Nachbereitung

Der Intimbereich des Patienten muss gesäubert und abgetrocknet werden. Nach dem Ausziehen der Schutzhandschuhe muss eine Händedesinfektion vorgenommen werden. Der Patient wird unterstützt, eine wunsch- bzw. krankheitsbedingte Position einzunehmen. Der Arbeitsplatz wird aufgeräumt, die Urinprobe beschriftet und mit Befundanforderungsschein zum Labor gegeben. Die Harnmenge ist ggf. zu dokumentieren, ebenso wie Kathetertyp, Größe in Charrière, Ballonfüllung sowie das voraussichtliche Wechseldatum.

Komplikationen

Die Fülle möglicher Komplikationen verdeutlicht, dass die Indikation für einen Blasenverweilkatheter streng zu stellen ist und täglich überprüft werden muss.

Läsion der Harnröhrenschleimhaut, Urethritis (Harnröhrenentzündung) Durch den Vorschub des Katheters können kleine Verletzungen des Harnröhrenurothels entstehen, die Eintrittspforten für Mikroorganismen darstellen. Sie können durch reichlichen Gebrauch von Gleitmittel unter möglichst geringem Druck, insbesondere beim Mann reduziert werden. Gleitmittel wirkt lumenweitend, läsionsreduzierend und desinfizierend.

Prävention und Gesundheitsförderung

Bei kompletter Querschnittlähmung sollte auf einen lokalanästhetischen Zusatz verzichtet werden; über das venöse Geflecht der Schleimhaut besteht im Verletzungsfall die Gefahr übermäßiger Resorption. Es wird lebenslang ein Medikament auf der Schleimhaut angewendet; das kann zu Schäden führen, z.B. besteht die Gefahr der Allergisierung.

Katheterisieren beim Mann.

Abb. 14.12 a Eichel und Harnröhrenöffnung desinfizieren, b Gleitmittel instillieren, c Penis strecken, Katheter einführen und vorschieben, d zur Überwindung des Widerstands am Sphincter externus Penis senken.

Katheterisieren beim Mann.

Katheterisieren bei der Frau.

Abb. 14.13 a Gegend um Harnröhrenöffnung von Symphyse zum Anus hin desinfizieren, b Katheter in Harnröhre einführen.

Katheterisieren bei der Frau.

Drucknekrosen Durch den Druck des Verweilkatheters können Drucknekrosen in Harnröhre und Blase entstehen.

Harnwegsinfektionen Nosokomiale Harnwegsinfektionen gehören mit einem Anteil von 23,2% zu den häufigsten nosokomialen Infektionen (Behnke 2013).

Bereits bei der Katheteranlage werden Erreger der urethralen Keimflora in die Harnblase eingebracht. Unmittelbar nach der Anlage des Katheters bildet sich sowohl auf der äußeren als auch auf der inneren Oberfläche eine zunächst noch sterile organische Schicht, auf der sich Bakterien ansiedeln und vermehren können. Mit zunehmender Liegedauer nimmt das Risiko von Harnwegsinfektionen zu, z.B. durch den Keimaufstieg entlang der ▶ Katheteraußenfläche (mukopurulente Schleimstraße) aus der periurethralen Flora des Patienten. Die Innenseite des Katheters wird dagegen oft durch Kontamination bei Diskonnektion des geschlossenen Kathetersystems bakteriell besiedelt. Der Harnabfluss ist aufgrund der Katheterkonstruktion nicht restharnfrei möglich, Infektionen werden begünstigt.

Merke

Da ein liegender Blasenkatheter ein zentraler Risikofaktor für eine nosokomiale Harnwegsinfektion ist, gilt es unnötige „Kathetertage“ unbedingt zu vermeiden!

Harnröhrenstrikturen Durch Inkrustationen am Katheter kann beim Entfernen des Katheters die Harnröhre verletzt werden. Inkrustationen werden durch Infektionen und die Verschiebung des pH-Wertes des Urins in den alkalischen Bereich begünstigt. Die Verletzungen fördern die Folgekomplikation Harnröhrenstriktur, d. h. das Entstehen von Engstellen im Harnröhrenlumen durch Vernarbungen.

Epididymitis Sekret aus der Samenblase kann aufgrund des Blasenkatheters nicht ablaufen, wodurch es zu einer Entzündung des Nebenhodens kommen kann. Hierbei gelangen die Keime entlang des Samenleiters in den Nebenhoden.

Paraphimose (spanischer Kragen) Darunter versteht man eine Einklemmung der zurückgestreiften Vorhaut hinter der Eichel (Glans). Es bildet sich ein Schnürring, der zu einer ödematösen Schwellung und Durchblutungsstörung der Glans führt. Im Extremfall kann eine Glansnekrose entstehen. Daher muss nach der Kathetereinlage beim Mann die Vorhaut unbedingt wieder über die Eichel gezogen werden.

Notfall Harnverhalt Bei chronischem Harnverhalt (Ischurie, Harnsperre) kann die Blase mehrere Liter (!) Urin enthalten. Das Blasendach ist dann bis unter dem Nabel tastbar. Notwendig ist eine schnellstmögliche Entlastung durch Katheterismus. Im Notfall erfolgt dies i. d. R. transurethral, bei Nichtgelingen der Katheterpassage und unauffälligem Gerinnungsstatus suprapubisch. Es existieren unterschiedliche Empfehlungen zur Vorgehensweise:

Handeln Sie nach Arztanordnung!

Zusammenfassend gilt, dass es zur Prävention von Harnwegsinfektionen noch viel Forschungsbedarf gibt. Das betrifft die Evidenz als auch neue Ansätze. Neben allgemeinen Verbesserungen bezüglich der Basishygiene gelten aktuell als entscheidende Präventionsmaßnahmen:

14.3.2.7 Legen eines suprapubischen Blasenverweilkatheters

Definition

Beim Legen eines suprapubischen Blasenverweilkatheters wird die Harnblase durch die Bauchdecke punktiert. Die Punktionsstelle befindet sich 1 – 2 Querfinger oberhalb der Schambeinkante in der Mittellinie. Synonyme sind: suprapubische Blasenpunktionsfistel, suprapubische Drainage, suprapubischer Blasendauerkatheter, perkutane suprapubische Blasenpunktion, Zystostomie.

Indikation und Kontraindikation

Indikationen für einen suprapubischen Blasenverweilkatheter sind:

Kontraindikationen sind z. B. Schwangerschaft, Verletzungen im kleinen Becken, Adipositas, Zustand nach Unterbauchoperationen (Narbe am Unterbauch), Gerinnungsstörungen, akutes Abdomen, Harnblasentumor, Tumoren im Abdominalbereich.

Aktuell kann nicht beurteilt werden, ob die Anlage bei Patienten, die dauerhaft auf eine Harnableitung angewiesen sind, infektionspräventiv ist. Zur Schonung der Harnröhre ist jedoch der suprapubische Katheter einer absehbaren Langzeitkatheterisierung über die Harnröhre vorzuziehen (Martius 2015).

Vorbereitung

Material Auf der mit 70 %igem Alkohol desinfizierten Arbeitsfläche wird Folgendes gerichtet:

Material für den ausführenden Arzt:

Suprapubisches Punktionsbesteck zur Blasendrainage.

Abb. 14.14 

(Foto: P. Blåfield, Thieme)

Suprapubisches Punktionsbesteck zur Blasendrainage.

Patient Die Punktion erfolgt durch den Arzt unter folgenden Voraussetzungen:

Durch ein Mindestfüllvolumen der Blase von 350 ml sollen Fehlpunktionen in das Peritoneum vermieden werden. Durch eine Sonografie kann der Füllungszustand der Blase ermittelt werden. Der Patient trinkt 500 – 1000 ml oder erhält eine Infusion. Bis zum Eingriff darf er keinen Urin lassen. Bei liegendem transurethralem Verweilkatheter kann die Blasenfüllung bei normaler Nierenfunktion durch einmaliges, mehrstündiges Abklemmen des Katheters erreicht werden. Kann ein Patient den Druck bei liegendem transurethralem Katheter nicht akzeptieren, ist es möglich, die Blase nach Gabe eines Spasmolytikums transurethral aufzufüllen.

