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Mit einer imponierenden Aufbauleistung hat das »Elbflorenz« viel von seiner einstigen Pracht zurückgewonnen. Heute gehört Dresden zu den Topreisezielen in Deutschland und ist eine absolute Boomtown, in der Kunst und Kultur neben Forschung und Innovation den Takt angeben.
Die Einwohnerzahl Dresdens wächst seit Jahren entgegen dem ostdeutschen Trend. Kaum wurde die Zahl von 550 000 überschritten wird für die nahe Zukunft schon die Marke von 600 000 anvisiert. Das liegt nicht nur am anhaltenden Babyboom, sondern auch am Zuzug junger qualifizierter Fachkräfte aus Deutschland und der ganzen Welt, die hier Arbeit finden und Dresden als lebenswerte Stadt für sich entdecken. Als verschlafenes »Tal der Ahnungslosen« galt die heutige Hauptstadt Sachsens früher, weil man hier kein Westfernsehen empfangen konnte, aber die Zeiten sind lange vorbei. Die Elbmetropole hat sich zum dynamischen Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort entwickelt, mit Exzellenzuniversität, einer stattlichen Anzahl an Hochtechnologie-Unternehmen und der größten Dichte an Forschungsinstituten in Deutschland. Die enge Verflechtung von Forschung und Industrie hat Tradition. Im 19. Jh. war die Stadt ein Motor der Industrialisierung. Namhafte Firmen wurden gegründet und so einige Erfindungen gingen von Dresden aus um die Welt, z. B. Kaffeefilter, Büstenhalter und Spiegelreflexkamera, das europäische Porzellan, die erste deutsche Dampflokomotive und das 3D-Display.
Auch das reiche kulturelle Erbe ist beeindruckend – besonders für Dresdens Größe: Kunstsammlungen mit Schätzen aus fünf Jahrhunderten, Musikensembles von Weltrang, das Vermächtnis der Avantgarde-Künstler vom Beginn des 20. Jh.s, im Dritten Reich geschmäht, nun endlich geschätzt. Und dann ist da die Elbe, die Lebensader Dresdens, eine wiesengesäumte Flusslandschaft, die vielleicht den eigentlichen Zauber der Stadt ausmacht. Die Dresdner jedenfalls halten sie für den schönsten Platz auf Erden.
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Die Dresdner fragen einen gar nicht, ob einem die Stadt gefällt. Sie sagen es einem. Das bringt mich auf den Gedanken, dass man die Städte gewöhnlich in zwei Kategorien einteilen kann: in die selbstsicheren und die anderen.
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Umberto Eco
Jedes Jahr stecken sie Millionen Besucher mit ihrer Begeisterung an: »Elbflorenz« gehört zu den beliebtesten Städtereisezielen Deutschlands. Das Image Dresdens hat zuletzt durch die fremdenfeindlichen Pegida-Demos gelitten. Doch bei genauerer Betrachtung sind die allermeisten Einheimischen Neuankömmlingen gegenüber aufgeschlossen, egal ob aus dem In- oder Ausland. Auch wenn es eine Weile dauert, bis man als Brandenburger oder Hesse, als Russe oder Vietnamese (die beiden größten Einwanderergruppen) den Status »echter Dresdner« erreicht.
© Dumont Bildarchiv/Ernst Wrba
Vom Fischerdorf zur barocken Perle, vom Ideenstandort der Industrialsierung zur modernen Großstadt – Dresden hat in über 800 Jahren viel erlebt. Eine Herausforderung bleibt dabei: die Balance zwischen Bewahren und Beginnen, Erinnern und Erneuern.
Slawische Besiedlung
Deutsche Eroberung durch König Heinrich I.
Erste urkundliche Erwähnung als »Dresdene«
Verleihung des Stadtrechts
Altendresden (heute: Neustadt) bekommt Stadtrecht
Leipziger Teilung
Einführung der Reformation
Bau der Neustadt
August der Starke veranlasst große Baumaßnahmen
August der Starke wird als August II. polnischer König
Erfindung des europäischen Hartporzellans
Augusts Sohn Friedrich August II. tritt die Nachfolge an
Beschuss der Altstadt im Siebenjährigen Krieg
Sachsen wird Königreich
Sachsen wird preußisch-russisches Generalgouvernement
Erste Verfassung
3. – 9. Mai: Dresdner Maiaufstand
9. Nov.: Abdankung des Königs, Sachsen wird Freistaat
29. Okt.: Absetzung der Koalitionsregierung (KPD/SPD)
9. November: Reichspogromnacht
13./14. Februar: Zerstörung durch alliierte Bomben 8. Mai: Einmarsch der Roten Armee
7. Oktober: Gründung der DDR
Dresden wird Bezirksstadt
Herbst: politische Wende
14. Oktober: Dresden wird Landeshauptstadt
Beginn des Wiederaufbaus der Frauenkirche
August: erstes großes Elbehochwasser
Weihe der Frauenkirche
Juni: zweites großes Elbehochwasser
Schon seit ca. 600 n. Chr. siedelten in der damaligen Sumpf- und Seenlandschaft des Elbtals Slawen, doch damit ist es im 10. Jh. vorbei: König Heinrich I. unterwirft die Siedler und baut in Meißen eine Burg, um das Land östlich der Elbe zu christianisieren. 1089 beginnt mit Heinrich von Eilenburg, dem Markgrafen von Meißen, die Regierungszeit der Wettiner. Sie soll mehr als 800 Jahre anhalten.
Der Gau Nisan, in dessen Zentrum sich das heutige Dresden befindet, fällt 1144 an die Mark Meißen. Auf dem Gebiet des heutigen Dresdens entsteht am Elbufer die 1147 erstmalig erwähnte Hafensiedlung »Nisani« mit der Kirche St. Maria, der späteren Frauenkirche. Unweit dieser Kirche bauen die Markgrafen Mitte des 13. Jh.s eine Burg auf dem Taschenberg. In deren Nähe kreuzen bedeutende Handelstraßen nach Nürnberg, Böhmen und Kraukau den Fluss.
1206 wird der Ort erstmals als »Dresdene« urkundlich erwähnt, 1216 nennt eine Urkunde Dresden »civitas«, »Stadt«. 1292 bekommt es das Stadtrecht. Um 1500 leben in Dresden, den Vorstädten und dem rechtselbischen Altendresden gerade einmal 6 000 Menschen.
© Baedeker Archiv
Die Geschichte Sachsens wird nun durch ein Bruderpaar geprägt: Die wettinischen Markgrafen von Meißen, die Brüder Ernst und Albrecht – Kurfürst und Herzog von Sachsen – regieren das Land zunächst gemeinsam. Dabei lassen sie ab 1469 die Dresdner Burg zu einer herrschaftlichen, repräsentativen Anlage umbauen. 1485 teilen sie die Wettiner Besitzungen untereinander auf und regieren getrennt weiter. Durch diese sogenannte »Leipziger Teilung« wird Dresden zur Residenz der albertinischen Linie.
Obwohl Martin Luther schon 1518 in der Dresdner Schlosskapelle predigt, kann Herzog Georg der Bärtige während seiner Regierungszeit von 1500 bis 1539 alle Reformationsbestrebungen unterdrücken. Sein Nachfolger Herzog Heinrich der Fromme führt jedoch 1539 im Herzogtum und damit auch in Dresden die Reformation ein.
Heinrich stirbt nach nur zwei Jahren Regentschaft, Nachfolger wird sein 21-jähriger Sohn Moritz (reg. 1541 – 1553). Er erwirbt 1547 die Kurwürde für das albertinische Sachsen. Mit seiner Regierungszeit beginnt der politische, wirtschaftliche und kulturelle Aufstieg Dresdens und ganz Kursachsens. Durch den Vertrag von Passau wird Sachsen zum führenden protestantischen deutschen Territorialstaat, Dresden zur protestantischen Metropole. In der jetzigen Renaissance ändert sich das Stadtbild grundlegend: Die alten Stadtmauern werden niedergerissen, Zeughaus, Stallhof sowie neue Stadttore errichtet und die burgartige Residenz wird zu einem stattlichen Renaissanceschloss umgebaut. Unter Kurfürst Moritz entsteht 1548 die »Hofcantorey«, der Vorläufer der Dresdner Staatskapelle. 1549 vereinigt Kurfürst Moritz Altendresden mit Dresden, sehr zum Missfallen und gegen den Protest der Altendresdner Bürger.
Kurfürst August (reg. 1553 – 1586) beerbt seinen Bruder, setzt die rege Bautätigkeit fort und richtet 1560 die kurfürstliche Kunstkammer ein, Keimzelle der heutigen Staatlichen Kunstsammlungen. Vom Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) ist die Stadt zwar nicht direkt betroffen, doch die Bewohner leiden unter Kriegslasten und Einquartierungen. Unter Johann Georg II. (1656 – 1680) erholt sich Dresden langsam: Erste Manufakturen entstehen und protestantische, böhmische Vertriebene tragen zum wirtschaftlichen Aufschwung bei.
