In Deutschland ereignen sich 70 % aller Brandverletzungen im häuslichen Umfeld. Flammenverletzungen (44 %) und Verbrühungen (38 %) sind die häufigsten Ursachen.
Für Heilung und Überlebenschancen eines Brandverletzten sind neben Allgemeinzustand und Vorerkrankungen 3 Faktoren von entscheidender Bedeutung:
Flächenausdehnung der Brandwunden
Tiefenausdehnung der Brandwunden
Alter des Brandverletzten
Die Neunerregel ( ▶ Abb. 13.1) ist zur Schätzung der geschädigten Körperoberfläche hilfreich. Sie gilt jedoch nur für Erwachsene. Bei Kindern (insbesondere Säuglingen) sind die Oberflächenverhältnisse anders, so ist der Kopf in Relation größer als bei Erwachsenen.
Abb. 13.1 Neunerregel. Die Aufteilung der Körperoberfläche in 11 Bezirke à 9 % erleichtert die Schätzung der Flächenausdehnung bei thermischen Schäden.
Je größer der Anteil verbrannter Hautbezirke, desto schlechter sind die Überlebenschancen. Ist die Verbrennung auf ein kleines Areal beschränkt, so ist der Allgemeinzustand des Patienten nicht wesentlich beeinträchtigt. Sind über 10 % der Körperoberfläche verbrannt, besteht die Gefahr schwerer Allgemeinschäden (Verbrennungskrankheit, Kap. ▶ 13.1.2), weshalb die stationäre Aufnahme indiziert ist. Ab 20 % geschädigter Haut sollte die umgehende Verlegung in eine Spezialklinik erfolgen ( ▶ Tab. 13.1 )
Patient |
Ambulant möglich |
Stationär erforderlich |
Spezialklinik erforderlich |
Erwachsene |
< 10 % |
10–20 % |
> 20 % |
Kinder |
< 5 % |
5–10 % |
> 10 % |
Merke
Handflächenregel. Zur Abschätzung kleinerer Verbrennungswunden kann man sich, unabhängig vom Alter des Verletzten, an dessen Handgröße orientieren. Die Hand des Verletzten inklusive der aneinanderliegenden Finger beträgt etwa 1 % seiner Körperoberfläche.
Die Einteilung thermischer Verletzungen nach ihrer Tiefenausdehnung erfolgt in 4 Schweregrade ( ▶ Abb. 13.2 u. ▶ Tab. 13.2 ). Je tiefer die Hitzeschädigung in das Gewebe eingedrungen ist, desto schwerwiegender sind die Folgen für den Verletzten. Bei einer Gewebetemperatur von etwa 60 °C wird das Eiweiß der Körperzellen irreversibel zerstört (Proteindenaturierung). Die 4 Schweregrade treten häufig kombiniert auf und gehen fließend ineinander über.
Abb. 13.2 Verbrennung. Tiefenausdehnung der Schweregrade.
Grad 1 |
Grad 2a |
Grad 2b |
Grad 3 |
Grad 4 |
|
Tiefenausdehnung |
Äußere Hautschicht (Epidermis) |
Oberflächliche Haut (Epidermis und Teile der Lederhaut) |
Gesamte Haut (Epidermis und Lederhaut) |
Gesamte Haut inkl. Unterhautfettgewebe (Epidermis und Lederhaut mit Subkutis) |
Gesamte Haut und tiefere Schichten (Muskulatur u.a.) |
Aussehen |
Rötung |
Blasenbildung, feuchte Rötung |
Blasenbildung, weißliche Flecken |
Wundgrund weißgrau bis schwarz, hart und trocken |
Verkohlung, sichtbare Knochen etc. |
Hautanhangsgebilde |
erhalten |
erhalten |
teilweise zerstört |
zerstört |
zerstört |
Sensibilität |
Schmerz, Jucken |
Schmerz |
Schmerz |
Kein Schmerz |
Kein Schmerz |
vorhanden |
vorhanden |
gering |
fehlt |
fehlt |
|
Nadelstichtest |
Blutung |
Blutung |
variabel |
Keine Blutung |
Keine Blutung |
Heilung |
Spontan ohne Narben |
Spontan ohne Narben |
Verzögert mit Narben |
Narben, Keloid, Kontrakturen |
Schwere Dauerfolgen |
Therapie |
konservativ |
konservativ |
Eventuell oberflächliche Nekrosektomie mit Hauttransplantation |
Nekrosektomie, künstlicher Hautersatz, später Hauttransplantation |
Aufwendige plastisch-chirurgische Defektdeckungen |
Verbrennung 1. Grades Durch ein lokales Ödem und vermehrte Durchblutung (Hyperämie) entsteht eine Rötung der Epidermis. Die Verbrennung heilt folgenlos ab.