Durchführung

An der Punktionsstelle werden die Haare gekürzt, die Haut desinfiziert (Einwirkzeit!) und mit einem Lochtuch abdeckt sowie lokal betäubt. Der Katheter wird in den Trokar eingeführt und mit einem geschlossenen Harnableitungssystem verbunden. Dann führt der Arzt die Punktion und das Einführen des Katheters mit selbstaufrollender Spitze (= pig tail) durch. Der Trokar wird zurückgezogen und gespalten und der Katheter durch Blockung in der Blase fixiert ( ▶ Abb. 14.15). Eine Hautnaht und/oder Verband stellt sicher, dass der Katheter senkrecht aus dem Gewebe herausgeführt wird.

Anlage eines suprapubischen Blasenverweilkatheters.

Abb. 14.15 a Einführen, b Spalten des Trokars.

Anlage eines suprapubischen Blasenverweilkatheters.

Prävention und Gesundheitsförderung

Wird der Katheter ausreichend mechanisch fixiert, werden unnötige Scheuerbewegungen und dadurch hervorgerufene Infektionen verhindert.

Nachbereitung

Beobachtung Harnausscheidung und Kreislauf müssen kontrolliert werden. Weiterhin muss auf Punktionskomplikationen wie Blutung (Makrohämaturie) und Symptome einer Peritonitis geachtet werden.

Verbandwechsel Der erste Verbandwechsel erfolgt nach 72 Std., wenn der Verband bis dahin intakt ist. Täglich wird das Gewebe durch den intakten Verband palpiert. Bei Schmerzen wird der Verband gelöst und die Punktionsstelle kontrolliert. Fehlen Entzündungszeichen, erfolgt der Wechsel des Kompressenverbandes alle 2 Tage, bei Folienverbänden einmal pro Woche. Beim Verbandwechsel wird die Einstichstelle mit alkoholischem Hautdesinfektionsmittel desinfiziert.

Häusliche Pflege im Fokus

Erfolgt die Pflege des Patienten zu Hause oder im Alten- und Pflegeheim, kann bei reizloser und granulierter Einstichstelle (etwa 2 – 4 Wochen nach Neuanlage) lediglich ein kleines Pflaster zum Abdecken verwendet werden. Die Einstichstelle kann aber auch offen gelassen werden (Sitzmann 2007).

Bei Patienten, die das Bewegungsbad benutzen sollen, hat es sich bewährt, einen Folienverband (z.B. Tegaderm) in Sandwichtechnik anzulegen, bei dem der Katheter zwischen 2 Folienverbänden platziert wird.

Komplikationen

Folgende Komplikationen können auftreten:

14.3.2.8 Pflege bei liegendem Blasenverweilkatheter

Intimpflege

Neben der ▶ Intimpflege sind bei transurethralem oder suprapubischem Blasenkatheter besondere pflegerische und infektionspräventive Maßnahmen wichtig.

Waschungen Prinzipiell ist eine regelmäßige Perinealhygiene (im Bereich des Dammes), insbesondere nach dem Stuhlgang, wichtig, da die Keime von hier kommen (perineal). Dazu sind Trinkwasser und Seifenlotion ohne Zusatz antiseptischer Substanzen angebracht. Auch meatusnahe Katheterinkrustationen des aus der Harnröhre austretenden Sekrets sind vom Katheter schonend zu entfernen. Dabei sollten mehrere saubere wassergetränkte Mullkompressen genutzt werden. Zug am Katheter ist immer zu vermeiden.

Merke

Besonderheit bei der Frau: Kontaminationen des Verweilkatheters mit Stuhl werden mit sterilen Kompressen und Schleimhautantiseptikum (Einwirkzeit beachten) beseitigt. Die Strichrichtung ist immer nach peripher. Die Reinigung geschieht sowohl beim Waschen wie auch beim Spülen nach dem Prinzip „von innen nach außen“ oder vom körpernahen zum körperfernen Ende des Katheters hin.

Umgang mit dem Harnableitungssystem

Zur hygienischen Sicherheit müssen folgende 5 Regeln beachtet werden:

Korrektes Aufhängen des Katheterbeutels.

Abb. 14.16 Keine Abknickungen, Beutel unter Blasenniveau und stetes Abfließen des Urins müssen gewährleistet sein.

(Foto: W. Krüper, Thieme)

Korrektes Aufhängen des Katheterbeutels.

Beinbeutel Mobile Patienten können in Klinik und ambulanter Pflege mit einem Urinbeinbeutel versorgt werden. Hier gelten Ausnahmen von der prinzipiellen Diskonnektionseinschränkung. Doch sollen die Maßnahmen zu Desinfektion und Asepsis beachtet werden:

Bei diesen Systemen handelt es sich jedoch nicht mehr um ein geschlossenes System. Die Beutel haben keine Tropfkammer zur Verhinderung des Keimaufstiegs, sodass ein täglicher Wechsel aus hygienischer Sicht angebracht ist. Nachts verbleibt der Beinbeutel am Bein. Zusätzlich wird am Auslass des Beinbeutels ein Bettbeutel angeschlossen. Dieser ermöglicht größere Bewegungsfreiheit. Eine solche Kombination ist auch aus hygienischer Sicht zu bevorzugen, da die Verbindung zum Katheter nicht ständig unterbrochen werden muss.

Prävention und Gesundheitsförderung

Grundsätzlich gelten zum korrekten infektionspräventiven Umgang die gleichen Bedingungen wie bei einem geschlossenen System (u. a. nicht über Blasenniveau tragen, freier Urinfluss).

Auch für mobile, mit transurethralem Verweilkatheter versorgte Betroffene gilt, dass diese Katheter nicht „abgestöpselt“ werden dürfen.

14.3.2.9 Wechseln des Katheters

Wechselintervalle Blasenverweilkatheter sollen nicht routinemäßig in festen Intervallen gewechselt werden, sondern individuell bei Bedarf (z.B. Inkrustation, Funktionseinschränkung durch Obstruktion [Verlegung, Verstopfung], Verschmutzung, trüber Urin mit Harnsalzen). Es ist nicht angebracht, bei der Übernahme eines Patienten mit Urinkatheter aus einem Pflegeheim den Katheter zu wechseln. Es sollte jedoch immer angestrebt werden, die Verweildauer zu reduzieren.

Transurethraler Katheter Die Liegedauer ist sowohl von den Materialeigenschaften des Katheters als auch von Faktoren wie Diurese, Infektionen und der daraus resultierenden Inkrustationsneigung und Verschmutzung abhängig. Sie ist also individuell zu bestimmen. Bei katheterassoziierten Harnwegsinfektionen sind Bakterien beteiligt, die eine spezifische Affinität zur Katheteroberfläche haben. Sie bilden einen Biofilm, der gegenüber Antibiotika nur geringfügig empfindlich ist. Bei jedem Wechsel ist der Katheter auf Anlagerungen am Katheterauge zu beobachten. Fehlen sie, kann bei weiterer Indikationsüberprüfung und sorgfältiger Urinbeobachtung das Wechselintervall verlängert werden. Die ▶ Anlage einer suprapubischen Drainage ist immer in Erwägung zu ziehen.

Suprapubischer Katheter Wenn der Katheter noch erforderlich ist, erfolgt der erste Wechsel nach ca. 4 Wochen. Weitere Wechsel sind nach etwa 4 – 8 Wochen ratsam.

14.3.2.10 Entfernen des Katheters

Zum Entfernen eines transurethralen Verweilkatheters empfiehlt sich folgendes Vorgehen:

Merke

Lässt sich der Ballon nicht entblocken, muss ein (Fach-)Arzt hinzugezogen werden. Keine selbstständigen Manipulationen vornehmen!

Keinesfalls sollte vor Entfernen eines transurethralen Katheters ein intermittierendes Abklemmen des Katheters im Sinne eines „Blasentrainings“ erfolgen, da dies Infektionen begünstigt. Um die Fähigkeit zur Spontanmiktion bei liegendem suprapubischem Blasenkatheter zu überprüfen, kann ein kurzfristiges Abklemmen des Katheters sinnvoll sein, z. B. nach einer transurethralen Prostataresektion oder nach einer ▶ vaginalen Hysterektomie. Die durch den liegenden Katheter „geschrumpfte“ Blasenmuskulatur dehnt sich nach einiger Zeit wieder zu ursprünglichem Füllvolumen.