1685 zerstört ein großer Stadtbrand Altendresden fast vollständig. Unter Kurfürst Johann Georg III. (1680 – 1691) beginnt der Neuaufbau des Stadtviertels nach Plänen von Wolf Caspar von Klengel – so erhält der Barock Einzug in Dresden. August der Starke macht daraus schließlich die »Neue Stadt bey Dresden«, die heutige Neustadt. Aus dem linkselbischen »Neuendresden« wird die Altstadt.
Als zweiter Sohn hätte er eigentlich gar nicht regieren sollen – und ausgerechnet von ihm profitiert Dresden bis heute: 1694 tritt August der Starke (Kurfürst Friedrich August I.) nach dem Tod seines Bruders seine absolutistische Herrschaft an, die bis 1733 dauert. Nach dem Übertritt zum Katholizismus 1697 erwirbt er die polnische Königskrone als August II., wodurch Dresden zur Residenzstadt von europäischem Rang wird. In den sechs Jahrzehnten seiner Regentschaft und der seines Sohnes und Nachfolgers erlangt die Stadt ihren Weltruf als Kunstmetropole: Ein Mythos wird geboren. Der Dresdner Barock verdankt seinen Ruhm den rauschenden Festen, der prächtigen Baukunst, Oper und Musik, den wertvollen Kunstsammlungen und Kunstmanufakturen. Nachdem Ehrenfried Walther von Tschirnhaus und Johann Friedrich Böttger 1709 das erste weiße europäische Hartporzellan herstellten >>>, wird 1710 eine Porzellanmanufaktur in Dresden gegründet und im gleichen Jahr auf die Albrechtsburg in Meißen verlegt. Manufakturen und Handwerk entwickeln sich eng verknüpft mit den Bedürfnissen des Hofes.
1719 wird zur Vermählung des Kurfürsten Friedrich August II. mit der Tochter des habsburgischen Kaisers, der Erzherzogin Maria Josepha von Österreich, das große Opernhaus am Zwinger mit 2 000 Plätzen eingeweiht. Unter August dem Starken werden noch weitere herausragende Bauten verwirklicht: In der Altstadt sind es das Taschenbergpalais, der Zwinger, die Kreuzkirche, der Kurländer Palais, die Hofkirche und die neue Frauenkirche als Höhepunkt des protestantischen Kirchenbaus im Barock, in der Neustadt Japanisches Palais, Dreikönigskirche und Königstraße, in der Umgebung die Schlossanlagen von Pillnitz und Moritzburg. Nach seinem Tod 1733 tritt Friedrich August II. (ab 1734 König August III. von Polen) die Nachfolge an. Er hat eine ausgeprägte Leidenschaft für Kunstschätze. Als Generaldirektor der Kunstsammlungen ist sein engster Vertrauter Graf Heinrich von Brühl. Dieser steigt bis zum Premierminister auf und lässt verschiedene Bauten und eine Gartenanlage auf dem elbseitigen Festungsabschnitt errichten, die »Brühlsche Terrasse«.
Der 1756 beginnende Siebenjährige Krieg bringt die Belagerung Dresdens durch die Preußen: Am 19. und 20. Juli 1760 beschießt die Artillerie des Preußenkönigs Friedrich II. die Altstadt Dresdens und zerstört ein Drittel der Innenstadt, u. a. die Kreuzkirche mit ihrem Renaissanceturm. Als Verlierer des Krieges ist Sachsen politisch ohne Bedeutung und muss hohe Reparationen an Preußen zahlen. Trotzdem erholt es sich verhältnismäßig zügig von den Folgen.
Sachsen tritt dem von Napoleon initiierten Rheinbund bei und wird 1806 zum Königreich. Zusammen mit Napoleon verliert es die Völkerschlacht von Leipzig 1813, der Rheinbund wird aufgelöst, der sächsische König gefangen genommen. Der Wiener Kongress legt 1815 fest, dass Sachsen zwei Drittel seines Territoriums an Preußen abtreten muss und somit an politischer Bedeutung verliert. Der russische Fürst Repnin-Wolkonski kommt als Generalgouverneur von Sachsen nach Dresden. Er ist ein Vertreter der Aufklärung, öffnet den Großen Garten und die Brühlsche Terrasse für die Bevölkerung und macht die königlichen Kunstschätze kostenlos zugänglich. Zu Anfang des 19. Jh.s beginnt die Industrialisierung mit einem Aufschwung von Gewerbe, Industrie und Wissenschaft: 1815 wird die Chirurgisch-Medizinische Akademie, 1828 die Technische Bildungsanstalt (Vorläuferin der Technischen Universität) gegründet. 1830 erzwingt das Volk bürgerliche Reformen und eine erste Verfassung in Sachsen, laut ihr gehen die königlichen Sammlungen 1831 in Staatsbesitz.
Die politischen Unruhen der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848/1849 greifen erst spät auf Dresden über: Der Dresdner Maiaufstand vom 3. bis zum 9. Mai 1849 wird vom sächsischen und preußischen Militär gewaltsam niedergeschlagen. Gottfried Semper und Richard Wagner müssen wegen ihrer Beteiligung fliehen, der russische Revolutionär Michail Bakunin verbringt die folgenden Jahre in Haft, u. a. auf der Festung Königstein.
Nicht nur das politische, auch das wirtschaftliche Leben ist Mitte des 19. Jh.s bewegt: 1836 wird die Elbdampfschiffahrts-Gesellschaft gegründet, fast zeitgleich baut Johann Andreas Schubert die erste deutsche Dampflokomotive »Saxonia«. Drei Jahre später ist die erste deutsche Eisenbahnfernverbindung zwischen Dresden und Leipzig fertiggestellt und 1851 fährt der erste Zug von Dresden nach Prag.
Zwischen 1838 und 1878 entstehen Gottfried Sempers berühmteste Dresdner Bauten: das Hoftheater (die erste Semperoper, 1869 abgebrannt), die Synagoge am Hasenberg, die Sempergalerie am Zwinger und die zweite Semperoper. Die Prager Straße, die ab 1851 als Verbindung zwischen Bahnhof und Innenstadt angelegt wird, entwickelt sich zur elegantesten Geschäftsstraße der Stadt. 1850 – 1861 werden am Loschwitzer Elbhang drei prächtige Schlösser errichtet, kurz vor der Jahrhundertwende an der Brühlschen Terrasse das Albertinum, die Kunstakademie und die Sekundogenitur.
Ab Mitte des 19. Jh.s prägt die Industrie zunehmend die Wirtschaft Dresdens. Eugen von Boch und Alfred Villeroy gründen den Dresdner Steingutbetrieb »Villeroy & Boch«, der einer der bedeutendsten Keramikproduzenten Deutschlands wird. Größter europäischer Nähmaschinenhersteller jener Zeit ist »Clemens Müller«, in der Löbtauer Glasmanufaktur wird erstmals in der Welt Glas industriell hergestellt. Neu entstehen die Tabakwarenindustrie, die chemisch-pharmazeutische Industrie, die feinmechanisch-optische und die Nahrungs- und Genussmittelindustrie, zu der die Fabrik der Milchschokoladenerfinder »Jordan & Timaeus« (gegr. 1823) gehört. Die erste deutsche Zigarettenfabrik »Laferme« beginnt mit der Produktion – 1880 gibt es bereits 21 Zigarettenfabriken in Dresden; außerdem die pharmazeutische Firma »Heyden«, die Näh- und (später) Schreibmaschinenfabrik »Seidel & Naumann« und das »Lingnerwerk«, wo mit »Odol« das weltweit erste Mundwasser entwickelt wird.
Zwischen 1892 und 1921 vergrößert sich die Fläche der Stadt durch Eingemeindungen auf mehr als das Dreifache, zu Beginn des 20. Jh.s zählt Dresden eine halbe Million Einwohner. Die Entwicklung zur Großstadt geht einher mit dem Ausbau des Verkehrsnetzes und zahlreichen Verkehrsbauten: Mehrere Elbbrücken, darunter das »Blaue Wunder« (1893), werden errichtet, die elektrische Straßenbahn nimmt den Betrieb auf, der Elbhafen entsteht. 1898 wird der neue Hauptbahnhof eingeweiht, der Neustädter Bahnhof folgt 1901. Weltneuheit und ein Ereignis ist die 1901 in Betrieb genommene Schwebebahn vom Loschwitz hinauf auf den Elbhang, die Standseilbahn vom Körnerplatz zum Weißen Hirsch verkehrt bereits seit 1895.
