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S. Boblest et al.Spezielle und allgemeine Relativitätstheoriehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-63352-6_20

20. Weiße Zwerge

Sebastian Boblest1  , Thomas Müller2 und Günter Wunner3
(1)
Dürnau, Deutschland
(2)
Max-Planck-Institut für Astronomie, Haus der Astronomie, Heidelberg, Deutschland
(3)
Universität Stuttgart, 1. Institut für Theoretische Physik, Stuttgart, Deutschland
 

Weiße Zwerge sind das Endstadium der Entwicklung massearmer Sterne. Da es sehr viel mehr massearme als massereiche Sterne gibt, werden die allermeisten Sterne, vermutlich mehr als 97 %, inklusive unserer Sonne als weißer Zwerg enden [1].

Nach der Wasserstoffbrennphase dehnen sich Sterne stark aus und werden zu roten Riesen . In den äußeren Schichten wird weiter Wasserstoff fusioniert, weiter innen bei immer höheren Temperaturen Helium und Kohlenstoff. Die äußere Hülle ist dabei nur noch schwach gravitativ an den Kern gebunden. Wenn der Kern heiß genug wird, kann er das umliegende Gas ionisieren. Es entsteht ein planetarischer Nebel. Abb. 20.1 zeigt ein Bild eines planetarischen Nebels, des Ringnebels in der Leier. Weil massearme Sterne nicht die gesamte Fusionskette bis zur Siliziumfusion durchlaufen können, besteht ihr Kern am Ende der Fusionskette aus den Produkten der letzten Fusionsreaktionen, je nach Masse des Sterns ein Kern vorwiegend aus Helium, Kohlenstoff oder Sauerstoff. Der planetarische Nebel selbst wird relativ schnell unsichtbar, da das ionisierte Gas wieder rekombiniert. Übrig bleibt dann der hochkompakte Kern, ein weißer Zwerg ist entstanden, der durch den Elektronenentartungsdruck stabilisiert wird.
Abb. 20.1

Der Ringnebel in der Leier ist ein planetarischer Nebel. In seinem Zentrum befindet sich ein junger weißer Zwerg. (ⒸNASA, ESA, and the Hubble Heritage (STScI∕AURA) – ESA∕Hubble Collaboration)

Die ersten Hinweise auf weiße Zwerge ergaben sich um das Jahr 1914. Russell1 entdeckte damals den Stern 40 Eridani B, der gleichzeitig eine sehr hohe effektive Oberflächentemperatur und eine sehr kleine Leuchtkraft besitzt [17].

Das Stefan-Boltzmann-Gesetz $$ L=4\pi {R}^2\sigma {T}_{\mathrm{eff}}^4 $$ in (18.​18) verknüpft die effektive Temperatur Teff und die Leuchtkraft eines Sterns mit seinem Radius. Bei gleichzeitig hoher effektiver Temperatur und geringer Leuchtkraft muss der Radius des Sterns sehr klein sein. Aus diesem Grund wurde der Name ,,weißer Zwerg“ für diese Sternklasse eingeführt. In einem weißen Zwerg finden keine Fusionsprozesse mehr statt wie in Hauptreihensternen und Zwischenstadien, und er kann auch nicht durch weitere Kontraktion Energie gewinnen wie Protosterne. Er kann daher nur aufgrund seiner hohen Temperatur weiter leuchten, d. h. weiße Zwerge haben nur noch ein thermisches Energiereservoir und kühlen im weiteren Verlauf langsam ab.

Erste quantitative Abschätzungen für den Radius und die Dichte eines weißen Zwerges, allerdings mit großem Fehler wie sich später herausstellte, gelangen bei Sirius B, dem Begleiter des hellsten Sterns am Nachthimmel (s. Tab. 1.​5), zwischen 1915 und 1925 [10]. Abb. 20.2 zeigt eine Aufnahme des Hubble-Teleskops von Sirius A und B. Aktuelle Werte für diesen Stern sind MSirius B ≈ 0,98 M und TSirius B ≈ 25.200 K [4]. Die Masse lässt sich dabei sehr genau bestimmen, weil Sirius B Teil eines Binärsystems ist. Bei einem isolierten Stern ist das deutlich schwieriger. Mit den Werten für T und M und dem Stefan-Boltzmann-Gesetz kann dann der Radius bestimmt werden.
Abb. 20.2

Eine Aufnahme des Hubble-Teleskopes des hellen Sirius A und seines leuchtschwachen Begleiters, des weißen Zwerges Sirius B. (ⒸNASA, ESA, H. Bond and E. Nelan (Space Telescope Science Institute, Baltimore, Md.); M. Barstow and M. Burleigh (University of Leicester, U.K.); and J.B. Holberg (University of Arizona))

Eine weitere Möglichkeit, den Radius bei gegebener Masse zu bestimmen, führt über Absorptionslinien im Spektrum des weißen Zwerges. Diese lassen sich mit atomaren Übergängen identifizieren, was allerdings nicht trivial ist, (s. Abschn. 20.5.2). Aus einem Vergleich mit den entsprechenden Energiewerten im Labor lässt sich die Rotverschiebung des Spektrums bestimmen.