14.3.2.11 Blasenspülung und Blaseninstillation

Definition

Als Blasenspülung bzw. Blaseninstillation bezeichnet man das sterile Einbringen einer Lösung mittels Blasenspritze (Instillation) oder Spülsystem (Blasenspülung) durch einen Blasenverweilkatheter in die Harnblase.

Man unterscheidet:

Indikation und Kontraindikation

Blasenspülungen werden nur zur Therapie, nicht routinemäßig oder zur Prophylaxe vorgenommen. Indikationen, die zu einer ärztlichen Anweisung der Blasenspülung führen, sind

Infektionen werden durch Spülungen verschlimmert (durch die Diskonnektion gelangen z.B. Klinikkeime [Keimverschleppung] in die Blase). Manuelle Spülungen mit unkontrollierbarem, intravesikalem Druck gefährden verstärkt die Blasenschleimhaut durch Bildung eines fremdkörperbedingten entzündlichen Ödems.

Praxistipp

Häufigste Ursache einer plötzlichen „Anurie“ ist ein abgeknickter oder verstopfter Katheter. Es empfiehlt sich, zunächst den Katheter zu kontrollieren und zu begradigen oder eventuell mit NaCl 0,9 % anzuspülen.

Bei Blaseninstillationen werden Medikamente in die Blase eingebracht (z.B. antifungale Medikamente bei Pilzinfektion oder zytostatische Therapeutika).

Theoretische Grundlagen

Bei erheblicher Makrohämaturie (sichtbares Blut im Urin) können sich zähe Gerinnsel im Urin bilden, die den Blasenausgang verlegen und einen Harnverhalt verursachen können. Bei einer Blasentamponade kann die gesamte Blase mit Blutgerinnseln gefüllt sein. Die Patienten klagen über stärkste Unterbauchschmerzen und Harndrang. Um die Koagula und evtl. Sedimente komplikationsfrei aus der Blase zu entfernen, ist ein transurethraler Katheterismus mit einem großlumigen, relativ starren Katheter erforderlich, über den sie ausgespült werden. Ein zu weicher Katheter ist ungeeignet, da er kollabiert, wenn man die Koagel mit einer Blasenspritze ansaugt. Nach Abschluss der Evakuation (Absaugung von Blutgerinnseln) der Blase wird oft über einen 3-lumigen Spülkatheter ( ▶ Abb. 14.17) eine Blasendauerspülung angeschlossen.

Dreilumiger Spülkatheter.

Abb. 14.17 

Dreilumiger Spülkatheter.

Vorbereitung Blasenspülung

Material Bei bereits liegendem Blasenkatheter wird folgendes Material benötigt:

Durchführung von Instillationen

Es ist nicht angebracht, Instillation von antiseptischen oder antimikrobiellen Substanzen in das Harndrainagesystem zur Behandlung oder Prävention katheterassoziierter Infektionen vorzunehmen.

Werden Medikamente aus anderen Indikationen in die Blase eingebracht, z.B. als antifungales Medikament bei Pilzinfektion oder zytostatische Therapeutika, entspricht die Vorgehensweise zur Applikation den Fachinformationen (Beipackzettel).

Durchführung der offenen Spülung

Es handelt sich um wiederholte, intermittierende Applikationen kleiner Mengen Spülflüssigkeit mit einer großen Blasenspritze über den Blasenverweilkatheter. Da hier das geschlossene System unterbrochen wird, besteht immer die Gefahr der Einschleppung von Mikroorganismen. Ein aseptisches Vorgehen ist deshalb sehr wichtig. Aus der Blasenfunktion (normales Volumen der Blase 250 – 500 ml, bei 350 ml Inhalt entsteht Harndrang) ergibt sich, dass eine Blasenspülung mit nicht mehr als ca. 120 ml Flüssigkeit durchzuführen ist, um die Wandmuskulatur nicht zur Kontraktion zu reizen. Der Ablauf umfasst:

Durchführung der geschlossenen Spülung

Die Spülung erfolgt über ein geschlossenes System durch den Anschluss an einen 3-Wege-Spülkatheter. Die Spülung selbst ist intermittierend oder permanent. Der Vorteil dieser Spülmethode liegt im Aufrechterhalten eines geschlossenen Systems (Schutz vor Infektionen).

Permanente Spülung Der 3-Wege-Spülkatheter ermöglicht eine kontinuierliche Blasenspülung mit größeren Flüssigkeitsmengen. Das gewährleistet eine optimale Flüssigkeitsdurchspülung der Blase. Von der Blase wird die Spülflüssigkeit über den abführenden Schenkel in den Sammelbeutel abgeleitet. Die bei der permanenten Spülung entstehenden großen Flüssigkeitsmengen erfordern spezielle Urinsammelbeutel mit großem Fassungsvermögen (5 l). Die Entleerungsintervalle sind reduziert. Vor allem nach Operationen ist es wichtig, dass Blutkoagel zuverlässig in den Spülbeutel abtransportiert werden. Der Drainageschlauch muss bei großem Innenlumen über hohe Knickstabilität verfügen.

Praxistipp

Die kurzfristige Bilanzierung der ein- und auslaufenden Menge ist wichtig: Eine nicht bemerkte Abflussbehinderung führt sehr schnell zu Schädigungen durch Überfüllung der Blase bzw. Überhöhung des intravesikalen Drucks.

Intermittierende Spülung Sie ermöglicht die komplette Benetzung des Blasenhohlraumes durch das Spülmedium unter physiologischen Bedingungen. Von Bedeutung sind Einlaufmenge, Geschwindigkeit und Verweildauer der Spülflüssigkeit. Der Ablauf umfasst folgende Schritte:

Nachbereitung

Nach der Spülung müssen die Verbindungsstücke von Katheter und Beutelsystem desinfiziert und wieder angeschlossen werden. Farbe und Beimengungen der Spülflüssigkeit sowie die Spülmenge müssen dokumentiert werden.

14.4 Urin – Gesundheitsförderung, Beratungsaspekte und Patienteninformation

Um Gesundheitsressourcen und -potenziale eines Patienten zu stärken, muss er über gesundheitsfördernde Maßnahmen und Aktivitäten informiert und beraten werden.

Wesentlich ist es, dem Patienten ein Verständnis der physiologischen Verhältnisse und der Risiken von Infektionen der Harnwege zu vermitteln. Durch die im Folgenden beschriebenen Maßnahmen kann der Patient aktiv das Risiko für Harnwegsinfekte reduzieren.

Die Förderung der Harnkontinenz stärkt das Selbstwertgefühl vieler Betroffener und lässt sie sorgloser am sozialen Leben teilhaben.

14.4.1 Prävention katheterassoziierter Infektionen der Harnwege

Das Harnsystem ist im gesunden Zustand keimfrei. Es ist z.B. gegen aufsteigende Infektionen geschützt durch

In den meisten Fällen (>80%) treten nosokomiale Harnwegsinfektionen (CAUTI) in Verbindung mit einem liegenden Urindauerkatheter auf (Schulz-Stübner 2015). Der intermittierende Katheterismus weist geringere Infektionsraten auf als der transurethrale Blasenverweilkatheterismus, da retrogrades (rückläufiges) Keimwandern nicht möglich ist. Weiterhin haben patientenbezogene Faktoren Einfluss auf die Entstehung einer Harnwegsinfektion.

14.4.1.1 Patientenbezogene Faktoren

Patientenbezogene Infektionsquellen sind die keimbesiedelte Perianalregion (in der Umgebung des Afters), der Genitalbereich, der Unterbauch (Schambehaarung) und die Hände. Von Bedeutung sind auch Grunderkrankung, Geschlecht und Alter.

Merke

Die Mehrzahl der Mikroorganismen stammen vom Patienten selbst (endogene Darm- und Hautkeime) oder werden exogen aus dem Hospitalmilieu im Urogenitalbereich angesiedelt.

Grunderkrankung Die Grunderkrankung (z.B. Schwere eines Diabetes mellitus, Polytrauma, Niereninsuffizienz, Immunsuppression) wirkt sich auf die Entstehung einer Harnwegsinfektion aus.

