Bomben auf Berlin

Als am 1. September 1939 der Angriff auf Polen erfolgte, herrschte in Berlin keine Kriegsbegeisterung, auch wenn dies Goebbels’ Propagandaministerium glauben machen wollte. Vielmehr herrschte Angst. Die Sorgen waren berechtigt - zwei Tage später erklärten Frankreich und England Deutschland den Krieg. Schon im März 1940 wurden in Berlin Kellerwände zwischen den Häuserblocks durchbrochen, um im Falle eines Treffers bei einem Luftangriff Fluchtwege zu schaffen. Es wurden Grünflächen vorgetäuscht, indem man Tarnnetze über ganze Straßenzüge spannte, um die Orientierung der feindlichen Piloten zu erschweren. Dazu wurden rund um Berlin fünf Attrappenstädte gebaut, die nächtens beleuchtet wurden, während Berlin im Dunkeln lag. Bei den ersten Luftangriffen der Royal Air Force warfen die Bomber noch Flugblätter ab, die dünn, geschmeidig und deswegen auch sehr begehrt waren: Vieles war streng rationiert, selbst das Klopapier, das so braun und steif war wie die Partei.
1942 lebten 4.478.102 Menschen in Berlin, eine Zahl, die nie mehr erreicht wurde. Darunter befanden sich zu Anfang des Jahres noch 40.000 Juden, die v. a. in der Rüstungsindustrie arbeiten mussten und von den Lebensmittelrationierungen am härtesten betroffen waren. Auf der Wannsee-Konferenz (→ S. 288), wo die Endlösung der Judenfrage beraten wurde, kam man überein, sie durch Zwangsarbeiter aus den besetzten Gebieten zu ersetzen.
Mehr Information zu den Verbrechen der Nazis im Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ und im Deutschen Historischen Museum, zum Schicksal der europäischen und Berliner Juden im Jüdischen Museum und im Ort der Information des Holocaust-Denkmals und zum Widerstand in Berlin in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand.
Als im Frühjahr 1943 die Luftangriffe der Briten (nachts) und Amerikaner (tagsüber) erheblich zunahmen, wurden die Lücken und Trümmerfelder in der Stadt immer größer. Ab Herbst heulten die Sirenen teils rund um die Uhr, während die Berliner hungernd und verängstigt in ihren Kellern saßen. Allein die Luftangriffe im November 1943 machten fast eine halbe Million Menschen obdachlos. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, das Schloss, das Zeughaus, die Universität, die St.-Hedwigs-Kathedrale und die Staatsbibliothek wurden in nur einer einzigen Nacht zerstört. Als die Bomber von Luftmarschall Arthur Harris die Tiere im Zoo erwischten, tauchten diese nur wenig später auf den Speiseplänen auf. Der Hunger hatte infolge der stetigen Kürzungen der Lebensmittelrationen schon solche Ausmaße angenommen, dass es zu tödlich endenden Streitigkeiten um Lebensmittelmarken kam.
Der größte Luftangriff auf die Stadt ereignete sich am 15. Februar 1944: 891 Flugzeuge waren von England aus gestartet, innerhalb von 22 Minuten fielen 2643 t Bomben auf Berlin. Noch schlimmer als die Berliner litten die Zwangsarbeiter unter den Luftangriffen, denn sie durften nicht einmal die Schutzbunker oder Keller aufsuchen. Der Galgenhumor gipfelte in Sätzen wie: „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffungslos. Wirklich ernst wird sie erst, wenn man mit der U-Bahn an die Ostfront fahren kann.“
Ein Jahr später war die Stadt von den Russen umschlossen. Kinder wurden auf Fahrrädern, mit Panzerfäusten bewaffnet, an die Front geschickt. Zum Abschied sagte man: „Bleib übrig.“ Von den Laternenpfählen baumelten Leichen, von den Nazis wegen angeblich versuchter Desertion, Feigheit oder Defätismus aufgeknüpft. Hitler, der mittlerweile unter Amphetamin stehende Wackeldackel, dachte nicht an Kapitulation. Seine Politik der verbrannten Erde sollte auch für die Hauptstadt gelten: „Wenn der Krieg verloren geht, wird auch das Volk verloren sein.“ Denn „was nach dem Kampf übrig bleibt, sind ohnehin nur die Minderwertigen, denn die Guten sind gefallen.“