Aus (13.​86) folgt außerdem für einen weit entfernten Beobachter
$$ z=\frac{\Delta \lambda }{\lambda }=\frac{1}{\sqrt{1-{r}_{\mathrm{s}}\, R}}-1. $$
(20.1)
Die Rotverschiebung ist also eine Funktion des Quotienten rsR bzw. MR. Bei bekannter Masse lässt sich aus der Rotverschiebung daher der Radius bestimmen. Für Sirius B ist der aktuelle Wert
$$ {R}_{\mathrm{Sirius}\ \mathrm{B}}\approx 6000\, \mathrm{km}. $$
(20.2)
Damit ergibt sich
$$ {\rho}_{\mathrm{Sirius}\ \mathrm{B}}\approx 2,2\cdotp 1{0}^9\, \mathrm{kg}\, {\mathrm{m}}^{-3}. $$
(20.3)
Das entspricht in etwa dem 15.000-fachen der Dichte im Zentrum der Sonne in (18.​23) und in etwa dem Wert ρc = 1,95 · 109 kg m−3 der kritischen Dichte aus (18.​60). Ein Stück Materie dieses Sterns von der Größe eines Würfelzuckers hat eine Masse von etwa 2 Tonnen!

20.1 Qualitative Betrachtung

Bereits kurz nach diesen Entdeckungen verstand man, dass bei diesen extremen Dichten der Entartungsdruck der Elektronen für die Stabilisierung verantwortlich ist. Wir werden die Zustandsgleichung des entarteten Elektronengases aus Abschn. 18.​4 heranziehen, um die Eigenschaften von weißen Zwergen zu verstehen. Wir können bereits aus einer groben Abschätzungsrechnung wesentliche Eigenschaften von weißen Zwergen herleiten. Dazu verwenden wir den Zusammenhang f(ρm) ~ pρm ≈ rsR aus (18.​15) und vergleichen ihn mit den polytropen Zustandsgleichungen für den nichtrelativistischen und hochrelativistischen Fall aus (18.​68). Wir vernachlässigen dabei alle konstanten Faktoren, da wir diese bei der Herleitung von (18.​15) ebenfalls nicht betrachtet haben. Aus (18.​68) wird dann $$ f\sim {\rho}_{\mathrm{m}}^{n\, 3} $$ mit n = 2 im nichtrelativistischen und n = 1 im hochrelativistischen Fall. Wir drücken jetzt den Radius über $$ R={\left(M\, {\rho}_{\mathrm{m}}\right)}^{1\, 3} $$ durch Masse und Dichte aus und erhalten wegen rs ~ M die Relation $$ f\left({\rho}_{\mathrm{m}}\right)\sim {M}^{2\, 3}{\rho}_{\mathrm{m}}^{1\, 3} $$. Aufgelöst nach der Masse ergibt das
$$ M\sim {f}^{3\, 2}{\rho}_{\mathrm{m}}^{-1\, 2}. $$
(20.4)
Wenn wir $$ f\sim {\rho}_{\mathrm{m}}^{n\, 3} $$ in (20.4) einsetzen, ergibt sich $$ M\sim {\rho}_{\mathrm{m}}^{1\, 2} $$, im nichtrelativistischen Fall kleiner Dichten ρmρc und M ~ const, im hochrelativistischen Fall großer Dichten ρmρc. Im hochrelativistischen Fall ist die Masse also unabhängig von der Dichte gleich einer Grenzmasse Mc. Für ρmρc muss der nichtrelativistische Ausdruck sich dem hochrelativistischen annähern, sodass wir
$$ M\approx {M}_{\mathrm{c}}\cdotp \left\{\begin{array}{ll}{\left({\rho}_{\mathrm{m}}\, {\rho}_{\mathrm{c}}\right)}^{1\, 2}& \mathrm{f}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{r}\, {\rho}_{\mathrm{m}}\ll {\rho}_{\mathrm{c}},\\ {}1& \mathrm{f}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{r}\, {\rho}_{\mathrm{m}}\gg {\rho}_{\mathrm{c}}\end{array}\right. $$
(20.5)
schreiben können. Die maximale Masse Mc für weiße Zwerge heißt Chandrasekhar-Grenzmasse nach Chandrasekhar,2 der in seinen Arbeiten in den 1930er Jahren den Wert für Mc quantitativ hergeleitet hat.
Eine sehr einfache physikalische Begründung für die Existenz einer Maximalmasse für weiße Zwerge und gleichzeitig eine Abschätzung dieser Masse wurde von Landau3 1932 vorgelegt [11]. Wir folgen hier der auf Landaus Arbeit aufbauenden Argumentation in [20] und betrachten einen Stern mit Radius R, der N Elektronen enthalten soll. Wieder lassen wir alle Zahlenfaktoren weg. Für die Teilchendichte gilt n ~ NR3 und deshalb für jedes einzelne Teilchen in jeder Raumdimension Δx ~ n−1∕3. Mit der Heisenberg'schen Unschärferelation4
(20.6)
folgt daraus
Wenn die Elektronen hochrelativistisch sind, ist Der zweite Beitrag zur Gesamtenergie ist die Gravitationsbindungsenergie EG. Diese wird durch die Masse der Baryonen bestimmt, d. h. EG ~ −GMmBarR pro Baryon. Die Anzahl der Baryonen ist proportional zur Anzahl der Elektronen, d. h. es ist M ~ NmBar und damit $$ {E}_{\mathrm{G}}\sim - GN{m}_{\mathrm{Bar}}^2\, R $$. Für die Gesamtenergie pro Baryon erhalten wir dann
(20.7)
Entscheidend ist die unterschiedliche N-Abhängigkeit von Fermi-Energie und Gravitationsenergie. Für kleine N dominiert der Beitrag der Fermi-Energie und die Gesamtenergie wird positiv. Da beide Terme in (20.7) die gleiche R-Abhängigkeit besitzen, kann der Stern durch Expansion seine Energie absenken. Bei genügender Expansion werden die Elektronen nichtrelativistisch, d. h. es wird . Die Fermi-Energie fällt dann stärker mit R ab als die Gravitationsenergie und wird vernachlässigbar. Die Gesamtenergie wird dann ab einem bestimmten R negativ und geht dann für R wieder gegen Null. Das impliziert ein Energieminimum und damit ein stabiles Gleichgewicht.
Auf der anderen Seite ist für große Teilchenzahlen N die Gesamtenergie immer kleiner als Null. Dann geht E → − für R → 0 und es existiert keine Gleichgewichtssituation, es kommt zum Gravitationskollaps. Um die maximal mögliche Teilchenzahl N abzuschätzen, setzen wir E = 0 in (20.7). Das führt auf
(20.8)
und damit die ungefähre (überschätzte) Maximalmasse
$$ {M}_{\mathrm{c}}\sim N{m}_{\mathrm{Bar}}\approx 1,9{M}_{\odot }. $$
(20.9)
In Abb. 20.3 ist der Energieverlauf E(N, R) skizziert, um diese Argumentation zu veranschaulichen.
Abb. 20.3

