköper, der näher an der Gefahr ist, ein „Zurückweichen“ andeutet, während der Hinterkörper eine Angriffswarnung darstellt ▶ [41].

3.1.2.1 Gesicht

Sind die Ohrmuscheln nach vorne gedreht, so drückt das freundliches Interesse, Aufmerksamkeit oder aber auch Anspannung aus – abhängig davon, wie weit die Stirnmuskeln in der Mitte zusammengezogen sind ▶ [41]. Sind die Ohrmuscheln dagegen seitlich gedreht, so ist das ein Zeichen für Angst, Stress, Abwehr- und Fluchtbereitschaft ( ▶ Abb. 3.4).

Abb. 3.4 Der getigerte Kater zeigt deutliche Angstsymptome mit seitlich gestellten Ohren, einem zu einem Buckel gekrümmten Rücken und einem Abwenden von der drohenden Kätzin im Vordergrund.

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Werden aber die Ohren aufgestellt nach hinten gedreht ( ▶ Abb. 3.5), handelt es sich um eine deutliche Angriffs- bzw. Beißdrohung ▶ [41].

Abb. 3.5 Diese Katze zeigt eine deutliche Angriffsdrohung. Beachte die nach hinten gestellte, aber aufrechte Stellung der Ohren.

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Ein Zeichen für Stress kann das Zucken der Ohren sein oder auch eine angespannte Gesichtsmuskulatur ( ▶ Abb. 3.6). Im Einzelfall erscheint bei Letzterer die Mimik so, als würde die Katze die Augenbrauen zusammenziehen. Bei Stress oder Erregung kommt es zudem häufig zu Mydriasis ( ▶ Abb. 3.6).

Abb. 3.6 Milde Stresssymptomatik. Beachte die Mydriasis sowie die angespannte Gesichtsmuskulatur.

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Ein Blinzeln oder ein geradezu betontes Schließen und Öffnen der Augen wird als Beschwichtigungsgeste angesehen oder aber als freundlicher Gruß ▶ [41]. Im Einzelfall hat es auch beruhigende Wirkung auf eine Katze, wenn der Tierarzt oder der Assistent dem Katzenpatienten betont langsam zuzwinkert.

Die Stellung der Schnurrhaare ist ebenfalls aussagekräftig. In Ruhestellung stehen sie seitlich ab und sind wenig gespreizt ▶ [41]. Bei nach vorne gerichteter Aufmerksamkeit und Anspannung sind die Schnurrhaare deutlich nach vorne gerichtet und breit aufgefächert. Sind die Schnurrhaare allerdings schmal nach hinten zusammengelegt, so spricht dies für Scheu und Ängstlichkeit ▶ [41]. Dies ist nicht zu verwechseln mit dem leichten Zurücklegen der Schnurrhaare beim Beschnuppern von Geruchsspuren.

3.1.2.2 Rücken

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Rückenlinie umso gerader ist, je selbstsicherer eine Katze ist. Bei einer angstfreien Angriffsdrohung ist sie sogar nach hinten etwas erhöht ( ▶ Abb. 3.7). Der typische „Katzenbuckel“ ist bei ängstlichen Tieren zu sehen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn eine Angriffsdrohung dazukommt ( ▶ Abb. 3.7).

Abb. 3.7 Körpersprachliche Kommunikation der Katze nach Leyhausen ▶ [41]. Die Angriffsdrohung steigt von links nach rechts, während von oben nach unten die Angst zunimmt. Oben links ist eine entspannte Katze zu sehen. Die Katze ganz links außen zeigt eine freundliche Begrüßung mit erhobenem Schwanz.

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Bei geringer Abwehrbereitschaft herrscht in der Regel eine geduckte Körperhaltung vor. Wenn sich eine ängstliche Katze auf den Rücken oder die Seite rollt ( ▶ Abb. 3.8), dann kann das ein Zeichen für defensive Aggression sein. In dieser Position kann die Katze alle wichtigen Waffen (Krallen und Zähne) optimal zur Abwehr einsetzen.

Abb. 3.8 Defensive Aggression in Seitenlage.

(Zeichnung: Dr. Dorothea Döring, München. Quelle: Schneider B, Ketter D. Verhaltensmedizin bei Hund und Katze. Stuttgart: Schattauer, 2016, S. 321.)

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Merke

Defensive Aggression kann sich auch durch Seiten- oder Halbseitenlage zeigen.

3.1.2.3 Schwanz

Der Schwanz von Katzen ist ebenfalls sehr aussagekräftig. Bei einer freundlichen Annäherung ist er steil in die Höhe gereckt. Eventuell ist das Ende auch abgeknickt und der Schwanz sieht aus wie ein Spazierstock. Ein derart in die Höhe gereckter Schwanz erlaubt eine freundschaftliche Anogenitalkontrolle.

Bei Angst wird der Schwanz dagegen meist eher eng am Körper gehalten und evtl. sogar zwischen den Beinen eingeklemmt ( ▶ Abb. 3.7). Bei einer Angriffsdrohung hingegen hängt er hinten herunter. Mischt sich jedoch Angst in die Angriffsabsichten, so kann der Schwanz auch hochgebogen oder gar senkrecht hochgestreckt werden.

Bei starker Erregung und Angst ist der Schwanz dick aufgeplüscht, ähnlich einer Flaschenbürste.

Schlägt die Katze heftig mit ihrem Schwanz, so ist das ein Zeichen für starke Erregung. In der Tierarztpraxis muss es als Stresssymptomatik gewertet werden. Auch ein „Wedeln“ ist ein Zeichen für Erregung. Diese kann positiv oder negativ sein.

3.1.2.4 Weitere körpersprachliche Stresssymptome

Eine Piloerektion am Körper ist vor allem bei Droh- und Abwehrverhalten zu sehen. Besonders bei Angst ist sie meist deutlich ausgeprägt.

Das angespannte Starren auf ein bestimmtes Objekt kann ein Anzeichen für Stress sein. Auch wenn eine Katze Fluchttendenzen zeigt, ist dies als Stress- und/oder Angstsymptom zu werten. Fluchtversuche können dabei durch hektische Bewegungen deutlich sein oder aber nur darin bestehen, dass sich die Katze dazu bereit macht, vom Behandlungstisch zu springen ( ▶ Abb. 3.9).

Abb. 3.9 Stresssymptom: Katze macht sich bereit vom Behandlungstisch zu springen.

(Quelle: Dr. Ilona Backofen, Dietenheim.)

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Auch bei Katzen kann es zu einem unkontrollierten Harn- und Kotabsatz in Stresssituationen kommen ▶ [45]. Manche Katzen zeigen als Stressreaktion das sogenannte „Freezing“, bei dem Katzen unbeweglich und still sind ▶ [36]. Aber auch Übersprungshandlungen wie (exzessives) Putzen können ein Zeichen für Stress bei Katzen sein ▶ [36].

