1.5 Was bringen Social Media für Ihr Unternehmen?
Social Media sind kein Allheilmittel zur Absatzsteigerung per se. Sie erreichen damit weder ausschließlich internetaffine Jugendliche, noch sind Social Media als reiner Vertriebskanal zu verstehen. Soziale Netzwerke sind keine Einbahnstraße, sondern ein Dialoginstrument. Sie fragen sich nun, was Ihnen Social Media denn dann tatsächlich bringen? Social Media helfen Ihnen, intensive Kundenbeziehungen aufzubauen, zu verstärken und sie nach außen hin transparent zu machen. Das ist die entscheidende Grundlage für den erfolgreichen Verkauf Ihrer Produkte und Dienstleistungen durch Social Media. Damit haben Sie gegenüber Marken und Unternehmen, die nicht im Social Web aktiv sind, einen enormen Wettbewerbsvorteil. Social Media Marketing ist zudem effektiver als Werbung in klassischen Medien, weil es ein direktes Feedback der Kunden zulässt und kostengünstiger ist. Aber das funktioniert nicht, indem Sie ab und an posten, wie gerade das Wetter bei Ihnen ist. Es braucht kreative Texter, die eine knackige Copy erstellen können, Content Manager, die Ihre Inhalte für Instagram, Facebook & Co. aufbereiten, und Community Manager, die auf die Rückmeldungen der Fans und Follower richtig reagieren. Wie Sie das angehen, erfahren Sie in Kapitel 2, »Social Media mit Strategie«.
1.5.1 Steigerung der Markenbekanntheit
Social Media eignen sich wie kein anderes Medium zum Marken-Branding. Allerdings gilt es dabei nicht, die klassischen One-to-many-Kommunikationslösungen auf einen beliebigen Social-Media-Kanal zu übertragen, sondern Inhalte zu schaffen, mit denen Ihre Kunden interagieren können. Verabschieden Sie sich daher von Ihren PR-Mitteilungen, denn diese funktionieren in Social Media nicht. Im Social Web wünscht sich der vernetzte Konsument vor allem Aufmerksamkeit und Einfallsreichtum. Damit er sich mit Ihrer Marke auseinandersetzt und sie weiterempfiehlt, müssen Sie ihm eine erlebbare Markenwelt bieten. Wenn Sie Aufmerksamkeit für ein neues Produkt generieren wollen, müssen Sie Ihre Informationen für Social Media anpassen.
Auf Instagram demonstriert Samsung mit eindrucksvollen Bildern die neue Kamerafunktion des Smartphones (siehe Abbildung 1.12). Während des gesamten Launches wird Samsung in Social Media immer wieder nach dieser Content-Strategie verfahren. Kurze, informative und unterhaltsame Inhalte erzeugen Awareness für das Produkt, die Inhalte werden individuell für den jeweiligen Kanal – Website, Facebook, Instagram usw. – ausgespielt.
Abbildung 1.12 Samsung macht Instagram-Nutzer mit regelmäßigen Content-Häppchen auf neue Produkte aufmerksam. (Quelle: www.instagram.com/samsungmobile)
Marketing-Take-away: Kanalspezifischen Content entwickeln
Jeder Social-Media-Kanal verfolgt ein eigenes Ziel und bietet besondere Funktionalitäten, und so müssen auch die Inhalte entsprechend angepasst werden. Ein Posting, egal in welchem Kanal Sie es veröffentlichen, muss den Nutzer persönlich ansprechen und unterhaltsam oder in jedem Fall so interessant sein, dass er es teilen möchte. Entwickeln Sie daher eine Multichannel-Content-Strategie, um für den jeweiligen Kanal die richtigen Inhalte bereitzustellen.