Geschlecht Frauen haben eine höhere Infektionsrate. Ihre Harnröhre ist kürzer (2,5 – 4 cm gegenüber etwa 25 cm beim Mann) und Mikroorganismen können die Harnblase somit besser erreichen. Die Harnröhre der Frau ist zeitweise über die gesamte Länge bis zum Schließmuskel der Blase bakteriell besiedelt, während sich die Besiedelung beim Mann auf das erste (distale) Drittel beschränkt. Zwangsläufig werden diese Keime mit dem Katheter auch bei Einhaltung aseptischer Technik in die Blase verschleppt.

Alter Über 65-Jährige haben die höchsten Infektionsraten. Die Infektabwehrmöglichkeiten sind im Alter reduziert. Altersbedingte Einschränkungen finden wir im Organgebiet Haut, Magen-Darm-Trakt, Harntrakt, Mobilität u. a.

Merke

Grundsätzlich sollte jeder HWI behandelt werden, nicht jedoch jede asymptomatische Bakteriurie (außer während der Schwangerschaft!).

14.4.2 Präventive hygienische Maßnahmen/Hygieneziele

Folgende Maßnahmen spielen bei der Prävention einer HWI eine wesentliche Rolle:

In ▶ Tab. 14.4  sind Präventionsempfehlungen aufgelistet, die aus den Empfehlungen der KRINKO (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim RKI) aus den wichtigsten Risikofaktoren und physiologischen Verhältnissen abgeleitet wurden.

Tab. 14.4 Auswahl pflegerischer Prävention blasenkatheterassoziierter Infektionen (nach Martius 2015; Sitzmann 2007, 2012, 2015).

empfohlene Maßnahmen

unnötige/nicht empfohlene Maßnahmen

Indikation

  • einmaliger oder intermittierender Katheterismus

  • suprapubischer Verweilkatheter

  • transurethrale Verweilkatheter >5 Tage

Material

  • Vollsilikon

  • silikonisiertes Latex

  • hydrogelbeschichtetes Latex

  • Latex (>5 Tage)

Kathetersystem

  • Katheterset verwenden

  • den Maßen der Harnröhrenöffnung angepasster Katheterdurchmesser

  • adäquate Länge (Frauen: kürzere Katheter)

  • >18 Ch (außer bei speziellen Indikationen)

Einlage

  • als aseptischer Eingriff mit Händedesinfektion vor und nach jeder Manipulation

  • sachkundige Non-Touch-Technik

  • reichlicher Gebrauch von Gleitmittel

  • in Klinik nicht aseptisches Vorgehen

Ableitungssystem

  • sterile, geschlossene Harnableitungssysteme

  • Urinbeutel immer unter Blasenniveau oder kurzfristig abklemmen

  • intermittierendes Abklemmen („Blasentraining“)

  • Urinbeutel über Blasenniveau (z.B. bei mobilen Patienten und Umlagerung)

Urinentnahme zur Diagnose

  • aseptische Urinentnahme aus Probeentnahmestelle nach alkoholischer Desinfektion

  • Entnahme aus Beutelreservoir

  • bakteriologische Harnuntersuchung bei Patienten mit Katheter nur bei klinischer Symptomatik, vor Operationen am Harntrakt oder aus epidemiologischen Gründen

  • Urindiagnostik in bestimmten Zeitrhythmen; meist nur Nachweis der Systembesiedlung

Leeren des Urinbeutels

  • Schutzschürze tragen

  • Schutzhandschuhe

  • Diskonnektion vermeiden

  • sterile Handschuhe

  • Diskonnektion

  • Ablassstutzen des Beutels nach Entleerung desinfizieren

Rekonnektion

  • bei versehentlicher Diskonnektion nur unter aseptischen Bedingungen nach alkoholischer Sprüh- und Wischdesinfektion von Katheter und Konus des Drainageschlauchs

  • bei versehentlicher Diskonnektion Systeme verwerfen

Intimpflege

  • nicht sterile Handschuhe benutzen

  • Richtung der Reinigung immer vom Harnröhreneingang weg

  • täglich 1 – 2-mal Waschen des Meatus mit Seife ohne Zusatz von Antiseptika, sorgfältig mit klarem Wasser nachwaschen

  • Entfernen von Verkrustungen mit Wasser und wassergetränkten Kompressen

  • Antiseptika bei fäkaler Verschmutzung

  • Vorhaut wieder über die Eichel schieben

  • routinemäßige Anwendung antiseptischer Lösungen oder Salben

  • täglich Antiseptika bei Intimtoilette nutzen

  • routinemäßige, „infektionspräventive“ Blasenspülung oder -instillation

Liegedauer Katheter

  • individualisierte Intervalle: abhängig von Materialeigenschaften des Katheters und Faktoren wie Diurese, Infekt, daraus resultierender Inkrustationsneigung und Verschmutzung

  • Verweildauer reduzieren und täglich Indikation prüfen

  • Anlage suprapubischer Katheter bedenken

  • routinemäßiger Katheter- oder Beutelwechsel

Nutzungsdauer Urinbeutel

  • beim Katheterwechsel erneuern

  • bei unbeabsichtigter Diskonnektion erneuern, dazu Katheterpavillon mit alkoholischem Spray desinfizieren

Praxistipp

Bedenken Sie, dass chronische Infekte Auswirkungen auf das Wohlbefinden und den körperlichen Zustand haben. Wird z.B. zur besseren Abheilung eines Dekubitalgeschwürs ein Blasenverweilkatheter gelegt, muss man sich bewusst sein, dass der provozierte chronische Infekt die Wundheilung verschlechtern kann.

Verhalten bei Harnwegsinfekt Der Keimaufstieg entlang der Katheteraußenfläche fördert Harnwegsinfektionen (HWI), die mit sensorischer Drangsymptomatik und ungehemmten Blasenkontraktionen, d. h. Schmerzen und urethralem Harnfluss, verbunden sind. Oft müssen trotz liegenden Katheters zusätzliche Einlagen genutzt werden. Katheter mit größerem Kaliber sind aber keinesfalls angebracht, da die stärkere Blockung die Drangsymptomatik noch verschlimmert. Richtig ist dagegen, die Indikation für den transurethralen Katheter zu prüfen, eine suprapubische Harndrainage zu initiieren oder den Reiz in Blase und Harnröhre zu verringern, indem ein kleinerer Katheter mit minimaler Blockung gelegt wird ( ▶ Abb. 14.18). Dadurch wird auch der Restharn reduziert.

Reizverringerung durch minimale Katheterblockung.

Abb. 14.18 Eine komplette Entleerung der Blase ist durch den Harnblasenkatheter nicht mehr gewährleistet. Urin sammelt sich um den am Blasenboden liegenden Ballon zur Blockung. Die für den Patienten sehr unangenehme sensorische Drangsymptomatik mit Blasenkontraktion und urethralem Harnfluss verstärkt sich durch Katheter mit größerer Blockung.

Reizverringerung durch minimale Katheterblockung.

14.4.3 Pflegerische Unterstützung physiologischer Fähigkeiten unseres Immunsystems

Um den Erkrankungsrisiken zu begegnen, kommt es darauf an, die physiologischen Fähigkeiten unseres Immunsystems zu unterstützen und Keimen durch pflegerische Therapien entgegenzuwirken. Durch Anwenden verschiedener Prinzipien der Prävention (Pflege, Selbstbehandlung sowie Verhaltensempfehlungen) kann ein Großteil der Betroffenen mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen infektfrei werden.

Wärme Wärme ist vielleicht am wichtigsten und unterstützt Prophylaxe und Heilung. Wenn z.B. im Frühjahr die ersten warmen Sonnenstrahlen locken, die Luft aber noch kalt ist und man sich nicht mehr warm genug anzieht und auch noch auf kalte Steine setzt, besteht ein höheres Infektionsrisiko. Ganz wichtig ist, nasse Kleidung sofort zu wechseln, z.B. nach dem Schwimmen. Wärme schützt vor Unterkühlung und steigert so die körpereigenen Abwehrkräfte bei Patienten mit Blasenverweilkatheter oder bei bestehendem Infekt. Warmes Einpacken hilft auch dem Katheterträger: z.B., indem auch im Bett eine Unterhose getragen wird, kalte Füße vermieden sowie warme Strümpfe oder Socken bei der Mobilisation und der Patientenbeförderung zu Untersuchungen o.Ä. angezogen werden und zur Nacht eine Eukalyptusöl-Blasenkompresse angelegt wird.