3.1.3 Vokalisation

Der Vokalisation kommt eine nicht zu unterschätzende Bedeutung in der Kommunikation von Katzen zu. Für das Praxisteam ist es daher sinnvoll, sich mit der Lautgebung von Katzen auszukennen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die „Gesprächigkeit“ individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Manche Katzen vokalisieren sehr viel, andere wiederum sehr wenig. Vor allem bei den sogenannten orientalischen Rassen (z.B. Siam, Burma etc.) sind „gesprächige“ Individuen häufiger zu finden.

Im Folgenden werden einige wichtige Laute vorgestellt.

3.1.3.1 Miauen

Dies ist mit Sicherheit der bekannteste Laut von Katzen. Er ist aber auch derjenige, dessen Bedeutung am meisten umstritten ist. Laut Leyhauen ▶ [41] leitet es sich vom Schrei des verlassenen Jungtieres ab und kann als Ausdruck eines gestörten Empfindens interpretiert werden.

Grundsätzlich kann das Miauen in einer Vielzahl von Situationen gezeigt werden, und auch von der Lautstärke und Tonhöhe sehr unterschiedlich sein. Katzen können zur Begrüßung ebenso miauen wie bei Forderungen oder Störungen der Befindlichkeit.

3.1.3.2 Schnurren

Dabei handelt es sich um ein Geräusch, das im Alltag von Katzen häufig zu hören ist. Generell wird es mit Wohlbefinden und positiven Emotionen assoziiert. Allerdings können Katzen in beinahe jeder Situation schnurren, auch kurz vor dem Tod ▶ [34], ▶ [45]. Das Schnurren kann u.a. als Beschwichtigung interpretiert werden ▶ [41], ▶ [45]. Aus diesem Grund kann es auch in sehr stressbeladenen Situationen in der Tierarztpraxis gezeigt werden. Das Schnurren wird häufig mit dem menschlichen Lächeln verglichen. Auch das Lächeln ist grundsätzlich positiv besetzt, wird aber auch in schwierigen Situationen gezeigt, beispielsweise um Spannungen abzubauen.

3.1.3.3 Fauchen

Hierbei handelt es sich um eine defensive Lautäußerung ▶ [45]. Es ist ein sogenannter stimmloser Laut. Katzen öffnen dabei ihr Maul etwa zur Hälfte. Die Oberlippe wird in die Höhe gezogen und die Zunge zum Gaumen hoch gewölbt ▶ [41]. Die Luft wird so scharf ausgestoßen, dass ein Lufthauch fühlbar ist. Somit wird dabei sowohl ein visueller (Mimik) als auch akustischer und taktiler Reiz gezeigt.

3.1.3.4 Spucken

Das Spucken ist eine – gegenüber dem Fauchen – verstärkte Drohung ▶ [41]. Bei diesem Warnlaut wird die Luft explosionsartig durch die Nase ausgestoßen ▶ [41]. Ähnlich wie das Fauchen wird das Spucken vor allem dann gezeigt, wenn die Katze von einem (vermeintlichen) Feind überrascht wird ▶ [34]. Laut Leyhausen ▶ [41] handelt es sich beim Spucken eher um einen Bluff. Der angedeutete Angriff findet bei weiterer Annäherung meist nicht statt. Vor allem wenn die Katze beim Spucken mit einer oder beiden Vorderpfoten auf den Boden schlägt, ist das Spucken meist abschreckend genug. Dennoch darf man sich niemals darauf verlassen, dass eine spuckende Katze nicht angreift.

3.1.3.5 Knurren

Beim Knurren handelt es sich ebenfalls um einen Drohlaut ▶ [41]. Die Luft wird dabei langsam und stetig ausgestoßen ▶ [34]. Auch bei diesem Laut ändert sich die Mimik der Katze; die Maulwinkel werden hochgezogen ▶ [41]. Knurren drückt im Allgemeinen eine – gegenüber dem Fauchen und Spucken – erhöhte Angriffsbereitschaft aus ▶ [41].

3.1.3.6 Abwehrkreischen

Bei diesem Laut handelt es sich um ein abgewandeltes Miauen. Die zweite Silbe wird dabei scharf betont ▶ [41]. Katzen lassen diesen Laut im Allgemeinen in ärgster Bedrängnis ertönen. In der Tierarztpraxis ist er daher durchaus zu hören. Eine Katze, die Abwehrkreischen zeigt, ist zu defensiver Aggression bereit.

3.1.3.7 Schnattern

Beim Schnattern sind die Mundwinkel weit nach hinten gezogen. Das Maul ist einen Spalt weit geöffnet ▶ [41]. Das Geräusch ist keckernd, schnatternd. Katzen zeigen diese Lautäußerung hauptsächlich dann, wenn sie potenzielle Beutetiere sehen, jedoch nicht zu diesen gelangen können. Ein klassisches Beispiel wäre eine Katze, die durch das geschlossene Fenster einen Vogel beobachtet. Der Laut hat vermutlich keine Mitteilungsfunktion für Artgenossen ▶ [41].

3.1.4 Erkennen von Schmerzen

3.1.4.1 Schmerzmimik

Um eine adäquate Schmerztherapie durchführen zu können, ist es für Tierärzte und das gesamte Praxispersonal essenziell zu erkennen, wann eine Katze unter Schmerzen leidet. In einer Studie von Holden et al. ▶ [38] hatte die Mehrheit der Probanden (im tierärztlichen Bereich tätige Personen) Probleme, Schmerzen bei Katzen sicher zu erkennen. Die Autoren haben daher versucht, eine Art Grimace Scale für Katzen zu entwickeln, wie es sie bereits für ▶ Kaninchen, ▶ Ratten und ▶ Mäuse gibt. Statistisch signifikante Unterschiede in der Mimik bei Katzen mit Schmerzen im Gegensatz zu Katzen ohne Schmerzen gab es bei der Orbita, der Ohrstellung und dem Maul. So werden beispielsweise die Ohren mit zunehmender Schmerzintensität seitlich abgespreizt und nach unten gedreht gehalten. Holden et al. ▶ [38] fanden darüber hinaus, dass sich die Maul-Nasen-Partie bei zunehmenden Schmerzen abflacht bzw. in die Breite zieht.

Die Möglichkeit der Entwicklung einer Grimace Scale wird momentan weiter erforscht. Es bleibt zu hoffen, dass ein solches Mittel zur Erfassung von Schmerzen bei Katzen in naher Zukunft zur Verfügung steht.

3.1.4.2 Weitere Anzeichen für Schmerzen

Da Katzen oftmals nur sehr subtile Schmerzanzeichen zeigen, ist es immer wichtig, die Persönlichkeit und das Temperament der jeweiligen Katze in die Schmerzbewertung mit einzubeziehen. Je besser der Tierarzt das zu behandelnde Tier kennt, umso leichter sollte es ihm fallen, Schmerzen zu erkennen.

Um Schmerzen bei Katzen zu erfassen, sollten zumindest immer die im Folgenden aufgeführten 25 Anzeichen für Schmerzen überprüft werden. Diese Liste ist dabei nur als Ausgangspunkt zu betrachten; sie ist bei weitem nicht erschöpfend. Zudem existieren große individuelle Unterschiede in der Schmerzäußerung bei Katzen.