Verbrennungen 2. Grades Durch die Verbrennung der Haut kommt es zu einer unvollständigen Nekrose mit Austritt von eiweißreicher Flüssigkeit innerhalb der Hautschichten. Dies zeigt sich klinisch durch eine Blasenbildung ( ▶ Abb. 13.3). Das Schmerzempfinden ist erhalten.
Grad 2a Die Hautanhangsgebilde (z. B. Haare und Schweißdrüsen) sind in ausreichender Zahl erhalten, sodass unter konservativer Behandlung eine Abheilung ohne dauerhafte Narben möglich ist. Die Patienten verspüren Schmerzen, insbesondere bei Berührung der Wunde.
Grad 2b Haut und Anhangsgebilde sind so stark geschädigt, dass eine Abheilung mit Narbenbildung stattfindet und häufig operative Maßnahmen indiziert sind ( ▶ Nekrosektomie und Hautverpflanzung).
Verbrennung 3. Grades Die Haut ist bis in das Subkutangewebe komplett zerstört, also auch die Hautanhangsgebilde sowie feine Nervenendigungen mit den Schmerzrezeptoren. Die Schmerzempfindung ist weitgehend aufgehoben. Es entstehen weißgraue bis schwarze Nekrosen mit trockenem lederartigem Wundgrund. Die Verlegung in ein spezialisiertes Zentrum sollte erfolgen. Operative Maßnahmen sind erforderlich.
Verbrennungen 4. Grades Die Gewebszerstörung reicht bis in tiefere Schichten, sodass Muskulatur verkohlt und funktionelle Strukturen wie Knochen und Sehnen freiliegen können.
Die Beurteilung der Verbrennungstiefe ist auch für Erfahrene schwierig. Die Tiefenausdehnung bestimmt jedoch die Indikation zur chirurgischen Therapie. Deshalb hat man den traditionellen Schweregrad 2 in 2a und 2b unterteilt. Ab Grad 2b sind irreversible Gewebszerstörungen aufgetreten, die in vielen Verbrennungszentren als OP-Indikation gelten. Neben einer täglichen Kontrolle der Brandwunden, besonders in den ersten 3 Tagen, sind folgende Untersuchungen hilfreich.
Kompressentest Beim zarten Wischen mit einer sterilen Kompresse auf der Brandwunde verspüren Patienten im Stadium 1 und 2a Schmerzen. Körperhaare sitzen fest in der Haut. Es erfolgt eine konservative Behandlung. Im Stadium 2b oder höher lassen sich die Körperhaare schmerzarm abwischen, was für eine operative Behandlung mit Wunddébridement spricht.
Rekapillarisierung beim Spateltest Zur Einschätzung des Schweregrades kann zudem die Beurteilung der Durchblutung des Wundgrundes hilfreich sein. Dazu wird mit einem sterilen Spatel Druck auf die Wunde ausgeübt. Im Stadium 2a rötet sich der Wundgrund wieder. Das spricht für eine vorhandene Rekapillarisierung und für eine konservative Behandlung. Bleibt der Wundgrund nach Entfernung des Spateldrucks hingegen grau, ist keine Rekapillarisierung vorhanden. Das spricht für ein Stadium 2b oder höher und für eine operative Behandlung.
Sensibilität Bis zum Schweregrad 2b ist die Brandwunde schmerzhaft. Bei Grad 3 und 4 sind auch die Schmerzrezeptoren verbrannt, weshalb die Patienten typischerweise keinen Schmerz verspüren.
Merke
Verbrennungen 1. und 2. Grades sind häufig schmerzhafter als Verbrennungen 3. oder 4. Grades.
Abb. 13.3 Verbrennung Grad 2b.
Abb. 13.3a Blasenbildung nach Verbrühung.
Abb. 13.3b Nach 4 Wochen konservativer Therapie bleibt eine geringe Narbenbildung zurück.
Die besten Überlebenschancen haben Erwachsene mittleren Alters (20–40 Jahre).
