Die Unterstützung richtet sich grundsätzlich nach dem Ausmaß der Einschränkungen, die der Patient durch das Symptom Fieber und dessen Ursache erfährt. Je nachdem, in welcher Phase des Fieberverlaufs er sich befindet, können von den Pflegenden verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Einen Überblick darüber liefert ▶ Tab. 15.5 . Die Maßnahmen haben das Ziel, fieberbedingte Beschwerden zu lindern und einen komplikationsarmen Krankheitsverlauf zu fördern.
Symptome |
Pflegemaßnahmen |
Fieberanstieg |
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Fieberhöhe |
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Fieberabfall |
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Fallbeispiel
Eine Fachkrankenpflegerin für Intensivpflege berichtet: „Neulich hatte ich Fieber bei einem grippalen Infekt. Mir war schrecklich kalt und ich hatte fürchterlichen Schüttelfrost. Deshalb habe ich mich mit 3 oder 4 Decken eingepackt. Selbst als bei mir die Temperatur über 39,5 °C angestiegen ist, habe ich mich mit einer ganz normalen Decke locker zugedeckt. Jetzt kann ich auch besser nachvollziehen, wenn Patienten selbst mit 39 °C Fieber sagen, nehmen Sie mir die Decke nicht weg, ich friere, ich möchte so zugedeckt bleiben. Ich fühlte mich sehr elend und wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden. Ich hätte es nicht zugelassen, wenn man mich gewaschen hätte, so wie wir das normalerweise bei unseren Patienten mit Fieber machen.“
Die Reflexion des eigenen Krankheitserlebens und der sich daraus ergebenden, möglicherweise individuell sehr unterschiedlichen Bedürfnisse und Verhaltensweisen kann Pflegende für Patientenbedürfnisse sensibilisieren.
Praxistipp
Überlegen Sie, wie es Ihnen bei verschiedenen fieberhaften Erkrankungen ergangen ist, was für Sie wichtig war, was Ihnen gutgetan hat, was für Sie unangenehm war! Diskutieren Sie die Erfahrungen mit Ihren Kollegen.
Risikogruppen Neugeborene und Menschen mit Stoffwechselstörungen, Lungen-, Herz-Kreislauf- oder ZNS-Erkrankungen sind besonders durch hohes Fieber gefährdet, da die körpereigenen Regulationsmechanismen zur Wärmeregulation z.T. gestört sind. Ein weiteres Risiko für diese Personengruppen besteht in den fieberbedingten Begleiterscheinungen, z. B. gesteigertem Stoffwechsel und erhöhtem Sauerstoffverbrauch (engmaschige Kontrollen der Vitalparameter, des Bewusstseinszustandes und bei Diabetikern des Blutzuckers). Bei der transdermalen Applikation von Opioiden (z. B. Fentanyl-TTS) besteht die Gefahr, dass bei erhöhter Hauttemperatur die Opioid-Konzentration im Blut erheblich ansteigen kann (z. B. durch Fieber oder Wärmequellen). Schwangere gehören nach derzeitigem Forschungsstand ebenso zur Risikogruppe, da fieberbedingte Anomalien des ungeborenen Kindes oder ein drohender Abort nicht ausgeschlossen werden können.
Eine Senkung des Fiebers, die lediglich an einen bestimmten Messwert (z. B. ab 39 °C) gebunden ist, wird heute größtenteils abgelehnt. Vielfach wird auf die positiven Effekte von Fieber, wie die Unterstützung des menschlichen Immunsystems mit beschleunigter Antikörperproduktion und hemmende Wirkung auf die Vermehrung vieler Mikrobenarten hingewiesen (Silbernagl u. Lang 2013; Köhler 2015).
Kann Fieber aufgrund des Befindens oder der speziellen Erkrankungssituation bei einem Patienten nicht toleriert werden, dann ist eine Fiebersenkung notwendig. Wird die Körpertemperatur jedoch zu drastisch gesenkt, kann dies erneut zu Fieberanstieg und damit verbundenem enorm gesteigertem Stoffwechsel und Kreislaufbelastung führen. Das Befinden des Menschen, die akute Erkrankung, evtl. bestehende Vorerkrankungen und seine Reaktionen auf die erhöhte Körpertemperatur bilden die wesentlichen Grundlagen für pflegerische und therapeutische Maßnahmen.
Physikalische Maßnahmen Fachgerecht angewendet bewirken sie eine Senkung der Körpertemperatur und greifen nicht direkt in die pathophysiologischen Fiebervorgänge im Temperaturzentrum ein. Sie sollen den Patienten bei seiner Wärmeabgabe unterstützen.
Medikamente Antipyretika unterbrechen die pathophysiologischen Vorgänge, die zur Sollwertverstellung im Hypothalamus führen. Sie wirken daher fiebersenkend. Gleichzeitig haben sie analgetische (schmerzlindernde) Eigenschaften. Als Nebenwirkungen treten u. a. auf:
Beeinflussung der Thrombozytenfunktion bei Acetylsalizylsäure, z. B. Aspirin (Blutungsrisiko bei Magengeschwüren), Gefahr des Reye-Syndrom bei Allergikern sowie Kindern und Jugendlichen
Überempfindlichkeitsreaktionen sowie Schädigung der Zellbildung im Knochenmark (Agranulozytose) bei Metamizol und
Übelkeit, Hautrötung und -ausschlag, Blutdruckabfall als Zeichen einer Überempfindlichkeitsreaktion bei Paracetamol sowie Störungen der Blutbildung (allergische Thrombozytopenie oder Leukopenie) oder Analgetika-Asthma
Lebensphase Kind
Mechthild Hoehl
Fieberkrampf
Bei Kindern unter 5 Jahren kann es bei sehr schnell ansteigendem Fieber zu zerebralen Gelegenheitsanfällen, sog. Fieberkrämpfen kommen. Diese äußern sich i.d.R. durch einen plötzlichen Bewusstseinsverlust und rhythmische Zuckungen der Extremitäten.
Der Fieberkrampf tritt bei 2–5% aller Kinder mindestens einmal auf und ist damit ein häufiger Notfall im Kindesalter. Auch wenn der Krampfanfall für die Angehörigen bedrohlich erscheint, ist die Prognose günstig.
Man unterscheidet einfache Fieberkrämpfe (wenige Sekunden bis Minuten) von komplizierten Fieberkrämpfen (> 15 Minuten; Unterbrechung mit Medikamenten ist notwendig).
Wichtig ist eine eingehende Untersuchung des betroffenen Kindes zum Ausschluss von Infektionen des Zentralnervensystems oder anderen Ursachen für den Krampfanfall.
Eltern müssen über die Möglichkeit eines Fieberkrampfes sowie ein ggf. erneutes Auftreten (falls bereits ein Fieberkrampf beobachtet wurde) aufgeklärt werden.
Hatte ein Kind bereits einen Fieberkrampf, erhalten die Eltern ein Notfallmedikament als Rektaltube sowie die Anweisung, bei Fieberentwicklung des Kindes besonders wachsam zu sein.
Merke: Die Empfehlung, Fieber bei betroffenen Kindern frühzeitig zu senken, ist zwar noch weit verbreitet, kann jedoch die Entstehung eines Fieberkrampfes nicht sicher verhindern.
Fieberdelir
Von Fieberkrämpfen abzugrenzen ist das sog. Fieberdelir, das ebenfalls im Kindesalter gehäuft auftritt. Im Fieberdelir ist das Kind nicht bewusstlos, reagiert jedoch inadäquat und hat Halluzinationen. Eine medikamentöse Fieberbehandlung ist auf ärztliche Anordnung angezeigt.