Praxistipp

Anzeichen für Schmerzen bei Katzen ▶ [42]

Weitere Anzeichen für Schmerzen können beispielsweise Unsauberkeit, Ruhen in der Katzentoilette, Hecheln, Mydriasis oder aber auch Miosis sein.

Schmerztherapie

Eine adäquate Schmerztherapie ist vor allem nach Operationen oder anderen Eingriffen angebracht. Spätestens bei ersten Anzeichen von Schmerzen sollten diese entsprechend therapiert werden. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass bei vielen Katzen das Verhalten nach einer Operation verändert ist, auch wenn sie keine Schmerzen haben. Gerade Rückzug und Verstecken werden beispielweise sehr häufig gezeigt.

Dennoch sollte eine extreme Verhaltensänderung (z.B. von einer sehr freundlichen, dem Praxispersonal zugewandten Katze zu einer apathischen oder aggressiven Katze) nach dem vollständigen Abklingen einer Narkose immer Anlass zu einer Revision der gewählten Schmerztherapie geben.

Um eine gute Nachsorge zu Hause zu gewährleisten, sollten auch Besitzer im Erkennen von Schmerzen bei ihrer Katze geschult werden. Eine gute Möglichkeit ist es, den Besitzern das Merkblatt „Hat meine Katze Schmerzen?“ der ITIS (Initiative tiermedizinische Schmerztherapie) ▶ [39] mitzugeben.

3.2 Vorbereitung auf den Tierarztbesuch

Besitzer müssen klar darauf hingewiesen werden, dass sie einen entscheidenden Einfluss darauf haben, wie belastend der Tierarztbesuch für ihre Katze ist. Idealerweise werden sie bereits vor dem ersten Besuch darüber informiert, wie sie ihr Tier auf die Erlebnisse in der Tierarztpraxis vorbereiten können. Zudem sollten im Wartezimmer oder an der Rezeption der Praxis Handouts zu dem Thema bereit liegen, die sich die Besitzer in Ruhe zu Hause durchlesen können.

3.2.1 Gewöhnung an den Katzenkorb

3.2.1.1 Auswahl einer geeigneten Box

Die Transportbox ist ein wichtiges Hilfsmittel für den Transport von Katzen in die Tierarztpraxis. Sie muss sorgfältig ausgewählt werden, und Katzenbesitzer sollten dabei möglichst schon im Vorfeld unterstützt werden.

Es sind verschiedenste Modelle im Zoofachhandel erhältlich. Doch nicht alle angebotenen Boxen sind auch tatsächlich empfehlenswert. Transportkörbe sollten ein paar wichtige Kriterien zwingend erfüllen.

Praxistipp

Merkmale eines geeigneten Transportkorbes für Katzen ▶ [44]

Eines der wichtigsten Kriterien für eine tierfreundliche Behandlung in der Praxis ist dabei, dass der Transportkorb sich von oben oder rundherum öffnen lässt. Dies erlaubt es dem Tierarzt, die Katze im Unterteil des Transportkorbes oder auf der gewohnten Decke zu untersuchen. Dort fühlen sich vor allem ängstliche Katzen in der Regel deutlich wohler als auf dem Behandlungstisch ( ▶ Abb. 3.10).

Abb. 3.10 Es ist weniger belastend für die Katze, wenn sie während der Untersuchung im vertraut riechenden Unterteil des Transportkorbes sitzen bleiben kann. Beachte, dass hier auch zeitgleich Futter angeboten wird.

(Quelle: Dr. Ilona Backofen, Dietenheim.)

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Zudem müssen auf diese Weise Katzen, die Schmerzen haben, für die initiale Untersuchung nur wenig manipuliert werden.

Ein oben oder rundherum zu öffnender Katzenkorb verringert zudem das Verletzungsrisiko für das Praxispersonal. Ist ein Transportkorb nur vorne geöffnet, muss die Katze mit einer Hand aus dem Korb gezogen werden. Diese frontale Annäherung wird von den meisten Katzen als sehr bedrohlich empfunden ( ▶ Abb. 3.11). Defensive Aggression ist zu erwarten. Aus diesem Grund sind u.a. auch die klassischen, aus Weidenzweigen geflochtenen Katzenkörbe rundweg abzulehnen. Darüber hinaus sind sie nicht hygienisch sauber zu halten und lassen sich in der Regel auch nur umständlich schließen.

Abb. 3.11 Nur vorne geöffneter Katzenkorb. Beachte die deutlichen Stresssignale der untergebrachten Katze (seitlich gedrehte Ohren, Mydriasis, aufgerissene Augen und eingespreizte Pfoten).

(Quelle: Dr. Ilona Backofen, Dietenheim.)

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3.2.1.2 Gewöhnungstraining

Der Transportkorb sollte für Katzen grundsätzlich ein angenehmer Zufluchtsort sein, an dem sie sich gerne aufhalten. Dazu muss eine entsprechende Gewöhnung an die Box erfolgen. Dies kann ein Besitzer auf unterschiedliche Weise erreichen. Die einfachste Möglichkeit ist es in der Regel, dass der Katzenkorb im Rahmen eines ▶ Gewöhnungstrainings mithilfe von Futter oder speziellen Leckerlis positiv besetzt wird.

Auch bei Katzen, die bereits eine Abneigung gegen den Transportkorb entwickelt haben, kann diese Technik erfolgreich eingesetzt werden ( ▶ Abb. 3.12).

Abb. 3.12 Katze mit Abneigung gegen den Transportkorb.

Abb. 3.12a Die Katze nähert sich der Transportbox dennoch, wenn besondere Leckerlis in der Nähe angeboten werden.

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Abb. 3.12b Innerhalb von wenigen Minuten berührt genannte Katze sogar den Transportkorb freiwillig.

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Zeigt die betreffende Katze jedoch eine extreme Abneigung gegen den Transportkorb (z.B. aufgrund negativer Erfahrungen), dann muss mit einer deutlich längeren Trainingsphase gerechnet werden. Der erste Schritt in einem solchen Fall ist das Füttern in der Nähe der Transportbox. Der Abstand muss dabei so groß gewählt werden, dass die Katze entspannt fressen kann. Schritt für Schritt kann der Napf über die nächsten Tage an den Transportkorb angenähert werden.

Eine weitere Möglichkeit den Katzenkorb für die Katze positiv zu gestalten ist es, diesen mit angenehmen Erlebnissen zu verknüpfen. So können beispielsweise Katzen, die Freilauf genießen, jedes einzelne Mal, wenn es nach draußen in den Garten geht, mit dem Katzenkorb hinausgetragen werden. Innerhalb kürzester Zeit werden die Katzen freiwillig in den Korb steigen, wenn sie wissen, dass danach eine schöne Aktivität (z.B. Freilauf) erfolgt.

Auch nach einer erfolgreichen Gewöhnung an die Box müssen die Besitzer dafür sorgen, dass die Transportkiste nicht ausschließlich für den Transport zum Tierarzt zum Einsatz kommt. Sonst kann die positive Verknüpfung schnell wieder verloren gehen.