Am 9. November 1918 müssen die sächsische Regierung und der König im Verlauf der Novemberrevolution abdanken. Letzterer tut es mit dem Satz: »Macht doch euern Dreck alleene!« Damit endet die Ära Dresdens als Residenzstadt, Sachsen wird Freistaat. Am 1. November 1920 wird die Verfassung des Freistaates angenommen. Linke Sozialdemokraten unter Erich Zeigner stellen am 21. März 1923 die Regierung, die sich am 10. Oktober des gleichen Jahres mit den Kommunisten zusammenschließt. Nur 19 Tage später wird diese Koalitionsregierung aus KPD und SPD von der Berliner Regierung mithilfe der Reichswehr abgesetzt, ihre Mitglieder werden verhaftet.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kommt es am 8. März 1933 auf dem Wettiner Platz zur deutschlandweit ersten Bücherverbrennung. Am Abend zuvor war Generalmusikdirektor Fritz Busch in der mit SA-Männern besetzten Semperoper während einer »Rigoletto«-Aufführung vom Dirigentenpult gebrüllt worden. Gegner des Nationalsozialismus und Juden werden verfolgt: Der Maler Otto Dix und der Philologe Victor Klemperer verlieren ihr Lehramt, der bürgerlich-demokratische Oberbürgermeister Wilhelm Külz wird entlassen. Der Theaterplatz heißt nun »Adolf-Hitler-Platz«, am Neustädter Elbufer entsteht ein Aufmarschplatz. Auch in der systematischen Kriegsvorbereitung spielt Dresden eine wichtige Rolle: Hier wird für den Krieg geplant, ausgebildet, produziert und mobilisiert; ab Mitte der 1930er entwickelt sich Dresden zu einer der bedeutendsten Garnisonsstädte Deutschlands. In der Pogromnacht am 9. November 1938 brennt die Semper-Synagoge. Von den einst über 5 000 Juden überleben nur wenige das Dritte Reich.
Zu Beginn des Jahres 1945 hat Dresden noch keine großen Kriegsschäden erlitten, dennoch bestimmt der Krieg den Alltag, u. a. durch Rüstungsproduktion und Luftschutzdienst. Anfangs noch unerreichbar für die Bomber der westlichen Alliierten, wächst mit jedem Kriegsjahr die Gefahr aus der Luft. Als Leipzig im Dezember 1943 schwer getroffen wird, bereitet man sich auch in Dresden auf Luftangriffe vor. Erste Bomben fallen im Oktober 1944 und Januar 1945; die Katastrophe trifft die Stadt jedoch am Abend des Faschingsdienstags: Binnen 40 Stunden – zwischen dem 13. und 15. Februar 1945 – treffen vier Luftangriffe die Stadt. Zwei nächtliche Angriffswellen des britischen Bomber Command erzeugen im historischen Stadtzentrum einen vernichtenden Feuersturm, zwei Tagesangriffe der 8. US-Luftflotte komplettieren die Verwüstung. Innerhalb weniger Stunden sterben 25 000 Menschen, 12 km² Stadtfläche werden zerstört. In den Tagen danach werden Hunderte Tote auf dem Altmarkt zusammengetragen und verbrannt. Am Vormittag des 15. Februar stürzt die ausgeglühte Frauenkirche in sich zusammen.
Die Luftangriffe auf Dresden sind Teil der strategischen Bomberoffensive gegen deutsche Städte, außerdem soll so die deutsche Verteidigung gegen die nur noch 100 km entfernte Rote Armee geschwächt werden. Die deutsche Kriegspropaganda macht die Luftangriffe zum Gegenstand einer letzten großen – und erfolgreichen – Kampagne: Mit dramatischen Schilderungen und vielfach überhöhten Zahlen wird Dresden als schrille Anklage gegen Kriegsgegner positioniert.
Am 8. Mai 1945, dem Tag der Kapitulation der deutschen Wehrmacht, marschiert die Rote Armee in Dresden ein. Zwei Tage später nimmt die provisorische Stadtverwaltung unter Rudolf Friedrichs (SPD) als Oberbürgermeister ihre Tätigkeit auf. Im Juli beginnt das kulturelle Leben der Stadt mit der Eröffnung des Interimstheaters in der Tonhalle in der Neustadt und Erich Ponto als Lessings »Nathan der Weise«. Die Dresdner Philharmonie und der Kreuzchor geben erste Konzerte. Bereits im Sommer 1945 wird der Wiederaufbau des schwer beschädigten Zwingers beschlossen. Ein Teil des dafür nötigen Geldes wird über eine »Zwingerlotterie« von den Dresdner Bürgern aufgebracht. Der Rat der Stadt legt im Januar 1946 in einer öffentlichen Sitzung den »Großen Dresdner Aufbauplan« vor.
© Sächsische Landesbibliothek / Möbius
Im April 1946 werden die KPD und SPD Sachsens zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) vereinigt. Die Gründung der DDR erfolgt am 7. Oktober 1949; im November darauf übergibt die sowjetische Militäradministration die Verwaltungsvollmacht für Dresden an den Rat der Stadt. Im Juli 1952 wird das nach dem Krieg neugebildete Land Sachsen aufgelöst und in drei Bezirke aufgeteilt: Dresden, Leipzig und Chemnitz (1953 – 1990 Karl-Marx-Stadt). Dresden ist nun Bezirkshauptstadt.
Am 17. Juni 1953 kommt es auch in Dresden zu Streiks und Demonstrationen für freie Wahlen und eine bessere Versorgung, Tausende Menschen versammeln sich auf dem Postplatz. Dresdens sowjetische Militärführung verhängt den Ausnahmezustand, die Proteste werden durch die Stasi, Kasernierte Volkspolizei und Sowjetarmee beendet, »Rädelsführer« werden zu langen Haftstrafen verurteilt.
Nach der Beseitigung der Ruinen im Rahmen einer Großflächenenttrümmerung werden ab 1953 die Ost- und Westseite des nun deutlich vergrößerten Altmarktes neu bebaut. 1956 wird zur 750-Jahr-Feier der Stadt die Gemäldegalerie im Semperbau wieder eröffnet mit den Gemälden, die von der Sowjetunion zurückgegeben worden waren. 1958 kehren auch die Kunstwerke aus Grünem Gewölbe, Kupferstichkabinett, Münzkabinett, Porzellansammlung, Rüstkammer und Skulpturensammlung aus der Sowjetunion zurück. Der Wiederaufbau des Zwingers ist 1963 beendet. Ein Jahr zuvor war die benachbarte Ruine der Sophienkirche abgebrochen worden. Ab Mitte der 1960er Jahre entsteht die neue Prager Straße als einer der ersten Fußgängerboulevards der DDR. 1969 werden Kulturpalast und Fernsehturm eingeweiht. Der Wohnungsneubau verlagert sich in den 1970er- und 1980er Jahren vom Ring um die Innenstadt an die Randgebiete der Stadt; es entstehen große Plattenbausiedlungen in Prohlis und Gorbitz. Am 40. Jahrestag der Zerstörung Dresdens, dem 13. Februar 1985, wird die Semperoper mit Carl Maria von Webers »Freischütz« feierlich wiedereröffnet. Der Grundstein für den Wiederaufbau des Schlosses kann ein Jahr danach gelegt werden.
Am 4. Oktober 1989 fährt ein Sonderzug mit Prager Botschaftsflüchtlingen über Dresden in die BRD. Polizei und Ausreisewillige liefern sich am Hauptbahnhof gewaltsame Auseinandersetzungen. Prager Straße, Hauptbahnhof, Pirnaischer und Fetscherplatz werden in den folgenden Wochen zu Schauplätzen dramatischer Ereignisse, welche die politische Wende in der DDR einleiten.
In vier Kirchen, darunter Kreuz- und Hofkirche, gibt es nichtkirchliche Zusammenkünfte der Bürger, vereint im Aufbegehren gegen die DDR-Staatsführung. Im Staatsschauspiel verlesen die Schauspieler nach Aufführungen Resolutionen und unterrichten ihr Publikum über die Entwicklung in anderen Teilen der DDR. Mit dem Beginn des Dialogs, riesigen Demos und durch die Initiative eines ersten demokratisch bestimmten Bürgerkomitees, der »Gruppe der 20«, wird in Dresden das Signal für die friedliche Revolution gegeben. Am 19. Dezember 1989 sprechen Bundeskanzler Kohl und DDR-Ministerpräsident Modrow auf dem Neumarkt zur Dresdner Bevölkerung. Die ersten freien Kommunalwahlen im Mai 1990 gewinnt die CDU, die auch bei den Landtagswahlen im Oktober die absolute Mehrheit erringt. Mit der konstituierenden Sitzung des Landtags wird der Freistaat Sachsen mit Dresden als Landeshauptstadt wiedererrichtet.
Nach der Wende werden im Zuge der wirtschaftlichen Umstrukturierung durch die Treuhand viele traditionsreiche Betriebe abgewickelt, z. B. der Kamerahersteller Pentacon. Einigen Firmen gelingt unter veränderten Vorzeichen ein Neuanfang. Schon früh zieht die Stadt mit ihren qualifizierten Arbeitskräften internationale Technologiekonzerne wie den Chip-Hersteller Siemens (jetzt Infineon) an. Heute ist sie dynamischer Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort mit zahlreichen Hightech-Unternehmen in Bereichen wie Halbleiter-Fertigung, Photovoltaik, Bio- und Nanotechnologie. Dazu kommen mehr als 20 Forschungsinstitute wie Fraunhofer- und Max-Planck-Gesellschaft sowie Leibnitz- und Helmhotzgemeinschaft.