1.5.2 Best Practice: Episches Marken-Branding von Immowelt
Wer schon einmal in einer deutschen Großstadt wie Berlin, Hamburg oder München eine Wohnung gesucht hat, weiß, dass es »die Hölle« ist. Man muss stundenlang Schlange stehen, unglaublich charmant zu unsympathischen Menschen sein und darf sich am Ende »komplett ausziehen« und die letzten drei Kontoauszüge vorlegen. Von diesen Absurditäten bei der Wohnungssuche weiß auch Wohnungsvermittler Immowelt und hat sie in seinem Spot »Wohne wie auch immo du willst!« neu interpretiert und damit 2017 das erfolgreichste YouTube-Werbevideo abgeliefert (siehe Abbildung 1.13). »Sei, wer immo du sein willst« lautet das Mantra, dem der Protagonist folgt, nachdem er von seiner Freundin aufgrund der viel zu kleinen Wohnung verlassen worden ist.
Abbildung 1.13 Das erfolgreichste YouTube-Werbevideo im Jahr 2017: Der epische Clip von Immowelt generierte 24 Millionen Aufrufe. (Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=0wlnoX3krcM)
Danach taucht er in eine Traumwelt aus luxuriösen, hippen oder kitschigen Wohnungen ein. Für die einzelnen Szenen standen verschiedene Filme Pate, denn bei genauerer Betrachtung ist das Ganze ein »Mashup« verschiedener Filmklassiker. Der Fernsehprediger kann als Anspielung auf »Magnolia« verstanden werden. Die Astronauten-Szene findet sich auch bei Kubricks »Odysee im Weltraum« wieder, und das großhaarige Wesen in der Hundeszene ist definitiv von »Toni Erdmann« inspiriert. Ein kluger Schachzug für den Erfolg des Spots, denn Remakes und Mashups finden sich häufig bei YouTube. Für den Erfolg sorgte auch der speziell für das Werbevideo komponierte Song, den die Nutzer kostenlos bei iTunes, Spotify, Amazon Music, SoundCloud, Deezer und Shazam herunterladen konnten. Ein wichtiges Take-away für Ihre Stories: Entwickeln Sie für Ihre Kampagnen einprägsame Claims, Jingles und Songs. Durch Musik können die Zuschauer ganz und gar in Ihre Story eintauchen und sich hinterher besser an den Spot erinnern.
1.5.3 Mehr Reichweite durch Influencer Marketing
Influencer sind eine echte Superlative in Social Media. Bianca Heinicke alias »Bibi« von »BibisBeautyPalace« folgen fast 6 Millionen User auf ihrem YouTube-Kanal (Stand: August 2021), den sie 2012 als Hobby gestartet hat. Heute finanziert sie ihr Leben durch die Werbeeinnahmen bei YouTube (YouTube/Google beteiligt YouTuber an den Einnahmen, die Google über die Anzeigen im Video einnimmt) oder mit zahlreichen Kooperationen. Und diese kosten mitunter viel Geld. Warum Unternehmen und Marken dieses Geld ausgeben, liegt an ihrem enormen Einfluss. Das Geheimrezept der Influencer ist, dass sie attraktiv, kommunikativ und oft sehr nahe an ihren Zielgruppen dran sind. Bibi ist für die Social-Media-Szene so etwas wie die nette Nachbarin von nebenan, die immer lächelt und etwas Spannendes zu erzählen hat. Wenn sie dann noch eine Empfehlung für ein neues Haarshampoo ausspricht, folgen die User natürlich ihrem Rat oder denken zumindest beim nächsten Einkauf daran.
Nach dem anfänglichen Hype um Influencer Marketing hat sich die Marketingdisziplin mittlerweile etabliert. Die Qualität der Fotos und Stories ist oft so hoch wie bei Kampagnen-Shootings. Das führt natürlich auch zu einem Anstieg der Honorare.
Ob Sie einen Influencer als Meinungsbildner für Ihr Produkt oder Unternehmen gewinnen, hängt davon ab, ob Sie ihm ein interessantes Angebot machen und er bereit ist, seine Online-Reputation als souveräner Botschafter herzugeben. Er genießt gerade wegen seiner (vermeintlich) unabhängigen Sichtweise das Vertrauen der Nutzer. Der Beziehungsaufbau zu Influencern ist daher ein langfristiger Prozess, bei dem Sie sehr wertschätzend vorgehen müssen.
Wenn Sie Aufmerksamkeit für Ihre Marke generieren oder ein neues Lifestyle-Produkt in den Markt drücken wollen, führt an Influencer Marketing kein Weg vorbei.