Zudem muss ein Besitzer auch ausprobieren, ob seine Katze sich besser entspannt, wenn sie durch die Öffnungen des Transportkorbes nach draußen sehen kann, oder ob sie es bevorzugt, wenn die Sicht (z.B. durch ein Tuch) eingeschränkt ist. Je nachdem was der jeweiligen Katze besser gefällt, sollte darauf im Wartezimmer auf jeden Fall Rücksicht genommen werden, um die Belastung für sie zu reduzieren.

3.2.2 Medical Training

Unter Medical Training versteht man ein Training mit Tieren, das der Vorbereitung auf tierärztliche Untersuchungen oder Behandlungen dient. Wenn Katzen dieses Training durchlaufen haben, dann bleiben sie in entsprechenden Situationen entspannter, und es ist weniger Zwang erforderlich.

Beispiele für Prozeduren, die sinnvollerweise geübt werden, sind das Kontrollieren der Ohren, das Öffnen des Mauls, das Kontrollieren von Augen und Krallen sowie das Anfassen an Brustkorb und Bauch.

3.2.2.1 Clickertraining

Clickertraining eignet sich in besonderem Maße für das Medical Training bei Katzen. Beim Clickertraining handelt es sich um eine auf positiver Belohnung basierende instrumentelle Konditionierungstechnik. Es erlaubt eine punktgenaue Belohnung und ist unabhängig von der Stimme des Trainers.

Als Hilfsmittel für dieses Training werden ein Signal (z.B. ein Clicker) und eine gute Belohnung benötigt. Bei Katzen ist es besonders wichtig, einen leisen Clicker und eine ansprechende Belohnung zu verwenden. Für Letztere muss evtl. durchprobiert werden, welches Leckerli der Katze besonders gut schmeckt. Zu beachten ist, dass das Leckerli nicht so „überwältigend fantastisch“ sein darf, dass die Katze sich nicht mehr konzentrieren kann und nur noch Augen für die Belohnung hat.

Im ersten Trainingsschritt muss zunächst der Clicker konditioniert werden, damit die Katze eine positive Verknüpfung mit dem Click-Geräusch aufbaut. Dafür wird geclickt und immer direkt anschließend die individuell ausgesuchte Belohnung gegeben. Dies wird in täglichen Trainingseinheiten so oft wiederholt, bis das Tier verstanden hat, was der Click bedeutet. Das erkennt man u.a. daran, dass die Katze den Clicker erwartungsvoll anschaut oder sich nach dem Click sofort zur Belohnung hin orientiert. Ist dieses Stadium erreicht, kann der Clicker zur Belohnung von erwünschtem Verhalten verwendet werden.

Beim Clickertraining ist akkurates Timing zu beachten. Es wird immer die Verhaltensweise verstärkt, die genau in dem Moment gezeigt wird, in dem der Click erfolgt. Manche Besitzer tun sich schwer damit und benötigen daher eine stärkere Begleitung beim Training.

Sollen komplexe Verhaltensweisen, wie etwa die Blutentnahme am Vorderbein, trainiert werden, dann empfiehlt es sich, dies langsam aufzubauen. In einem ersten Schritt wird dabei beispielsweise das Stillhalten auf dem Tisch belohnt. Wird dies sicher beherrscht, kann das Umlegen einer Stauschlinge trainiert werden. Dies kann evtl. aus einem „High Five!“ heraus trainiert werden, bei dem die Katze die Hand des Besitzers „abklatscht“ – wenn dieses Kommando bereits bekannt ist. Ein möglicher nächster Schritt ist es, Druck auf den Unterarm (Simulation des Stauschlauches) auszuüben und zu belohnen. Der Druck wird dabei ebenfalls schrittweise langsam erhöht.

3.2.2.2 Tabletteneingabe

Das Medical Training bei Katzen sollte auf jeden Fall auch die Gabe von Tabletten beinhalten. Da dies bei vielen Katzen ein größeres Problem darstellt, sollten Besitzer hierauf stets gesondert hingewiesen werden. Zudem müssen sie immer, wenn ihre Katze Tabletten verschrieben bekommt, auch über eine ▶ katzenfreundliche Verabreichung informiert werden. Dies erfolgt am besten sowohl mündlich als auch schriftlich. Können die Besitzer Medikamente gefahrlos und stressarm verabreichen, werden sie dies eher tun, als wenn sie riskieren, gebissen oder gekratzt zu werden.

Besitzer sollten auch das notwendige Handling für die Tabletteneingabe mithilfe von Belohnung durch Leckerli oder mit Clickertraining üben. Die Halter sollten sich dafür mit ihrer Katze entspannt auf den Boden setzen. Die Katze ist dabei idealerweise zwischen den Beinen des Besitzers positioniert und blickt von ihm weg. Die Katze muss für ruhiges Sitzen ausführlich belohnt werden. Es kann sogar ein Kommando für diese Sitzposition eingeführt werden. Wird es beherrscht, dann kann das Halten des Kopfes und das Öffnen des Maules trainiert werden. Langsames Voranschreiten und zeitgerechtes Belohnen sind für einen Erfolg essenziell.

Bei einer „echten“ Tabletteneingabe sollte, wenn möglich, die Tablette mit Butter, Lachspaste o.Ä. bestrichen werden. Auf diese Weise lässt sich die Tablette leichter über den Zungengrund drücken, zudem ist der Geschmack ist für die Katze angenehmer. Ein leichtes Massieren des Halses empfiehlt sich, um den Schluckreflex auszulösen, ebenso wie ein vorsichtiges Geben kleiner Mengen Wasser mithilfe einer Spritze. Anschließend an jede Tabletteneingabe sollte die Katze vom Besitzer noch gestreichelt werden und mit Spiel oder Leckerlis belohnt werden. Idealerweise beschäftigt sich der Besitzer noch so lange direkt mit der Katze, bis diese sich vollkommen beruhigt hat.

Da viele Katzen eine bestimmte Art der Tabletteneingabe (mit dem Futter, eingeschlossen in Leckerlis etc.) nur eine gewisse Zeitlang tolerieren, sollten die Besitzer angeleitet werden, die Geschmacksrichtungen immer wieder einmal abzuwechseln, um das Erlebnis insgesamt so positiv wie möglich zu gestalten.

Weitere Tipps zur Tabletteneingabe für Besitzer finden Sie im entsprechenden ▶ Merkblatt im Anhang.

3.2.3 Der Weg zum Tierarzt

3.2.3.1 Autofahrt

Die meisten Katzen werden mit dem Auto zum Tierarzt gebracht. In der Regel verbringen sie sonst keine Zeit im Auto. Die Mehrzahl der Katzen hat daher eine Aversion gegen Autofahren. Besitzer sollten darauf hingewiesen werden, dass eine ▶ Gewöhnung an die Autofahrt durchaus möglich ist.