Definition
Schweiß (griechisch: hidros) sondert der Mensch beim Schwitzen durch ekkrine Sekretion (etwa 2 Millionen Schweißdrüsen) an die Hautoberfläche ab. Darauf beruht die besonders wirkungsvolle Wärmeabgabe (Verdunstungskälte). Schweiß besteht aus Wasser, NaCl, Harnstoff, flüchtigen Fettsäuren und Cholesterin und hat einen pH-Wert von 4,5. Er wirkt aufgrund des pH-Wertes antibakteriell und baut zusammen mit den Talgdrüsen den Säureschutzmantel der Haut auf. Die normale Schweißproduktion beträgt ca. 400 – 1000 ml/Tag (Gekle 2015), kurzzeitig können Maximalwerte von etwa 2 l/Std. überschritten werden und 10 – 12 l/Tag erreicht werden.
Normalerweise ist Schweiß geruchlos, dünnflüssig, warm und großperlig. Seinen „individuellen“ Geruch erhält er durch Beimengungen aus den Duftdrüsen und aus der bakteriellen Zersetzung. Im Schweiß können auch Medikamente und Toxine enthalten sein. Die Schweißproduktion beim Menschen ist von vielen Faktoren abhängig: Außentemperatur, Flüssigkeitshaushalt, Körperaktivität, Nahrung, Luftfeuchtigkeit, Hormonhaushalt, psychische Verfassung, Medikamente u. a.
Die Schweißsekretion ist ein wichtiger Faktor der Wärmeabgabe. Sie wird durch cholinerge sympathische Nervenfasern gesteuert. Durch die Verdunstung auf der Haut wird dem Körper Wärme entzogen. Da die Schweißdrüsen erst im Laufe des 2.– 3. Lebensjahres ihre volle Funktionsfähigkeit entwickeln, sind Säuglinge bei hohen Temperaturen gefährdet, einen Wärmestau zu entwickeln.
Praxistipp
Beobachtung (Aussehen, Menge, Geruch, Konsistenz), zeitliches Auftreten und Lokalisation des Schweißes sind hilfreich, um die körperliche und seelische Verfassung eines Menschen einzuschätzen.
Von der normalen Schweißsekretion gibt es Abweichungen, die jeweils durch verschiedene Ursachen bedingt sein können ( ▶ Tab. 15.6 ).
Definition/Charakteristik |
Ursache |
Anhidrosis |
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Hypohidrosis |
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Hyperhidrosis |
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Hemihyperhidrosis |
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kleinperliger, kalter Schweiß |
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Bromhydrosis |
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Fallbeispiel
Ein Angehöriger berichtet: „In der Nacht wacht meine Frau immer wieder völlig nass geschwitzt auf. Das ganze Bett ist bis auf die Matratzenauflage nass. Ich wasche meine Frau dann, wechsle die Wäsche und bette sie frisch. Das Schwitzen schwächt sie sehr und nach dem Wäschewechsel ist sie völlig erschöpft. Oft dauert es nur eine halbe Stunde, bis alles wieder von Neuem durchgeschwitzt ist. Diese Prozedur wiederholt sich mehrmals jede Nacht!“ (Feichtner 2007).
Die Schweißarten können Symptome verschiedener Erkrankungen sein. Deshalb erfordern sie je nach Ursache unterschiedliche Maßnahmen.
Hyperhidrosis Bei Hyperhidrosis ist auf häufige Körperpflege zu achten, die Haut soll trocken und intakt sein (sonst Gefahr von Intertrigo). Häufig feuchte und kalte Füße steigern das Risiko, an Fußpilz zu erkranken. Der stark schwitzende Patient verliert erhebliche Mengen an Flüssigkeit und Elektrolyten. Dies muss bei der ▶ Flüssigkeitsbilanz und -zufuhr berücksichtigt werden. Menschen, die viel und häufig schwitzen, können sich durch die entstehende Verdunstungskühle leicht erkälten, auch im Sommer. Nicht zu unterschätzen ist die psychische und körperliche Belastung. Häufiger Wäschewechsel ist für einen schwerkranken Patienten sehr anstrengend.
Prävention und Gesundheitsförderung
Verwenden Sie bei Hyperhidrosis möglichst Naturstoffe, wie Baumwolle, Leinen, Wolle. Mehrere Stoffschichten übereinander sind nützlich und sinnvoll, z. B. Unterhemd, Schlafanzug und ein weiches Badelaken als Untertuch. Sie saugen den Schweiß auf und ermöglichen einen schnellen Teilwäschewechsel. Häufiges Waschen, evtl. mit Zusätzen wie Salbei, Thymian, Pfefferminz und Zitrone als Badeessenzen ( ▶ Tab. 15.7 ) und spezielle Hautpflegemittel unterstützen die Körperpflege von stark schwitzenden Menschen und steigern deren Wohlempfinden.
Zubereitung Tee (mit 150 ml kochendem Wasser überbrühen) |
Zubereitung Wasch-/Badezusatz (konzentriert mit 1000 ml kochendem Wasser überbrühen) gefiltert dem Waschwasser zufügen |
andere Anwendungsformen |
Wirkungen/Indikationen |
Lindenblüten |
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Pfefferminzblätter |
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Salbeiblätter |
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Zitrone |
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Menschen ergreifen vielerlei Maßnahmen, um ihre Temperatur zu regulieren und ihren Wärmehaushalt zu unterstützen. Die Auswahl erfolgt je nach subjektivem Wärme- und Kälteempfinden und der individuellen Temperaturtoleranz.
Ist der Mensch nicht in der Lage, selbstständig sein Verhalten im Sinne einer Temperaturanpassung/-regulierung zu ändern, dann benötigt er dazu von anderen Unterstützung und Hilfe. Diese erfolgt in mehreren Stufen:
Beobachten und Wahrnehmen des Wärmeempfindens
Messen und Beurteilen der Körpertemperaturregulierung
Beratung und Anleitung zu wärmenden/kühlenden Maßnahmen
Organisation von Unterstützung (Pflegende als Koordinator)
Unterstützung
Teilübernahme
Gesamtübernahme
Häusliche Pflege im Fokus
Der Grad der Unterstützung muss nach individueller Situation ausfallen. In der häuslichen Krankenpflege spielt die Beachtung der Umgebungsfaktoren wie Heizung, ausreichendes Heizmaterial bei Kälte, kühle, schattige Räume bei großer Hitze, warmes Wasser, Kleidung, Versorgung mit angemessener Nahrung eine größere Rolle als im Krankenhaus. Pflegende sind dabei koordinierend tätig zwischen kranken Menschen, Familien und sozialen Einrichtungen.
Institutionelle Pflege
Im Krankenhaus oder in Pflegeeinrichtungen stehen entsprechende Mittel zur Verfügung, aber auch hier bedarf es der genauen Situationseinschätzung der verantwortlichen Pflegenden, inwieweit Verhaltensveränderungen bei dem betreffenden Menschen bzw. Anpassung an die Umgebungsfaktoren unterstützt bzw. übernommen werden müssen.
Zur Unterstützung gelten folgende Empfehlungen:
für angepasste Raumtemperaturen sorgen
für angemessene, witterungsgerechte Kleidung sorgen
für genügend Flüssigkeits- und Essensvorräte sorgen
für Körperbewegung sorgen und
für eine vertrauensvolle und angenehme Umgebung sorgen
Raumtemperatur Bei immobilen oder hilflosen Menschen ist darauf zu achten, dass sie keiner intensiven Kälte oder Wärme (z. B. starker Sonneneinstrahlung) ausgesetzt sind, Zugluft ist zu vermeiden.
Lebensphase Kind
Große Hitze
Immer wieder kommt es zu Todesfällen, weil Säuglinge oder Kleinkinder in einem sonnenbeschienenen, verschlossenen Auto zurückgelassen werden. Innerhalb von kurzer Zeit kann dann deren Körpertemperatur auf 40°C und mehr ansteigen (Ursachen: ungünstiges Verhältnis zwischen Körperoberfläche und Gewicht, mangelnde Funktionsfähigkeit der Schweißdrüsen, Flüssigkeitsmangel etc.).