Bei der Jahrhundertflut im August 2002 steigt der Elbepegel, der sonst selten mehr als 2 m beträgt, auf einen historischen Höchststand von 9,40 m und überflutet die flussnahen Teile der Stadt. In der Folge werden viele Mio. Euro in die Beseitigung der Schäden sowie den Ausbau von Infrastruktur und Hochwasserschutz investiert. Eine zweite große Flut im Juni 2013 trifft die Stadt deshalb besser vorbereitet. Ab 2004 gehört die Kulturlandschaft der sächsischen Landeshauptstadt von Schloss Übigau bis Schloss Pillnitz zum Weltkulturerbe der UNESCO. Nach dem Bau der umstrittenen Waldschlösschen-Brücke verliert sie den Titel 2009 allerdings wieder.
Am 30. Oktober 2005 wird die Frauenkirche geweiht, rund um das Gotteshaus geht die Bebauung des Neumarktes voran. 2006 feiert Dresden das 800-jährige Stadtjubiläum. Mit der fortschreitenden Rekonstruktion des Residenzschlosses können mehrere Museen hier ihr neues Domizil beziehen. Seit 2016 sind die Staatsoperette Dresden und das Theater Junge Generation im umgebauten ehemaligen Kraftwerk Mitte zu Hause; 2017 wird der Kulturpalast nach fünf Jahren Sanierung mit einem neuen Konzertsaal wieder eröffnet.
Bei der Kommunalwahl 2014 wird nach fast einem Vierteljahrhundert CDU-Dominanz ein rot-rot-grüner Stadtrat gewählt. Die Bürgermeisterwahl im Jahr darauf gewinnt der FDP-Mann Dirk Hilbert. Selbst mit einer Koreanerin verheiratet, will er die Deutungshoheit über seine Stadt nicht den montäglichen Pegida-Marschierern überlassen, sondern – mit Unterstützung der allermeisten Bürger – »Dresden zu einer Vorzeigestadt der Integration und Beschäftigung von Flüchtlingen und Zuwanderern machen«. 2016 fällt der Beschluss zur Bewerbung um den Titel »Kulturhauptstadt Europas 2025« .
Hier musizieren Ensembles von Weltrang, hier haben Mary Wigman und Gret Palucca den modernen Tanz etabliert, hier haben die Künstler der »Brücke« die Bildende Kunst revolutioniert. Noch mehr Argumente fürs reiche Dresdner Kulturleben? Finden Sie in einem der 13 Museen der Staatlichen Kunstsammlungen oder an der Elbe mit Canaletto-Blick.
Die frühe Vergangenheit Dresdens kann man nicht mehr anschauen, aber dafür anhören. Von den gotischen Kirchen hat es nur die Sophienkirche bis zum Zweiten Weltkrieg geschafft, wurde dann aber schwer beschädigt und 1962 auf Weisung der SED-Führung abgebrochen. Gerettete Teile wie die Stifterfiguren sind in die »Gedenkstätte Busmannkapelle« am einstigen Platz der Sophienkirche integriert. Dadurch ist das älteste bis heute bestehende Kulturzeugnis der Stadt ein Musik-Ensemble: Zu einer Zeit, da Dresden noch ein unbedeutender Marktflecken an der Elbe ist, entsteht der Kreuzchor. Das tatsächliche Gründungsdatum liegt im Dunkeln, lange sprach man von einer mehr als 700-jährigen Geschichte – der 700. Geburtstag wird im 20. Jh. gleich mehrfach gefeiert. Aber die Stadtkirche des 1216 erstmals »civitas« (»Stadt«) genannten Dresden musste Chorknaben mit einer dazugehörigen Schule gehabt haben, und so feierte man 2016 kurzerhand das 800. Kreuzchorjubiläum; das Stadtwerdungsjahr wurde zur Geburtsstunde des Knabenchores. Gesichert ist die urkundliche Erwähnung eines Schulmeistes im Jahr 1300, die Ausbildung kann ab 1371 schriftlich belegt werden. Seit dieser Zeit tritt der Kreuzchor regelmäßig in Erscheinung. Er ist – ob nun mit mehr als 700 oder 800 Jahren Geschichte – einer der ältesten Knabenchöre der Welt. Eine Blüte erlebt er im 17. Jh. unter den Kantoren Christoph Neander und Michael Lohr, die das geistliche Werk des zeitgleich am Dresdner Hof wirkenden Heinrich Schütz uraufführen.
Mit der Leipziger Teilung wird Dresden 1485 Residenzstadt unter Albrecht dem Beherzten. Dennoch ist die Stadt bis ins 16. Jh. eher wenig beeindruckend. Albrechts Sohn Herzog Georg von Sachsen (1471 – 1539) wird dieser Ausspruch zugeschrieben: »Leipzig, die Beste, Chemnitz, die Feste, Freiberg, die Größte, Annaberg, die Liebste« – von Dresden ist da gleich gar nicht die Rede. Erst unter Herzog Moritz, Enkel Albrechts und ab 1547 Kurfürst, entwickelt sich Dresden zu einem europäischen Zentrum von Kunst und Kultur.
Bis Mitte des 16. Jh.s wird aus dem Herrschersitz der Wettiner ein repräsentatives Residenzschloss der Hochrenaissance. Noch unter Herzog Georg entsteht 1530 – 1535 das Georgentor als Stadttor zur Elbe hin. An der Fassade ist das über 12 m lange Sandsteinrelief »Dresdner Totentanz« angebracht; das bedeutende Renaissance-Kunstwerk können Sie heute in der Dreikönigskirche sehen. 1548 – 1556 lassen Kurfürst Moritz und nach ihm sein Bruder August das Schloss zur stattlichen Vierflügelanlage ausbauen und geben ihm im Wesentlichen sein heutiges Aussehen. Italienische Künstler gestalten die Fassaden in Sgraffito-Technik: Dabei werden verschiedenfarbige Putzschichten übereinander angebracht, durch Abkratzen der oberen Schicht entstehen Muster und Bilder. Große Teile dieser Fassaden wurden in den letzten Jahren bei der Rekonstruktion des Großen Schlosshofes wieder hergestellt. In der zweiten Hälfte des 16. Jh.s entstehen auch die Schlosskapelle, das Zeughaus (später zum Albertinum >>> umgebaut) und der rechtselbische Jägerhof. Das um 1553 errichtete Moritzmonument ist das älteste erhaltene Denkmal Dresdens. Es steht heute im Kurfürstensaal des Residenzschlosses, seine Kopie an der Jungfernbastei der Brühlschen Terrasse.
Kurfürst Moritz ist es auch, der 1548 die Stiftungsurkunde der Dresdner Hofcantorey unterzeichnet. Zuerst soll sie nur die Gottesdienste in der Schlosskapelle gestalten, aber schon bald erweitert man das Repertoire um weltliche Musik. Die heutige Staatskapelle ist somit das älteste Orchester der Welt. Prägend für die Dresdner Musikkultur wird die Berufung von Heinrich Schütz als Hofkantor im Jahr 1615. Schütz wirkt 56 Jahre lang bis zu seinem Tod in Dresden und schreibt die erste deutsche Oper »Daphne« – 1627 in Torgau uraufgeführt –, deren Musik jedoch verloren geht.
Moritz’ Bruder Kurfürst August gründet 1560 die Kunstkammer im Dresdner Residenzschloss, nach Wien die zweite ihrer Art im Heiligen Römischen Reich. Damit legt er den Grundstein für die späteren Staatlichen Kunstsammlungen und den Ruf Dresdens als Kunststadt. Schon 1587 nennt das Inventar 10 000 Objekte; in den folgenden Jahrhunderten gehen sie ein in die Sammlungen von Rüstkammer, Gemäldegalerie, Kupferstichkabinett, Grünem Gewölbe und Skulpturensammlung, v. a. aber in den Mathematisch-Physikalischen Salon.
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Die Liebe der Kurfürsten zu repräsentativem Prunk befeuert die schnelle Verbreitung des Barock: 1676 wird der Große Garten nach französischem Vorbild angelegt. Darin steht seit 1683 mit dem Großen Palais von Johann Georg Starcke der früheste Barockbau Sachsens. Die Regierungszeit des Kurfürsten Friedrich August I., genannt August der Starke (reg. 1694 – 1733), und seines Sohnes Friedrich August II. (reg. 1733 – 1763) geht als »Augusteisches Zeitalter« in die Geschichte ein. Dresden wird zum Zentrum der Künste und zum Anziehungspunkt von Künstlern aus halb Europa.
