Il Canal Grande - Venedigs einzigartiger Wasserboulevard
Einen überaus bequemen Streifzug durch das historische Zentrum der Lagunenstadt bietet eine Bootsfahrt auf dem Canal Grande. Die ältesten und schönsten Palastfassaden Venedigs säumen die Ufer zu beiden Seiten dieses Prachtkanals, der sich wie ein spiegelverkehrtes S mitten durch die Stadt schlängelt und sie halbiert: Am rechten Ufer erstrecken sich die historischen Stadtteile Cannaregio, San Marco und Castello, am linken Ufer Santa Croce, San Polo und Dorsoduro.
Der Canal Grande teilt Venedig in zwei Hälften
Der Canal Grande hat im Prinzip einen natürlichen Verlauf, denn es handelt sich um einen ehemaligen Mündungsarm des Flusses Brenta. Die Stadtgründer nannten ihn Rivus Altus („tiefer Fluss“) und begannen hier mit der Befestigung ihrer Lagunenstadt. Der Canal Grande, wie er erst viel später genannt wurde, bildet das gekrümmte Rückgrat Venedigs. An seinen Ufern stehen die prächtigsten venezianischen Palazzi, deren Schaufassaden alle zur Wasserseite ausgerichtet sind. Canalazzo nennen die Venezianer ihren Prachtkanal treffend, das ist eine Wortschöpfung, in der die Worte „Canal“ und „Palazzo“ miteinander verschmelzen. Fast 200 Palazzi aus der Glanzzeit der Serenissima stehen hier dicht an dicht, und dazwischen ragt ein gutes Dutzend imposanter Kirchenbauten auf, insgesamt eine überwältigende Gebäudeansammlung, die sich vollständig nur vom Wasser aus erschließen lässt. - Steigen Sie am besten in einen Vaporetto und fahren Sie den Prachtkanal in voller Länge auf und ab. Sichern Sie sich dabei möglichst einen der begehrten Bugplätze, auf denen die Kanalfahrt im öffentlichen Wasserbus zur gemütlichen Sightseeing-Tour wird.
Vom Markusbecken (Bacino di San Marco) bis zum Bahnhof (Stazione Santa Lucia) misst der ca. 5 m tiefe Canal Grande fast 4 km. Seine Breite schwankt zwischen 30 und 70 m, vier Brücken - Ponte dell’Accademia, Ponte di Rialto, Ponte Scalzi und Ponte della Costituzione - überspannen ihn. Letztere, ein ultramoderner Brückenbogen, führt erst seit 2008 vom Bahnhof hinüber zum Piazzale Roma. Das Verkehrsaufkommen steht dem üblichen Cityverkehr auf den Hauptverkehrsadern anderer Städte übrigens in nichts nach. Egal, ob Vaporetto, Sportboot oder Mülltransportschiff, der rege Bootsverkehr verursacht einen hohen Wellengang, unter dem die historischen Gebäude erheblich leiden. Deshalb steht eine Sperrung des Kanals für Motorboote seit Jahrzehnten zur Debatte. Aber die romantische Vorstellung vom verkehrsberuhigten Canal Grande, auf dem nur noch Gondeln und flache Lagunenboote geräuschlos dahingleiten, scheint sich nicht verwirklichen zu lassen. Bislang versucht man immer noch, den Schaden durch eine peinlich genaue Geschwindigkeitsregelung zu begrenzen. Danach beträgt die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit für Vaporetti 11 km/h, für Taxiboote 9 km/h und für Transportschiffe 7 km/h, während in den Seitenkanälen nur 5 km/h erlaubt sind - kaum zu glauben, aber es wird sogar geblitzt. Wie gefährlich der Verkehr auf Venedigs Hauptkanal mittlerweile geworden ist, zeigt der tödliche Unfall im Hochsommer 2013, als eine Gondel von einem zurücksetzenden Vaporetto gerammt wurde. Einmal den Canal Grande rauf und runter kommt einer Fahrt durch die komplette Architekturgeschichte Venedigs gleich. Entweder man lässt sich dabei einfach vom Anblick der einzigartigen Prachtfassaden berauschen oder man versucht, die einzelnen Baustile genüsslich auseinander zu halten. Die Palette der Stilelemente reicht vom romanischen Bogengang aus dem 12. Jh. bis zur reinen klassizistischen Fassade aus dem 18. Jh. Nach wie vor ist der Canalazzo die allererste Adresse Venedigs, aber viele der herrschaftlichen Kaufmanns- und Adelspaläste haben längst ihre einstige Bestimmung verloren, sie werden nur noch selten von den größtenteils verarmten Nachfahren der alten Patrizier- und Dogengeschlechter bewohnt. Die heutigen Besitzer der geschichtsträchtigen Palazzi sind in erster Linie Banken, Versicherungen und internationale Konzerne, denn die kostspielige Instandhaltung können sich Privatpersonen kaum noch leisten. Viele der historischen Gebäude hat die Stadt bzw. die Region aufwendig restauriert und zu Museen, Amts- und Verwaltungssitzen umfunktioniert; außerdem sind einige der begehrtesten Luxushotels am Kanal entstanden. Aber auch die Kehrseite gehört zur Realität: Etliche Uferpalazzi sind gänzlich unbewohnt und marode, so marode wie ihre jahrhundertealten Holzfundamente, deren katastrophaler Zustand bei Niedrigwasser besonders deutlich ins Auge fällt. - Ewiger Glanz und endgültiger Untergang der alten Serenissima liegen am Canal Grande ganz eng beieinander.