3.3 Situationen in der Tierarztpraxis

Der Aufenthalt in der Tierarztpraxis kann für Katzen aus den verschiedensten Gründen problematisch sein. Zum einen handelt es sich um eine höchst ungewöhnliche Situation. Zum anderen verbringen die meisten Katzen nur dann Zeit im Katzenkorb und/oder im Auto, wenn ein Tierarztbesuch ansteht. Daher ist meistens schon die Anreise ein nicht zu unterschätzender Stressfaktor für Katzen, und die Tiere kommen bereits in einem gewissen Erregungszustand in der Praxis an.

Zudem kann Unruhe oder Stress bei einem Tierarztbesuch auch durch körperliches Unwohlsein oder aber durch eine Verknüpfung mit negativen Ereignissen (frühere schmerzhafte Behandlungen etc.) ausgelöst werden. Dessen sollte sich jeder im Praxisteam bewusst sein, bevor ein Katzenpatient behandelt wird. Zusätzlich muss man die besondere Stressempfindlichkeit von Katzen beachten.

3.3.1 Vorbereitung des Behandlungsraumes

Das Behandlungszimmer sollte vor dem Eintritt des Patienten entsprechend vorbereitet sein. Grundsätzlich muss der Behandlungsraum ruhig und das Licht nach Möglichkeit gedämpft sein, um eine ruhige Grundstimmung zu erzeugen. Zusätzlich sollten beispielsweise für verspielte Katzenwelpen Spielzeuge zur Ablenkung zur Verfügung stehen ▶ [44]. Soll dagegen eine ältere Katze untersucht werden, ist es besonders wichtig darauf zu achten, dass das Tier auf einer weichen Oberfläche (z.B. eigenes Handtuch oder Decke aus dem Katzenkorb) sitzen kann ▶ [44]. Sollten Gelenkerkrankungen vorbekannt sein, muss darauf ebenfalls Rücksicht genommen werden.

Alle Gegenstände und Geräte, die voraussichtlich benötigt werden, müssen sich im Behandlungsraum befinden, bevor der Katzenpatient diesen betritt, um unnötiges Öffnen und Schließen von Türen zu vermeiden. Diese Utensilien sollten nach Möglichkeit in Griffweite des Tierarztes und einsatzbereit hergerichtet sein, bevor das Handling der Katze beginnt. Dazu gehört es beispielsweise auch, dass die Spritzen bereits aus ihrer Verpackung genommen wurden ▶ [44].

Zeit ist ein kritischer Faktor in der tierärztlichen Praxis. Dennoch sollte jedem Katzenpatienten Zeit gegeben werden, sich zu beruhigen und sich in Ruhe im Behandlungsraum umzusehen. Je entspannter der Patient ist, desto schneller, unkomplizierter und somit auch zeitsparender kann anschließend die Untersuchung und Behandlung erfolgen.

Idealerweise kann der Katzenkorb geöffnet abgestellt werden, sodass die Katze von sich aus entscheiden kann, wann sie sich sicher genug fühlt, um den Raum zu erkunden. Selbstverständlich muss im Rahmen einer stressarmen Behandlung dafür gesorgt werden, dass die Katze sich in keinen unzugänglichen Winkel zurückziehen kann, aus dem sie nachher mühevoll wieder hervorgelockt werden muss. Der Transportkorb sollte als Rückzugsmöglichkeit jedoch schnell verfügbar sein.

3.3.2 Handling des Patienten

Grundsätzlich muss man sich darüber im Klaren sein, dass Katzen in der Regel mit erhöhter Abwehr auf Zwangsmaßnahmen reagieren. Daher sollten zunächst immer behutsame, sanfte Handling-Methoden ausprobiert werden. Eine Ablenkung mit Futter oder Spielzeug kann hierbei äußerst hilfreich sein.

3.3.2.1 Allgemein

Katzen sollten mit einer ruhigen, freundlichen Stimmlage mit ihrem Namen begrüßt werden ▶ [44]. Die Körpersprache des Tierarztes bzw. des Assistenten sollte dabei durchgehend weich und freundlich sein. Bei Katzenpatienten bietet es sich an, nach dem von Rodan et al. ▶ [44] propagierten Slogan „Slow is fast and fast is slow“ zu arbeiten. Das bedeutet, dass langsame und ruhige Bewegungen eher zum Ziel führen als schnelle und hektische. Insgesamt sollte ein gleichmäßiger, ruhiger Arbeitsrhythmus vorherrschen. Die Arbeitsgeschwindigkeit ist dem jeweiligen Tier individuell anzupassen.

Merke

Langsames, ruhiges Handling resultiert in besseren Ergebnissen und ist somit langfristig gesehen zeitsparend.

Lange, ruhige Atemzüge des behandelnden Tierarztes oder Assistenten können zu einer Beruhigung der Katze führen ▶ [32].

Es ist nach Möglichkeit zu vermeiden, Katzen in die Augen zu starren, da dies als Bedrohung empfunden werden kann. Auch eine direkte Annäherung von vorne kommt für Katzen einer Drohung gleich. Daher sollte der Untersucher immer, wenn möglich, hinter der Katze stehen. Nahezu alle Untersuchungen (außer z.B. mit dem Ophthalmoskop) lassen sich von dieser Position aus durchführen. Diese Position erlaubt es dem Untersucher auch, die Katze sanft gegen den eigenen Bauch zu drücken und auf diese Weise etwas zu fixieren, wenn keine Hilfsperson zum Handling verfügbar ist.

Eine Untersuchung im Unterteil des Transportkorbes und auf der vertrauten Decke ist nach Möglichkeit zu bevorzugen, da diese wenigstens einigermaßen bekannt für die Katze riechen, auch wenn keine spezifische Gewöhnung an den Transportkorb erfolgt ist. Bei besonders ängstlichen Katzen sollte ein Handtuch über das Unterteil gelegt werden, wenn der Deckel abgenommen wird, um dem Tier mehr Sicherheit zu vermitteln. Auch bei ersten Anzeichen von Angstaggression sollte dieser Schritt durchgeführt werden, bevor das Tier mit dem Handtuch gegriffen wird. Wenn eine Untersuchung im Unterteil des Katzenkorbes nicht möglich ist, kann eine Kleintierwaage mit einer entsprechenden Wiegeschale eine gute Alternative darstellen. Durch die leicht erhöhte Position und den Rand der Wiegeschale wird einer Katze ein Minimum an Sicherheit vermittelt. Eine bekannte Decke als Unterlage kann hier zusätzlich hilfreich sein.

Eine Katze sollte nach Möglichkeit nicht aus der Transportbox gezogen oder geschüttelt werden. Idealerweise erhält sie die Möglichkeit selbst zu entscheiden, wann sie die Box verlassen will. Es empfiehlt sich daher beispielsweise, die Anamnese durchzuführen, während die Transportbox geöffnet ist. Sollte eine Katze auch nach längerer Wartezeit keine Anstalten machen die Box zu verlassen, und ist es zwingend notwendig, dass sie diese vollständig verlässt, dann sollte sie mit zwei Händen aus der Transportbox genommen werde. Eine Hand umfasst dabei Brust und Abdomen, die andere Hand umfasst den Nacken- und Schulterbereich von oben. Auf diese Weise kann der Kopf gesichert werden. Insgesamt muss immer mindestens eine Hand an der Katze bleiben, um sie notfalls sichern zu können.