Beim Influencer Marketing stellen Sie sich zuallererst die Frage, was Sie erreichen wollen, und Sie definieren ein Ziel. Wollen Sie maximale Reichweite und Aufmerksamkeit? Wollen Sie Traffic für Ihre Website oder Ihren Onlineshop? Wollen Sie langfristige Kooperationen mit Influencern eingehen und einen Pool von geeigneten Influencern aufbauen?
Mit der Professionalisierung der Branche ergeben sich auch immer wieder strategische Fragestellungen. Die wichtigste Frage, die Sie beantworten müssen, ist die, ob Sie auf einen Macro-Influencer oder mehrere Micro-Influencer setzen wollen. Macro-Influencer bieten natürlich großartige Reichweiten und eignen sich vor allem, um Aufmerksamkeit zu generieren. Einen gesponserten Beitrag auf dem Profil eines Macro-Influencers sehen Millionen von Usern. Sie kaufen sich damit einen Beitrag zur besten Sendezeit der Social Media. Und das kostet. Macro-Influencer rufen schon einmal Honorare zwischen 50.000 € und 150.000 € pro Post bzw. für eine Kooperation (z. B. mit Beitrag im Feed und Instagram Story) auf. Enorm hohe Kosten sind nicht der einzige Nachteil von Macro-Influencern. Hinzu kommt auch die Beliebigkeit der Markenkooperationen. Macro-Influencer gehen eine Kooperation nach der anderen ein, um die Früchte ihrer Reichweite (und investierten Arbeit) zu ernten.
Eine Alternative sind deshalb Micro-Influencer, die zwar über weniger Reichweite verfügen, dafür aber authentischer sind, mehr Engagement erzeugen und zudem noch günstiger sind. Micro-Influencer sind in der Regel keine Celebritys, sondern User mit weniger als 10.000 Followern, die selbst anstreben, Macro-Influencer zu werden. Dafür investieren sie sehr viel Zeit: Shootings, Community Engagement und Q & A. Gerade für längerfristige Kooperationen lohnt es sich, einen Pool an Micro-Influencern aufzubauen, die Sie immer wieder einsetzen bzw. mit denen Sie im Idealfall eine langfristige Kooperation über Jahre anstreben und mit denen Sie somit gemeinsam wachsen können. Und dann gibt es noch Influencer mit noch weniger Reichweite (500 bis 1.500 Follower). Das sind die Local Heros aus dem Kiez, dem Stadtteil oder Dorf, die bereits offline für Gesprächsstoff in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis sorgen. Hier steckt ebenfalls Potenzial für das sogenannte Advocacy Marketing und die Generierung von User Generated Content. Wie sich jedoch Advocacy Marketing vor den aktuellen Gerichtsurteilen gestaltet, ist eine Frage, die Ihnen nur Ihr Rechtsanwalt beantworten kann.
Als Unternehmen gibt es viele Varianten, um mit Influencern zusammenzuarbeiten:
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Sie können Influencern Produkte zur Verfügung stellen.
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Sie können Kooperationen eingehen, also Influencer bitten, über Ihr Produkt zu berichten; die Gegenleistung kann ein monetärer Wert sein (Advertorial).
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Sie können Influencer als Testimonials anwerben (z. B. für Fotos oder Texte).
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Sie können Account-Takeovers durchführen, bei dem der Influencer beispielsweise Ihr Instagram-Profil für einen gewissen Zeitraum übernimmt und Ihren Account mit seinen Bildern, Videos und Stories bespielt.
Takeovers sind für beide Seiten eine Win-win-Situation. Sie holen einen einflussreichen Instagramer auf Ihr Profil und bieten abwechslungsreichen Content, und der Instagramer kann eine neue Zielgruppe erreichen. Deshalb ist gerade bei Takeovers die Auswahl des Influencers so enorm wichtig. Übrigens lassen sich Takeovers auch mit Mitarbeitern durchführen.