Kleidung Besonders bewährt haben sich atmungsaktive Textilien (z. B. Baumwolle, Leinen, Seide, Wollstoffe). Mehrere Schichten übereinander eignen sich besser als ein einzelner dicker Stoff, weil sich die dazwischenliegenden Luftschichten erwärmen. Dieser „Zwiebel-Look“ ermöglicht eine rasche Anpassung an veränderte Temperaturen. Aber auch chemisch hergestellte Kleidungsstoffe, wie Sympatex oder Goretex, sind geeignet. Sie haben so kleine Poren, dass keine Feuchtigkeit eindringen, aber trotzdem Schweiß ungehindert verdunsten kann. Zur Vermeidung von Wärmeverlusten können Kleidung, aber auch Bettdecken und Kissen an der Heizung oder mit Wärmelampen angewärmt werden. Entscheidend ist das individuelle Wärmeempfinden, das durch entsprechende Kleidung weder zu Frieren noch zu Wärmestau und Schwitzen führt.
Kopfbedeckung Die Kopfhaut ist stark durchblutet, deshalb kann bei fehlender oder schwacher Behaarung viel Wärme abgegeben bzw. bei starker Sonnenbestrahlung viel Wärme aufgenommen werden. Aus diesem Grund sollte bei spärlichem Haarwuchs (insbesondere bei Säuglingen, alten Menschen) an eine Kopfbedeckung gedacht werden.
Flüssigkeits- und Essensvorräte Sie müssen ausreichend vorhanden und leicht zu erreichen sein. Flüssigkeitsverluste, z. B. starkes Schwitzen, Erbrechen und Durchfall, schränken die Wärmeabgabe durch Verdunstung ein. Nahrungsaufnahme führt zur Energieverbrennung und damit zur aktiven Wärmeerzeugung (besonders Eiweiße), warme Nahrung führt dem Menschen passive Wärme zu. Spezielle Heilpflanzentees oder -auszüge, die zur Unterstützung der Wärmeregulierung angewendet werden können, sind in ▶ Tab. 15.7 aufgeführt.
Körperbewegung Aktive Muskeltätigkeit bewirkt eine Stoffwechselsteigerung und regt die Wärmeproduktion an.
Praxistipp
Schaffen sie eine vertrauensvolle, „warme“ und angenehme Umgebung und sorgen Sie für Entspannung, z. B. Besuche ermöglichen, Musik, Bilder mit warmen Farben, Fotos von Angehörigen, Freunden.
Wärme und Kälte können auf unterschiedliche Weise angewendet werden. Physiotherapeuten setzen zahlreiche Maßnahmen der Thermo- und Hydrotherapie ein. Die in diesem Kapitel beschriebenen Maßnahmen können von Pflegenden durchgeführt werden, um den Menschen bei Störungen der Wärmeregulierung zu unterstützen. Dazu gehören:
Maßnahmen zur Unterstützung der Wärmebildung, Wärmeerhaltung und Wärmeabgabe und
Maßnahmen zur Unterstützung des individuellen Wohlbefindens hinsichtlich von Wärme und Kälte.
Recht im Fokus
Rechtliche Verantwortung für äußere Anwendungen und Phytopharmaka
Wer Heilpflanzen und physikalische Maßnahmen im Rahmen äußerer Anwendungen innerlich oder äußerlich für sich selbst anwendet, ist dabei frei und kann sich die nötigen (rezeptfreien) Substanzen in der Apotheke oder mit guten Kenntnissen in der Natur selbst besorgen. Phytotherapeutika, d. h. Arzneimittel, die aus Pflanzen gewonnen werden, sind aber keinesfalls generell nebenwirkungsfrei. Sie haben ein breites therapeutisches und pharmakologisches Wirkungsprofil, sind meist nebenwirkungsärmer als synthetische Arzneimittel, können jedoch toxische, mutagene oder karzinogene Effekte oder allergische Reaktionen auslösen.
Es werden Maßnahmen beschrieben, die von Pflegenden durchgeführt werden können, um den Menschen bei Störungen der Wärmeregulierung zu unterstützen. In Krankenhaus, Rehaklinik oder Hospiz unterliegen diese Anwendungen der ärztlichen Gesamtverantwortung für Diagnostik und Therapie. Erfahrungen von Pflegenden, die äußere Anwendungen anwenden wollen, reichen von Konfrontation mit einem ablehnenden ärztlichen Dienst über Zustimmung oder Duldung bis zur aktiven Einbeziehung kompetenter und erfahrener Mitarbeiter, die um Unterstützung gebeten werden (Sonn, Baumgärtner, Merk 2014). Auf jeden Fall bedarf es einer Abstimmung mit dem behandelnden Arzt, d. h., er muss grundsätzlich mit solchen Anwendungen einverstanden sein.
Merke: „[...] aber hier gilt, insbesondere im Krankenhausbereich, dass die Pflegenden zwar in vollem Umfang die Verantwortung für ihr Handeln tragen, die Verordnung der entsprechenden Maßnahmen jedoch dem verantwortlichen Arzt obliegt.“ (Böhme 1996)
Rechtliche Entwicklungen gehen dahin, Pflegenden mehr Kompetenzen zu übertragen und sie als eigenständige Leistungserbringer tätig werden zu lassen.
Therapeutische Effekte von Kälte-/Warmanwendungen beruhen vor allem auf physikalisch-hydrotherapeutischen, psycho-sozialtherapeutischen und pharmakologisch-phytotherapeutischen Grundlagen sowie auf der Basis kutiviszeraler Reflexe.
Darüber hinaus sind sie abhängig von Applikationsfläche, Durchblutungsgrad der betreffenden Körperpartie und Dauer der Anwendung (z. B. kommt es bei einem ca. 10 Min. angelegten kühlenden Wadenwickel zum Wärmeentzug, ein mehrere Stunden angezogener kalter Kneipp-Strumpf führt zu einem gewollten Wärmestau).
Physikalisch-hydrotherapeutische Wirkungen Kälte-/Wärmeanwendungen werden maßgeblich von den physikalischen Eigenschaften des verwendeten Mediums beeinflusst; dazu gehören u. a. Wärme-/Kältebildung, -leitung und -abgabe. Die Hydrotherapie umfasst die Anwendung von Wasser. Wasser ist im Gegensatz zur Luft ein hervorragender Wärme-/Kälteleiter.
Psycho-sozialtherapeutische Wirkungen Aus wissenschaftlichen Untersuchungen ist die Bedeutung von Zuwendung und Berührung bekannt. Kranke Menschen leiden häufig an Symptomen, wie Unwohlsein, Frieren, Schwitzen, großer Unruhe oder Ängsten. Bei der Durchführung einer wärmenden oder kühlenden Anwendung wird dem Kranken Zuwendung durch die Pflegende zuteil.
Prävention und Gesundheitsförderung
Als kranker Mensch wahrgenommen zu werden, zu erleben, dass zu Unterstützung und Erleichterung Maßnahmen ergriffen werden, können bereits Schritte sein, die ein Gefühl von innerer Wärme, Entspannung und Wohlbefinden auslösen. Durch die Wechselwirkungen zwischen Seele und Immunsystem über nervale und hormonelle Reize haben solche Empfindungen auch körperliche Wirkungen. „Der Kontakt durch Berührung verbindet die Beteiligten, und unser Handeln hat sofortigen Einfluss auf die Wahrnehmung des Beeinträchtigten“ (Oleksiw u. Scheid 1994).
Darüber hinaus können äußere Anwendungen vom Patienten erlernt werden, sodass er selbst einen aktiven Beitrag zu seiner Gesundheitsvorsorge bzw. seiner Genesung leisten kann.
Pharmakologisch-phytotherapeutische Wirkungen Je nach Substanz führt die spezifische Heilwirkung in Form von Teeauszug, ätherischem Öl, Essenz, Pulver, Salben usw. zu Entspannung oder Anregung, zur Hyperämisierung (vermehrter Blutfüllung in einem Kreislaufabschnitt), Erwärmung der Haut, Förderung des Stoffwechsels oder zu einem Kältereiz und Frischegefühl. Wirkstoffe werden über die Haut resorbiert und über Verdunstung von der Haut her inhaliert. In ▶ Tab. 15.7 ist eine Auswahl von Heilpflanzen, die in diesem Kapitel berücksichtigt werden, aufgeführt.
