Symbol für die einst geteilte Stadt: Skulptur Berlin an der Tauentzienstraße
Der neoklassizistische U-Bahnhof Wittenbergplatz aus dem Jahr 1913 ist ein kleines Schmuckstück der City West. Den gleichnamigen Platz mit zwei Brunnen und Currywurstbuden dominiert das →Kaufhaus des Westens, der berühmteste Shoppingtempel Deutschlands. Das KaDeWe mit seiner die Sinne betörenden Foodetage besitzt so viel Anziehungskraft, dass die Tauentzienstraße als umsatzstärkste Flaniermeile der Stadt gilt. Davon profitiert auch Peek & Cloppenburg 100 m weiter im sog. Weltstadthaus. Dieskelettartige Fassade entwarf der Architekt Gottfried Böhm.
Ein paar Schritte weiter steht in der Mittelpromenade des „Tauentzien“ die torartige Skulptur „Berlin“ des Künstlerpaars Matschinsky-Denninghoff. Sie stammt aus dem Jahr 1987. Damals war die Stadt noch geteilt - die ineinander verschlungenen, aber getrennt aufgestellten Chromnickelstahlröhren symbolisieren dies.
Das Herz der City West
Etwas weiter ragt rechter Hand das Europa-Center empor, ein 22 Stockwerke hohes Bürogebäude mit einem sich drehenden Mercedes-Stern obendrauf. In der 20. Etage befindet sich die rundum verglaste Puro Lounge(→ Nachtleben, S. 85) mit einem sensationellen Blick über das nächtliche Berlin. Das Shoppingcenter im vorgelagerten Sockelbau war zu seiner Eröffnung 1965 revolutionär, heute ist sämtlicher Glanz verflogen. Im Untergeschoss sind Die Stachelschweine beheimatet, eine der bekanntesten Berliner Kabarettbühnen.
Das Europa-Center liegt am ziemlich hässlichen Breitscheidplatz, einem der Dreh- und Angelpunkte der City West. Nicht wenige verabreden sich hier am Weltkugelbrunnen, auch „Wasserklops“ genannt.
Genau gegenüber dem Europa-Center erhebt sich der Turm der alten → Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Die noch erhaltene Eingangshalle der flapsig als „hohler Zahn“ bezeichneten Kriegsruine kann besichtigt werden. Auch das Innere der Neuen Kirche nebenan ist einen Blick wert.
Die gesamte Nordseite des Breitscheidplatzes nimmt das sog. Bikini-Hausein. Der Gebäuderiegel erhielt seinen Namen übrigens von einem früheren Luftgeschoss - ganz nach dem Motto: „Oben was, unten was und in der Mitte nüscht“. Gerade umfangreich umgebaut, beherbergt der Bikini-Haus-Komplex heute Geschäfte, Restaurants und ein Hotel, obenauf zudem eine frei zugängliche Dachlandschaft. Auch der Zoopalast,die Kinolegende links des Bikini-Hauses, soll nach 3-jähriger Restaurierung 2014 wieder der Berlinale zur Verfügung stehen.
Das Zoofenster, das mit 32 Etagen bzw. 118 m Höhe den Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche um 50 m überragt, wurde ebenfalls erst kürzlich fertig gestellt; einer der Mieter: Waldorf-Astoria, die Luxusmarke der Hiltonfamilie.
Ein weiterer Meilenstein in der Wiedererweckung der City West wird das Upper Westsein.Dieser ebenfalls 118 m hohe Wolkenkratzer nach einem Entwurf von Christoph Langhof - Fertigstellung voraussichtlich 2016 - wird die Westseite des Breitscheidplatzes abschließen.
Neue Architektur
Am Breitscheidplatz beginnt der Kurfürstendamm, eine 53 m breite Shoppingmeile. Ein Potpourri verschiedenster Baustile ist hier zu finden: Gründerzeitschnörkel an Prachtpalästen, Scheußlichkeiten aus der Nachkriegszeit, aber auch spektakuläre neue Architektur.
Wer noch alte Zeiten schmecken will, sollte einen Blick in den Modeladen & other Stories linker Hand (Hnr. 234) werfen. Hier war früher die Konditorei Schilling untergebracht, deren prächtige neobarocke Wand- und Deckenausschmückung aus dem Jahr 1901 erhalten ist.
Anders das Neue Kudamm-Eck,ebenfallslinker Hand an der Kreuzung zur Joachimsthaler Straße. Für den um die Jahrtausendwende entstandenen wuchtigen Rundbau, den u. a. C & A und das Swissôtel belegen, zeichnet das Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner(gmp) verantwortlich. Nebenan kam 2005 das von Jan Kleihues entworfene Hotel Concorde hinzu. Beide Bauten zusammen verleihen der City West hier einen Hauch von Manhattan. Die Verkehrskanzel samt Uhr am Straßeneck gegenüber stammt aus den 1950ern. Ein Verkehrspolizist bediente von dort vier Jahre lang die Ampeln per Hand - dann kapitulierte er vor dem stetig wachsenden Verkehrsaufkommen.
Das dritte erwähnenswerte Eck an dieser Ku’damm-Kreuzung markiert die Rotunde mit den weiß-roten Markisen des Cafés Kranzler, das es an dieser Stelle schon seit 1958 gibt. Dahinter erhebt sich das sog. Neue Kranzler-Eck. Das luftig-leichte Gebäudeensemble stammt wie auch das Sony Center am Potsdamer Platz von Helmut Jahn - die Ähnlichkeit ist unübersehbar. Im Innenhof, zwischen altem Kranzler-Eck und neuem, leben Fasane und Enten in Volieren.