Der Zeigefinger kann als eine Art Begrüßungssignal verwendet werden ▶ [32]. Viele Katzen werden einen ausgestreckten Zeigefinger beschnüffeln und sich evtl. sogar an ihm reiben.

3.3.2.2 Fixieren

Da Katzen sehr schnell in einen äußerst hohen Erregungszustand geraten können und sich meist nur schwer wieder beruhigen, sind erregende Situationen nach Möglichkeit zu vermeiden. Ein sanfter, aber doch sicherer Haltegriff, bei dem auch die Vorderbeine kontrolliert werden können ( ▶ Abb. 3.13), kann hier gut vorbeugend wirken, wenn eine Fixierung notwendig ist.

Abb. 3.13 Ein sanfter, sicherer Haltegriff, bei dem auch die Vorderbeine gesichert sind, kann ein zügiges Handling am besten ermöglichen.

(Quelle: Dr. Ilona Backofen, Dietenheim.)

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Im sogenannten „Dreiergriff“ können die Vorderbeine auch bei erwachsenen Katzen gut und sanft fixiert werden. Die Finger der einen Hand kommen dabei außen und zwischen den Vorderbeinen zu liegen.

Manche Katzen empfinden es als beruhigend, wenn mit der Hand, die Kopf und Schulterbereich fixiert, wippende Bewegungen durchgeführt werden. Auch ein Kraulen oder Massieren der Katze kann beruhigend wirken oder die Katze von unangenehmen Prozeduren oder auch einer normalen Untersuchung ablenken. Dabei ist allerdings darauf zu achten, ausschließlich an Kopf und Nacken zu streicheln, da dies die bevorzugten Stellen für Berührungen sind. Das Anfassen an anderen Stellen kann schnell zu einer hohen Erregung führen.

Es sollte auch vorab abgefragt werden, ob die Katze normalerweise gerne gestreichelt wird oder nicht.

Praxistipp

Bereits erregte Katzen sollten nicht gestreichelt werden, ganz besonders nicht am Rücken!

Towel Wrap

Für viele Katzen ist es angenehmer, wenn man sie in ein weiches Handtuch einwickelt, anstatt sie mit Händen oder Handschuhen zu fixieren. Dies beruhigt selbst wildlebende Streunerkatzen, und hilft auch dem Praxispersonal, verletzungsfrei zu untersuchen. Werden die Bewegungen einer Katze auf diese Weise eingeschränkt, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Katze ruhig sitzen bleibt.

Idealerweise wird für kleine, zarte Katzen ein Friseurhandtuch (ca. 50×100cm) und für große, kräftige Katzen ein Duschtuch (ca. 70×140cm) verwendet. Es gibt eine Reihe verschiedener Methoden für das Wickeln des Handtuchs, je nachdem was untersucht und welcher Effekt erzielt werden soll. Die jeweilige Technik sollte dabei anfangs immer mit einem Stofftier geübt werden, bis die Handgriffe sitzen. Grundsätzlich sollten auch mehrere Handtücher in Griffweite sein, damit die Katze sicher eingewickelt werden kann.

Es ist hilfreich, wenn dem Besitzer erklärt wird, weshalb ein Towel Wrap durchgeführt wird, und wie die Katze davon profitiert. Besonders häufig angewendete Techniken sind der sogenannte „Scarf Wrap“ ( ▶ Abb. 3.14) und auch der „Burrito Wrap“ ( ▶ Abb. 3.15).

Abb. 3.14 Letzter Schritt beim Scarf Wrap: Die zweite Handtuchseite wird um den Körper der Katze geschlagen. Durch diesen Wrap bleibt der Kopf für Untersuchungen zugänglich.

(Quelle: Dr. Ilona Backofen, Dietenheim.)

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Beim Scarf Wrap wird die Katze zunächst auf das Handtuch platziert. Fixiert wird die Katze idealerweise hinter dem Kopf mit Zeige- und Mittelfinger. Beide Finger bilden dabei ein „V“, das den Nacken umschließt. Der Arm liegt auf dem Rücken der Katze und hilft ebenfalls beim Fixieren. Vor der Katze sollten noch ca. 10–15cm Handtuch zur Verfügung stehen und auf der Seite mindestens je 30cm. Dann wird der kurze Handtuchteil vorne wie ein Schal (Scarf) um die Katze gewickelt. Das Handtuch sollte eng anliegen, aber die Luft nicht abschnüren. Dann wird die eine Seite des Handtuchs über den gesamten Körper der Katze gelegt. Nur der Kopf bleibt frei. Das Ende wird ebenfalls wie ein Schal nach vorne und unten um den Hals der Katze gewickelt. Abschließend wird die andere Seite des Handtuchs über die Katze gelegt ( ▶ Abb. 3.14).

Beim Burrito Wrap wird auch der Kopf der Katze mit in das Handtuch eingewickelt. Dies wird von vielen Katzen als angenehm empfunden, da es eine Art Unterschlupf darstellt. Die Katze wird zunächst wieder auf dem Handtuch platziert. Vor dem Kopf der Katze sollte noch so viel Handtuch übrig sein, dass es den Kopf der Katze ganz bedeckt, wenn es umgeklappt wird. Das Vorderteil des Handtuchs wird nun komplett über den Kopf der Katze gelegt. Es ist darauf zu achten, dass das Handtuch locker auf der Nase aufliegt, um der Katze problemlos das Atmen zu ermöglichen. Nun wird die eine Seite des Handtuchs stramm (aber nicht zu stramm) über die Katze gelegt. Dabei muss die fixierende Hand gewechselt werden, sodass wieder oben auf dem Handtuch fixiert wird. Abschließend wird die zweite Seite des Handtuchs über die Katze gelegt. Auch hier muss wieder die fixierende Hand gewechselt werden. Eine Palpation des Abdomens, Zystozentese, Untersuchung des Hinterteils oder auch eine Blutentnahme vom Hinterbein sind mit der „Burrito“-Technik möglich ( ▶ Abb. 3.15).

Abb. 3.15 Katze im „Burrito Wrap“.

Abb. 3.15a Die Katze wird auf dem Handtuch platziert.

(Quelle: Dr. Maria Stobbe, Trittau.)

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Abb. 3.15b Das Vorderteil des Handtuchs wird komplett über den Kopf der Katze gelegt.

(Quelle: Dr. Maria Stobbe, Trittau.)

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Abb. 3.15c Die eine Seite des Handtuchs wird stramm (aber nicht zu stramm) über die Katze gelegt. Dabei wird die fixierende Hand gewechselt, sodass wieder oben auf dem Handtuch fixiert wird.

(Quelle: Dr. Maria Stobbe, Trittau.)

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Abb. 3.15d Abschließend wird die zweite Seite des Handtuchs über die Katze gelegt. Auch hier muss wieder die fixierende Hand gewechselt werden.

(Quelle: Dr. Maria Stobbe, Trittau.)

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Abb. 3.15e Der „Burrito Wrap“ ist fertig.

(Quelle: Dr. Maria Stobbe, Trittau.)