Kutiviszerale Reflexe Der Mensch verfügt im Bereich des Rückenmarks über verschiedene Reflexe, die Regelkreise darstellen. Für lokale Wärme- und Kälteanwendungen ist besonders der kutiviszerale Reflex von Bedeutung: Eine Reizung der Haut im Bereich der Rückenmarksegmente führt über Nervenverbindungen ebenfalls zu einer Beeinflussung der inneren Organe. So können durch hydrothermische Anwendungen Durchblutung und Funktion tiefer gelegener Organe beeinflusst werden. Für eine gezielte Wirkung ist die Kenntnis der entsprechenden Hautareale, der sog. Head-Zonen, notwendig ( ▶ Abb. 15.10).
Head-Zonen.
Abb. 15.10 Über die Reizung der Haut in den Head-Zonen können durch kutiviszerale Reflexe bestimmte innere Organe stimuliert werden.
Merke
Die entscheidenden Kriterien für die Anwendung von Kälte und Wärme sind die individuelle Reaktion und das jeweilige Befinden des betreffenden Menschen.
Therapeutische Effekte von Wärmeanwendungen sind
arterielle Hyperämie (vermehrte Blutfüllung),
erhöhter Gewebestoffwechsel (Förderung der Regeneration),
verminderte Blutviskosität,
Vasodilatation (Gefäßerweiterung),
erhöhte kapillare Permeabilität,
verminderter Muskeltonus und
Schmerzlinderung.
Lokale Wärme bewirkt eine arterielle Hyperämie, wodurch die Zufuhr von Sauerstoff, Nährstoffen, Antikörpern und Leukozyten gefördert und der Gewebestoffwechsel angeregt wird. Dies führt bei wiederholten Anwendungen dazu, dass Regeneration gefördert und Exsudatreste erweicht und aufgelöst werden (Breithaupt u. Demuth 1990).
Darüber hinaus kann es durch Wärmeanwendungen zu allgemeinen Entspannungsreaktionen kommen (erkennbar u. a. an der Senkung von Muskelspannung, Herz- und Atemfrequenz und des Blutdrucks).
Wärmflasche Im häuslichen Umfeld wird am häufigsten die Gummiflasche verwendet. Sie wird mit ca. 1 l Wasser (60 °C) gefüllt, mit passendem Verschluss zugedreht (dabei ist darauf zu achten, dass die Wärmflasche nicht brüchig und der Dichtungsring intakt ist), anschließend in eine Schutzhülle gezogen und aufgelegt. Der Verschluss zeigt dabei möglichst nach außen. Aufgrund der erhöhten Verletzungsgefahr (Verbrühung) sind in vielen Kliniken Wärmflaschen als Wärmequelle verboten.
Warmpacks Warmpacks sind mit Gel oder Mineralien gefüllte Elemente in verschiedenen Größen, die in warmem Wasser oder der Mikrowelle erwärmt werden. Sie sind gut formbar und leicht zu desinfizieren. Nach dem Erwärmen und Abtrocknen werden sie in einen Schutzbezug gesteckt und an die gewünschte Körperregion angelegt.
Praxistipp
Bedenken Sie bei der Erhitzung trockener Wärmespender, wie Kirschkernkissen, die Empfindlichkeit von Brand- oder Rauchgasmeldern. Die Erwärmung muss sachgerecht erfolgen und darf keinesfalls Anlass für einen Feuerwehreinsatz sein.
Heizkissen, Heizdecken Hier sind die Angaben des Herstellers genau zu beachten. Bei unsachgemäßer Anwendung besteht Verbrennungsgefahr.
Konvektive Wärmedecke Diese Wärmedecke (z. B. Warm touch, Fa. Covidien) stellt eine aktive Wärmetherapie dar, bei der Wärme mittels eines Gebläses auf einen großen Hautbereich übertragen wird. Die Temperatur lässt sich in mehreren Stufen zwischen Raumluft bis ca. 45 °C einstellen. Sie wird besonders im OP, Aufwachraum und in der Intensivpflege eingesetzt.
Lichtbehandlung (Heliotherapie) Heliotherapie umfasst die planmäßige Anwendung des Lichts als Heilmittel in verschiedenen Formen. In therapeutischer Dosierung werden ultraviolette und infrarote Strahlen genutzt. Die langwellige Infrarotstrahlung hat eine niedrigere, die kurzwellige Ultraviolettstrahlung eine höhere Energie. Dies muss bei der Anwendungsdauer beachtet werden. Infrarottherapie wird vorwiegend zur oberflächlichen Erwärmung eingesetzt.
Prävention und Gesundheitsförderung
Ultravioletttherapie (UV-Phototherapie) ist eine wichtige Therapieform in der Dermatologie. Sie wird therapeutisch z. B. zur Bildung von Vitamin D oder bei Hauterkrankungen eingesetzt. Sowohl infrarotes als auch ultraviolettes Licht können die Augen schädigen, deshalb ist bei der Bestrahlung auf Augenschutz (dunkle Brille) zu achten. Metallgegenstände wie Uhren, Ohrringe und Ketten müssen vor der Bestrahlung entfernt werden, da sonst Verbrennungsgefahr besteht (starke Wärmeleitung).
Infrarotlampe Diese kann überall dort eingesetzt werden, wo eine gezielte Wärmebehandlung erwünscht ist, z.B. bei muskulären Verspannungen, Aufrechterhaltung oder Erhöhung der Körpertemperatur, beispielsweise bei Neugeborenen, Unterstützung von Wundheilungsprozessen, Erkältungen. Die Art der Anwendung (Dauer, Abstand, Intensität der Bestrahlung) unterliegt ärztlicher Entscheidung.
Luftkissenmatratze/-bett Dieses Bett (z. B. TheraPulse ATP, Fa. ArjoHuntleigh) wird u. a. zur Vorbeugung und Behandlung eines Dekubitus eingesetzt. Es verfügt über einen Regler, mit dem die gewünschte Temperatur eingegeben wird.
Bettjacken, Bettschuhe, Wollsocken Viele Menschen leiden aufgrund kalter Füße an Einschlafstörungen. Bei einer Studie aus Basel mit gesunden Probanden wurde dies bestätigt. Bei einer Fußtemperatur von 34 °C schliefen die Probanden nach durchschnittlich 10 Min. ein, während die Probanden mit einer Fußtemperatur von rund 31 °C noch etwa 23 Min. wach lagen (GEO 2000).
Merke
Da Wärmequellen zu Hautschädigungen führen können, sollten sie nicht bei Menschen mit Lähmungen, Sensibilitäts- und Durchblutungsstörungen oder nach Regionalanästhesien angewendet werden. Die Wärmequellen und ihre Auswirkungen auf den jeweiligen Menschen müssen genau überwacht werden. Vorsicht ist insbesondere bei elektrisch betriebenen Geräten angebracht.
Definition
Kältetherapie umfasst die Anwendung von Kälte zu therapeutischen Zwecken.
Therapeutische Effekte sind:
verminderter Gewebestoffwechsel
erhöhte Blutviskosität
Vasokonstriktion (Gefäßverengung)
bei kurzer Anwendung: erhöhter Muskeltonus
bei langer Anwendung: verminderter Muskeltonus
lokale Anästhesie
Schmerzlinderung sowie
Entzündungshemmung und abschwellende Wirkung
Um eine effektive Kältewirkung zu erreichen, muss die Kälte längere Zeit wirken. Der Kältespender wird entfernt oder ausgewechselt, bevor er seine kühlende Wirkung verliert.
Nebenwirkungen Nebenwirkungen sind Durchblutungsstörungen von Haut und tiefer liegenden Gewebeschichten. Bei Kühlung von Gelenken kann eine Erhöhung der Synovialviskosität (Synovia = Gelenkflüssigkeit) auftreten. Aus diesen Gründen ist korrektes Einhalten der ärztlichen Anordnung bezüglich Zeit und Fläche der Kälteauflage erforderlich.