Es gibt Tools und Agenturen (und Mischformen), wie z. B. Reachbird (http://reachbird.io), mit denen Sie Influencer identifizieren können. Alternativ begeben Sie sich auf die manuelle Suche, beispielsweise über Hashtags auf der jeweiligen Plattform. Wenn Sie eine entsprechende Liste an potenziellen Influencern zusammengestellt haben, sollten Sie eine Erstanalyse machen, z. B. mit http://hypeauditor.com, um die Profile auf Fake-Follower hin zu untersuchen. Alternativ können Sie auch über eine Influencer-Agentur, wie z. B. Pulse Advertising, Incircles, Reachbird oder Lucky Shareman, gehen und passende Influencer finden lassen. Aber Achtung: Fragen Sie unbedingt die relevanten KPIs des Influencers ab, und lassen Sie sich Screenshots schicken. Wichtig sind nicht nur die Reichweite und Interaktionsrate, sondern auch die Anzahl der Aufrufe, die View-through-Rate (Aufrufe/Follower) der Stories und wie viele Nutzer eine Story im Durchschnitt verlassen.
Tipp: Bei Influencer-Kooperationen Geschlecht, Alter und Herkunft der Follower vergleichen
Insbesondere bei Kooperationen mit Influencern sollten die Zielgruppen-Insights von Alter, Geschlecht und Herkunft auf den jeweiligen Plattformen einmal überprüft und abgeglichen werden. Welche Zielgruppe und welche Influencer sprechen Sie hauptsächlich an? Sind beide deckungsgleich oder lassen sich vielleicht mit der Kooperation Zielgruppen aus einem anderen Segment ansprechen? Lassen Sie sich davon auf jeden Fall aktuelle Screenshots schicken.
Wie treten Sie an Influencer heran, die mitunter täglich 100 Kooperationsanfragen erhalten, von denen sie fast 90 % ablehnen? Jessica Weiss von Deutschlands bekanntem Mode-Blog »Journelles« wählt z. B. so aus: »Ich schreibe nur über Themen, über die ich auch ohne Geld schreiben würde.« Klar, denn es muss ja authentisch bleiben.
Hier sind zehn Tipps für die Zusammenarbeit mit Influencern:
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Legen Sie Rahmenbedingungen für die Kooperation mit dem Influencer fest. Halten Sie fest, was wann wo veröffentlicht wird und wie viele Postings es zu welchen Bedingungen auf welchen Kanälen geben wird.
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Machen Sie keine inhaltlichen Vorgaben, sondern geben Sie dem Influencer seinen künstlerischen Freiraum, denn nur er kennt seine Zielgruppe am besten.
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Vertrauen Sie dem Influencer. Seine Authentizität ist unbezahlbar und seine Glaubwürdigkeit ebenso.
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Suchen Sie nur Influencer aus, die auch langfristig zu Ihrer Marke passen. Der Brand Fit von Marke und Influencer muss stimmen.
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Influencer sind Multitasker, die auf vielen Social Media Channels eine hohe Reichweite haben. Nutzen Sie diese.
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Behandeln Sie Influencer exklusiv, und schaffen Sie außergewöhnliche Aktionen für sie, z. B. exklusive Infos vor einer Veröffentlichung oder Pre-Events vor dem Launch. Übrigens: Die Glossybox, eine Überraschungs-Beauty-Box, die monatlich zu einem gewissen Abo-Preis an die Kunden versandt wird und die mit neuen Kosmetikprodukten gefüllt ist, wurde im ersten Schritt nur an Blogger und Influencer, nicht aber an Kunden verschickt und sorgte so für eine enorm positive Berichterstattung.
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Die Reichweite eines Influencers sollte nicht das ausschließliche Kriterium sein. Wichtig ist auch die Relevanz in der entsprechenden Zielgruppe. Faktoren wie Brand Fit, die Inhalte und die Tonalität des Influencers spielen eine weit wichtigere Rolle.
Beachten Sie auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Influencer-Kooperation. Hier gibt es laufend neue Erkenntnisse und Empfehlungen, ab wann ein Influencer seine Beiträge als Werbung kennzeichnen muss. Als Unternehmen sollten Sie darüber ausreichend informiert sein und eine rechtssichere Kooperation vereinbaren – und auch immer ein Auge darauf haben, in welchen Kontext der Influencer Ihr Unternehmen und Ihre Marke setzt.