Fasanenstraße - eine Perle
Prunkarchitektur gibt es nicht nur am Ku’damm selbst zu bestaunen, sondern auch in seinen Seitenstraßen. Eine Perle aus der Gründerzeit ist die kreuzende Fasanenstraße, in die wir nach links einbiegen. An ihr liegt rechter Hand das sog. Wintergarten-Ensemble. Den Auftakt bildet das Literaturhausin einer Backsteinvilla (Hnr. 23). Hier werden Lesungen und Ausstellungen veranstaltet, zudem beherbergt es das Café Wintergarten mit idyllischer Sommerterrasse (→ Essen & Trinken/Cafés). In der schönen Stadtvilla (Hnr. 24) südlich davon befindet sich das →Käthe-Kollwitz-Museum. Wieder eine Tür weiter: die Villa Grisebach (Hnr. 25), ein fast märchenhaft wirkendes Gebäude aus den Jahren 1891/92. Heute befindet sich hier u. a. eines der bedeutendsten deutschen Auktionshäuser für Kunst des 19. bis 21. Jh.
Bärlin grüßt im Neuen Kranzler-Eck
Kurz darauf führt rechter Hand die Fasanenpassage (Durchgang bei Hnr. 28) durch mehrere Höfe zur parallel verlaufenden Uhlandstraße. Dort steht man einem der Zugänge zum Kudamm-Karree gegenüber - oder einer riesigen Baustelle. 2015 soll der Abriss des Kudamm-Karres erfolgen, dessen Hauptfront am Kurfürstendamm liegt. Ersetzt werden soll das Einkaufszentrum aus den 1970ern durch einen modernen, von David Chipperfield projektierten Neubau. Dem Abriss zum Opfer wird auch das Museum →The Story of Berlinfallen.
Westberliner Noblesse
Nun geht es weiter den Kurfürstendamm entlang. Es folgen Nobelboutiquen wie Gucci oder Louis Vuitton, dazwischen eines der schönsten Kaffeehäuser Berlins, das Grosz (Hnr. 193/194, ). Bevor der 3,5 km lange Kurfürstendamm jedoch an Reiz verliert und einfache Geschäfte die edlen Stores ersetzen, kehren wir ihm den Rücken.
Über die Giesebrechtstraße, die nach rechts abzweigt, geht es hinein in gehobenere Wohnviertel nördlich des Kurfürstendamms. Herrschaftliche, oft noch reich mit Stuck verzierte Stadthäuser aus dem frühen 20. Jh. sind dort zu entdecken, mit Erkern, Giebeln, herrlichen Treppenaufgängen, liebevoll restaurierten Fahrstühlen und teils riesigen Etagenwohnungen. Auch auf dem weiteren Weg, der über die Sybel-, die Leibnitz- und die Mommsen- in die Knesebeckstraße führt, stehen solche Häuser, zuweilen aber von ihrem Fassadenschmuck befreit.
Weiter Richtung Zoo
Die Knesebeckstraße verläuft in Richtung Norden zum Savignyplatz, einem hübschen, gärtnerisch gestalteten Platz, den die laute Kantstraße jedochunschön in zwei Hälften teilt. Lokale mit Freiluftterrassen laden am Platz auf eine Pause ein. Auch in den Bögen des S-Bahn-Viadukts warten Restaurants und bessere Geschäfte auf Kundschaft. Westlich des Platzes erstreckt sich Berlins kleine Chinatown (die Betonung liegt auf „klein“) mit asiatischen Imbissen und Lokalen.
Der Spaziergang führt jedoch in entgegengesetzter Richtung weiter gen Osten. Dabei passiert man in der Kantstraße das Stilwerk, wo es Designermöbel auf fünf Etagen gibt (→ Einkaufen, S. 58), und die renommierte Fotogalerie →Camera Work (Hnr. 149) gegenüber.
Vor dem Theater des Westens(→ Kultur, S. 65) geht es links ab in die Fasanenstraße. Das Theater, heute eine der großen Musical-Bühnen der Stadt, wurde 1884 im Stil des wilhelminischen Historismus erbaut. Schon Josephine Baker, Maria Callas und Enrico Caruso begeisterten hier das Berliner Publikum. Der Bau mit dem Terrassencafé davor ist der schöne Delphi-Filmpalast(→ Kultur, S. 68). In dessen Rücken steht in der Fasanenstraße das Ludwig-Erhard-Haus. Das 1994-98 errichtete Gebäude von Nicholas Grimshaw wird wegen seiner 15 ellipsenförmigen Stahlbögen auch „Gürteltier“ genannt. Es ist heute u. a. Sitz der Berliner Börse. Das Foyer mit schickem Café ist öffentlich zugänglich - hier kann jedermann einen Blick aufs Börsenparkett werfen.
Hält man sich an der Hardenbergstraße rechts, gelangt man, vorbei am sog. Amerika-Haus mit der →Galerie C/O, zum Bahnhof „Zoologischer Garten“, kurz: zum Bahnhof Zoo. Noch bevor man die Gleise unterquert, bietet sich ein Abstecher nach links in die Jebensstraße zum → Museum für Fotografiean.
Der Bahnhof Zoo hat mit dem schmuddeligen, von Junkies und Kinderprostituierten bevölkerten Fernbahnhof der Vorwendezeit, bekannt aus Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, heute nichts mehr gemein. Der namengebende → Zoo samt → Aquarium liegt hinter dem Bahnhof.