Anwendung Kälteanwendungen dürfen nur bei gut durchbluteter, warmer Haut angewendet werden, denn nur hier können sie die Wärmeabgabe sinnvoll unterstützen. Das Kühlelement wird nicht direkt an die Haut gelegt, sondern vorher mit einem Baumwollstoff überzogen, um Kälteschäden zu vermeiden.
Beobachtung Die Farbe der Haut ist ein wichtiges Beobachtungskriterium: Sie muss rosig aussehen; Blässe, Marmorierung oder bläuliche Verfärbung darf nicht entstehen, dies würde auf einen erlittenen Kälteschaden hinweisen.
Coldpacks Bei diesen auch als Kryopack bezeichneten Applikationsformen von Kälte handelt es sich um mit Gel gefüllte Kühlelemente, die in gefrorenem Zustand relativ starr sind, sich aber schon nach kurzer Zeit dem betreffenden Körperteil anpassen. Sie lassen sich hygienisch durch das Abwischen mit 70%igem Alkohol wiederaufbereiten.
Prävention und Gesundheitsförderung
Zu warnen ist vor der Anwendung von Coldpacks bei Diabetikern, z. B. bei Sportverletzungen. Eine Folge des Diabetes sind Neuropathien, die die Empfindung für Kälte herabsetzen. Durch evtl. zusätzliche Störung der Hautdurchblutung erhöhen diese Faktoren die Anfälligkeit für Kälteschäden.
Eisblase/Eiskrawatte In die aus Gummi bestehenden Behälter werden durch eine Öffnung Eisstückchen gefüllt. Die Eiskrawatte wird besonders zum Kühlen der Halsregion verwendet, z. B. nach Tonsillektomie oder bei starkem Nasenbluten.
Einreibungen unterstützen durch die Art der Einreibung und/oder durch die Effekte der verwendeten Substanz die Wärmeregulierung. Folgende verschiedene Arten der Einreibung werden unterschieden.
Einsalben/Eincremen Eine Substanz wird auf einen bestimmten Hautbezirk aufgetragen. Das Einreiben geschieht meist mit kreisenden Bewegungen und leichtem Druck.
Rhythmische Einreibung nach Wegman/Hauschka Die rhythmischen Einreibungen haben ihren Ursprung in der von Dr. Ita Wegman (1876 – 1943), einer Mitarbeiterin von Rudolf Steiner, entwickelten rhythmischen Massage. Für den Bereich der Pflege wurde diese Massage von Margarethe Hauschka und Irmgard Marbach zur rhythmischen Einreibung weiterentwickelt. Hierzu gehören Teil- und Ganzkörpereinreibungen. Bei dieser Art der Einreibung wird eine Substanz unter rhythmischen Gesichtspunkten auf die Haut gebracht. Die Formen sind kreisend und gerade, der menschlichen Körperform angepasst. Die rhythmische Einreibung ist durch eine von leichter zu intensiver Berührung wechselnden Qualität gekennzeichnet (Fingado 2012). Ziel der rhythmischen Einreibungen ist, gesunde Lebensrhythmen zu unterstützen und dabei zu helfen, ein gestörtes Gleichgewicht auszugleichen. Viele Patienten beschreiben nach den Anwendungen ein Gefühl der Durchwärmung und Entspannung sowie eine verbesserte Körperwahrnehmung.
Atemstimulierende Einreibung (ASE) Die Einreibung der Haut bewirkt zunächst eine vermehrte Durchblutung im Anwendungsbereich. Darüber hinaus scheinen durch diese Maßnahme auch Fernwirkungen wie allgemeines Wärmegefühl und Entspannung sowie eine bessere Wahrnehmung und Vertiefung der Atmung möglich zu sein. Zur Durchführung der ASE siehe Kapitel zu ▶ atemstimulierenden Einreibungen.
Die auf die Haut aufgebrachten Substanzen können je nach Inhaltsstoffen wärmende oder kühlende Effekte haben:
Rheumasalben: Sie enthalten z. B. Bienengifte oder Nikotinsäure, die eine hyperämisierende und wärmende Wirkung haben.
Mentholhaltige Salben: Sie verursachen Kälteempfinden auf der Haut.
Gele: Sie bestehen zum größten Teil aus Wasser (manchmal enthalten sie auch Alkohol) und wirken kühlend.
Ätherische Öle: Sie werden eingesetzt, um Wärmeprozesse aktiv anzuregen.
Fette Öle: Man setzt sie ein, um die vorhandene Wärmehülle zu schützen und zu erhalten (Heine 2001). Meist sind Kombinationen aus ätherischen und fetten Ölen, z. B. Rosmarinöl 10 % (10 % reines Rosmarinöl, 90 % Erdnussöl) sinnvoll.
Franzbranntwein: Er besteht vorwiegend aus Wasser und Alkohol und wirkt so auf der Haut kühlend. Obwohl der Einsatz von Franzbranntwein wegen seiner möglichen hautaustrocknenden Effekte inzwischen sehr kritisiert wird, ist er besonders bei älteren Menschen sehr bekannt und beliebt. Bei häufiger Anwendung ist dementsprechend auf eine rückfettende Hautpflege zu achten.
Naturheilkundliche Verfahren (z. B. Wasseranwendungen und Umschläge) wurden schon im Altertum beschrieben. Die heutige Hydrotherapie wurde von dem Arzt Siegmund Hahn und seinen beiden Söhnen begründet. Pfarrer Sebastian Kneipp entwickelte später die nach ihm benannten Kneipp-Therapien. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Kaltwassertherapien durch Wärmeanwendungen erweitert. Zahlreiche andere Verfahren kamen hinzu. Eine Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten durch äußere Anwendungen erarbeitete Rudolf Steiner mit der Ärztin Ita Wegman.
Besonders in den letzten Jahrzehnten ist wieder großes Interesse für naturheilkundliche Anwendungen in der Krankenpflege entstanden. Größtenteils beruhen diese Maßnahmen auf Erfahrungswissen, vielfach fehlen dazu bisher wissenschaftliche Untersuchungen. Mit der sich etablierenden Pflegewissenschaft ist die Hoffnung verbunden, dass die bisherigen Erfahrungen wissenschaftlich analysiert werden, um deren Nutzen bei entsprechenden Indikationen aufzuzeigen und so eine breite Anerkennung zu fördern.
Therapeutisch muss zwischen Reizanwendungen und unterstützenden Anwendungen unterschieden werden.
Prinzip Das Prinzip von Reizanwendungen in der Hydro-Thermotherapie (z. B. Güsse, Waschungen, Teilbäder, Wechselduschen nach Kneipp) beruht auf der Applikation von therapeutischen Warm-/Kaltreizen. Die Reize werden nach einem bestimmten Schema und genau dosiert verabreicht. Diese Form von Anwendungen findet überwiegend in speziellen Einrichtungen wie Rehabilitationskliniken, Kurzentren, physiotherapeutischen Praxen oder im häuslichen Bereich statt.
Ziel Die Reize führen zu einer Reaktion vegetativer Vorgänge und steigern körperliche Abwehr und Leistung. Dabei ist selbst bei Kaltreizen nicht die Kälteentwicklung das Ziel, sondern die körpereigene Wärmeproduktion bzw. die Regulierung des Wärmehaushaltes. Kalte Wickel z. B. entziehen dem Körper sofort Wärme und steigern so den Sympathikotonus, u. a. mit Gefäßverengung, Blutdruckanstieg und einer vertieften und beschleunigten Atmung. Diese Wirkungen gehen nach 5 Min. durch abklingenden Wärmeentzug und zunehmender Gegenregulation des Körpers (Wärmeproduktion) in einen erhöhten Vagotonus über (Bachmann u. Resch 2003).
Hydro-thermotherapeutische Reizanwendungen werden i. d. R. nicht bei akut erkrankten oder sehr geschwächten Menschen eingesetzt, weil deren Organismus infolge der Erkrankung überfordert wäre, auf Reizanwendungen mit den gewünschten Gegenregulationen zu reagieren.