Tipp: Leitfaden zur Kennzeichnung von Influencer-Posts
Die Landesmedienanstalten haben einen Leitfaden zur Kennzeichnung herausgegeben, den Sie unter folgendem Link herunterladen können: https://bit.ly/Leitfaden-LMA
1.5.4 Kunden durch Bewertungen und Empfehlungen gewinnen
Influencer sind nicht die einzigen Personen, die Einfluss auf die Kaufentscheidungen von Konsumenten nehmen. Empfehlungen von Familienmitgliedern und Freunden haben immer noch den größten Einfluss auf Kaufentscheidungen. Sie haben eine Qualität, die Werbung niemals erreichen kann: Sie sind authentisch, verlässlich und vertrauenswürdig. Werbung – egal, ob klassisch im TV oder im Social Web – ist deswegen zwar nicht obsolet, denn sie eignet sich nach wie vor, um anspruchsvolle und sinnstiftende Geschichten zu erzählen, aber an die Echtheit einer Empfehlung kommt Werbung niemals heran. Insofern wundert es nicht, dass Empfehlungen von Freunden und Bekannten den größten Einfluss auf die Kaufentscheidungen der Konsumenten haben. Durch die anhaltende Nutzung von Social Media verlagern sich diese Empfehlungen ins Mobile Social Web und triggern dort das Kaufverhalten der Nutzer. Laut einer aktuellen Studie von Juli 2021 bestätigten 51 Prozent der Befragten, dass ihre Einkäufe von Social Media beeinflusst werden. 74 Prozent aller Käufer möchten bewusst lieber Produktbilder anderer User sehen als die Aufnahmen der verkaufenden Unternehmen. 62 Prozent gaben an, dass Fotos und Videos anderer Kunden bei ihnen die Kaufwahrscheinlichkeit erhöhen.[ 7 ]
Empfehlungen in Social Media haben einen ähnlichen Effekt wie mündliche Empfehlungen. Sie werden als besonders vertrauenswürdige Informationen eingestuft, und sie führen beim tatsächlichen Bedarf des Kunden schnell zu einem Kaufentschluss. In Verbraucherforen und Frage-Antwort-Portalen werden Spezialthemen diskutiert, und es finden Kaufberatungen und Markengespräche statt – häufig ohne die Unternehmen selbst. Das ist schade, denn gerade die Unternehmen haben eine hohe Expertise und können noch konkretere Hilfestellung und ausführlichere Tipps geben. Deshalb ist es für Unternehmen wichtig, diese Plattformen auf ihre Relevanz hin zu untersuchen. Legen Sie dafür ein Audit an (siehe Abschnitt 2.5, »Schritt 3: Ist-Zustand analysieren«), und recherchieren Sie relevante Foren und Bewertungsportale.
Marketing-Take-away: »Was du kaufst, bestimmen die anderen«
»Was du kaufst, bestimmen die anderen«, lautet der Untertitel von Martin Lindstroms Buch »Brandwashed«, in dem er anhand eines Experiments zeigt, wie sehr sich der Freundes- und Bekanntenkreis – unbewusst oder bewusst, aber definitiv sehr subtil – auf das Kaufverhalten auswirkt. Lindstrom inszenierte die perfekte, gut situierte Familie im kalifornischen Laguna Beach und beobachtete vier Wochen lang unter der Mithilfe von 35 Kameras und 25 Mikrofonen das Verhalten der Morgensons. Ganz beiläufig empfahlen diese ihren Gästen ihre Lieblingsprodukte, zeigten Neuanschaffungen und legten ihnen den Kauf von bestimmten Produkten nahe – das Ganze natürlich wohldosiert und im Kontext der Freundschaft. Das Ergebnis war, dass die Freunde im Schnitt drei der angepriesenen Produkte kauften.
Social Media Marketing bietet die Möglichkeit, Empfehlungen von Produkten und Dienstleistungen transparent zu machen. Was Ihre Kunden sonst nur untereinander als sogenannte Mundpropaganda weitergeben, können Sie mit Social Media steuern und forcieren, indem Sie beispielsweise Ihre Kunden dazu motivieren, Bewertungen über Sie zu schreiben oder Bilder von Ihren Produkten auf Instagram zu posten, um eine starke Kundenbeziehung aufzubauen.