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Abb. 3.15f Jetzt ist beispielsweise eine Palpation des Abdomens möglich.

(Quelle: Dr. Maria Stobbe, Trittau.)

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3.3.2.3 Aufsetzen eines Halskragens

Wenn ein Halskragen notwendig ist, so muss vorab kontrolliert werden, welche Größe und Länge für die jeweilige Katze infrage kommen. Der Halskragen sollte bereits verschlossen und an einem Halsband befestigt sein, bevor er dem Patienten übergestülpt wird. Dies verringert die Zeit deutlich, in der an der Katze manipuliert wird, da nach dem Überstülpen nur noch das Halsband geschlossen werden muss. Gleichzeitig sollte ein Helfer die Katze mit Lachs- oder Vitaminpaste ablenken – vorausgesetzt, die betreffende Katze verträgt und mag diese Leckerlis.

Praxistipp

Weiche Halskrägen sind gegenüber steifen Plastikkrägen nach Möglichkeit zu bevorzugen, da sie im Allgemeinen von Katzen eher akzeptiert werden.

3.3.2.4 Besonders „schwierige“ Katzenpatienten

Auch äußerst schwierige Katzen, wie beispielweise wildlebende Tiere, bleiben in der Regel ruhiger, wenn sie direkt beim Öffnen des Transportkorbes mit einem Handtuch bedeckt werden. Dabei ist auf ruhige, fließende Bewegungen zu achten! Wenn die Katze unter dem Handtuch ist, kann sie mit einer Hand hinter dem Kopf (oben auf dem Handtuch) fixiert werden. Ohne das Handtuch ganz zu entfernen, können dann Auskultation und Palpation von Brustkorb und Abdomen erfolgen. Der Kopf sollte weiterhin bedeckt bleiben, um der Katze ein gewisses Gefühl an Sicherheit zu geben.

Merke

Die häufigste zugrunde liegende Ursache für aggressives Verhalten von Katzen in der Tierarztpraxis ist Angst.

Sicherheitshandschuhe und Maulkörbe für Katzen sollten verwendet werden, wenn es für die Sicherheit der anwesenden Personen unumgänglich ist. Die diesen Gegenständen oft anhaftenden Gerüche anderer Katzen können aber zu einer erhöhten Erregung führen. Ein Katzenmaulkorb kann den Vorteil einer visuellen Einschränkung bieten (ähnlich dem Burrito Wrap), und dadurch im Einzelfall einen beruhigenden Effekt auf die Katze haben.

Anstelle von Sicherheitshandschuhen kann auch eine doppelte Lage Handtücher verwendet werden.

Merke

Die Fixierung in einem Zwangskäfig sollte absoluten Ausnahmefällen vorbehalten bleiben.

Im Einzelfall kann es angebracht sein, einer Katze vor einem Tierarztbesuch oder bereits im Wartezimmer ein Anxiolytikum zu verabreichen, um den Stress für dieses Tier zu reduzieren. Ein Benzodiazepin (Cave: Diazepam kann zu fataler Leberzellnekrose führen) kann hier hilfreich sein. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass Benzodiazepine zu einer Enthemmung bei Aggression führen können.

3.3.2.5 Handling nach der Untersuchung

Im Anschluss an eine nervenaufreibende Behandlung sollte der Katze immer die Möglichkeit gegeben werden sich zu beruhigen ▶ [32]. Auf diese Weise kann einer Aversion gegen die Tierarztpraxis vorgebeugt werden. So sollten beispielsweise – je nach Vorliebe und Temperament der Katze – Streicheleinheiten und Leckerlis verabreicht, oder aber auch nicht invasive, milde Prozeduren abschließend durchgeführt werden. Eine Ausnahmesituation liegt vor, wenn sich die Katze extrem aufgeregt und einen sehr hohen Erregungszustand erreicht hat. Dann sollte sie möglichst schnell wieder in ihre Transportbox verbracht und mit einem Tuch abgedeckt werden. Die Besitzer müssen dann über ▶ sinnvolles weiteres Vorgehen informiert werden.

Praxistipp

Zusammenfassung der wichtigsten Empfehlungen

3.3.3 Stationärer Aufenthalt

3.3.3.1 Stationärer Bereich

Idealerweise gibt es im stationären Bereich ein extra „Katzenzimmer“, in dem Katzen getrennt von Hunden oder kleinen Heimtieren und Vögeln aufgenommen werden können. Zumindest sollten aber andere Katzen und Hunde nicht in Sichtweite untergebracht werden ▶ [36]. Im Katzenbereich kann es sinnvoll sein das Licht zu dimmen, damit sich die Patienten eher beruhigen. Dies ist besonders bei ängstlichen Katzen hilfreich ▶ [36]. Zugleich ist auf möglichst viel Ruhe zu achten.

Wie bereits erwähnt, ist es wichtig, dass Katzen im stationären Bereich ein adäquater, abgedunkelter Rückzugsbereich zur Verfügung steht. Dies kann eine Katzenhöhle oder aber auch der eigene Transportkorb der Katze sein. Eine Decke, die den stationären Käfig ganz oder teilweise verdeckt, ist ebenfalls sinnvoll. Auf individuelle Vorlieben der Katze für Verstecke (Karton, Stoffhöhle etc.) sollte bei der Einrichtung des Käfigs Rücksicht genommen werden.

Zusätzlich muss der Käfig, in dem ein Katzenpatient untergebracht wird, auch noch groß genug sein, um eine Katzentoilette zu beherbergen, die deutlich entfernt von Futter- und Wassernapf gelegen ist. Für die Katzentoilette sollte nach Möglichkeit bekannte Einstreu verwendet werden.

Damit sich die Katze sicherer fühlt, sollten Decken, Kissen etc. von Zuhause in den Käfig gelegt werden. Auch die Fütterung des bekannten Futters von zu Hause (wenn möglich) kann der Katze dabei helfen, mit dem Klinikaufenthalt besser zurechtzukommen.

Idealerweise kann das Klima in jedem einzelnen Stationskäfig individuell angepasst werden. Vor allem sehr junge, sehr alte, sedierte oder schwer erkrankte Katzen profitieren im Allgemeinen von einer höheren Umgebungstemperatur ▶ [36]. Ist eine individuelle Anpassung der Temperatur nicht möglich, kann durch warme, flauschige Katzenhöhlen eine wärmere Zone im Käfig geschaffen werden.

Müssen Katzen für Untersuchungen oder Behandlungen aus dem Käfig entnommen werden, sollte dies ebenfalls immer ruhig und sanft erfolgen. Bei besonders unleidigen oder angriffslustigen Katzen hat es sich bewährt, sie zunächst mit einem Handtuch zu bedecken und dann mithilfe des Handtuchs aus dem Käfig zu nehmen. Wichtig ist dabei, dass die Katze durch das Handtuch hindurch sicher gegriffen wird. Idealerweise fixiert eine Hand hinter dem Kopf im Nacken.