Ziele Bei diesen Patienten werden Wickel, Auflagen und Bäder im Sinne von unterstützenden Anwendungen mit folgenden Zielen eingesetzt:
überschießende Prozesse normalisieren, im Sinne von Wärme ableiten
Wärme zuführen, entspannen, ordnen und
Stoffwechselprozesse durch Wärme anregen
Der Erfolg hängt besonders davon ab, dass die Wirkungsweisen nicht isoliert, sondern als ein voneinander abhängiges Ganzes betrachtet werden. Aus den Wirkungsweisen (s. ▶ Tab. 15.8 ) lassen sich allgemeine Indikationen und Kontraindikationen für Wickel, Auflagen, Waschungen und Bäder als Reiz- und unterstützende Anwendungen ableiten. Spezielle Indikationen und Kontraindikationen für die Anwendungen werden in den jeweiligen Beschreibungen aufgeführt.
Indikationen Allgemeine Indikationen sind:
Wärme ableiten (z. B. bei Fieber, schmerzhaften entzündlichen Erkrankungen)
Wärme zuführen (z. B. bei chronischen Erkrankungen)
Stoffwechsel anregen (z. B. zur Unterstützung der Sekretolyse)
beruhigen, entspannen (z. B. bei spastischen Lungenerkrankungen) und
Immunabwehr, Selbstpflege und Wohlbefinden steigern
Kontraindikationen Allgemeine Kontraindikationen sind:
bekannte Allergien auf Zusätze, wie ätherische Öle, Lebensmittel (Kinder können besonders empfindlich reagieren)
mangelnde Akzeptanz und fehlende Kooperation durch den Patienten
Hautdefekt (außer bei spezieller Anordnung)
Fieberanstiegsphase
kühle/kalte und minderdurchblutete Körperpartien
Sensibilitätsstörungen oder Lähmungen und
unklare Beschwerden
Merke
Bei instabilen Kreislaufverhältnissen ist je nach Anwendung Vorsicht geboten, da es durch Wärme oder Kälte zu einer Zu- oder Abnahme der Durchblutung bestimmter Körperregionen kommen kann. Das kann sich u. U. negativ auf Blutdruck und Puls auswirken.
Grundregeln Die folgenden Grundregeln sind bei der Anwendung von Wickeln und Auflagen, Bädern und Waschungen zu beachten:
Die Pflegeperson verfügt über ausreichendes Wissen und Fähigkeiten.
Eine ausführliche Pflegeanamnese liegt vor (Befinden, Wärme/Kälteempfinden, Temperatur, Hautzustand, Herz-Kreislauf-Situation, Schmerzen usw.).
Indikationen und Kontraindikationen wurden überprüft.
Information, Zustimmung, Vorbereitung des Patienten (z. B. vorheriger Toilettengang) sind erfolgt.
Die Anwendung ist systematisch vorbereitet:
Materialien bettnah vorbereiten
evtl. Unterstützung für die Positionsveränderung oder zum Aufsetzen holen
für störungsfreie Zeit während der Maßnahme und der anschließenden Nachruhezeit sorgen und
sinnvolle Einbindung der Anwendung in den Tagesrhythmus gewährleisten
Zügige Durchführung, um bei heißen/warmen Anwendungen ein Auskühlen zu verhindern (Erkältungsgefahr).
Exakte Beobachtung des Patienten während und nach der Maßnahme, bei Missempfinden oder untypischen Reaktionen ist die Anwendung sofort abzubrechen.
Nach der Anwendung soll der Patient in trockener und warmer Umhüllung nachruhen.
Die Anwendung wird beurteilt und dokumentiert (kurz-, mittel- und langfristige Wirkung beachten), der Patient dazu befragt.
Ähnlich wie bei der basalen Stimulation oder der Kinästhetik spielt auch in diesem Bereich die Selbsterfahrung eine große Rolle, deshalb ist die Teilnahme an einem Fortbildungskurs empfehlenswert.
Wickel Der Wickel ist ein mit einem meist flüssigen Zusatz versehenes Tuch (Innentuch), das auf/um den zu behandelnden Körperbereich angelegt wird (z. B. Lavendelbrustwickel, Wadenwickel). Das Innentuch wird von 1 – 2 trockenen Außentüchern umgeben (meist Molton- und Frotteetuch), die jeweils an den Kanten ca. 3 – 4 cm überstehen ( ▶ Abb. 15.11).
Innentuch und Außentücher eines Wickels.
Abb. 15.11
(Foto: T. Stefan, Thieme)
Heißer Wickel.
Abb. 15.12
Abb. 15.12a Nasses Innentuch auswringen,
(Foto: T. Stefan, Thieme)
Abb. 15.12b heißes Tuch „anfächeln“,
(Foto: T. Stefan, Thieme)
Abb. 15.12c einen Teil des Innentuchs am Rücken ausrollen,
(Foto: T. Stefan, Thieme)
Abb. 15.12d Innentuch vorne ausrollen und mit Außentüchern fest anlegen.
(Foto: T. Stefan, Thieme)
Warme Brustauflage.
Abb. 15.13 a Baumwolltuch mit Öl beträufeln, b in Plastiktüte oder Brotpapier zwischen zwei Wärmflaschen legen und Moltontuch um die Wärmflaschen wickeln.
(Foto: S. Thomas, Thieme)
Kühle Auflage.
Abb. 15.14 a Quark ca. 1 cm dick auf der Kompresse ausstreichen, b Rand einschlagen und c Kompresse auf entsprechende Stelle legen.
(Foto: S. Thomas, Thieme)
Wadenwickel.
Abb. 15.15
(Foto: S. Thomas, Thieme)
Kneippwickel Er besteht aus einem feuchten Innentuch aus grobem Leinen, einem trockenen Baumwolltuch als Zwischentuch, das an den Kanten jeweils 4 cm übersteht, und einem abschließenden Außentuch aus Wolle, das an den Außenkanten aus hygienischen Gründen jeweils 2 cm schmaler ist als das Zwischentuch.
Auflage Die Auflage, oft auch Kompresse genannt, ist ein mit einem Zusatz versehenes Tuch, das auf ein lokal begrenztes Organgebiet aufgelegt wird (z. B. Quarkauflage). Je nach Substanz ist die Auflage ein- oder mehrschichtig. Für Öle werden meist einschichtige Baumwolltuchreste verwendet. Die Auflage wird wie der Wickel von 1 – 2 größeren und trockenen Außentüchern umhüllt.
Kataplasma Beim Kataplasma handelt es sich um Zusätze aus Brei (z. B. Kartoffelbrei, Leinsamen). Stammen sie aus geologischen Bereichen (Torf, Moor), werden sie Peloide genannt.
Praxistipp
Die Größe der Wickel- und Auflagentücher richtet sich nach den Körpermaßen der zu behandelnden Person. Es empfiehlt sich, Naturstoffe wie Baumwolle oder Leinen zu verwenden, da sie atmungsaktiv sind und als Kochwäsche gereinigt werden können. Das Außentuch ist breiter als das Innentuch (Ausnahme: Kneipp-Wickel).
Anwendung In ▶ Tab. 15.8 sind Beispiele für wärmezuführende, -ableitende und -erzeugende Wickel und Auflagen für Erwachsene aufgeführt.
Indikation und Kontraindikation |
Wirkung |
Material |
Durchführung |
heißer Wickel (z. B. Zitronenbrustwickel) ( ▶ Abb. 15.12) |
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Indikation:
Kontraindikation:
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warme Brustauflage (z. B. Brustauflage mit Lavendelöl 2 %) |
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Indikation:
Kontraindikation:
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kühle Auflage (z. B. Quarkauflage) |
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Indikation:
Kontraindikation:
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Wadenwickel |
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Indikation:
Kontraindikation:
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Nach Bachmann und Resch (2003) werden Bäder definiert nach:
Flächenausdehnung:
Vollbad, Dreiviertelbad, Halbbad
Sitzbad, Armbad, Fußbad
Temperatur:
warme Bäder (36 – 39 °C)
kalte Bäder (bis 18 °C)
Wechselbäder (warm/kalt)
temperaturansteigende Bäder (ca. 34 – 39 °C)
Die Reizstärke der Bäder richtet sich nach Zeitdauer, Flächenausdehnung, Temperatur, individueller Reaktionslage, Belastbarkeit und Konstitution. Die übliche Badedauer beträgt für:
warme Teil- und Vollbäder: 10 – 20 Min.