Intimpflege Durch eine übermäßige, gut gemeinte Intimhygiene kann die normale Hautflora gestört werden, wodurch es zu einer Fehlbesiedlung mit potenziell krank machenden Keimen kommen kann. Meist reicht zur üblichen Körperhygiene fließendes Wasser. Es sollten keine Intimsprays, Deos, aggressive Seifen und chemische Verhütungsmittel eingesetzt werden. Nur bei Trägern transurethraler Katheter werden Wasser und Seife verwendet und Seifenreste gründlich abgespült.

Nichtantibiotische Möglichkeiten zur Rezidivprophylaxe Der Einsatz von Probiotika, Cranberry-Produkten (behindern im Urin die Adhäsion der Fimbrien von E.-coli-Keimen am Urothel), die Gabe von 2 g Mannose täglich (D-Mannose ist eine Zuckerart) sowie Phytotherapeutika wie Senföl aus Kapuzinerkresse und Meerrettichwurzel (Angocin) stellen wichtige Behandlungsoptionen dar, die bereits im klinischen Alltag zur Verfügung stehen (Bauer/Bessler 2016).

Geschlechtsbedingte Infektionsrisiken reduzieren Diese können z.B. durch die richtige Toilettenhygiene reduziert werden. Beim Toilettengang muss darauf geachtet werden, dass das Abputzen nicht vom After zur Harnröhre hin, sondern in umgekehrter Richtung durchgeführt wird. Bei jungen Frauen ist der Geschlechtsverkehr ein häufiger Auslöser für einen Harnwegsinfekt („Honeymoon-Zystitis“). Denn beim Verkehr werden Keime aus der Scheide durch die Harnröhre in die Blase hochgeschoben.

Viel trinken Das gilt auch vor und nach dem Geschlechtsverkehr. Ausreichend Flüssigkeit spült die Blase und Bakterien werden so ausgeschwemmt. Insbesondere beim Vorliegen von Miktionsbeschwerden trinken die Betroffenen eher ungern. Es sollte keine extreme Flüssigkeitszufuhr empfohlen, aber auf eine unbedingt ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Damit können angemessene Harnproduktion und Miktionsfrequenz beeinflusst werden.

Praxistipp

Nicht alle Getränke, die man mag, sind auch sinnvoll. Zitrusfrüchte z.B. reizen die Blase und führen zu einer Verstärkung der Beschwerden. Auch der Genuss von Kaffee oder Alkohol schadet eher, wenn man eine akute Blasenentzündung hat. Gut hingegen sind Mineralwasser oder Apfelschorle. Zum Trinken von Blasen- und Nierentee mit Gemischen von Heilpflanzenextrakten aus Birkenblättern, Queckenwurzelstock, Goldrutenkraut, Hauhechelwurzel, Süßholzwurzel, Tausendgüldenkraut, Liebstöckel und Rosmarin existiert ein sehr reichhaltiger Erfahrungsschatz zur Rezidivprophylaxe bei Harnwegsinfekten (Uehleke 2014). Sie wirken speziell wassertreibend und desinfizierend. Wer keine Zeit hat, sich seinen Tee mit frischen Kräutern und kochendem Wasser aufzubrühen, für den gibt es auch eine praktische Lösung mit fertigen Nieren- und Blasentees aus der Apotheke.

Weiterhin unterstützend wirken folgende Maßnahmen:

Bei der Selbstbehandlung ist ein Arztbesuch dann erforderlich, wenn der Urin blutig ist und zusätzlich Schmerzen in der Rückengegend auftreten. Im ungünstigsten Fall wandern die Keime von den Harnleitern über die Blase bis in die Niere und es kommt zur Nierenbeckenentzündung.

Man sollte auch dann einen Facharzt aufsuchen, wenn nach Selbstbehandlung innerhalb von 2 – 3 Tagen trotz Wärme und vielen Trinkens die Beschwerden nicht besser geworden sind.

14.4.4 Intermittierender Katheterismus

Wird ein Katheter zum Zweck der vollständigen Blasenentleerung eingeführt und anschließend entfernt, spricht man von der intermittierenden Einmalkatheterisierung. Laut KRINKO ist sie die komplikationsärmste ableitende Urininkontinenzversorgung (Martius 2015).

Der häufigste Grund für den intermittierenden Katheterismus ist eine partielle oder vollständige Querschnittlähmung. Sie kann traumatisch bedingt, krankheitsbedingt, aber auch angeboren sein, etwa bei Spina bifida, einer Fehlbildung des Rückenmarks. Bei Patienten mit Rückenmarksverletzungen gehört die intermittierende Einmalkatheterisierung heute zum Standard der Versorgung.

Fallbeispiel

Es ist jetzt 7 Jahre her, als sich für Tim Müller von einem Moment auf den anderen das gesamte Leben änderte. Er war mit 4 Freunden auf einem Motorradausflug in der Eifel unterwegs. Mitte April hatte die Motorradsaison gerade erst begonnen. Die Bilder, die er vom Unfallhergang im Kopf hat, erzählten ihm seine Freunde, von denen er es immer wieder von Neuem hören wollte. Er selbst hat keine Erinnerung an die unübersichtliche Kurve und den Lkw, der aus einer Seitenstraße einbog.

Jetzt ist er 33 und lebt seitdem, abgesehen von den vielen Krankenhausaufenthalten, zu Hause bei seinen Eltern. Er katheterisiert seine Blase selbst. Das macht er seit der Schulung während des Aufenthalts im Querschnittzentrum im Abstand von 4 – 5 Stunden. Trotzdem hat er häufiger Harnwegsinfekte, denn in der Blase befinden sich Verwachsungen und Narben, die die Abflussstörung verstärken. Das sind Folgen der transurethralen Dauerkatheterisierung, die man bei ihm während seines ersten Aufenthalts aus Unkenntnis durchführte.

14.4.4.1 Intermittierender Selbstkatheterismus (ISK)

Definition

Selbstkatheterismus bedeutet, dass Patienten sich in Intervallen selbst die Blase katheterisieren. Diese Technik wurde 1954 von Sir Ludwig Guttmann erstmals beschrieben und 1972 von Lapides weiter propagiert.

Indikation und Kontraindikation

Bei funktioneller (neurogener) Harnblasenentleerungsstörung oder myogener chronischer Restharnbildung in der Blase von Querschnittgelähmten ist es in vielen Fällen möglich, dem Betroffenen eine Dauerableitung zu ersparen. Dafür muss vorausgesetzt werden,

Als Kontraindikationen gelten Harnröhren- oder Blasenverletzung (Blutung aus der Harnröhre, Hämaturie) und Harnröhrenstriktur.

Vorteile des intermittierenden Selbstkatheterismus

Vorteile des intermittierenden Selbstkatheterismus (ISK) im Vergleich zum Blasenverweilkatheter sind

Man unterscheidet in der Klinik den aseptischen intermittierenden Fremdkatheterismus (vom Pflegenden durchgeführt) vom aseptischen intermittierenden Selbstkatheterismus (vom Patienten durchgeführt) sowie im häuslichen Bereich den sauberen intermittierenden Selbstkatheterismus („clean intermittent catherisation“ CIC).

Lebensphase Kind

Katheterisieren

Ein fließender Übergang der verschiedenen Formen des Katheterisierens wird heute bei Kindern mit Spina bifida realisiert: Sie werden von Geburt an intermittierend katheterisiert, ab einem Alter von 6–8 Jahren können sie dann selbst das Katheterisieren erlernen (Beetz 2015).