Eine rege Bautätigkeit und einzigartige Bauwerke machen aus der Residenz an der Elbe in wenigen Jahrzehnten eine der schönsten Städte Europas. Matthäus Daniel Pöppelmann schafft mit dem Zwinger ein Meisterwerk barocker Festarchitektur. Die Dresdner Stadtplanung beginnt mit seiner Berufung zum Leiter des Oberlandbauamtes im Jahr 1718; ihm sind nun die Pläne aller Zivilbauten vor Baubeginn vorzulegen. Er gestaltet das Schloss Moritzburg um und errichtet mit dem asiatisch inspirierten Japanischen Palais und Schloss Pillnitz die ersten großen Chinoiserie-Architekturen des Kontinents. Auf Geheiß Augusts des Starken wird das rechtselbische Altendresden zur Neuen Königstadt umgestaltet, Pöppelmann liefert die Pläne für die prachtvolle Königstraße. Der Entwurf für die Katholische Hofkirche stammt vom Italiener Gaetano Chiaveri, die 1726 bis 1743 errichtete Frauenkirche von George Bähr ist der Höhepunkt des protestantischen Kirchenbaus der Barockzeit. Die meisten zu jener Zeit entstandenen Palais fallen im Zweiten Weltkrieg den Bomben zum Opfer. Nur das Taschenbergbergpalais am Schloss, das Coselpalais neben der Frauenkirche und das Kurländerpalais am Albertinum wurden nach 1990 rekonstruiert. Sie beherbergen heute ein Hotel und Restaurants.
An der Wende zum 18. Jh. entstehen auch herausragende Plastiken. Balthasar Permoser versieht nicht nur den Zwinger und den Großen Garten mit ausdrucksstarken Skulpturen, er fertigt auch erlesene Elfenbeinschnitzereien. Johann Melchior Dinglinger führt die Goldschmiedekunst zur Vollendung: Aus seiner Hand stammen einige der schönsten und originellsten Preziosen im Grünen Gewölbe wie das »Goldene Kaffeezeug« oder der mit Tausenden Edelsteinen besetzte »Hofstaat zu Delhi am Geburtstag des Großmoguls Aureng-Zeb« >>>. Melchior Dinglinger verarbeitete nur edelste Materialien für seine Kleinode: »Diana im Bade« von 1704.Vor allem unter Friedrich August II. kommen viele heute weltberühmte Gemälde von italienischen, französischen und niederländischen Meistern nach Dresden, z. B. die »Sixtinische Madonna«. Die Dresdner Maler stehen immer ein wenig im Schatten ihrer prominenten Kollegen. Von Anton Raphael Mengs, der in Rom und Madrid, aber auch in Dresden arbeitet, stammt das Altarbild der Hofkirche. Johannes Alexander Thiele, kursächsischer Hofmaler unter Friedrich August II., begründet eine eigenständige sächsische Landschaftsmalerei. Sein Schüler Christian Wilhelm Ernst Dietrich führt die Tradition fort. Beide, Thiele und Dietrich, werden von Canaletto in dessen Gemälde »Dresden vom rechten Elbufer oberhalb der Augustusbrücke« (unterer Bildrand, Mitte) verewigt. Canaletto >>> schafft als Hofmaler großartige Ansichten der Barockstadt, die heute zu den bekanntesten Werken der Gemäldegalerie Alte Meister zählen.
Am 27. Januar 1667 wird das von Wolf Caspar Klengel entworfene »Churfüstliche Opernhaus« mit Moneglias »Il Teseo« eröffnet, eines der frühesten festen Theater in Deutschland. Das Datum gilt als offizieller Gründungstag der Dresdner Oper. Hier werden – entsprechend der damaligen Mode – vor allem italienische Komponisten aufgeführt. 1719 entsteht unter August dem Starken das »Große Opernhaus am Zwinger«, das später als Konzertsaal genutzt wird und in dem Mendelssohn Bartholdy und Richard Wagner Werke aufführen.
Anton Graff, Vertreter klassizistischer Tendenzen, wird 1798 als Professor für Porträtmalerei berufen. Seine Bildnisse sind gekennzeichnet von Natürlichkeit, subtiler Erfassung der jeweiligen Persönlichkeit und warmer Farbgebung. Mit ihm beginnt die Dresdner Frühromantik, die internationale Bedeutung erlangen wird. Graff gehört zum Kreis adliger und bürgerlicher Gebildeter, zu dem auch Dichter wie Ludwig Tieck, Novalis, Heinrich von Kleist und E. T. A. Hoffmann zählen. Hier tauschen sich Maler aus wie die Hauptmeister der Romantik Philipp Otto Runge, Caspar David Friedrich und dessen Freund Johan Christian Clausen Dahl oder der Hauptvertreter der sächsischen Spätromantik Adrian Ludwig Richter. Auch Musiker wie Carl Maria von Weber sowie Clara und Robert Schumann inspirieren sich hier gegenseitig. Das Wohnhaus des Malers Gerhard von Kügelgen in der Neustadt wird bis zu seinem Tod 1820 zu einem Treffpunkt von Persönlichkeiten der Dresdner Frühromantik. Heute ist dort ein kleines Museum >>>.
Im Mai 1834 wird Gottfried Semper als Professor an die »Königliche Akademie der Bildenden Künste« berufen. In Dresden entstehen seine bedeutendsten Bauwerke. Bereits 1832 übernimmt der spätklassizistische Bildhauer Ernst Rietschel eine Professur an der Kunstakademie. Er fertigt ein Giebelrelief – den »Rietschelgiebel« – sowie die Sitzfiguren Schillers und Goethes für Sempers erstes Hoftheater, sie flankieren heute den Eingang der Semperoper. Von ihm stammen auch das Denkmal Carl Maria von Webers an der Sempergalerie und der Kopf des Lutherdenkmals an der Frauenkirche.
Zur Eröffnung des Königlichen Hoftheaters, der ersten Semperoper, am 12. April 1814 werden Carl Maria von Webers »Jubel-Ouvertüre« und Johann Wolfgang von Goethes »Torquato Tasso« aufgeführt. Weber schreibt in Dresden seine deutsche Nationaloper »Der Freischütz«. Richard Wagner bringt als Königlich Sächsischer Kapellmeister ab 1842 seine Opern »Rienzi«, »Der fliegende Holländer« und »Tannhäuser« in Dresden zur Uraufführung. 1969 fällt das Opernhaus einem Brand zum Opfer. Der Nachfolgerbau, die zweite Semperoper, wird 1878 auch mit der »Jubel-Ouvertüre« eingeweiht. Auch andere bedeutende Komponisten kommen für Auführungen nach Dresden: Niccolò Paganini, Franz Liszt und Robert Schumann.
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Bei all dem Hype um Dresden als Barockstadt vergisst man leicht, wie viel Einfluss die Architektur des 19. Jh.s auf das Stadtbild hatte. Denn ab Mitte des 19. Jh.s ändert sich Dresdens Antlitz grundlegend. In den 1850er Jahren werden am Elbhang die drei Elbschlösser im Stil der Neo-Renaissance und Neo-Gotik erbaut. Auch im Stadtzentrum entstehen um die Jahrhundertwende beidseits der Elbe monumentale Bauten im historisierenden Stil wie das Albertinum, die Kunstakademie, das Finanzministerium und das Ministerialgebäude (heute Staatskanzlei). Die Prager Straße wird mit repräsentativen Gebäuden zu Dresdens Prachtstraße ausgebaut. Ab 1904 ist Hans Erlwein Stadtbaurat in Dresden. Unter seiner Leitung werden in zehn Jahren rund 150 Industrie-, Verwaltungs- und Wohngebäude gebaut, die das Gesicht der Stadt mit ihrem sachlichen, an örtlichen Bautraditionen orientiertem Baustil über Jahrzehnte prägen. Heute noch erhalten sind u. a. der Erlweinspeicher am Elbufer (inzwischen ein Hotel) und der Städtische Vieh- und Schlachthof (Messe Dresden). Noch vor dem Ersten Weltkrieg entsteht im Norden Dresdens die Gartenstadt Hellerau >>>.
Ab Mitte des 19. Jhs. entwickelt sich in Dresden eine bürgerliche Musiktradition. 1856 wird das Dresdner Konservatorium gegründet, Vorgänger der Hochschule für Musik »Carl Maria von Weber«. 1870 wird das Gewerbehausorchesters geboren, 1915 in Dresdner Philharmonisches Orchester umbenannt. Seit 1924 brilliert es unter dem Namen Dresdner Philharmonie und wird durch zahlreiche Tourneen weltweit bekannt. Die Semperoper macht sich um die Jahrhundertwende vor allem mit den Uraufführungen der Richard-Strauss-Opern »Salome«, »Elektra« und »Der Rosenkavalier« einen Namen.
Um 1900 bestimmen Impressionismus und Jugendstil die Kunst. Robert Sterl, sächsischer Hauptvertreter des Impressionismus, thematisiert Menschen, die in den Elbsandsteinbrüchen arbeiten, er malt Porträts aus der Musikwelt und von seiner Russlandreise inspirierte impressionistische Landschaftsszenerien. Maßgeblichen Einfluss auf die europäische Kunstentwicklung hat die 1905 in Dresden entstandene Vereinigung expressionistischer Künstler die »Brücke« – mit ihr beginnt die deutsche Moderne. Ihre Gründer sind Karl Schmidt-Rottluff, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Fritz Bleyl, die sich beim Architekturstudium kennenlernen; 1910 stieß Otto Mueller dazu. Sie leben und arbeiten im Arbeiterviertel Friedrichstadt und stehen der traditionellen Malerei kritisch gegenüber. Daher pfeifen sie auf die Zwänge der akademischen Kunst: Die vereinfachende, oft holzschnittartige Formensprache, das Auflösen der Perspektive und der Rausch intensiver, kontrastierender Farben als Ausdruck subjektiver Wahrnehmung schockieren und revolutionieren die Kunstwelt. Bevorzugte Themen sind das Großstadtleben oder Menschen in der Natur – frei von Konventionen, die den Lebenshunger ersticken.