Merke
Besonders gefährdet sind Kinder unter 3 Jahren und ältere Menschen über 60 Jahre.
Verbrennungsindex Es gibt komplexe Punktesysteme, um die Prognose bei Verbrennungen abzuschätzen. Eine stark vereinfachte Formel für Erwachsene berücksichtigt nur das Alter des Verletzten und die verbrannte Körperoberfläche (VKOF).
Fallbeispiel
Vereinfachter Verbrennungsindex. Ergibt die Summe aus Alter und verbrannter Körperoberfläche in Prozent (%VKOF) einen Wert unter 50, so ist die Prognose günstig. Bei einer Summe von 50 bis 100 ist die Prognose zweifelhaft, über 100 schlecht.
Bei einem 60-jährigen Mann mit einer verbrannten Körperoberfläche von 40 % beträgt die Summe aus Alter plus %VKOF (60 + 40) 100. Die Prognose hinsichtlich seiner Überlebenswahrscheinlichkeit ist also schlecht.
Dieses potenziell tödliche Krankheitsbild tritt bei einer verbrannten Körperoberfläche ab etwa 20% auf (bei Kindern ab 10%). Aus dem verbrannten Gewebe werden Toxine, Mediatoren wie Kinine und Histamin sowie Enzyme freigesetzt. Dadurch entsteht ein Kapillarleck („capillary leak“), weshalb der Verletzte große Flüssigkeitsmengen aus dem Gefäßsystem in das Interstitium (Gewebe zwischen den Zellen) verliert. In dem zerstörten Gewebe kommt es zu einer verstärkten intravasalen Gerinnung mit dem Verlust von Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren sowie absinkender Erythrozytenzahl (Anämie). Wichtige Organe wie Niere, Herz, Lunge und Gehirn werden durch freigesetzte Toxine und Proteine zusätzlich geschädigt ( ▶ Abb. 13.4).
Abb. 13.4 Pathophysiologie des Verbrennungsschocks.
Der zeitliche Ablauf lässt sich grob in 3 Phasen einteilen.
Exsudationsphase 1.–3. Tag Klinisch im Vordergrund steht der Volumenmangelschock (Kap. ▶ 12.2) durch Flüssigkeitsverlust. Der Wasserverlust bei einem Schwerbrandverletzten kann bis zu 10 Liter am Tag betragen und wird mit Hilfe einer ▶ Formel berechnet. Die Niere ist in dieser Frühphase der Verbrennungskrankheit besonders gefährdet (Crush-Niere, Schockniere, Kap. ▶ 27.3.1). Folge sind Störungen der Mikrozirkulation mit Thrombenbildung. Das Blut wird visköser (dickflüssiger, Anstieg des Hämatokrits), weil Wasser und Elektrolyte über die toxisch geschädigten Kapillarwände in das Zwischengewebe (Interstitium) abfließen.
Intoxikationsphase 3. Tag bis 2 Wochen Klinisch im Vordergrund stehen Organschäden durch Verbrennungstoxine. Ab dem ungefähr 3. Tag ist der Flüssigkeitshaushalt weitgehend stabilisiert, so dass erforderliche Operationen an den Verbrennungswunden erfolgen, auch wenn die übrigen (intensiv-)medizinischen Maßnahmen noch weiterlaufen.
Durch die Hitzeschädigung des Gewebes (Eiweißzerfallsprodukte) entstehen Toxine. Sie werden in die Blutbahn eingeschwemmt und können fast alle Organe schädigen. Vorwiegend betroffen sind Nieren, Leber und Erythrozyten, was zur Urämie, zu schweren Stoffwechselstörungen und zur hämolytischen Anämie führen kann.
Als Zeichen der hormonellen Gegenregulation bildet das Nebennierenmark die körpereigenen Katecholamine (sog. Stresshormone) Adrenalin und Noradrenalin. Diese stimulieren Herz-Kreislauf-Tätigkeit und diverse Stoffwechselvorgänge. Zudem bestehen die Gefahr eines Herz-Kreislauf-Versagens und das Auftreten eines akuten Stressulkus (Schleimhautschaden des Magens und Duodenums). Der Grundumsatz bei Patienten mit schweren Verbrennungen ist erhöht und muss individuell ermittelt ▶ werden.