Intermittierender Katheterismus im klinischen Bereich

In der Klinik mit ihrer typischen Hospitalkeimflora, die eine eher krank machende Potenz hat und oft resistent gegen Antibiotika ist, gibt es keine Alternative zum aseptischen Katheterismus. Der von Mitarbeitern ausgeführte Katheterismus (aseptischer intermittierender Fremdkatheterismus) soll sich in seiner hygienischen Durchführung nicht vom ISK des Patienten während der klinischen Anleitungs- und Einübungsphase unterscheiden. Eine hygienische Händedesinfektion sollen katheterisierender Patient oder Mitarbeiter gleichermaßen vornehmen, da sie eine wesentlich höhere Wirksamkeit hat als das Waschen der Hände. Die reinigende Waschung des Genitals mit Intimwaschlotion 2-mal täglich im Rahmen der Körperpflege wird genauso befürwortet wie die jeweils antiseptische Behandlung der Harnröhrenöffnung samt umgebender Schleimhaut mit sterilen Tupfern und Desinfektionsmittel (Sitzmann 1998).

Intermittierender Katheterismus im häuslichen Bereich

Zwischen dem in der Klinik ausgeführten aseptischen Fremd- oder Selbstkatheterismus und dem ISK im häuslichen Umfeld dürfen sich hygienische Unterschiede entwickeln. Sie sollen von den Pflegenden im klinischen Übungsprogramm gegenüber dem Patienten auch vermittelt werden. Eine gefährliche Praxis darf man sich jedoch nicht angewöhnen. Ohne hygienische Probleme kann auf

Unentbehrliche Anforderungen des ISK im häuslichen Bereich sind

Merke

Selbst bei Gesunden sind die vorderen Anteile der Harnröhre bakteriell mit Keimen der Haut von Damm, Schamlippen und Penis besiedelt. Da bei neurogenen Blasenfunktionsstörungen zudem die spülende Reinigung der Harnröhre durch den Harnstrahl entfällt, können immer wiederkehrende Harnwegsinfekte mit Komplikationen die Folge sein.

Zeigen sich im weiteren Verlauf des ISK keine individuellen Infektionsprobleme und erfolgte eine Arztabsprache, kann im häuslichen Milieu am ehesten auf die antiseptische Behandlung der Harnröhrenschleimhaut verzichtet werden. Patienten, z.B. mit altersbedingter pergamentartig dünner und juckender Schleimhaut, können so möglichen schädigenden Einflüssen der antiseptischen Chemie begegnen.

Der ISK muss dem aktuellen und individuellen Trinkverhalten angepasst werden. Sehr positiv wirkt sich das Einüben von Regelmäßigkeit beim ISK aus, da die Verweildauer des Urins in der Blase reduziert wird. Das durch instabile Speicherfunktion und unausgeglichene Blasenentleerung vorhandene Infektionsrisiko wird dadurch erheblich reduziert.

Spezialkatheter

Prinzipiell werden Spezialkatheterarten unterschieden:

Diese Spezialkatheter haben weiche Spitzen mit abgerundeten Katheteraugen, die eine Verletzung von Harnröhre und Blase verhindern.

14.4.4.2 Anleiten zum intermittierenden Selbstkatheterismus

Vorbereitung

Anleitungsschritte Katheterismus Die Anleitung der Patientin zum intermittierenden aseptischen Einmalkatheterismus muss in mehreren Lernschritten erfolgen. Dazu gehört Folgendes:

Selbstkatheterismus der Frau im Sitzen.

Abb. 14.19 

Selbstkatheterismus der Frau im Sitzen.

Material Folgendes Material wird benötigt:

Für die Frau existieren nur 7 cm lange, hydrophil beschichtete Einmalkatheter (Speedi Cath Compact). Sie können diskret benutzt werden.

Durchführung

Die Durchführung umfasst Folgendes:

Merke

Der Blasenkatheter muss leicht und ohne Krafteinwirkung vorgeschoben werden. Trifft die Katheterspitze auf Widerstand oder tritt eine Harnröhrenblutung auf, darf der Katheter nicht weiter vorgeschoben werden.

Nachbereitung

Der Urinbeutel wird gesichert und mitsamt dem Einmalmaterial in den Abfall gegeben. Der Intimbereich wird mit einem Einmalwaschlappen gewaschen und getrocknet. Bei Bedarf wird beim Anziehen und beim Einnehmen einer anderen Körperposition unterstützt. Das Patientenzimmer wird aufgeräumt, der Müllbeutel gewechselt und das Material für den nächsten Katheterismus aufgefüllt. Abschließend werden Restharnmenge und besondere Beobachtungen dokumentiert (Sitzmann 1998).

14.4.5 Förderung der Harnkontinenz in der Pflege

Elke Kuno

14.4.5.1 Grundlagen zur Förderung der Harnkontinenz

Die Fähigkeit, seine Ausscheidung willkürlich zu kontrollieren, wird für den erwachsenen Menschen als selbstverständlich vorausgesetzt, Kontinenz wird im gesellschaftlichen Kontext als „normal“ angesehen. Kontinenz wird im Laufe der kindlichen Entwicklung erlernt. An die körperliche Entwicklung ist innerpsychisch die von Autonomie geknüpft.

Inkontinenz hat immer etwas mit Scham zu tun. Sie führt zu psychischer und sozialer Verunsicherung. Die Betroffenen büßen an Selbstwertgefühl ein und können sich in ihrem ▶ Frau- bzw. Mannsein infrage gestellt fühlen. Studien zeigen, dass Menschen mit Inkontinenz dazu neigen, ihre Probleme zu verheimlichen. Sie haben Angst, nicht mehr als erwachsene Person angesehen zu werden. Zu Beginn auftretender Kontinenzprobleme sind die Auswirkungen auf das Selbstbild und die Angst vor möglicher Stigmatisierung und negativen Reaktionen des sozialen Umfelds besonders ausgeprägt (Ahnis 2008, Hayder u. Schnepp 2009, Hayder-Beichel 2013, Gitschel et al. 2013).

Fallbeispiel

Frau Bäcker äußert dies so: „Ich habe Angst, dass es von anderen bemerkt wird, dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollen, ich sage es nicht mal meiner besten Freundin.“ Oder Frau Cornelsen erzählt: „Beim Einkaufen habe ich Angst, dass es vielleicht jemand sieht oder riecht. Ich gehe zwar vorher zur Toilette, aber wissen Sie, im Dorf ist das schwierig.“

Die Erfahrungen zeigen, dass es eine Vielzahl von Empfindungen von Betroffenen zur Inkontinenz gibt. Wie andere Personen, die an einer chronischen Krankheit oder Behinderung leiden, versuchen sie z. B. die Inkontinenz zu leugnen, sie hadern mit sich, entwickeln Schuldgefühle und Aggressionen gegen sich selbst, fühlen sich hilflos und verzweifelt (Ahnis 2008, Hayder-Beichel 2013).

Harninkontinenz ist ein weit verbreitetes Phänomen, das in allen Altersstufen auftreten kann. Das Risiko steigt mit zunehmendem Lebensalter, statistisch gesehen überwiegen Frauen und ältere Menschen beiderlei Geschlechts (DNQP 2014). Das Risiko der Inkontinenz steigt zwar mit zunehmendem Lebensalter, aber alt werden heißt nicht zwingend, inkontinent zu werden.

Im Rahmen der evidenzbasierten Pflege orientiert sich dieses Kapitel an der 1. Aktualisierung des Nationalen Expertenstandards „Förderung der Harnkontinenz in der Pflege“ (DNQP 2014).

Merke

Die Standardaussage heißt: „Bei jedem Patienten/Bewohner wird die Harnkontinenz erhalten oder gefördert. Identifizierte Harninkontinenz wird beseitigt, weitestgehend reduziert bzw. kompensiert.“

Im Expertenstandard wird u. a. dargestellt, wie Kontinenzprobleme zu erkennen und zu behandeln sind. Pflegefachkräfte haben dabei als Teil des interdisziplinären Teams folgende Aufgaben:

Kontinenzförderung ist eine zentrale pflegerische Aufgabe. Um beraten zu können, brauchen Pflegende entsprechendes Fachwissen. Sie müssen eine positive Einstellung gegenüber den Betroffenen und Fingerspitzengefühl haben, um auf die psychischen und sozialen Probleme einzugehen. Als übergeordnete Ziele sind stets das individuell höchstmögliche Maß an Kontinenz mit größtmöglicher Selbstständigkeit und psychosozialer Sicherheit anzustreben.