Social Media sind ein wichtiges Tool zur Stärkung der Kundenbindung. Das Kundenbeziehungsmanagement in Social Media wird als Social CRM bezeichnet, eine Mischform aus Social Media und Customer Relationship Management (CRM). Social CRM stellt den Kunden in den Mittelpunkt und ermöglicht im Grunde genau das, was CRM schon immer bewirken wollte: Durch individuelle Betreuung und speziell auf den Kunden zugeschnittene Produkte überzeugen Sie ihn, Ihr Produkt zu kaufen. Beschwert sich ein Kunde beispielsweise auf der Facebook-Seite eines Onlineshops über eine zu späte Lieferung, kann das Unternehmen öffentlich dazu Stellung nehmen, ihm helfen und ihn so zu einem zufriedenen Kunden machen. Durch diesen transparenten Support empfehlen sich die Unternehmen auch indirekt an potenzielle Kunden. Social CRM bedeutet, im jeweiligen Kanal des Kunden präsent zu sein. Durch Social CRM kommt der Kunde zu Ihnen und Sie zur richtigen Zeit zum Kunden. Durch Ihr proaktives Auftreten im Social-Media-Kontext des Kunden können Sie kaufhemmende Fragen beantworten oder ihn in seiner Kaufintention bestärken. Sie können zudem Reputationsschäden abwehren, sich für Lob bedanken und schließlich dem Kunden Ihr Unternehmen näherbringen. Betreten Sie jene Räume, in denen Ihre Kunden bereits sind. Social CRM ist noch dazu öffentlich. Potenzielle Kunden können die Dialoge zwischen Ihnen und bestehenden Kunden mitlesen und erhalten so Einblick in Ihre professionelle Kundenpflege. Ein gut geführtes Social CRM führt schließlich zu mehr Abverkauf.
1.5.5 Das Unternehmensimage verbessern
Immer wieder kommt es vor, dass Unternehmen bei den Verbrauchern massiv in die Kritik geraten. Ignorieren Unternehmen über Jahre hinweg die Kundenwünsche, braucht es manchmal nur eine negative Kundenbewertung, die das Fass zum Überlaufen bringt. Dann geht es rasend schnell, und ihr Hashtag wird innerhalb weniger Stunden zum »Bashtag«, unter dem sich alle User negativ auslassen. Nestlé musste diese Erfahrung 2015 machen, als ihre Social-Media-Kampagne #FragNestlé zum PR-Desaster wurde. Das Unternehmen wollte ja eigentlich nur »einen Dialog auf Augenhöhe mit den Verbrauchern führen«, aber auf Fragen wie »Warum lasst ihr Menschen verhungern?«, »Warum hasst ihr Regenwälder?«, »Warum liebt ihr Kinderarbeit?« war man dann doch nicht adäquat vorbereitet. Egal, warum es zu einer Krise kommt, wichtig ist die richtige Reaktion in Social Media. Und das muss prompt und glaubwürdig passieren.
Ist Ihr Markenimage erst einmal angekratzt, brauchen Sie einen langen Atem, um es wieder zu ändern – und Sie benötigen professionelles Online Reputation Management. Gerade in Social Media, wo Meinungen ausgetauscht und diskutiert werden, muss der Wandel einer Marke stattfinden. Marken sind ein permanenter und transparenter Diskurs in Social Media. Sie können sich diesem Diskurs nicht entziehen, sondern müssen ihn moderieren. Die Realtime Search (Echtzeitsuche) in Google & Co. sorgt außerdem dafür, dass aktuelle News innerhalb von Sekunden durch die Eingabe des jeweiligen Schlagwortes oder Hashtags (z. B. #dieselgate VW-Skandal und vieles mehr) gefunden werden können – ein enormer Vorteil für das Online Reputation Management. Denn durch die schnelle Indizierung Ihrer eigenen Inhalte können Sie ad hoc auf eine negative Berichterstattung reagieren.