Reparationsphase ab 2.–3. Woche Klinisch im Vordergrund stehen Wundkomplikationen mit Sekundärinfektionen. Neben der Infektion der großflächigen Brandwunden steht die Begleitinfektion anderer Organe im Vordergrund, insbesondere der Lunge (Pneumonie, Kap. ▶ 9.4.5). Häufig entwickelt sich eine Sepsis, Kap. ▶ 6.3. Nach Überstehen der akuten vitalen Bedrohungen im Rahmen der Verbrennungskrankheit stellen die ausgedehnten Narbenbildungen oft große funktionelle und psychische Probleme dar.
Zusatzinfo
Bei Schwerbrandverletzten ist die Sepsis mit 50 % häufigste Todesursache. Sepsisquelle ist überwiegend die Pneumonie bei Langzeitbeatmung.
Die Verbrennungsausdehnung und die Verbrennungstiefe bestimmen die Indikation zur Verlegung in ein Schwerbrandverletzungszentrum. Nur kleinflächige und oberflächliche Verbrennungen sollten in anderen Einrichtungen behandelt werden.
Die Vermittlung von Krankenhausbetten für Schwerbrandverletzte erfolgt in Deutschland zentral durch die Feuerwehr Hamburg: Tel. 040 42851–3998. Mehr Informationen finden Sie unter: http://www.verbrennungsmedizin.de/zentren.php.
Verbrennungswunden sollten mit trockenen sterilen Kompressen verbunden werden. Bei großflächigen Verletzungen wird der Brandverletzte in Metallinefolie eingepackt und schnellstmöglich in die nächste Klinik oder ein Verbrennungszentrum gebracht. Nach Möglichkeit erfolgen bereits am Unfallort eine intravenöse Schmerztherapie und Flüssigkeitssubstitution.
Die früher übliche Kaltwasserspülung und Kühlung wird heute nicht mehr empfohlen. Die Maßnahmen wirken zwar schmerzlindernd, können aber die Verbrennungstiefe verschlechtern und die bedrohliche Auskühlung (Hypothermie) bei großflächigen Verbrennungen verstärken. Bei kleinflächigen Verbrennungen kann eine Spülung mit sauberem lauwarmem Wasser erfolgen, was bei Laienhelfern immer noch sehr gebräuchlich ist.
Auch sollte primär keine Salbe, kein Gel oder Puder aufgetragen werden, weil die Wundbeurteilung dadurch erschwert wird und der therapeutische Nutzen fraglich ist.
Merke
Wundbehandlung. Frische Brandwunden sollten zunächst ausschließlich mit trockenen sterilen Kompressen versorgt werden, um eine aussagekräftige Wundbeurteilung zu gewährleisten.
Wundreinigung Eine erste Wundreinigung erfolgt in der Klinik. Mit sterilem handwarmem Wasser werden Kleidung, Schmutz und Verbrennungsrückstände entfernt.
Begleitverletzungen Vital bedrohliche Verletzungen anderer Organe (z.B. Schädel-Hirn-Trauma oder Thorax- und Abdominalverletzungen) haben nach Ankunft des Brandverletzten in der Klinik Vorrang vor der verbrennungsspezifischen Therapie.
Bei den Verbrennungsgraden 1–2a erfolgt immer eine konservative Wundbehandlung. Bei Verbrennungen 2. Grades werden die Brandblasen mit einer sterilen Schere eröffnet und inklusive loser Hautfetzen (chirurgisches Débridement) abgetragen.
Pflegepraxis
Wundbehandlung. Für die lokale Wundbehandlung bei Verbrennungen stehen zahlreiche Cremes und Salben zur Verfügung. Nach Studienlage gibt es weder die „beste“ noch die „richtige“ Salbe. Es bleibt also eine individuelle Entscheidung. Verbandmull darf nicht als alleinige Auflage gewählt werden, weil es zu Verklebungen mit der sezernierenden Wunde führt.
Um ein Verkleben der Wunde mit dem Verbandmaterial zu verhindern, können Fettgaze verwendet werden. Ansonsten kommen unterschiedliche Lokaltherapeutika zum Einsatz, z.B. Silbersulfadiazinsalbe (Flammazine), jodhaltige Auflagen (Betaisodona), Bepanthen, Polyhexanide (Lavasept), biosynthetische Verbandstoffe (Biobrane, Suprathel).