Das 1911/12 errichtete Festspielhaus Hellerau wird zum Mekka der Avantgarde >>>, hier installiert Émile Jaques-Dalcroze seine »Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus«. Seine Studentin Mary Wigman eröffnet 1920 in der Bautzner Straße eine Schule für modernen Tanz und unterrichtet wiederum die Ausdruckstänzerin Gret Palucca (Interessante Menschen >>>). Die von ihr gegründete Palucca-Hochschule ist die bislang einzige deutsche Tanz-Hochschule.
Auch nach dem Ersten Weltkrieg gilt Dresden als bedeutendstes Zentrum expressionistischer Kunstströmungen in Deutschland: 1919 bekommt Oskar Kokoschka als erster moderner Maler eine Professur an der Dresdner Kunstakademie. Anfang der 1920er entstehen seine Ansichten von Dresden. 1919 gründen Conrad Felixmüller und Otto Dix zusammen mit weiteren Malern und Grafikern die Künstlergruppe »Dresdner Sezession«. Lea und Hans Grundig sowie Wilhelm Lachnit gehören 1929 zu den Mitbegründern der Dresdner Ortsgruppe der kommunistisch orientierten »Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler – ASSO«. Ihre Vertreter schaffen sozialkritische, der »Neuen Sachlichkeit« verpflichtete Werke – eine Kunstrichtung, die auch die Malerei in der DDR maßgeblich beeinflussen wird.
In der Zeit des Nationalsozialismus erstirbt in Dresden jegliche kulturelle Vielfalt. Bedeutende Künstler und Lehrende wie Otto Dix oder Ernst Ludwig Kirchner werden entlassen, flüchten ins Exil oder werden ermordet – wie die in Dresden geborene Malerin und Angehörige der Dresdner Sezession Elfriede Lohse-Wächtler im Rahmen der Euthanasie-Aktion T4. Schon am 8. März 1933 verbrennen die Nationalsozialisten auf dem Wettiner Platz Bücher, zwei Monate vor der großen Bücherverbrennung in Berlin. Die Ausstellung »Spiegelbild des Verfalls in der Kunst« im September des gleichen Jahres verfemt als eine der ersten ihrer Art Werke progressiver Künstler als »entartet«. Stadt und Universität sind rasch gleichgeschaltet, wenig Widerstand regt sich. Der jüdische Romanist Victor Klemperer verliert seine Stelle an der Hochschule. 1947 legt er eine Studie über die Sprache des Dritten Reiches – die »Lingua Tertii Imperii« – vor.
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1949 wird mit der großflächigen Enttrümmerung begonnen. Viele wertvolle wiederaufbaufähige Ruinen werden bis in die 1960er Jahre hinein abgetragen, darunter das Alte Rathaus am Altmarkt, das Neustädter Rathaus, die gotische Sophienkirche und 17 weitere Kirchen. Wieder aufgebaut werden u. a. Zwinger, Kreuzkirche, Katholische Hofkirche, Rathaus, Gewandhaus, Schauspielhaus und Semperoper. Ab 1953 entsteht die Neubebauung am Altmarkt, ab 1965 wird mit dem Ensemble der Prager Straße eine der ersten Fußgängerzonen der DDR gestaltet. Am Altmarkt eröffnet 1969 der Kulturpalast. In den 1970er und 1980er Jahren werden in Prohlis und Gorbitz Neubaugebiete aus dem Boden gestampft.
Die Zeit nach 1990 bringt konventionelle, aber auch spektakuläre neue Bauten wie den transparenten Sächsischen Landtag, das dekonstruktivistische UFA-Kino Kristallpalast und die Gläserne Manufaktur. Eine in den Wendetagen geborene Idee von Dresdner Bürgern und Künstlern um den Trompetenvirtuosen Ludwig Güttler ist der Wiederaufbau der Frauenkirche. Zu großen Teilen mit Spenden finanziert, wächst am Neumarkt die neue alte Frauenkirche empor und kann am 30. Oktober 2005 geweiht werden.
Auch wenn die öffentlich geförderte Kunst in der DDR gerade zu Beginn meist dem »Sozialistischen Realismus« verpflichtet ist, so gibt es doch immer wieder Künstler, die Freiräume jenseits des staatlichen Kunstbetriebs zu nutzen wissen. Im Nachkriegs-Dresden sind das u. a. der Konstruktivist Hermann Glöckner und der Grafiker und Illustrator Josef Hegenbarth, dessen Wohn- und Atelierhaus heute als Museum zum Kupferstich-Kabinett gehört. In den 1980ern macht eine junge, unangepasste Künstlergeneration von sich reden, zu der Angela Hampel, Volker Via Lewandowsky, Hubertus Giebe und Johannes Heisig gehören. Um diese Zeit erfährt auch der Dresdner Maler und Bildhauer A. R. Penck (eigentl. Ralf Winkler, 1939 – 2017) seinen internationalen Durchbruch – allerdings erst nach seiner Übersiedlung in den Westen. Der Meister der Strichmännchen zeichnete sie, lange bevor Keith Haring sie populär machte. Berühmter Sohn der Stadt ist auch der Maler, Bildhauer und Fotograf Gerhard Richter (geb. 1932). Seine Werke sehen Sie im Albertinum >>>.
Nach der Wiedervereinigung entstanden einige neue Galerien, die sich u. a. neuen wie gestandenen Künstlern aus der Region widmen.
Im 20. Jh. wird der Dresdner Kreuzchor mit seinen heute rund 130 Sängern im Alter zwischen 9 und 19 Jahren in aller Welt bekannt. Am stärksten prägt ihn in diesem Jahrhundert der Kreuzkantor Rudolf Mauersberger. Er führt den Chor durch die Nazizeit und versucht – obwohl selbst NSDAP-Mitglied – das Ensemble vor politischer Instrumentalisierung zu bewahren. Zu den größten Verdiensten in seiner 40-jährigen Amtszeit zählt die Neubelebung des Chores kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Die erste Kreuzchorvesper nach Kriegsende findet am 4. August 1945 in der ausgebrannten Kreuzkirche statt. Zur Uraufführung kommt Mauersbergers Trauermotette »Wie liegt die Stadt so wüst«, in der er das Schicksal Dresdens verarbeitet.
Die Sächsische Staatskapelle und die Sächsische Staatsoper erhalten bereits 1985 ihre wiederaufgebaute Semperoper zurück und feiern seither dort Erfolge. 2017 bekommt die Philharmonie Dresden im umgebauten Kulturpalast einen eigenen neuen Konzertsaal. Im Europäischen Zentrum der Künste, im Festspielhaus Hellerau, sind zeitgenössische Formen von Musik, Theater und Tanz zu Hause.
Bereits zu DDR-Zeiten entstandene Kultur-Festivals mit internationalen Stars wie die Dresdner Musikfestspiele oder das Dixieland-Festival werden nach 1990 fortgeführt. Außerdem entstehen neue, z. B. die Tanzwoche, das Filmfest, das Moritzburgfestival oder die Jazztage.
Einmal Zeitreise ins 18. Jh.: Canaletto bestimmt bis heute unsere Vorstellungen von der Barockstadt Dresden. Wie er das macht? Indem seine Stadtansichten nach wie vor mit topografischer Exaktheit und Detailreiche verblüffen und zur Rekonstruktion der historischen Gebäudelage herangezogen werden.
Canaletto lautet der Künstlername von Bernardo Bellotto, dessen Veduten durch die hoch entwickelte Maltechnik bestechen und ein großer Schritt in der Entwicklung der realistischen Landschaftsdarstellung sind. Das Handwerk lernt er bei seinem Onkel, Antonio Canal. Zur Unterscheidung wird er damals zum »kleinen Canal«, eben zum »Canaletto«. 1747 folgt er dem Ruf Friedrich Augusts II., der ihn bald zum Hofmaler ernennt. Für ihn malt Bellotto Veduten von Dresden, Warschau, Pirna und der Festung Königstein. Seine Gemälde und Kupferstiche gehören zu den Höhepunkten der Dresdner Kunstsammlungen und bis heute kann man am Neustädter Elbufer zwischen Augustus- und Marienbrücke den »Canaletto-Blick« genießen.