Veranschaulichung der Begründung für die Existenz einer maximalen Masse für weiße Zwerge nach Landau [11, 20]. Bei großen Radien dominiert die Gravitationsenergie, sodass die Gesamtenergie negativ ist. Für große Teilchenzahlen divergiert die Energie für R → 0, d. h. der Stern kollabiert. Im Fall kleiner, massearmer Sterne mit M < Mc wird die Energie für kleine Radien positiv, sodass ein Energieminimum, also ein Gleichgewichtspunkt existiert. Zur Orientierung ist die Linie E = 0 eingezeichnet, die zur Abschätzung der Maximalmasse verwendet wird

In Abschn. 1.​4 haben wir die Parallelen zwischen Gravitation und Elektrostatik aufgezeigt und dabei die Feinstrukturkonstante der Gravitation in (1.​22) eingeführt. Mit dieser Konstante können wir die Chandrasekhar-Grenzmasse bis auf noch unbekannte numerische Vorfaktoren sehr kompakt darstellen als
$$ {M}_{\mathrm{c}}\sim {\left({\alpha}_{\mathrm{G}}\right)}^{-3\, 2}{m}_{\mathrm{p}}. $$
(20.10)
Den kleinen Unterschied zwischen mu und mp vernachlässigen wir dabei. In die Definition von αG geht das Planck’sche Wirkungsquantum, eine in der Quantenmechanik bedeutende Größe, ein. Daran wird deutlich, dass der Wert des Planck’schen Wirkungsquantums nicht nur die Struktur des Mikrokosmos bestimmt, sondern auch die Massenskala und den Aufbau entarteter Sterne. Das muss natürlich so sein, denn der Fermi-Druck ist wegen des Pauli-Prinzips ein quantenmechanischer Effekt. Sterne aus entarteter Materie sind somit quantenmechanisch bestimmte, makroskopische Objekte.
Wie groß ist nun ein weißer Zwerg? Um diese Frage zu beantworten, verwenden wir wieder $$ R\left({\rho}_{\mathrm{m}}\right)={\left(M\left({\rho}_{\mathrm{m}}\right)\, {\rho}_{\mathrm{m}}\right)}^{1\, 3} $$ mit M(ρm) aus (20.5) . Dann folgt im nichtrelativistischen Fall
$$ R\left({\rho}_{\mathrm{m}}\right)={\left(\frac{M_{\mathrm{c}}{\left({\rho}_{\mathrm{m}}\, {\rho}_{\mathrm{c}}\right)}^{1\, 2}}{\rho_{\mathrm{m}}}\right)}^{1\, 3}={\left(\frac{M_{\mathrm{c}}}{\rho_{\mathrm{c}}}\right)}^{1\, 3}\cdotp {\left(\frac{\rho_{\mathrm{c}}}{\rho_{\mathrm{m}}}\right)}^{1\, 6}={R}_{\mathrm{c}}\cdotp {\left(\frac{\rho_{\mathrm{c}}}{\rho_{\mathrm{m}}}\right)}^{1\, 6}. $$
(20.11)
Im zweiten Schritt haben wir dabei eine Eins in der Form ρcρc eingeschoben. Mit Rc bezeichnen wir den kritischen Radius oder Chandrasekhar-Radius. Mit dem Ausdruck für ρc aus (18.​57) und Mc aus (20.10) finden wir
(20.12)
Einsetzen der entsprechenden Werte ergibt
$$ {R}_{\mathrm{c}}\approx 5\cdotp 1{0}^3\, \mathrm{km}. $$
(20.13)
Wir erwarten also für weiße Zwerge einen Radius im Bereich einiger tausend Kilometer, was der Größe der kleinen Planeten im Sonnensystem entspricht und sehr gut mit dem Wert für den Radius von Sirius B in (20.2) übereinstimmt. Aus (20.5) und (20.11) folgt weiter
$$ M\left({\rho}_{\mathrm{m}}\right)R{\left({\rho}_{\mathrm{m}}\right)}^3={M}_{\mathrm{c}}{\left(\frac{\rho_{\mathrm{m}}}{\rho_{\mathrm{c}}}\right)}^{1\, 2}{R}_{\mathrm{c}}^3{\left(\frac{\rho_{\mathrm{m}}}{\rho_{\mathrm{c}}}\right)}^{-1\, 2}={M}_{\mathrm{c}}{R}_{\mathrm{c}}^3=\mathrm{const}, $$
(20.14)
bzw. der funktionale Zusammenhang
$$ M(R)\sim {M}_{\mathrm{c}}{\left(\frac{R_{\mathrm{c}}}{R}\right)}^3 $$
(20.15)
im nichtrelativistischen Fall. Die Radien weißer Zwerge fallen also mit steigender Masse (s. a. Abb. 20.4).
Abb. 20.4