Pflegepraxis
Verbandwechsel. Verklebungen zwischen Wunde und Verbandmaterial müssen vorsichtig durch Anfeuchten des Verbandmaterials gelöst werden.
Ein Verbandwechsel erfolgt in den ersten 3 Tagen täglich. Danach wird die Wunde zumindest zweitäglich begutachtet, ob nicht doch eine tiefere Verbrennung und damit OP-Indikation vorliegt.
Transparente Wundauflagen (z.B. Octenidin, Polyhexanid) erleichtern die Beurteilung des Wundgrundes und verhindern das Austrocknen.
Die Physiotherapie wird frühzeitig miteinbezogen, um eine drohende Bewegungseinschränkung einer verbrannten Extremität entgegenzuwirken.
Verbrennungen des Grades 3 und 4 werden immer operativ behandelt, um die funktionellen Einbußen durch Narben und Kontrakturen zu verringern ( ▶ Abb. 13.5). Oft gibt es eine OP-Indikation schon im Schweregrad 2b. Ausnahme sind Verbrennungswunden im Gesicht, an Handflächen und Fußsohlen, die möglichst konservativ behandelt werden.
Operative Eingriffe an der verbrannten Haut erfolgen bevorzugt ab dem 3. Tag, wenn sich der Flüssigkeitshaushalt des Verletzten weitgehend normalisiert hat.
Entlastungsschnitte (Escharotomie) Zirkuläre Verbrennungen behindern die Durchblutung und fördern die Ödembildung durch die narbige Einschnürung. Hier können Längsinzisionen der Haut, evtl. auch der darunterliegenden Faszie, Entlastung schaffen. Den Eingriff nennt man Escharotomie (Eschara, griech.: Brandstelle).
Nekrosektomie Bei der Nekrosektomie wird avitales Gewebe frühzeitig entfernt. Damit werden die bakterielle Besiedlung und die Produktion von Verbrennungstoxinen minimiert und somit das Sepsisrisiko vermindert.
Hauttransplantation Bei größeren Defekten ist nach Nekrosektomie eine plastische Deckung mit einem Hauttransplantat erforderlich, z. B. mit einem körpereigenen Meshgraft-Lappen (Kap. ▶ 14.2). Die entnommene Haut wird „gemesht“ (geschlitzt), was ein Abfließen von Wundsekret und einen Flächengewinn ermöglicht, allerdings zuungunsten des kosmetischen Ergebnisses. Die Entnahmestellen verheilen nach ca. 12 Tagen wie eine tiefe Schürfwunde. Eine vorübergehende Deckung ist auch mit Hautersatzmaterialien möglich. Dazu zählen: künstliche Haut, Schweine- oder Leichenhaut. Das Fremdmaterial wird in diesen Fällen später durch körpereigene Hauttransplantate ausgetauscht.
Plastische Narbenkorrekturen Im Schweregrad 3 und 4 sind oft plastisch-chirurgische Narbenkorrekturen oder Defektdeckungen erforderlich, z.B. mit Verschiebelappen.
Abb. 13.5 Verbrennung 3. Grades.
Abb. 13.5a Schwarze Nekrosen an den Beinen.
Abb. 13.5b 5 Tage später nach Nekrosenabtragung.
Einen Eindruck von der pflegerischen Behandlungsintensität auf einer Spezialstation für Brandverletzte finden Sie in dem Abschnitt „Pflegeschwerpunkt: Verbrennungen“ (Kap. ▶ 13.2).
Neben den grundsätzlichen intensivmedizinischen Maßnahmen sind bei schweren Verbrennungen einige therapeutische Aspekte von besonderer Bedeutung.
Volumenersatz Aufgrund des massiven Flüssigkeitsverlustes droht ein Volumenmangelschock. Der Flüssigkeitsbedarf wird durch Infusionen abgedeckt. Das benötigte Volumen ist am 1. Tag am größten und kann bei ausgedehnten Wundflächen über 10 Liter/Tag erreichen. Zur Abschätzung der benötigten Infusionsmenge stehen verschiedene Formeln zur Verfügung. Diese berücksichtigen das Körpergewicht und die Flächenausdehnung der Brandwunden.