1.5.6 Öffentlichkeitsarbeit – Journalisten und Blogger/Influencer gewinnen
Social Media verändern die Rollenverteilung bei den beteiligten Akteuren der Öffentlichkeitsarbeit. Die Grenzen zwischen klassischer PR und Social Media verschwimmen zunehmend zu Social PR oder Social Relations. Um dem heiligen PR-Ziel »Let’s get people talking about us« Rechnung zu tragen, müssen alle Anspruchsgruppen mit entsprechenden Informationen angesprochen und aktiviert werden. Journalisten allein erreichen längst nicht mehr eine breite Zielgruppe. Auch Blogger und Influencer mit einem großen Netzwerk tragen dazu bei, dass sich Ihre Informationen verbreiten. Die Reichweiten von Journalisten und Bloggern unterscheiden sich oft nur geringfügig. Und noch etwas müssten Sie beachten: In den Zeiten von Infotainment und multimedialer Berichterstattung genügt eine reine Pressemitteilung nicht mehr. Sie müssen Ihre Inhalte aufbereiten, um dem Journalisten seine Informationsrecherche zu erleichtern. Es ist sinnvoll und notwendig, Multiplikatoren im Social Web zu identifizieren und direkt anzusprechen. Ein erstes Screening können Sie mittels jener Social-Media-Monitoring-Tools durchführen, die wir Ihnen in Kapitel 13, »Social Media Monitoring und Online Reputation Management«, vorstellen.
1.5.7 Die Reichweite Ihrer Message erhöhen
Das Empfehlen von Informationen war noch nie so einfach wie heute. Im besten Fall erzielen Sie einen sogenannten viralen Effekt: Die Information wird von einem Kontakt zum nächsten weitergegeben und verbreitet sich wie ein Virus. Ein unterhaltsames oder aussagekräftiges Video, ein guter bzw. hilfreicher Blog-Beitrag und ein interessanter Nachrichtenartikel: Wenn etwas aus der Sicht der User empfehlenswert ist, wird es auch empfohlen, schließlich kostet es nichts und geht schnell und einfach.
Somit können Sie die Reichweite Ihrer Marke und Ihrer Message um ein Vielfaches erhöhen. Während Sie früher nur die Kunden vor Ort, die Newsletter-Empfänger oder jene Zeitungsleser hatten, die Ihre Message wahrnehmen konnten, haben Sie jetzt ein Millionenpotenzial an Empfängern, von denen Sie heute vielleicht noch gar nichts wissen.
1.5.8 Durch Social Media die Werbewirkungsdauer erhöhen
Sie erinnern sich bestimmt an den einen oder anderen TV-Spot Ihrer Jugend, den Sie gerne noch einmal sehen würden: Werbung von Langnese, Erdinger, Duracell – viele TV-Spots der 1980er und 1990er Jahre findet man auf YouTube. Die User freut es, denn sie schauen sich die Spots gerne an. Auf YouTube sind die Kampagnen von damals und heute immer abrufbar und erzielen dort über die Zeit zahlreiche Abrufe. Durch Social Media vergrößert sich die Werbewirkungsdauer, weil die Videos auch nach dem Ende einer Kampagne zur Verfügung stehen.
Das YouTube-Video »Dove Evolution« hat sich in kurzer Zeit viral verbreitet und kann heute auf über 20 Millionen Views verweisen (siehe Abbildung 1.14). Der Macher des Videos, Tim Piper, hat es 2006 in seinem YouTube-Channel hochgeladen und profitiert seit 12 Jahren von den Abrufen.
Abbildung 1.14 Ein viraler YouTube-Hit: »Dove Evolution« ist seit 15 Jahren online. (Quelle: www.youtube.com/watch?v=iYhCn0jf46U)
Einige Unternehmen gehen noch immer dazu über, virale Videos wieder zu löschen, wenn die alte Kampagne nicht mehr der aktuellen Marketingstrategie entspricht. So hat sich VW entschieden, sein beliebtes YouTube-Video »The Force« mit über 60 Millionen Views zu löschen. Der Spot war schon einige Tage vor dem offiziellen Kampagnenstart zum Super Bowl in Amerika am 6. Februar 2011 im YouTube-Channel von VW zu sehen. In diesen 3 Tagen klickten ihn bereits 10 Millionen YouTube-Nutzer an. Die meisten wurden über Twitter (39 %) und Facebook (25 %) darauf aufmerksam gemacht.[ 8 ] Heute können die User den Spot noch immer in YouTube finden, denn zahlreiche Nutzer haben das Video in ihrem YouTube-Channel hochgeladen (Streisand-Effekt), aber das Original von VW ist nicht mehr verfügbar.
