dis-

Diese aus dem Lateinischen entlehnte Vorsilbe drückt in deutschen Wörtern entweder Entfernung, Entzweiung, Trennung oder Verneinung sowie gelegentlich Verstärkung aus. Trennung bedeutet sie in Distanz oder dem aus dem englischen importierten Disruption, Verstärkung in dirigieren, wo das s – wie oft vor Konsonanten – verschwunden ist. Am häufigsten wird sie verwendet, um das Gegenteil des Ausgangswortes herauszustellen: dissonant, wenn etwas ohne Wohlklang ist, diskreditieren, wenn man jemand unglaubwürdig machen will, diffizil – auch hier ist das s vor dem f durch Assimilation verschwunden –, wenn etwas nicht einfach ist, diskontinuierlich, wenn etwas unregelmäßig und unvorhersagbar auftritt. Das Präfix dis- ist trotz einer ähnlich negativierenden Bedeutung nicht identisch mit der aus dem Griechischen entlehnten Vorsilbe dys- (›schlecht‹) in Wörtern wie dysfunktional oder Dystopie.

Mit dis- wurden im Deutschen und anderen europäischen Sprachen viele Fremdwörter gebildet, die es im Lateinischen gar nicht gibt. Während das wie eine sehr moderne Schöpfung wirkende diskriminieren tatsächlich schon im 16. Jahrhundert entlehnt wurde und auf das lateinische discriminare (›trennen, absondern, unterscheiden‹) zurückgeht, haben disloyal oder disharmonisch keine Entsprechungen im Lateinischen. Neue Zusammensetzungen mit dis- als Präfix sind aber nur mit Fremdwörtern griechisch-lateinischen Ursprungs möglich: distreu, disschön, disbegabt sind theoretisch denkbar, würden aber als gespreizt und irritierend empfunden werden.

Während fast alle deutschen Wörter, die mit dis- beginnen, bildungssprachlich sind, gehört eines zur Jugendsprache: Das aus dem Rap stammende Verb dissen (›jemanden verbal herabwürdigen‹) ist die gekürzte Slangvariante des englischen disrespect.