Ungefähre Massenfunktion M(R) nach den Ergebnissen in hochrelativistischer und nichtrelativistischer Näherung. Für R → 0 würde bei konstanter Masse ρm folgen, die Kurve ist in diesem Bereich also unphysikalisch

20.2 Numerisches Lösen der Zustandsgleichung

Bei einer quantitativen Auswertung erwarten wir nur Korrekturfaktoren vor den bis jetzt hergeleiteten Ausdrücken, insbesondere für Mc. Neben reinen Zahlenfaktoren haben wir bisher auch die mittlere Baryonenzahl pro Elektron Ye, die im Ausdruck für die kritische Massendichte (18.​57) steht und damit auch in die Zustandsgleichung p(ρm) eingeht, vernachlässigt. Je nach Zahlenverhältnis von Baryonen zu Elektronen ergibt sich ein etwas anderer Zusammenhang zwischen Druck und Dichte. Der Wert von Ye muss sich daher auch auf die maximale Masse eines weißen Zwerges auswirken.

Eine genauere Analyse der Struktur weißer Zwerge geht von der Bedingung für hydrostatisches Gleichgewicht in (18.​7) aus. Diese verknüpft den Druckgradienten bei der Radialkoordinate r mit der Dichte dort und der bis dahin umschlossenen Masse. Daneben haben wir mit (18.​8) einen Ausdruck für den Gradienten der umschlossenen Masse. Die beiden Relationen
$$ \frac{\mathrm{d}p}{\mathrm{d}r}=-G\frac{\rho_{\mathrm{m}}(r)M(r)}{r^2}\quad \mathrm{und}\quad \frac{\mathrm{d}M(r)}{\mathrm{d}r}={\rho}_{\mathrm{m}}(r)4\pi {r}^2 $$
(20.16)
können wir kombinieren. Dazu formen wir die Bedingung für hydrostatisches Gleichgewicht um zu
$$ \frac{r^2}{\rho_{\mathrm{m}}(r)}\frac{\mathrm{d}p}{\mathrm{d}r}=- GM(r). $$
(20.17)
Wir leiten diesen Ausdruck nochmals nach r ab und setzen auf der rechten Seite den Ausdruck für den Gradienten der umschlossenen Masse ein. Damit gelangen wir zu
$$ \frac{1}{r^2}\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}r}\left(\frac{r^2}{\rho_{\mathrm{m}}(r)}\frac{\mathrm{d}p}{\mathrm{d}r}\right)=-4\pi G{\rho}_{\mathrm{m}}(r), $$
(20.18)
wobei wir auf beiden Seiten noch durch r2 dividiert haben. An dieser Stelle können wir jetzt die Zustandsgleichung p(ρm) für das entartete Elektronengas einsetzen, die wir in parametrischer Form in (18.​50) und (18.​56) gefunden haben. Die Lösung der resultierenden Differentialgleichung für ρm ist nicht analytisch möglich. Die numerische Integration startet mit einer gewählten Zentrumsdichte ρz bei r = 0 und erfolgt dann bis zur Oberfläche des Sterns, d. h. bis die Bedingung p = 0 erfüllt ist. Damit ist der Radius dieses Sterns und über den Dichteverlauf auch die Masse bestimmt. Wenn man diese Methode für verschiedene Startdichten ausführt, so erhält man schließlich die Masse-Radius-Beziehung M(R) für weiße Zwerge.

Einen weniger komplizierten, allerdings ebenfalls nur numerisch lösbaren Ausdruck finden wir bei Verwendung der nichtrelativistischen bzw. hochrelativistischen Näherung für p(ρm) in (18.​64).

Für den nichtrelativistischen Grenzfall finden wir dann als Präzisierung von (20.15) [20]
(20.19)
Im hochrelativistischen Fall finden wir wieder einen konstanten Ausdruck für die Masse. Es ist
(20.20)
In beiden Gleichungen haben wir die Abhängigkeit von Ye über den Faktor 2Ye ausgedrückt. Wir haben bereits gesehen, dass für viele wichtige Nuklide wie Helium, Kohlenstoff und Sauerstoff Ye = 0,5 gilt, sodass dieser Faktor dann gleich 1 ist. Da wir außerdem höchstens Nuklide mit Ye < 0,5 finden, außer Wasserstoff, das aber in weißen Zwergen kaum vorkommt, da es in den Kernen der früheren Sterne verbrannt wurde, erhalten wir für die Chandrasekhar-Grenzmasse den genaueren Wert
$$ {M}_{\mathrm{c}}\simeq 1,46{M}_{\odot }. $$
(20.21)
Es ist zu berücksichtigen, dass die angegebene Grenzmasse für den weißen Zwerg, also für die Restmasse eines Sterns, der in sein Endstadium übergeht, gilt. Da der Stern vor diesem Vorgang seine Hülle abstößt und dabei einen erheblichen Teil seiner Masse verliert, kann die Masse des ursprünglichen Sterns durchaus deutlich größer sein als 1,5 M grob etwa bis 8 M [21].