Definition

Die fachliche Auseinandersetzung mit Kontinenz/Inkontinenz orientiert sich an folgenden Definitionen (DNQP 2014):

  • Kontinenz ist die Fähigkeit, willkürlich zur passenden Zeit an einem geeigneten Ort die Blase oder den Darm zu entleeren.

  • Kontinenz beinhaltet auch die Fähigkeit, Bedürfnisse zu kommunizieren, um Hilfestellungen zu erhalten, wenn Einschränkungen beim selbstständigen Toilettengang vorliegen (Royle u. Walsh, zit. n. Getliffe and Dolman 1997).

  • Inkontinenz ist jeglicher unfreiwillige Urinverlust (Abrams et al. 2002a).

  • Nach NANDA (2003) ist „funktionelle Inkontinenz“ die Unfähigkeit eines normalerweise kontinenten Menschen, die Toilette rechtzeitig zu erreichen. Diese liegt dann vor, wenn die Kognition und/oder die Mobilität eingeschränkt sind, jedoch keine Störung am Urogenitaltrakt vorliegt (Resnick 1995).

14.4.5.2 Initiale Einschätzung der Kontinenzsituation

Nachdem Harninkontinenz zu den gesellschaftlich tabuisierten Themen gehört und die Betroffenen oft nicht darüber sprechen, ist es wichtig, dass Pflegende die Personen mit Risikofaktoren und ggf. mit bereits bestehenden Anzeichen von Harninkontinenz frühzeitig erkennen (DNQP 2014). Pflegende, unabhängig vom Setting, sollen nach dem Expertenstandard jeweils bei Beginn eines pflegerischen Auftrags die Risikofaktoren und Anzeichen für eine Inkontinenz erheben.

Risikofaktoren Folgende Risikofaktoren begünstigen das Auftreten von Harninkontinenz (DNQP 2014):

Einschätzung erster Anzeichen Pflegende müssen bei der Erhebung sensibel und an der individuellen Situation orientiert vorgehen. Nicht jeder Patient/Bewohner kann schambesetzte Fragen ohne Weiteres beantworten, deshalb sollten Pflegende auf Hinweise und spezielles Verhalten achten wie z. B. Urinflecken in der Bettwäsche oder Kleidung, Uringeruch, „heimlicher“ Gebrauch von Vorlagen, ständige Benützung von Damenbinden, Verstecken von Unterwäsche und Ablehnung von Hilfestellung bei der Körper- und Intimpflege.

Pflegende können durch entsprechendes Verhalten dem Patienten/Bewohner die Situation erleichtern:

Im Expertenstandard werden folgende initiale Fragen empfohlen, sie müssen je nach Patient/Bewohner individuell formuliert werden (DNQP 2014):

Verändert sich die gesundheitliche Situation des Patienten/Bewohners, muss die Einschätzung wiederholt werden.

14.4.5.3 Differenzierte Einschätzung

Eine differenzierte Einschätzung dient der systematischen Erfassung des Kontinenzproblems. Dazu setzt die Pflegende entsprechende Instrumente zielgerichtet ein. Dazu gehören:

ausführliche Anamnese mit körperlicher Inspektion (z. B. Körpergewicht, Auffälligkeiten im Genitalbereich, Trinkverhalten, Stuhlgewohnheiten, Symptome, Medikamente, bisher erfolgte Therapien, Erwartungen an Behandlung, Auswirkungen auf die Lebenssituation)

Tab. 14.5 Häufige Risikofaktoren, ihre Folgen und Pflegeangebote.

Risikofaktoren

mögliche Folgen

Pflegeangebote in Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen

physiologische Altersveränderungen:

  • abnehmende Kontraktionskraft des Blasenmuskels

  • Östrogenmangel bei Frauen mit atrophischer Urethritis u. Kolpitis

  • Vergrößerung der Prostata

  • Gefahr der Restharnbildung

  • pH-Wert-Veränderungen in der Vagina, Gefühl der Trockenheitsgefühl in der Scheide, Berührungs-empfindlichkeit der Scheidenschleimhaut, Kontaktblutungen

  • vermehrter Harndrang

  • Pressen beim Wasserlassen

  • Gefühl der nicht vollständig entleerten Blase

  • Miktionsvolumen erfassen

  • Restharn in Absprache mit dem Arzt überprüfen (Ultraschall)

  • Inspektion des Genitale durchführen, Gefühl der Scheidentrockenheit erfragen, evtl. pH in der Vagina messen, Patientinnen über die Veränderung informieren, evtl. bei der lokalen Anwendung von Östrogenen mithelfen

  • Patienten über mögliche Veränderungen informieren, auf ärztliche Abklärung hinweisen

Belastung des Beckenbodens (z. B. durch Schwangerschaft/Entbindung, Adipositas)

  • unzureichender Blasenverschluss

  • Betroffene über die Funktion des Beckenbodens beim Blasenverschluss informieren

  • Beckenbodentraining durch Physiotherapie anregen

  • richtiges Heben u. Tragen in Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten schulen

  • zur Gewichtsreduktion beraten

Obstipation (Verstopfung)

  • verstärkter Harndrang

  • Obstipation erfassen, Maßnahmen zur Obstipationsbehandlung und -prophylaxe einleiten

  • Betroffene über die Zusammenhänge informieren

akuter, symptomatischer Harnwegsinfekt

  • verstärkter Harndrang

  • verringerte Toleranzzeit

  • Urin beobachten (Miktionsfrequenz, Geruch, Beimengungen usw.)

  • Patienten informieren (z.B. Brennen, Schmerzen beim Wasserlassen, verstärkter Harndrang)

  • zur verstärkten Flüssigkeitszufuhr anregen

eingeschränkte Funktion der unteren Extremität (Gehen, Aufstehen, Hinsetzen)

  • zeitaufwendiger Toilettengang

  • verlängertes Zeitintervall zwischen Wahrnehmen des Harndrangs und willkürlicher Entleerung

  • erschwertes Hinsetzen auf die Toilette

  • funktionelle Fähigkeiten erfassen

  • Toilettengang einüben, z.  B. Einsatz von Gehhilfen, Toilettensitzerhöhung, Toilettenstuhl, Urinflasche, Steckbecken, Anleitung im Gebrauch der Hilfsmittel

  • Toilettentraining durchführen

  • Assistenz

eingeschränkte Funktion der oberen Extremität (Schulter-Arm-Bewegung, Feinmotorik)

  • erschwertes Öffnen und Ausziehen der Kleidung

  • Kleidung verändern (z.  B. Klettverschlüsse)

  • Selbsthilfetraining, Assistenz

Umgebungsfaktoren:

  • entfernt gelegene Toilette, schwer zugängliche Toilette

  • niedrige Toilette

  • unsaubere, kalte Toilette

  • Toilette ist schlecht auffindbar

  • zeitaufwendiger Toilettengang

  • erschwertes Hinsetzen und Aufstehen

  • Toilettengang wird hinausgezögert

  • Patienten beim Toilettengang beobachten, funktionelle Fähigkeiten erfassen

  • Selbsthilfetraining in Zusammenarbeit mit Physiotherapie und Ergotherapie, ggf. Toilette verändern (z. B. Haltegriffe, Türverbreiterung)

  • Toilettentraining durchführen

  • Toilettenstuhl, Urinflasche einsetzen

  • Toilettensitzerhöhung anbieten

  • für gutes Raumklima in der Toilette sorgen

  • Toiletten in Institutionen deutlich kennzeichnen, Weg zur Toilette einüben

  • für angemessene Beleuchtung sorgen

eingeschränkte sprachliche Äußerungsfähigkeit in Verbindung mit eingeschränkter Selbstständigkeit (z. B. Schlaganfall, Demenz)

  • Patienten können erschwert Harndrang äußern und Hilfe beim Toilettengang erbitten

  • auf nonverbale Äußerungen achten (z. B. Unruhe, Nesteln an der Kleidung)

  • mit Patienten Zeichen für Harndrang und Hilfe vereinbaren

  • Assistenz beim Toilettengang

eingeschränkte Orientierung (z. B. Sehstörung, Verwirrtheit)

  • Auffinden der Toilette erschwert oder nicht möglich, Gefahr des Urinverlustes

  • Gang zur Toilette einüben

  • Toilette kennzeichnen (z. B. Symbole)