Wechselbäder: 5 Min. warm, 10 Sek. kalt (Wiederholung)
temperaturansteigende Bäder: klassisch (ohne Kaltanwendung) 20 – 25 Min.; modifiziert (mit Kaltanwendung) 8 – 12 Min. warm, 6 – 30 Sek. kalt
Wirkung von Bädern Herkömmliche warme Wannenbäder (38 – 39 °C, 20 Min.) führen zu einer kurzen Erhöhung der Körperschalentemperatur. Ansteigende Überwärmungsbäder (bis 39 °C) lassen die Temperatur des Körperkerns ansteigen. Warme Bäder senken den Vagotonus und wirken somit schlaffördernd. Teilbäder brauchen etwas größere Temperaturabweichungen (nach oben bzw. nach unten) als Vollbäder, um eine vergleichbare Wirkung zu erreichen. Je nach Art des Bades (z. B. Temperatur, Tiefe, Zusatz) kommen spezielle Wirkfaktoren zum Tragen (Bachmann u. Resch 2003):
physikalische Wirkfaktoren (Temperatur, hydrostatischer Druck, Auftrieb):
Temperatur: Warme Bäder erweitern die Hautgefäße (die in die Haut verlagerte Blutmenge beträgt bis 1,5 l), steigern die Schweißsekretion, dicken das Blut ein (Sogwirkung und „Entschlackung“ der Körperzellen und des Zwischenzellgewebes), alkalisieren und senken den Blutzuckerspiegel und regen die Darmperistaltik an.
Hydrostatischer Druck: Durch das Wassergewicht werden Venen und Lymphgefäße komprimiert, das Blut wird in die inneren Organe verlagert. Vorsicht bei Herzinsuffizienz (Erhöhung der Vorlast des Herzens)!
Auftrieb: Die Schwerelosigkeit entlastet den Bewegungsapparat bei degenerativen Gelenkkrankheiten.
chemische Wirkfaktoren (Badezusätze): Die Haut ist imstande, Essenzen zu resorbieren. Badezusätze sind Pflanzenextrakte, Öle und Salze. Pflanzenextrakte werden entweder als Badesalze (an Kochsalze oder Meersalze gebunden) verwendet oder sind in Form von Badeölen mit Fetten, Rückfettern oder Ölen versetzt. Aquasane enthalten Pflanzenextrakte auf der Basis von Emulgatoren und hautfreundlichen Schaumstoffen.
psychologische Wirkfaktoren (Entspannung, Anregung, Wohlbefinden).
Prävention und Gesundheitsförderung
Es wird empfohlen, keine Bäderanwendungen unmittelbar vor oder nach Mahlzeiten durchzuführen. Der Zeitabstand sollte mindestens eine halbe Stunde betragen (Bachmann 2015). Kreislaufreaktionen durch Blutumverteilungen sind bei Kälte/Wärme möglich, deshalb Vorsicht bei Menschen mit labilem Blutdruck. Achten Sie darauf, dass Nachruhezeiten eingehalten werden.
Teilbäder ▶ Tab. 15.9 zeigt eine Auswahl möglicher Teilbäder.
Indikation und Kontraindikation |
Wirkung |
Material |
Durchführung |
temperaturansteigendes Armbad |
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Indikation:
Kontraindikation:
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warmes ansteigendes Fußbad |
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Indikation:
Kontraindikation:
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Waschungen Je nach Flächenausdehnung wird zwischen Teil- oder Ganzwaschung unterschieden. Ziel, Temperatur und Zusätze sind weitere Unterscheidungen, z. B. fiebersenkende Teilwaschung mit Pfefferminztee. Im Bereich „Körpertemperatur regulieren“ haben Waschungen folgende Bedeutung:
Unterstützung der Wärmeabgabe (z. B. kühlende Waschung bei Fieber)
Unterstützung der Wärmebildung (z. B. warme Waschung mit Rosmarinauszug bei Menschen mit stark reduziertem Allgemeinzustand)
Unterstützung und Stabilisierung des Wärmehaushalts (z. B. Kneipp-Waschungen)
Eine temperatursenkende Waschung zeigt ▶ Tab. 15.10 .
Indikation und Kontraindikation |
Wirkung |
Material |
Durchführung |
temperatursenkende Waschung |
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Indikation:
Kontraindikation:
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Betroffene und Angehörige haben ein Bedürfnis zu erfahren, weshalb Störungen der Temperaturregulation vorliegen, z. B. Temperaturempfinden, rekurrierendes Fieber bei Malaria oder Hyperhidrose. Neben dem aufklärenden, informativen und beratenden Gespräch stehen für Betroffene hilfreiche Broschüren, zuverlässige Internetinfos und Bücher zur Verfügung.
Beratung bei Gefahr einer Störung der Temperaturempfindung Im Beratungsgespräch eines Menschen mit Störungen der Sensibilität und Körperempfindung, z. B. im Frühstadium der Polyneuropathie oder Sensibilitätsstörungen im Laufe der Diabetes-mellitus-Erkrankung, sollten das Empfinden und Wahrnehmen von Wärme und Kälte Thema sein. Ziel ist, den Menschen vor schädlich wirkenden Temperaturen zu schützen, da bei einer Neuropathie mangelndes Wärme- und Kälteempfinden oft vorhanden ist. Neben fachlichen Hintergründen kann dabei die Selbsterfahrung mittels eines Versuchs hilfreich sein.
Merke
Die vom Menschen gefühlte Temperatur wird als Wärme/Hitze oder Kühle/Kälte empfunden. Diese kann von der gemessenen Temperatur abweichen. Die gefühlte Wärme oder Kälte ist also eine subjektive Wahrnehmung, die von der jeweiligen Person und der Umgebungssituation abhängig ist.
Praxistipp
Machen Sie den 3-Schalen-Versuch (nach Weber): Tauchen Sie die linke Hand in kaltes Wasser (10 °C), die rechte Hand gleichzeitig in heißes Wasser (40 °C). Nach 30 Sek. legen Sie beide Hände in 27 °C warmes Wasser. Ihre linke Hand wird nun das Wasser als warm empfinden, Ihre rechte Hand als kalt.
Unsere Wahrnehmung der Temperatur des Wassers „adaptiert“ mit der Zeit, d. h., sie passt sich an die jeweilige Temperatur an. Ausgehend von diesem neuen Anpassungsniveau erscheint das zimmerwarme Wasser dann entweder kalt oder warm. Diesen physiologischen Mechanismus der Adaptation kann man auch in einem sehr heißen Sommer bzw. einem extrem kalten Winter gut beobachten. Nach einigen Tagen extremer Temperaturen hat sich unser Körper daran angepasst (Sitzmann 1995).
Pflegerische Korrektur bei unangemessener Kleidung Die Körpertemperatur ist sowohl von der körpereigenen Wärmeregulierung als auch vom Verhalten des Menschen abhängig. Normalerweise veranlasst Kälteeinwirkung den Menschen, sich durch wärmende Kleidung, Heizung, warme und kalorienreichere Ernährung oder verstärkte Körperbewegung zu schützen. Andererseits werden bei starker Wärmeeinwirkung leichte Kleidung und kühle Getränke bevorzugt. Eine Temperaturveränderung wird dann wahrgenommen, wenn sie außerhalb des Behaglichkeitsbereichs liegt. Er wird in engen Grenzen von der individuellen Temperaturtoleranz des Einzelnen bestimmt.
Demenzielle Erkrankungen z. B. können dieses Empfinden reduzieren. Um krankhafte Zustände durch unangemessene Kleidung bei kalten Umgebungstemperaturen zu vermeiden, ist pflegerische Unterstützung erforderlich.