Die Grenzmasse kann außerdem noch etwas größer sein, falls der weiße Zwerg sehr schnell rotiert, da dann die Zentrifugalkraft die Gravitation zum Teil kompensiert, oder wenn er ein starkes Magnetfeld besitzt, da sich in diesem die elektronischen Zustände verändern [2].

20.3 Korrekturen der Zustandsgleichung

Die Genauigkeit der bisher betrachteten Masse-Radius-Beziehung kann mit weiteren Korrekturen noch erhöht werden. Diese wurden umfassend von Salpeter5 ausgearbeitet [18] und dann auf Sternmodelle angewendet [3]. Er betrachtete verschiedene Korrekturen der Fermi-Energie. Unter Berücksichtigung dieser Korrekturen ergibt sich der Ausdruck
$$ {E}_{\mathrm{F}}={E}_0+{E}_{\mathrm{Coul}}+{E}_{\mathrm{TF}}+{E}_{\mathrm{ex}}+{E}_{\mathrm{cor}}. $$
(20.22)
Dabei ist E0 unser bisheriger Ausdruck für die Fermi-Energie, und die weiteren Terme sind Korrekturanteile. Der größte Anteil ist die Coulomb-Wechselwirkungsenergie ECoul, die von der Interaktion mit den Ionen im Sternmaterial herrührt. Die Thomas-Fermi-Energie ETF berücksichtigt die Polarisierung der Elektronenverteilung durch die Ionen und ist genau genommen eine Korrektur der Coulomb-Wechselwirkungsenergie. Die Austauschenergie Eex rührt von der Ununterscheidbarkeit der Elektronen her, und die Korrelationsenergie Ecor ist ein Effekt der Elektron-Elektron-Wechselwirkung.
Ein veränderter Ausdruck für die Fermi-Energie führt auch zu einem veränderten Elektronenentartungsdruck. Abb. 20.5 zeigt das Verhältnis des Wertes pS von Salpeter zum einfacheren Chandrasekhar-Ergebnis pc. Durch die veränderte Zustandsgleichung ändert sich auch die Masse-Radius-Beziehung. Abb. 20.6 zeigt das Ergebnis von Salpeter und Hamada [3] für weiße Zwerge mit unterschiedlichen chemischen Zusammensetzungen. Im Vergleich zur Chandrasekhar-Kurve knicken die Salpeter-Hamada-Funktionen bei großen Massen ab. Die Ursache dafür ist ein weiteres ,,Aufweichen“ der Zustandsgleichung. Bei sehr hohen Dichten können die Gitterionen in der Materie des weißen Zwerges allein aufgrund ihrer quantenmechanischen Nullpunktsbewegung um die Gitterplätze Fusionsreaktionen durchführen, man spricht von Pycnonuklearen Reaktionen.
Abb. 20.5

Verhältnis des Elektronenentartungsdrucks pS mit den Korrekturen von Salpeter [18] zum einfacheren Ergebnis pc von Chandrasekhar für verschiedene Kernladungen als Funktion des Relativitätsparameters x = pFmec aus (18.​43). Die Korrekturen steigen mit der Kernladungszahl und sind für hochrelativistische Elektronen kleiner

Abb. 20.6

Masse-Radius-Beziehungen für weiße Zwerge mit verschiedener chemischer Zusammensetzung. Die beiden gestrichelten Kurven zeigen die einfache Chandrasekhar-Zustandsgleichung für Ye = 0,5 (oben) und Ye = 0,465 (unten), was etwa dem Nuklid 56Fe entspricht. (Aus Hamada und Salpeter [3], Ⓒ AAS. Reproduced with permission)

Noch wichtiger ist das Einsetzen von inversem β-Zerfall. Wenn die Fermi-Energie der Elektronen die Massendifferenz der Kerne (A, Z) und (A, Z − 1) überschreitet, dann wird dadurch die Reaktion
(20.23)
möglich. Das bei der Reaktion beteiligte Elektron trägt dann nicht mehr zum Entartungsdruck bei und die maximale Masse wird weiter abgesenkt.

Uns soll dieser kleine Einblick in weitere Verfeinerungen der Zustandsgleichung weißer Zwerge genügen, auch wenn wir einige wichtige Punkte, z. B. den Einfluss endlicher Temperaturen, nicht betrachtet haben. Die wesentlichen Gesichtspunkte bleiben durch diese weiteren Korrekturen unberührt. Leser, die an weiteren Details interessiert sind, verweisen wir auf [1, 10, 20].

Abb. 20.7 zeigt die Verteilung der ermittelten Massen für weiße Zwerge anhand von Daten aus dem Sloan Digital Sky Survey (SDSS) [8]. Man erkennt eine deutliche Häufung im Bereich 0,6–0,8M. Der leichteste bekannte weiße Zwerg hat eine Masse von 0,17M [9], der massereichste von 1,33M. Tatsächlich liegen alle hier aufgeführten Objekte also unter der Chandrasekhar-Massengrenze.
Abb. 20.7

Massenverteilung weißer Zwerge aus dem Sloan Digital Sky Survey (SDSS). Die Bezeichnungen DA und DB stehen für weiße Zwerge mit Wasserstoff- bzw. Heliumlinien im Spektrum. (Aus Kepler et al. [8], Ⓒ 2007 by RAS. Reproduced with permission)

In Abb. 20.8 sind für einige weiße Zwerge Masse und Radius mit den Zustandsgleichungen von Salpeter und Hamada [3] verglichen. Man erkennt eine gute Übereinstimmung mit den theoretischen Vorhersagen innerhalb der relativ großen Fehlergrenzen.
Abb. 20.8

Massen und Radien einiger weißer Zwerge bestimmt aus Daten des Hipparcos-Kataloges im Vergleich zu den Zustandsgleichungen von Salpeter und Hamada [3, 18] in Abb. 20.6. (Aus Provencal et al. [16], Ⓒ AAS. Reproduced with permission)

20.4 Typ Ia Supernovae

Unter einer Supernova (SN) versteht man die Explosion eines Sterns. Die Klassifizierung von Supernovae stammt aus den Anfängen der Supernovaforschung und unterteilt sie nach Eigenschaften des Spektrums. Supernovae vom Typ I haben keine Wasserstofflinien in ihrem Spektrum, solche vom Typ II dagegen schon.