1.5.9 Targeting – Werbung mit geringen Streuverlusten
Einer der großen Vorteile von Social Media liegt darin, dass Sie Ihre Kunden gezielter denn je ansprechen können – und das zu einem vergleichbar geringeren Preis als mit klassischer Werbung oder Online-Werbung. Denn die Nutzer im Web teilen sozialen Netzwerken durch Interaktion, Profildaten usw. viel über ihre Person und ihre Interessen mit. Für Unternehmen ist das die perfekte Werbeumgebung, da sie Anzeigen zielgruppenspezifisch schalten können. Bei jedem Werbespot, bei jeder Print-Anzeige müssen Sie davon ausgehen, dass Sie massenhaft Streuverluste generieren. Mit Social Media können Sie das viel zielgenauer machen, denn Sie können die Anzeigen gezielt nach Interessen, Hobbys, Geschlecht, Alter usw. der Nutzer schalten und Kunden zielgerichtet ansprechen. Sie haben auch die Möglichkeit, Website- oder Shopbesucher mit Anzeigen an ihre Kaufabsicht zu erinnern. Diese Form der Kundenansprache wird Retargeting genannt.
Abbildung 1.15 Mit den Targeting-Optionen von Facebook lassen sich Anzeigen genau auf die Zielgruppen ausspielen. (Quelle: Facebook Werbeanzeigenmanager)
1.5.10 Neue Mitarbeiter gewinnen
Social Media entwickeln sich beim Thema Recruiting von Mitarbeitern als immer wichtigerer Faktor. Potenzielle Mitarbeiter durchforsten das Social Web nach Bewertungen und Meinungen über den zukünftigen Arbeitgeber, und um einen Blick hinter die Kulissen der Unternehmensfassade zu werfen. Umgekehrt nutzen Unternehmen das granulare Targeting, um Stellenangebote gezielt über Werbung an die richtigen Zielgruppen auszuspielen. Wichtig für eine erfolgreiche Recruiting-Strategie in sozialen Netzwerken ist ein klares Anforderungsprofil und die genaue Kenntnis der Zielgruppe – es nützt z. B. gar nichts, junge Fachkräfte auf XING zu bewerben, wenn sich diese eher in Facebook aufhalten. Vom Employer Branding, also der Darstellung als attraktiver Arbeitgeber, über die Stellenausschreibung bis hin zur persönlichen Ansprache potenzieller Bewerber (Headhunting) ist via Social Media alles möglich und auch gängige Praxis.
Marketing-Take-away: Adecco sucht über Social Media neuen CEO
Der weltweit größte Anbieter für Personaldienstleistungen, Adecco, machte sich 2011 auf die Suche nach einem neuen CEO und nutzte dabei Social Media, da vor allem talentierte Studienabsolventen für diesen Job angesprochen werden sollten. Anstelle eines Einstellungsgesprächs mussten die Bewerber durch einen virtuellen Arbeitstag ihr Können unter Beweis stellen. Der Aufgabenbereich umfasste virtuelle Mitarbeitergespräche und das Einstellen neuer Mitarbeiter, Personalentwicklung sowie Konfliktmanagement. Wie auch im »richtigen Leben« musste der »Chef auf Probe« diese Entscheidungen gegenüber beharrlichen Journalisten rechtfertigen. Insgesamt gingen 2.300 Bewerbungen auf diesem Weg ein, die nach Eignung und Persönlichkeitstest auf zehn Kandidaten reduziert wurden. Das Bemerkenswerte an dieser Ausschreibung war jedoch, dass die Bewerber keine Möglichkeit ausließen, um ihr Netzwerk für sich zu aktivieren und die PR-Trommel zu rühren, sodass auch lokale Zeitschriften Bewerber porträtierten. Für Adecco war das kostenlose PR und reputationssteigernd zugleich.[ 9 ]