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Kaffee gehört schon um 1900 für viele zum Start in den Tag und auch Amalie Auguste Melitta Bentz kocht ihn täglich – aber sie stört, dass Kaffeesatz in der Tasse bleibt. Filter aus Keramik oder Metall gibt es zwar schon, sie funktionieren aber nicht richtig. Das muss doch auch besser gehen! Irgendwann nimmt Melitta Bentz eine Blechdose, schlägt mit Hammer und Nagel Löcher hinein und legt sie mit Löschblättern aus den Schulheften ihrer Kinder aus. Die einfache Idee funktioniert, das Problem mit den Kaffeekrümeln ist erledigt. Es ist die Geburtsstunde eines internationalen Unternehmens, das heute über 4 000 Mitarbeiter hat. Denn im Sommer 1908 meldet Melitta Bentz ein Patent an, im Winter lässt sie ihre Firma beim Dresdner Gewerbeamt eintragen, mit einem Startkapital von 72 Reichspfennigen. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Familienunternehmen: Firmensitz ist ein Zimmer in der Wohnung, die ganze Familie montiert und verpackt Filterpapier, die Söhne liefern es mit Bollerwagen aus. 1929 ist die Firma schon so gewachsen, dass sie nach Minden in Nordrhein-Westfalen umziehen muss, weil man in Dresden keinen geeigneten Platz findet. 1963 wird die erste Niederlassung in den USA gegründet. Auch sie trägt den Namen der Erfinderin: Melitta.
Hinreißend schön, willensstark und gescheit: Die Gräfin von Cosel prägt wie keine zweite Frau das Leben des »sächsischen Sonnenkönigs«. Als sie August den Starken mit 25 Jahren trifft, ist sie zwar schon verheiratet. Dennoch fasziniert sie den notorischen Frauenhelden und avanciert zu seiner offiziellen Mätresse. Ihre Bedingung: ein vom Kurfürsten unterzeichnetes Schriftstück, das sie zu seiner rechtmäßigen Ehefrau macht, falls er zum Witwer wird. August willigt ein, 1707 wird sie zur Reichsgräfin von Cosel ernannt. Neun Jahre lang hält die Pfeife rauchende »sächsische Pompadour« den Dresdner Hof in Atem. August schenkt ihr Schloss Pillnitz – den Vorgängerbau des Neuen Palais – und lässt das Taschenbergpalais als Liebesnest errichten. Als der Kurfürst ein Auge auf die polnische Gräfin Maria von Dönhoff wirft und der Cosel überdrüssig wird, weigert sie sich, ihren Platz zu räumen. Er verbannt sie aus Dresden, sie flieht nach Berlin und fordert von dort das Einlösen ihres Eheversprechens sowie die Anerkennung der drei gemeinsamen Kinder. August aber arrangiert sich mit Friedrich Wilhelm I.: Gegen eine Reihe preußischer Gefangener wird die Gräfin ausgetauscht und 1716 auf der Burg Stolpen >>> inhaftiert. Dort stirbt sie 49 Jahre später.
Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Extreme – und Otto Dix hat seine Zäsuren und Widersprüche malerisch wie kaum ein Zweiter reflektiert. Der Arbeitersohn aus Gera macht zunächst ganz praktisch eine Lehre zum Dekorationsmaler, ehe er an die Kunstgewerbeschule in Dresden geht. Im Ersten Weltkrieg meldet er sich freiwillig und dient an Ost- und Westfront. Was er dort sieht, wird er lange in seinen Bildern verarbeiten. Nach der Rückkehr studiert er an der Kunstakademie in Dresden und wird Mitbegründer der »Dresdner Sezession«. Im Mittelpunkt seiner Gemälde und Zeichnungen stehen Themen wie Prostitution, Krieg, Großstadt, Religion. Dix zeigt die Welt schonungslos, bildet Dekadenz und Armut ab, Glanz und Elend. Nach Stationen in Düsseldorf und Berlin erhält er 1927 eine Professur an der Kunstakademie Dresden, bis ihn 1933 die Nationalsozialisten entlassen und seine Kunst als »entartet« diffamieren. Der Großstadtmensch muss Dresden verlassen und zieht sich an den Bodensee zurück, wo er es »zum Kotzen schön« findet und sich u. a. mit Landschaftsmalerei beschäftigt. 1959 erhält er das Bundesverdienstkreuz. Zwei seiner Hauptwerke entstehen in Dresden, das Triptychon »Der Krieg« (Galerie Neue Meister) und das »Großstadt«-Triptychon.
Manchmal steht man vor einem Bild und es berührt einfach so eine Saite im Inneren. Keine intellektuellen Gedankenspiele, nur pures, unmittelbares Gefühl. Und dann schaut man genauer hin.
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Nichts ist Nebensache in einem Bilde, alles gehöret unumgänglich zum Ganzen.
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Caspar David Friedrich
Genau dieses Zusammenspiel des Ganzen ist es auch, das die Faszination seiner melancholischen Gemälde bis heute ausmacht. 425 km und mehrere Welten liegen zwischen Caspar David Friedrichs Elternhaus und der späteren Wahlheimat: Als sechstes Kind eines Seifensieders und Kerzenziehers wird er in Greifswald geboren, lebt aber von 1798 bis zu seinem Tod in Dresden, mit dem preußischen König und dem russischen Zaren als seinen Gönnern. Zur norddeutschen Landschaft der Heimat zieht es ihn immer wieder, doch auch die Sächsische Schweiz wird zum wiederkehrenden Motiv. Kunst ist für Friedrich »Mittlerin zwischen der Natur und den Menschen«, sie ist eine Möglichkeit Seelenzustände darzustellen – in nebligen Herbststimmungen, mystischer Dämmerung, sanftem Mondschein. Das für die Romantiker richtungweisende Gemälde »Das Kreuz im Gebirge« von 1808 hängt in der Galerie Neue Meister im Albertinum >>>.
»Die Uhr ist defekt.« Das ist Rudi Harbigs Reaktion, als ihm sein Trainer am 15. Juli 1939 in Mailand die Stoppuhr entgegenhält. 800 Meter in 1:46,6 Minuten – der bescheidene Dresdner hat gerade einen Weltrekord aufgestellt, den in den nächsten 16 Jahren niemand brechen kann. Entdeckt wurde der gelernte Stellmacher nur fünf Jahre vorher; am »Tag des unbekannten Sportmannes« will man Kandidaten für Olympia 1936 finden. Der schmächtige Harbig ist zu diesem Zeitpunkt zwar untrainiert und unbekannt, aber eben auch ausdauernd und diszipliniert. Das zahlt sich aus: Dank systematischem Training gewinnt er bei den Olympischen Spielen in Berlin Bronze mit der 4x400-Meter-Staffel, 1938 siegt er bei der Europameisterschaft in Paris im 800-Meter-Lauf. Bis 1941 stellt er sage und schreibe 6 Weltrekorde und 16 deutsche Bestleistungen auf – und ist bis heute der einzige Mensch, der die Weltrekorde über 400, 800 und 1.000 Meter innehatte. 1944 fällt er im Alter von nur 30 Jahren in der Ukraine.
Mit treffsicherem Witz schreibt Kästner zeitlebens gegen spießbürgerliche Moral, Militarismus und Faschismus an, in Berlin entstehen zeitkritische, scharfsinnige Gedichtbände wie »Herz auf Taille« (1928) und »Lärm im Spiegel« (1929). Als Schriftsteller passt er in keine Schublade: Seine fantasievollen Kinderbücher wie »Emil und die Detektive« oder »Pünktchen und Anton« werden ebenso zu Bestsellern wie die unterhaltsamen Romane »Die verschwundene Miniatur« oder »Drei Männer im Schnee«. Die Nationalsozialisten verbrennen seine Bücher, offiziell darf er nicht mehr publizieren. Dennoch verfasst er unter Pseudonym u. a. 1942 das Drehbuch für den Ufa-Film »Münchhausen«. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründet er in München das Kabarett »Die kleine Freiheit«, schreibt Dramen und auch wieder Drehbücher. Zu seinem 101. Geburtstag wird in der Dresdner Villa Augustin das Erich Kästner Museum eröffnet, das jeden Februar ein Festival gibt zu Ehren des immer noch aktuellen, immer noch unterhaltsamen, immer noch großartigen Schriftstellers.
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Wenn ich nicht nur weiß, was schlimm und hässlich, sondern auch, was schön ist, so verdanke ich diese Gabe dem Glück, in Dresden aufgewachsen zu sein. … ich durfte die Schönheit einatmen wie Försterkinder die Waldluft.