Supernovae vom Typ I werden dann weiter in die drei Subtypen Ia, Ib und Ic unterteilt, wobei wieder Eigenschaften des Spektrums dafür herangezogen werden. Typ II Supernovae sind Explosionen massereicher Sterne, bei denen ein Neutronenstern oder ein schwarzes Loch entsteht. Darauf kommen wir in Kap. 21 zurück. Typ Ib und Ic sind vermutlich ähnliche Prozesse, bei denen aber ein Stern explodiert, dessen äußere Wasserstoffhülle fehlt, bzw. durch einen Begleiter abgezogen wurde.

Typ Ia Supernovae (SN Ia) dagegen stellen die Explosion eines weißen Zwerges dar, der von einem Begleiter soviel Materie akkretiert hat, dass eine Explosion ausgelöst wird. Da ein weißer Zwerg aus Helium, Kohlenstoff oder Sauerstoff besteht, ist er im Prinzip noch fusionsfähig, kann aber wegen des Elektronenentartungsdrucks nicht die dazu nötigen extrem hohen Temperaturen erreichen. Wenn ein weißer Zwerg jedoch von einem Begleiter Materie abzieht, bis er die Chandrasekhar-Grenzmasse überschreitet, so kann er sich nicht mehr gegen den Gravitationskollaps stemmen. Beim Kollaps werden die Temperaturen dann hoch genug, dass wieder Kernfusionsprozesse gezündet werden können. Wie beim in Abschn. 19.​5.​1 angesprochenen Heliumflash zu Beginn der Heliumbrennphase massearmer Sterne können die einsetzenden Fusionsprozesse den Stern aber nicht stabilisieren, weil der Entartungsdruck nicht temperaturabhängig ist. Die Fusionsgeschwindigkeit erhöht sich daher in einem selbstverstärkenden Prozess immer weiter, bis der Stern schließlich explodiert und dabei völlig zerstört wird.

Ihre besondere Bedeutung finden SN Ia in der Kosmologie. Da die Maximalmasse von weißen Zwergen gut bekannt ist, sollte auch die Helligkeit jeder SN Ia ähnlich sein. Weil diese Sternexplosionen sehr hell sind, lassen sie sich außerdem auch in sehr großen Entfernungen noch beobachten und können daher zur Entfernungsbestimmung weit entfernter Galaxien dienen. Was man aus diesen Untersuchungen lernen kann, diskutieren wir in Kap. 28.

Aufgrund dieses Verwendungszwecks ist das Interesse an SN Ia sehr groß. Die genauen Details der Entstehung und des Ablaufs dieser Supernovae sind noch nicht geklärt. So haben umfangreiche Untersuchungen gezeigt, dass doch nicht jede SN Ia gleich hell ist, sondern im Gegenteil erhebliche Unterschiede in der maximalen Helligkeit bestehen. Jedoch besteht offenbar eine enge Beziehung zwischen der maximalen Helligkeit und der zeitlichen Abnahme der Leuchtkraft. Abb. 20.9 zeigt verschiedene Modellkurven zusammen mit Messwerten einiger SN Ia. Mit Hilfe dieser Leuchtkurven lässt sich einigermaßen präzise die absolute Helligkeit bestimmen, allerdings nur aus empirischen Daten und nicht aufgrund detailliert verstandener physikalischer Abläufe. So ist es insbesondere nicht klar, ob SN Ia in Doppelsystemen zweier weißer Zwerge entstehen, oder ob ein weißer Zwerg etwa von einem Hauptreihenstern begleitet wird. Die Untersuchung dieser Zusammenhänge wird dadurch erschwert, dass SN Ia sehr selten sind, im Schnitt findet in unserer Galaxie etwa ein solches Ereignis in 100 Jahren statt. Weit entfernte SN Ia sind relativ häufig, einfach deshalb, weil man viele weit entfernte Galaxien beobachten kann. Um aber zu klären, was das Ausgangssystem war, werden Beobachtungsdaten vor dem Stattfinden der Explosion benötigt, und das ist nur bei kleineren Entfernungen möglich. Aus diesem Grund wird aktiv nach SN Ia in möglichst nahen Galaxien gesucht, z. B. im Projekt ,,Nearby Supernova Factory“ [13]. Abb. 20.10 zeigt die zeitliche Entwicklung von SN2011fe. Diese fand in der Galaxie Messier 101 in nur etwa 22 Millionen Lichtjahren Entfernung statt. Aufgrund dieser relativ kleinen Entfernung wurde diese Supernova sehr früh entdeckt und konnte in ihrem zeitlichen Verlauf über 40 Tage untersucht werden [15].
Abb. 20.9

Supernovae Ia zeigen einen charakteristischen Zusammenhang zwischen maximaler Helligkeit und Abklingzeit der Leuchtkraft. Das Bild zeigt empirische Leuchtkraftverläufe für verschiedene SN Ia Typen. Die Symbole repräsentieren Messwerte verschiedener Supernovae. (Aus Nomoto et al. [14], Ⓒ AAAS. Reproduced with permission)

Abb. 20.10

Aufnahmen der Supernova SN2011fe in der Galaxie Messier 101 am 23., 24. und 25. August 2011. (Aus Nugent et al. [15], Reprinted by permission from Macmillan Publishers Ltd: Ⓒ 2011)

20.5 Erhaltungsgrößen beim Kollaps

Beim Kollaps des Sternrestes zum weißen Zwerg bleiben sein Drehimpuls und der magnetische Fluss näherungsweise erhalten. Das hat erheblichen Einfluss auf die Eigenschaften weißer Zwerge.