Praxistipp
Überlegen Sie sich, welche Faktoren für Ihre Körpertemperatur, Ihr persönliches Empfinden von Hitze, Wärme, Kühle und Kälte entscheidend sind. Wie wird Ihr Verhalten davon bestimmt?
Hitzewallungen während der Wechseljahre Unter Hitzewallungen können Frauen bei der Umstellung des Hormonhaushalts leiden: Entweder gelegentlich oder bis 30-mal am Tag kommt es zum plötzlichen eintretenden Symptom des klimakterischen Syndroms (Wechseljahresbeschwerden). Ihr Erscheinen kann vom Beginn der Menopause (Zeitpunkt der letzten Menstruationsblutung) bis zur Postmenopause reichen (ca. bis zum 65. Lebensjahr). Die vasomotorisch bedingten anfallsartigen Hitzewallungen sind oft mit Schweißausbrüchen, fleckigen Hautrötungen und unangenehmem Klopfen des Herzens (Tachykardie) verbunden. Nach der Hitzewallung ist durch die Verdunstungskälte oft leichtes Frösteln zu spüren.
Praxistipp
Die folgenden Maßnahmen können bei Hitzewallungen helfen:
Eine einfache Selbsthilfemaßnahme ist das Tragen leichter Kleidung nach dem Zwiebelprinzip in mehreren Schichten. Je nach Bedarf kann bei einer Hitzewallung eine Lage abgelegt und danach wieder angezogen werden.
Kleidung aus thermoregulierenden Fasern kann angenehmer sein als Kleidung aus schweren Naturfasern, die sich schnell mit Schweiß vollsaugen, evtl. kann Reservewäsche am Arbeitsplatz oder unterwegs hilfreich sein.
Bei Bedarf können die Unterarme unter laufendes Wasser gehalten werden. Lauwarme Waschungen, versetzt mit Pfefferminz- oder Lavendelöl, kühlen besser als kaltes Wasser.
Bewährt haben sich auch Kneipp-Anwendungen, wie Güsse, Waschungen und Bäder (Ortiz 2011).
Der in Südeuropa übliche Fächer kann erholsame Kühlung leisten.
Hitzewallungen sind evtl. im Zusammenhang mit bestimmten Ereignissen, Speisen (bestimmte Gewürze) oder Getränken (Genussgifte wie Alkohol, Kaffee, Tee) zu erkennen, vielleicht hilft daher eine eigene Dokumentation.
Wärmeschutz bei der Wundversorgung Mit einem feuchten, körperwarmen Wundmilieu wird bei der Wundheilung die optimale Wirksamkeit körpereigener Zellaktivitäten intensiviert. Ziel muss es sein, Austrocknung und Unterkühlung der Wunde (kann bereits durch Aufdecken bei der Visite geschehen) zu vermeiden sowie geeignete Wundauflagen zu verwenden.
Eigenverantwortung für lnfektionsschutz Wenn Patienten eine Strahlentherapie z. B. in Kombination mit einer zytostatischen Therapie in den Liquorraum erhalten, evtl. verbunden mit einer allogenen Knochenmarks- und Stammzelltransplantation, sollen sie von Pflegenden informiert werden, wie wichtig eine regelmäßige Temperaturkontrolle für das frühzeitige Erkennen einer Infektion ist. Während des Aufenthalts im Krankenhaus lernt der Patient, seinen Körper zu beobachten, Warnsignale (Temperaturerhöhung über 38 °C, Hautausschlag, Durchfall, Brennen beim Wasserlassen usw.) zu erkennen und Veränderungen an die zuständige Pflegeperson und/oder den Arzt weiterzugeben. Die Selbstbeobachtungsfähigkeit gewinnt besonders im Hinblick auf die Krankenhausentlassung an Bedeutung.
Vorsorge für nächtlichen Wäschewechsel bei Hyperhidrose ▶ Nächtliches Schwitzen bei verschiedenen Erkrankungen (z. B. AIDS) in der palliativen Versorgung oder die Notwendigkeit des Wäschewechsels bei Inkontinenz kann sehr belastend sein. Durch Vorsorge kann dem Kranken und den betreuenden Personen länger währender Wäschewechsel in der Nacht erspart werden. Es empfiehlt sich, frische Wäsche, Ersatzkissen und Zweitdecke griffbereit zu haben sowie eine saugfähige Unterlage (z. B. Frotteehandtuch) auf Bettlaken und Kopfkissen zu legen (Sitzmann 2007).
Prävention und Gesundheitsförderung
Interventionsschritte der Pflege
Christoph S. Nies
Die Regulation der Körpertemperatur ist eine für den Menschen lebenswichtige Voraussetzung, um die Funktionen der Organe und Körpersysteme aufrechtzuerhalten. Der Mechanismus der Regulation wie auch die Körpertemperatur als solche wird vom Menschen erst dann wahrgenommen, wenn unbehagliche Empfindungen ausgelöst werden. Wärme und Kälte zu empfinden ist ein individuelles Geschehen, das eng mit unserem Wohlbefinden verknüpft ist.
Hier eröffnen sich für den Bereich der Gesundheitsförderung Möglichkeiten, auf das Wohlbefinden eines Menschen positiv einzuwirken, indem angenehme Temperaturempfindungen ausgelöst werden (z. B. über die Anwendung von Wickeln und Auflagen). Insbesondere die als angenehm empfundene Wärme trägt wesentlich zum Wohlbefinden und zur Entspannung eines Menschen bei. Ebenso kann aber auch die Empfindung eines kühlen Reizes erfrischend und aktivierend und somit gesundheitsförderlich wirken.
Körpertemperaturstörungen vorzubeugen steht im Vordergrund einer präventiven Ausrichtung im Bereich der ATL „Körpertemperatur regulieren“. Einen elementaren Anteil der präventiv pflegerischen Intervention bildet hier sicherlich die Prävention „innerer Störfaktoren“, z. B. über infektionsprophylaktische Maßnahmen oder die Vorbeugung vor Störungen des Wasser-Elektrolyt-Haushaltes. Aber auch die Verhaltensprävention (unangepasstem Verhalten vorbeugen, z. B. mit angemessener Kleidung bei Hitze) bildet einen wichtigen Bestandteil der Präventionsschritte in der vorliegenden ATL.
Die Pflege ist auch im Bereich der Körpertemperaturregulation aufgrund des intensiven Kontakts zum Pflegeempfänger in Kombination mit dem Wissen um die Beobachtungskriterien dafür prädestiniert, Risikofaktoren zu erkennen und geeignete Interventionen einzuleiten. Da gerade sehr junge Menschen (Neugeborene) und sehr alte Menschen zu den Risikogruppen einer gestörten Körpertemperaturregulation gehören, werden die in ▶ Tab. 15.11 dargestellten möglichen Interventionen insbesondere in Bezug zu diesen beiden Personengruppen aufgezeigt. Dabei werden die verschiedenen Ebenen der Prävention, ▶ Gesundheitsförderung, Primärprävention, Sekundärprävention und Tertiärprävention berücksichtigt.
Gesundheitsförderung |
Primärprävention |
Sekundärprävention |
Tertiärprävention |
Interventionen |
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Interventionszeitpunkt |
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Gesundheitszustand (kein Selbstpflegedefizit hinsichtlich der Körpertemperaturregulation) |
erkennbare Risikofaktoren (Gefahr der Entstehung eines Selbstpflegedefizits in der Regulation der Körpertemperatur) |
beginnende pathologische Veränderungen (Selbstpflegedefizit im Bereich Körpertemperaturregulation ist vorhanden) |
ausgeprägte pathologische Veränderungen (Selbstpflegedefizit im Bereich Körpertemperaturregulation ist vorhanden) |
Zielgruppe |
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Interventionsorientierung |
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salutogenetische Ausrichtung (Förderung) |
pathogenetische Ausrichtung (Vorbeugung) |
pathogenetische Ausrichtung (Korrektur) |
pathogenetische Ausrichtung (Kompensation) |
Zielsetzung |
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Verhältnisse und Lebensweisen beeinflussen
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Verhalten beeinflussen
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