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Erich Kästner in seinen Memoiren
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»Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten« – unter diesem Titel erschienen Victor Klemperers Tagebücher aus der Zeit zwischen 1933 und 1945. Sie gehören zu den eindringlichsten Schilderungen des Lebens unter der nationalsozialistischen Diktatur. Der Sohn eines Rabbiners wird in Landsberg im heutigen Polen geboren, studiert Philosophie, Romanistik und Germanistik in München, Berlin, Paris und Genf und promoviert 1912. Im gleichen Jahr konvertiert er zum Protestantismus, im Ersten Weltkrieg dient er an der Westfront, danach tritt er seine Professur für romanische Philologie an der Technischen Hochschule Dresden an. Dann kommt es zur Machtergreifung der Nazis. 1935 muss er wegen seiner jüdischen Herkunft die Lehrtätigkeit aufgeben. Dass ihm bald auch der Zugang zu Bibliotheken verwehrt wird, trifft den Intellektuellen hart. Umso intensiver widmet er sich seinen Tagebuchaufzeichnungen. Sie werden die Grundlage für sein Buch »LTI – Notizbuch eines Philologen«, das 1947 erscheint und die Sprache des Dritten Reiches – die »Lingua Tertii Imperii« – entlarvt. Der Deportation ins KZ enkommt er knapp und entscheidet sich nach dem Krieg gegen einen Wechsel in den Westen, engagiert sich für den Aufbau der DDR und setzt seine Lehrtätigkeit fort.
Er hat »Odol« zwar nicht erfunden, aber ihm seinen Namen (griech.: Zahnöl) gegeben und das Mundwasser zum weltbekannten Markenartikel gemacht. Der Kaufmannssohn aus Magdeburg gründet in Dresden zunächst eine eher erfolglose Firma für Haushaltsartikel, dann 1892 das »Chemische Laboratorium Lingner«, das dank Odol zum florierenden Industrieunternehmen wird. Bald ist Lingner ein reicher Mann und kann sich einem persönlichen Anliegen widmen: Als Gründer und Mitglied verschiedener Vereine und Institutionen setzt er sich dafür ein, durch Vorsorge und Aufklärung die Gesundheit der Bevölkerung zu fördern. 1911 gehört er zu den Protagonisten der I. Internationalen Hygiene-Ausstellung, zu der über fünf Millionen Menschen nach Dresden kommen. Ein Jahr später gründet er das Deutsche Hygiene-Museum >>> und will dessen Wanderausstellung bald in ein festes Haus umziehen lassen. Die Verwirklichung dieses Plans erlebt er nicht mehr, er stirbt mit 54 Jahren nach einer Zungenkrebsoperation. Seine letzte Ruhestätte finden Sie nahe seinem letzten Wohnsitz: Der Fabrikant hatte 1906 die heute als Lingnerschloss >>> bekannte Villa gekauft und später testamentarisch der Stadt übereignet – »zum Besten der Bevölkerung von Dresden«.
Versager oder Lebenskünstler? Krimineller Lügner oder genialer Geschichtenerzähler? Karl May wird als fünftes von gleich vierzehn Kindern einer Weberfamilie in Hohenstein-Ernstthal geboren. Zunächst ist er Volksschullehrer und schlägt sich danach auf zweifelhafte Weise durchs Leben, die ihm u. a. eine Haftstrafe einträgt. Doch dann beginnt er zu schreiben und bevölkert die Welt mit Winnetou und Old Shatterhand, Old Surehand und Kara Ben Nemsi. Ab 1890 ist er einer der am meisten gelesenen deutschen Schriftsteller. Millionen von Lesern verschlingen seine erstaunlich präzisen Beschreibungen der amerikanischen Weite, des exotischen Orients und des fernen Mexiko – dabei kennt May die meisten seiner Romanschauplätze nur aus Büchern, als er sie zu Leben erweckt. Im April 1883 siedelt er nach Dresden über, 1896 schafft er sich mit der »Villa Shatterhand« in Radebeul sein endgültiges Heim. Zu Ruhm und Reichtum gelangt, holt er einige Reisen nach. Seine millionenfach aufgelegten Bücher werden in 28 Sprachen übersetzt. Auf der Felsenbühne Rathen >>> führen die Landesbühnen Sachsen Stücke nach seinen Vorlagen auf.
Ätherische Leichtigkeit, strenge Bewegungsabläufe, die Verköperung von Lieblichkeit – all das ist nichts für das Energiebündel Gret Palucca. Sie will tanzen, aber sie passt nicht in die starre Welt des klassischen Ballets. Dann trifft sie auf Mary Wigman. Palucca wird 1921 ihre Schülerin in Dresden und lernt von ihr eine völlig neue Technik, in der persönlicher Ausdruck endlich mehr Raum bekommt. Auch wenn sich die beiden später ungut trennen, wird Palucca immer wissen, was sie ihr zu verdanken hat. Gret Paluccas Ruhm im In- und Ausland gründet sich auf ihre legendären Soloabende, ihre Arbeitsmethoden als Tanzpädagogin, vor allem aber auf den von ihr entwickelten Ausdruckstanz, der oft sportlich, akrobatisch und kraftvoll, aber auch sanft und fließend ist. 1925 eröffnet sie in Dresden eine Tanzschule, die von den Nationalsozialisten 1939 geschlossen, 1945 von ihr wiedereröffnet und 1949 als Lehranstalt für professionellen Bühnentanz verstaatlicht wird. Seit 1993 hat sie Hochschulstatus und ist weltweit geschätzt als Ausbildungsstätte für klassischen und modernen Tanz. Im Kanzleigässchen nahe dem Residenzschloss erinnert die Fassadengestaltung an Paluccas Tanzbewegungen.
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Vertrauen, Freiräume und Mitspracherecht anstelle autoritärer Regeln – das ist Helmut Schöns Erfolgsrezept. Als Nationaltrainer der DDR wird er zwar nach kurzer Zeit wegen »undemokratischen Verhaltens« gefeuert, weil er Sepp Herberger kontaktiert hat. Dafür schreibt er nach der Flucht in den Westen als Bundestrainer und Teamchef beim DFB Geschichte: Seine Mannschaft wird 1966 Vizeweltmeister, 1970 WM-Dritter, 1972 Europameister, 1974 Weltmeister und 1976 Vize-Europameister. Spieler wie Franz Beckenbauer, Berti Vogts und Sepp Maier haben beim »Langen« ihre ersten Einsätze. Nach dem Ausscheiden gegen Österreich bei der WM 1978 in Argentinien hängt der Feingeist und Gentleman seine berühmte Schiebermütze an den Nagel. Um es mit den Worten Udo Jürgens zu sagen bzw. zu singen: »Der Mann mit der Mütze geht nach Haus, und unsere Achtung nimmt er mit und unseren Applaus! Du warst ein General mit Herz, ein Freund zugleich und Boss.« Eine Straße nahe des Dynamo-Stadions heißt seit 2010 Helmut-Schön-Allee.
14 Jahre dauert es, bis der Steckbrief gegen ihn aufgehoben wird. Gottfried Semper ist zwar vor allem bekannt für die Architektur, die er in Dresden hinterließ: das erste Hoftheater (1869 ausgebrannt); die Villa Rosa (1945 zerstört), Prototyp der Dresdner Villenarchitektur; die Synagoge (1938 in Brand gesteckt) und natürlich der zweite Bau der Semperoper (1985 rekonstruiert). Aber er hat auch Barrikaden gebaut beim Dresdner Maiaufstand 1849. Genau wie sein Freund Richard Wagner muss der überzeugte Republikaner danach fliehen – Semper gilt als einer der »Haupt-Rädelsführer«. Wirklich nach Dresden zurückkehren wird er nie, selbst den Bau der zweiten Semperoper lässt er seinen Sohn Manfred ausführen,. Sichtbar sind seine Spuren in der Stadt aber noch immer, z. B. am Cholerabrunnen am Postplatz oder an der Sempergalerie am Theaterplatz.
Als Buchhändler kommt Karl Baedeker viel herum, und überall ärgert er sich über die »Lohnbedienten«, die die Neuankömmlinge gegen Trinkgeld in den erstbesten Gasthof schleppen. Nur: Wie soll man sonst wissen, wo man übernachten kann und was es anzuschauen gibt? In seiner Buchhandlung hat er zwar Fahrpläne, Reiseberichte und gelehrte Abhandlungen über Kunstsammlungen. Aber will man das mit sich herumschleppen? Wie wäre es denn, wenn man all das zusammenfasst? Gedacht, getan: Zwar hat er sein erstes Reisebuch, die 1832 erschienene »Rheinreise«, nicht einmal selbst geschrieben. Aber er entwickelt es von Auflage zu Auflage weiter. Mit der Einteilung in »Allgemein Wissenswertes«, »Praktisches« und »Beschreibung der Merk-(Sehens-)würdigkeiten« findet er die klassische Gliederung des Reiseführers, die bis heute ihre Gültigkeit hat. Bald sind immer mehr Menschen unterwegs mit seinen »Handbüchlein für Reisende, die sich selbst leicht und schnell zurechtfinden wollen«. Die Reisenden haben sich befreit, und sie verdanken es bis heute Karl Baedeker. Dresden beschreibt er erstmals im 1842 erschienen »Reisehandbuch für Deutschland und den Österreichischen Kaiserstaat«.
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Im Schloss ist das sogenannte grüne Gewölbe […] Die Masse der aufgestellten Gegenstände ermüdet umso mehr, als man in weniger als 1 Stunde durch diese Räume gejagt, und zu aufmerksamer Betrachtung einzelner Kunstwerke keine Zeit von den Führern gegönnt wird.
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Deutschland und der Österreichische Kaiserstaat, 1. Auflage 1842