20.5.1 Drehimpulserhaltung

Weiße Zwerge sind deutlich kleiner als die Sterne, aus denen sie hervorgegangen sind. Während der Kern des Sterns immer kompakter wird, bleibt der Gesamtdrehimpuls des Sterns erhalten, denn durch diesen Prozess wird kein Drehmoment verursacht. Für den Drehimpuls gilt also
$$ L=\Theta \omega = aM{R}^2\omega \approx \mathrm{const}. $$
(20.24)
Dabei ist Θ das Trägheitsmoment , das bis auf konstante Vorfaktoren der Masse des Sterns mal seinem Radius im Quadrat entspricht. Für eine homogene Vollkugel ergibt sich z. B. Θ = 2MR2∕5. Da kein äußeres Drehmoment vorliegt, d. h. $$ \dot{L}=0 $$, finden wir die Relation
$$ \omega {R}^2\sim \mathrm{const}\quad \mathrm{bzw}.\quad P\sim {R}^2, $$
(20.25)
wegen ω ~ 1∕P, mit der Periodendauer P. Wenn wir für den Stern in der Wasserstoffbrennphase den Sonnenradius ansetzen und mit dem typischen Radius weißer Zwerge in (20.13) vergleichen, finden wir RHRwzRRwz ≈ 102. Beim Übergang zum weißen Zwerg erfolgt also etwa eine Reduktion des Radius um einen Faktor 100.
Betrachten wir als typische Rotationsdauer eines Sterns die Periodendauer der Sonne P ≈ 28 d ≈ 2,5 · 106 s, d. h. Periodendauern in der Größenordnung P ≈ 106 s bis 107 s. Für einen weißen Zwerg erhalten wir dann entsprechend eine um einen Faktor 104 verkürzte Periodendauer
$$ {P}_{\mathrm{wz}}\approx 1{0}^2-1{0}^3\, \mathrm{s}, $$
(20.26)
d. h. im Bereich von Minuten bis Stunden. Tatsächlich ist diese Abschätzung eher zu niedrig, da wir nicht berücksichtigt haben, dass der Stern einen erheblichen Teil seiner Masse und damit des Drehimpulses abstößt, während der Kern zum weißen Zwerg wird. Gemessene Werte liegen im Bereich von 20 Minuten bis einige Tage [6], größenordnungsmäßig liegen wir also richtig.

20.5.2 Erhaltung des magnetischen Flusses

Genaue Untersuchungen von weißen Zwergen in den 1970er Jahren zeigten außerdem auf, dass einige weiße Zwerge extrem starke Magnetfelder im Bereich $$ B\lesssim 7\cdotp 1{0}^4\, \mathrm{T} $$ haben [7], also um ein Vielfaches stärker, als sie auf der Erde im Labor realisiert werden können.