  • evtl. Toilettenstuhl oder andere Hilfen anbieten

eingeschränkte kognitive Fähigkeiten (z. B. Entwicklungsverzögerung, geistige Behinderung, demenzielle Erkrankung)

  • Harndrang kann nicht interpretiert werden

  • Verhalten beobachten

  • Toilettentraining durchführen

  • Orientierungshilfen einsetzen

  • beim Toilettengang assistieren

  • auf einfache Wortwahl achten

  • Angehörige über die Fähigkeitsstörung und notwendige Hilfestellungen beraten und anleiten

psychische Belastungen (z. B. Abhängigkeit von der Hilfe anderer, Angst, Verunsicherung, Veränderung der Lebenssituation, Depression)

  • Hilfe zum Toilettengang wird als beschämend erlebt, nicht in Anspruch genommen

  • Antriebshemmung durch Depression

  • Toilettengang wird hinausgezögert

  • vertrauensvolle Pflegebeziehung aufbauen

  • Gesprächsbereitschaft signalisieren

  • auf Ängste eingehen

  • Information zu Krankenhausaufenthalt und Erkrankung geben

  • zum Toilettengang auffordern bzw. erinnern

  • Selbstständigkeit beim Toilettengang unterstützen

Einnahme bestimmter Medikamente

  • Anticholinergika, Opioide: Kontraktionsschwäche des Blasenmuskels

  • Sedativa: verzögerte Wahrnehmung des Harndrangs, Verwirrtheit

  • Diuretika: verstärkte Urinproduktion

  • Patienten nach dem Toilettengang nach Gefühl der entleerten Blase fragen

  • Ein- und Ausfuhr kontrollieren

  • Restharn in Rücksprache mit dem Arzt kontrollieren

  • Patienten auf Nebenwirkungen beobachten

  • Verhalten beobachten (z. B. Orientierung)

Merke

In Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen, v. a. den ärztlichen Mitarbeitern, werden die jeweiligen Zuständigkeiten festgelegt und die Instrumente zielgerichtet eingesetzt. Hintergrundwissen zu den Risikofaktoren und Ursachen von Harninkontinenz ist dafür Voraussetzung.

Ursachen Die Ursachen der Urininkontinenz sind vielfältig und altersabhängig, ihre Kategorisierung ist nicht immer einfach. Häufig liegen mehrere Ursachen gleichzeitig vor. Verbreitet ist die medizinische Einteilung, die sich an der Veränderung der Speicher- und Entleerungsfunktion der Harnblase orientiert. Harninkontinenz kann auch aufgrund funktioneller Veränderungen entstehen, z. B. körperlicher und kognitiver Einschränkungen. Beide Ursachenfelder können zusammen vorliegen. Weitere, die Kontinenz gefährdende Faktoren sind z. B. die Umgebung oder Medikamente. Maßnahmen zur Kontinenzförderung, die Pflegende in Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen ausführen, sind an den o.g. Risikofaktoren ( ▶ Tab. 14.5 ) und den Ursachen orientiert ( ▶ Tab. 14.6 ).

Kategorisierung Die International Continence Society (ICS) hat Urininkontinenz wie folgt medizinisch kategorisiert (2002):

Zu Ursachen und Symptome der verschiedenen Formen von Harninkontinenz s.  ▶ Tab. 14.6 .

Symptome Symptome von Harninkontinenz sind folgende (Auswahl in Anlehnung der Terminologie der ICS, 2002):

Tab. 14.6 Formen und Ursachen der Urininkontinenz (nach Abrams et al. 2002a, DNQP 2014).

Symptome

häufige Ursachen

Dranginkontinenz

unfreiwilliger Urinverlust mit plötzlichem, nur schwer unterdrückbarem Harndrang einhergehend oder diesem unmittelbar vorausgehend

Überaktivität des Blasenmuskels (Detrusor), neurogene, nicht neurogene, idiopathische Ursachen (z. B. ZNS-Erkrankungen wie Apoplex, Querschnittlähmung; Harnwegsinfektion, Blasensteine, Tumoren, Prostataerkrankungen; Reizzustände der Blase)

Stressinkontinenz(Belastungsinkontinenz)

unfreiwilliger Urinverlust, synchron mit körperlicher Belastung einhergehend (z. B. Husten, Niesen, Lachen)

Veränderungen der anatomischen Lage der Blase und Urethra, Verlust der Stützfunktion des Beckenbodens (z. B. bei Frauen Schädigung des Beckenbodens durch Schwangerschaft und Entbindung, Adipositas; bei Männern nach operativen Eingriffen an der Prostata)

Mischinkontinenz

unfreiwilliger Urinverlust sowohl im Zusammenhang mit Harndrang als auch mit körperlicher Belastung auftretend

Mischung aus verschiedenen Ursachen, s. Drang- bzw. Stressinkontinenz

Inkontinenz bei chronischer Harnretention

unfreiwilliger Urinverlust bei unvollständiger Blasenentleerung (Restharnbildung), ohne Schmerzen einhergehend

Schwäche des Blasenmuskels (Detrusorhypoaktivität) oder vollständiger Funktionsverlust (Detrusorakontraktilität), z. B. durch:

  • neurologische Erkrankungen (z. B. Querschnittlähmung)

  • Medikamente (Schmerzmittel, Neuroleptika u. a.)

  • Spätfolge bei Diabetes

Obstruktive Veränderungen am Blasenhals z. B. durch:

  • Prostatavergrößerung, Harnröhrenstriktur)

extraurethrale Inkontinenz

beobachtbarer, ständiger Urinverlust über andere Kanäle als die Harnröhre (z. B. Blasen-Scheiden-Fistel)

erworbene Urinfistel, z. B. bei Unterbauchtumor oder angeborene Fehlmündung eines Harnleiters

unkategorisierbare Inkontinenz

beobachtbarer unfreiwilliger Urinverlust, der auf Basis von Symptomen oder Befunden nicht eindeutig zu zuordnen ist.

unklar

Pflegeanamnese

Wenn eine Vertrauensbasis geschaffen ist, können die Kontinenzprobleme sinnvoll erörtert und mögliche Ursachen erfasst werden. Als Gesprächseinstieg können z.B. Fragen dienen wie: „Wie lange besteht das Problem? Wie sind Sie bisher damit umgegangen? Haben Sie Hilfsmittel benutzt und, wenn ja, welche?“

Bei der Befragung kann man sich an den in ▶ Tab. 14.6  genannten Symptomen orientieren. Bei Dranginkontinenz kann z. B. die Frage gestellt werden: „Haben Sie einen schwer zu unterdrückenden Harndrang?“ Einen Hinweis auf Stressinkontinenz kann die Beantwortung der Frage geben: „Verlieren Sie beim Husten Urin?“

Fragen und Beobachtungen müssen sich auch an den in ▶ Tab. 14.5  genannten Risikofaktoren orientieren. Dabei kann z.B. gefragt werden: „Erreichen Sie die Toilette rechtzeitig? Können Sie Ihre Kleidung rechtzeitig öffnen? Wie sind Ihre Trinkgewohnheiten? Leiden Sie an Verstopfung?“ Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Gesprächs ist die Frage nach der Lebensqualität und den bisher eingesetzten Strategien. Fragen wie: „Haben Sie Ihre sozialen Aktivitäten verändert? Wie wirkt sich die Inkontinenz z. B. auf die Partnerschaft aus?“, sollten am Ende des Gesprächs gestellt werden. Zu empfehlen sind hier auch standardisierte Skalen wie ICIQ UI SF (International Consultation on Incontinence Questionnaire Urinary Incontinence Short Form) und KHQ (Kings Health Questionnaire) (DNQP 2014, Hayder-Beichel et al. 2015). Der Einsatz eines kurzen Fragebogens ist zunächst zu bevorzugen.

Restharnbestimmung

Durch die Restharnbestimmung können Blasenentleerungsstörungen und Inkontinenz bei chronischer Harnretention diagnostiziert werden. Sie erfolgt auf ärztliche Anordnung. Im Rahmen des Delegationsprinzips kann die Restharnmessung vom Arzt an die Pflegende delegiert werden. Wenn Patienten/Bewohner das Gefühl einer nicht vollständig entleerten Blase angeben, kann durch die Messung eine rasche Klärung erfolgen.