Für soziale, verschmuste Katzen sollte sich das Praxispersonal außerhalb der Behandlungszeiten zusätzlich gesondert Zeit nehmen. In dieser Zeit sollte mit den Patienten gespielt und geschmust werden, je nach Vorliebe der betreffenden Katze ▶ [36]. Diese positiven Interaktionen fördern nicht nur das Wohlbefinden der Katze, sondern auch das des Praxisteams.

Praxistipp

Auch bei stationärem Aufenthalt ist darauf zu achten, dass notwendige Prozeduren möglichst im ruhigsten Teil der Klinik bzw. der Praxis durchgeführt werden. Direkter Kontakt zu anderen Tieren (z.B. im Röntgenbereich) ist strikt zu vermeiden.

3.3.3.2 Operationen

Um eine optimale Erholung nach Operationen zu gewährleisten, muss auch perioperativ das Umfeld auf den Katzenpatienten abgestimmt werden.

Die Katze sollte belastenden Situationen möglichst wenig ausgesetzt werden. Insgesamt sollte der Geräuschpegel niedrig bleiben. Daher ist es beispielsweise wichtig, die Katze an einem ruhigen Ort zu isolieren, bis die Narkose eingeleitet wurde ▶ [36]. Dabei sollte die Katze eine Decke oder ein Spielzeug zur Verfügung haben, dem der vertraute Geruch von Zuhause anhaftet.

Während der Aufwachphase benötigen Katzen eine angenehme Raumtemperatur, eine adäquate Schmerzbehandlung und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ▶ [36]. Auch hier muss wieder auf Ruhe und gedimmtes Licht geachtet werden. Da sich die meisten anästhesiebedingten Todesfälle in der postoperativen Phase ereignen ▶ [35], ist sowieso eine strikte (aber möglichst wenig störende) Überwachung des Patienten notwendig.

3.4 Nach dem Tierarztbesuch

3.4.1 Probleme nach großer Erregung

Katzen können für mehrere Stunden in einem hohen Erregungszustand bleiben. Das bedeutet, dass die Besitzer darauf hingewiesen werden müssen, wenn eine Katze in der Praxis diesen Zustand erreicht hat. Die Besitzer sollten eine solche Katze zu Hause zunächst nur wenn zwingend notwendig und auch dann nur sehr vorsichtig handeln. Idealerweise kann sich die Katze in einem dunklen, ruhigen, katzengerecht eingerichteten Raum (Versteckmöglichkeiten, Futter- und Wassernapf, Kratzbaum und Katzentoiletten) beruhigen, bevor sie wieder Kontakt zu Familienmitgliedern aufnimmt. Gerade bei Katzen mit einer aggressiven Vorgeschichte bzw. bei Katzen, die mit weiteren Katzen oder Hunden in einem Haushalt zusammen leben, muss diese Beruhigungszeit eingehalten werden.

Erst wenn die Katze sich vollkommen beruhigt hat, kann sie wieder normal Zugang zu Mitbewohnern und anderen Zimmern bzw. Freigehege oder Freilauf erhalten. Je nach Katze kann das bis zu 24 oder 48 Stunden dauern ▶ [32].

3.4.2 Probleme durch Nichterkennen

Wohnt der behandelte Patient in einem Mehrkatzenhaushalt, muss der Besitzer darauf hingewiesen werden, dass es Schwierigkeiten bei der Zusammenführung nach einem Tierarztbesuch geben kann. Dies kann besonders dann passieren, wenn die Katze einen stationären Aufenthalt hinter sich hat (eine Nacht oder mehr) oder auch dann, wenn es bereits in der Vergangenheit zu aggressiven Auseinandersetzungen zwischen den Katzen im Haushalt gekommen ist.

Diese Probleme sind hauptsächlich durch den veränderten Geruch bedingt, der der behandelten Katze nach einem Praxisaufenthalt anhaftet. Aber auch wenn die Effekte der Narkose oder Sedierung noch nicht vollständig verflogen sind und sich die Katze anders als normal benimmt, kann es zu Auseinandersetzungen mit den anderen Artgenossen im Haus kommen.

Diese Probleme werden auch oft Aggression aufgrund von „Nichterkennen“ genannt. Wenn es in dieser Situation zu einem Kampf kommt, kann die Beziehung zwischen den Katzen schwer geschädigt werden und eine territoriale Aggression entstehen.

Dieser Art der Aggression zwischen Katzen wird am besten dadurch vorgebeugt, dass Hauskatzen nach einer Trennung solange nicht zusammengeführt werden, bis die Katze, die beim Tierarzt war, sich von der Prozedur völlig erholt hat. Erst dann können beide vorsichtig zusammengebracht werden. Dies sollte man in der Art eines reduzierten Gewöhnungstrainings durchführen. Es muss mit einem Geruchsaustausch begonnen werden. Dazu sollten die zu Hause gebliebenen Katzen mit einem Wattebausch oder Tüchlein an Schläfen und um das Maul herum sanft gestreichelt werden. Mit diesem Tuch wird anschließend die behandelte Katze sanft abgerieben, um den Geruch der heimatlichen Katzengruppe zu übertragen.

Praxistipp

Nach einem stationären Aufenthalt sollte der Besitzer immer eine bekannte Decke oder ein Kissen, das nach Zuhause riecht, in den Transportkorb legen. Dies fördert das Wohlbefinden der behandelten Katze, aber auch den notwendigen Geruchsaustausch im Mehrkatzenhaushalt.

Das erste Zusammentreffen der behandelten Katze mit den zu Hause gebliebenen Katzen muss vom Besitzer sorgfältig überwacht werden. Eine Interaktion darf dabei nicht erzwungen werden. Der Besitzer muss dazu angehalten werden, bei Anzeichen von Aggression die Katzen zu trennen und den behandelnden Tierarzt um Rat zu fragen.

Zusammenfassung

3.5 Literatur

[32] Anseeuw E, Apker C, Ayscue C et al. Handling cats humanely in the veterinary hospital – produced by the behavioral medicine course at the North American Veterinary Conference, Post Graduate Institute (NAVC PGI), 2005. J Vet Behav 2006; 1: 84–88

[33] Bakker E. The use of Felifriend and Feliway spray for the clinical examination of cats. Faculty of Veterinary Medicine Master Thesis, Utrecht University, 2014. Im Internet: https://dspace.library.uu.nl/handle/1874/301361; letzter Zugriff: 23.08.2017

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[41] Leyhausen P. Katzenseele – Wesen und Sozialverhalten. Stuttgart: Kosmos Verlag, 2005

[42] Merola I, Mills D. Behavioural signs of pain in cats: an expert consensus. PloS one 2016; 11 (2): e0150040. Im Internet: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0150040; letzter Zugriff: 23.08.2017

[43] Pereira J, Fragoso S, Beck A et al. Improving the feline veterinary consultation: the usefulness of Feliway spray in reducing cats‘ stress. J Feline Med Surg 2016; 18: 959–964

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[45] Schär R. Die Hauskatze – Lebensweise und Ansprüche. Stuttgart: Ulmer Verlag, 2003

[46] Volk J, Felsted K, Thomas J et al. Executive summary of the Bayer veterinary care usage study. J Am Vet Med Assoc 2011; 238: 1275–1282