Wir können anhand einer anschaulichen Überlegung verstehen, wie derartig starke Felder entstehen können. Der magnetische Fluss eines Magnetfeldes B durch die Fläche F ist gegeben als
$$ \varPhi =\int \boldsymbol{B}\mathrm{d}\boldsymbol{F}. $$
(20.27)
Man kann nun unter der Annahme, dass das Plasma im Inneren eines Sterns aufgrund der vielen freien Ladungsträger ein sehr guter elektrischer Leiter ist, zeigen, dass der magnetische Fluss durch eine sich mit dem Plasma mitbewegende Fläche bei der Entwicklung zum weißen Zwerg näherungsweise erhalten bleibt.
Das Ohm’sche Gesetz6
$$ \boldsymbol{j}=\sigma \left(\boldsymbol{E}+\boldsymbol{v}\times \boldsymbol{B}\right) $$
(20.28)
liefert die Beziehung zwischen elektrischem und magnetischem Feld und der elektrischen Stromdichte, dabei ist σ die elektrische Leitfähigkeit. Wir nehmen als Extremfall σ an.
Damit dann dennoch die Stromdichte endlich bleibt, muss E = −v × B gelten. Im realen Fall gilt dieser Zusammenhang natürlich nur näherungsweise. Mit dem Induktionsgesetz $$ \nabla \times \boldsymbol{E}=-\dot{\boldsymbol{B}} $$ aus (1.​5a) folgt
$$ \dot{\boldsymbol{B}}=\nabla \times \left(\boldsymbol{v}\times \boldsymbol{B}\right),\quad \mathrm{bzw}.\quad 0=\dot{\boldsymbol{B}}-\nabla \times \left(\boldsymbol{v}\times \boldsymbol{B}\right). $$
(20.29)
Wir integrieren diesen Ausdruck jetzt über ein Flächenelement, das sich im Plasma mitbewegt, bzw. die Teilchen, die seinen Rand definieren, sollen sich mit dem Plasma mitbewegen. Dann ist
$$ 0=\int \dot{\boldsymbol{B}}\cdotp \mathrm{d}\boldsymbol{F}-\int \nabla \times \left(\boldsymbol{v}\times \boldsymbol{B}\right)\cdotp \mathrm{d}\boldsymbol{F}=\int \dot{\boldsymbol{B}}\cdotp \mathrm{d}\boldsymbol{F}-\int \left(\boldsymbol{v}\times \boldsymbol{B}\right)\cdotp \mathrm{d}\boldsymbol{s}. $$
(20.30)
Dabei haben wir im zweiten Schritt den Satz von Stokes verwendet und ds ist das Linienelement auf dem Rand F von F. Unter Ausnutzung der Regel für das Spatprodukt (v × B) · ds = −B · (v × ds) können wir weiter umformen zu
$$ 0=\int \dot{\boldsymbol{B}}\cdotp \mathrm{d}\boldsymbol{F}+\int \boldsymbol{B}\cdotp \left(\boldsymbol{v}\times \mathrm{d}\boldsymbol{s}\right). $$
(20.31)
Zur Interpretation des zweiten Terms betrachten wir Abb. 20.11. Die Fläche, die das Linienelement ds in der Zeit dt überstreicht, ist dv × ds dt, das bedeutet wir haben
$$ \frac{\mathrm{d}\boldsymbol{F}}{\mathrm{d}t}=\boldsymbol{v}\times \mathrm{d}\boldsymbol{s}. $$
(20.32)
Das zweite Integral in (20.31) charakterisiert also die Änderung der Fläche bei der Fortbewegung. Insgesamt haben wir damit
$$ \int \dot{\boldsymbol{B}}\cdotp \mathrm{d}\boldsymbol{F}+\int \boldsymbol{B}\cdotp \left(\boldsymbol{v}\times \mathrm{d}\boldsymbol{s}\right)=\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\int \boldsymbol{B}\cdotp \mathrm{d}\boldsymbol{F}=\dot{\varPhi}=0. $$
(20.33)
Der magnetische Fluss durch die bewegte Fläche ist also erhalten. Die Magnetfeldlinien sind im Plasma als ideal leitendes Medium ,,eingefroren“ (frozen magnetic flux), das heißt, sie nehmen an seiner Bewegung unmittelbar teil. Dieses Ergebnis heißt auch Alfvéns Theorem.7
Abb. 20.11

Die Änderung der gerichteten Fläche F während der Bewegung ist durch den Term v × ds dt gegeben

Wir wenden nun dieses Resultat auf die Situation während der Entwicklung zum weißen Zwerg an. Seien BH und RH das Magnetfeld und der Radius des Sterns während des Wasserstoffbrennens und Bwz und Rwz Magnetfeld und Radius des entstandenen weißen Zwerges. Jede beliebige Fläche im Stern ändert sich mit dem Radius wie F ~ R2. Das führt uns auf
$$ {B}_{\mathrm{H}}F\propto {B}_{\mathrm{H}}{R}_{\mathrm{H}}^2={\varPhi}_0={B}_{\mathrm{wz}}{R}_{\mathrm{wz}}^2 $$
(20.34)
und damit
$$ {B}_{\mathrm{wz}}={B}_{\mathrm{H}}{\left(\frac{R_{\mathrm{H}}}{R_{\mathrm{wz}}}\right)}^2. $$
(20.35)
Als typische Magnetfeldstärke eines Sterns in der Wasserstoffbrennphase können wir die Werte für die Sonne verwenden, d. h.
$$ {B}_{\mathrm{H}}\sim 1{0}^{-1}−1{0}^0\, \mathrm{T}. $$
(20.36)
Außerdem ist RHRwzRRwz ≈ 100 wie oben. Für einen weißen Zwerg erhalten wir dann aus (20.35)
$$ {B}_{\mathrm{wz}}\sim 1{0}^3−1{0}^4\, \mathrm{T}. $$
(20.37)
Damit werden die beobachteten Magnetfelder verständlich. Man geht heute davon aus, dass mindestens 10 % aller weißen Zwerge Magnetfelder mit B ≥ 102 T aufweisen [5, 12]. Diese magnetischen weißen Zwerge ermöglichen es das Verhalten von Materie in Magnetfeldern zu untersuchen, die viel stärker sind als sie im Labor auf der Erde erzeugt werden können.
Abb. 20.12 zeigt Ergebnisse von Rechnungen zur Entwicklung der Übergangswellenlängen der Balmer-Serie für das Wasserstoffatom [19]. Im Feldstärkebereich magnetischer weißer Zwerge ist das Wellenlängenspektrum sehr kompliziert. Ergebnisse wie die in Abb. 20.12 können verwendet werden, um gemessene Spektren von weißen Zwergen zu modellieren. Dieses Wechselspiel von Astrophysik und Atomphysik ermöglicht ein besseres Verständnis weißer Zwerge, aber auch des Verhaltens von Materie in starken Magnetfeldern.
Abb. 20.12

Übergangswellenlängen der Balmer-Serie in Abhängigkeit von der Magnetfeldstärke. Die Daten für die Abbildung stammen aus [19]. (Wir danken Christoph Schimeczek für die zur Verfügung gestellten Daten)

20.6 Übungsaufgaben

20.6.1 Masse-Radius-Beziehung für weiße Zwerge

In dieser Übung lösen wir (20.18) numerisch für eine polytrope Zustandsgleichung der Form (18.​65) um damit die Masse-Radius-Beziehung für weiße Zwerge herzuleiten. Diese Aufgabe ist relativ umfangreich. Eine schrittweise Anleitung und Diskussion findet sich auf der Buchwebseite.