Fallbeispiel
Flüssigkeitsbedarf bei Verbrennung. Mit der Baxter-Parkland-Formel kann die erforderliche Infusionsmenge am 1. Tag abgeschätzt werden. Zur Errechnung benötigt man das Körpergewicht in Kilogramm (kg KG) und die verbrannte Körperoberfläche in Prozent (%VKOF):
4 ml × kg KG × %VKOF = x ml in 24 h
Ein 80 kg schwerer Patient mit einer Verbrennung von 50 % der Körperoberfläche erhält also 16 Liter Infusion innerhalb der ersten 24 Stunden nach Verbrennung.
4 ml × 80 kg × 50 %VKOF = 16 000 ml in 24 h
Davon wird die Hälfte innerhalb der ersten 8 Stunden verabreicht und die zweite Hälfte auf die nächsten 16 Stunden verteilt.
Der Infusionsplan orientiert sich dabei u. a. an Puls, Blutdruck, Urinausscheidung, zentralvenösem Druck (ZVD) und dem Körpergewicht (Urinkatheter, Bettwaage). Ein steigender Hämatokrit (Hkt) und ein niedriger ZVD sind Hinweise auf eine zu geringe Flüssigkeitszufuhr.
Am ersten Tag sind isotone Elektrolytlösungen (z.B. Ringerlösung) ausreichend. Solange die infundierte Flüssigkeit noch vermehrt in das umliegende Gewebe diffundiert (sog. kapilläres Leck), bieten Eiweißlösungen, Humanalbumin und Frischplasma keinen Vorteil.
Kalorienzufuhr Während der Schockphase ist die Volumenzufuhr vorrangig, hochkalorische Lösungen haben hier keinen Stellenwert. Die Energiebilanzierung beginnt also erst ab dem 2.–3. Tag, wenn der Volumenausgleich erfolgt ist. Die Verbrennungskrankheit stellt eine hohe bis maximale Stoffwechselbelastung dar.
Fallbeispiel
Kalorienbedarf bei Verbrennung. Körpergewicht in Kilogramm (kg KG) und verbrannte Körperoberfläche in Prozent (%VKOF) ermöglichen eine Abschätzung der erforderlichen Kalorienmenge pro Tag:
25 kcal × kg KG + 40 kcal × %VKOF = x kcal in 24 h
Eine 50 kg schwere Frau mit einer 50%igen Verbrennung benötigt 1250 kcal für den Grundumsatz plus 2000 kcal zusätzlich für den verbrennungsbedingten Metabolismus, insgesamt also 3250 kcal pro Tag.
25 kcal × 50 kg KG + 40 kcal × 50 %
= 1250 + 2000 = 3250 kcal in 24 h
Enterale Ernährung Die frühzeitige orale Ernährung ab dem 1. Tag ist heute Standard in der Verbrennungsmedizin. Studien zeigen für enteral ernährte Patienten eine geringere Mortalität als für parenteral (intravenös) ernährte Patienten. Bei intubierten Patienten kommt eine Jejunalsonde zum Einsatz.
Infektionskontrolle Routinemäßig werden alle Patienten bei Aufnahme auf verschiedene Keime gescreent (z.B. MRSA-Schnelltest). Sterile Handschuhe und Kittel sind bei jeder Arbeit am Patienten erforderlich, um Keimübertragungen zu verhindern. Einzelboxen und spezielle Lüftungssysteme sind in Verbrennungszentren selbstverständlich.
Antibiotika Eine prophylaktische Antibiose ist nicht indiziert. Bei klinischen Zeichen einer Infektion erfolgt eine möglichst zielgerichtete Antibiose unter Berücksichtigung des Antibiogramms vom bakteriologischen Aufnahmescreening.
Therapie des Inhalationstraumas Die Hitzeschädigung der Atemwege ist eine häufige Todesursache bei Verbrennungen. Bei klinischen Hinweisen wie Husten, Dyspnoe und Rußauflagerungen im Schleimhautbereich wird der Gehalt von Kohlenmonoxid (CO) des Blutes im Labor bestimmt. Die Behandlung erfolgt symptomatisch-physikalisch (Bronchialtoilette, Physiotherapie) und mit Kortikoid-Aerosol. In schweren Fällen ist eine Intubation mit künstlicher Beatmung (Kap. ▶ 10.3) und Überdruck (PEEP) nötig.
Pflegepraxis
Tetanusimpfschutz. Die Behandlung aller Brandwunden (auch 1. Grades) wird ergänzt durch eine Tetanusimmunisierung, wenn der Impfschutz unzureichend oder unklar ist.
Jeder Patient mit schweren Verbrennungen erleidet die sogenannte „Verbrennungskrankheit“, die in typischen Phasen verläuft (Kap. ▶ 13.1.2). Der Verlust der Haut, die auftretenden Infektionen und die häufigen, lang dauernden Operationen machen den Patienten für eine lange Zeit zu einem schwer kranken Intensivpatienten.
Ziel der Behandlung und der Pflege von brandverletzten Patienten ist der rasche Wundverschluss ohne Infektionen und ohne überschießende Narbenbildung. Die Operationen spielen im gesamten Therapie- und Behandlungsverlauf eine große Rolle. Die größte Herausforderung ist die Vermeidung bzw. Bekämpfung von Infektionen, womit ein hoher pflegerischer und therapeutischer Aufwand verbunden ist.
Ein zentraler Pflegeschwerpunkt in der Betreuung brandverletzter Patienten ist die Versorgung großflächiger Wunden. Hinzu kommen mögliche Komplikationen, die sich aus der Verbrennungskrankheit ergeben.
In den ersten 24 Stunden steht die ▶ Schock- oder Exsudationsphase im Vordergrund. Im weiteren Verlauf (Intoxikationsphase) können Wundinfektionen und Stoffwechselstörungen mit einem hohen Sepsisrisiko auftreten.
Das intensivmedizinische Monitoring Schwerstbrandverletzter unterscheidet sich nicht von dem anderer Intensivpatienten. Es kann mitunter schwierig sein, geeignete Stellen für EKG-Elektroden zu finden; auch die Blutdruckmessung ist oft eine Herausforderung, wenn die Extremitäten verbrannt sind.
Eine erfolgreiche Behandlung kann nur im interdisziplinären Team geleistet werden. In einem Brandverletztenzentrum arbeiten Chirurgen, Intensivmediziner, Pflegende, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten eng zusammen. Die Pflegenden sind hier das wichtigste Bindeglied zwischen dem Patienten und den verschiedenen Berufsgruppen. Sie koordinieren in enger Absprache mit den anderen Berufsgruppen die Abläufe.
Infektionskontrolle Die Verbrennungswunde bietet einen idealen Nährboden für das Keimwachstum (Wärme, Feuchtigkeit, zerstörtes Gewebe). Daher ist die Infektionsgefahr aufgrund der großen Wundflächen sehr hoch. Die eigene Keimflora aus dem Gastrointestinaltrakt, den oberen Luftwegen, der unverbrannten Haut und den behaarten Körperteilen gefährdet den Patienten. Auch die Keime aus der Umgebung sind ein Problem. Mitarbeiter müssen die Gefahren der Infektion und die vielfältigen Übertragungsmöglichkeiten kennen, um eine Infektion möglichst zu verhindern. Eine konsequente Isolationstechnik, aseptisches Arbeiten, absolute Disziplin in der Einhaltung der hygienischen Bestimmungen und die gezielte Anwendung von Antibiotika sind dabei die wichtigsten Maßnahmen.
Merke
Die Sepsis zählt zu den Haupttodesursachen bei Schwerbrandverletzten (Kap. ▶ 6.3).
Isolationstechnik Auf einer Brandverletztenstation wird der Patient isoliert in einem Einzelzimmer mit einer Schleuse untergebracht ( ▶ Abb. 13.6). Das Patientenzimmer darf nur mit Kittel, Haube, Mundschutz und Handschuhen betreten werden. Zur Verminderung von Kreuzinfektionen müssen alle Materialien desinfiziert bzw. sterilisiert werden, bevor sie in das Zimmer hinein- bzw. hinausgebracht werden können.
Abb. 13.6 Intensivpflege. Schwerstbrandverletzter in einer entsprechenden Intensivpflegeeinheit.
Bedingt durch den Verlust der Haut kühlt ein brandverletzter Patient sehr schnell aus. Um den gesteigerten Stoffwechsel des Schwerverbrannten nicht noch zusätzlich zu belasten, passt man das Klima im Patientenzimmer an die Temperaturverhältnisse und Bedürfnisse des Patienten an. In der Regel herrschen in den Patientenzimmern Temperaturen zwischen 30 und 35 °C bei einer gleichzeitigen Luftfeuchtigkeit von ca. 45 %. Über jedem Patientenbett befindet sich zusätzlich eine Wärmelampe, um schnell Wärme zuführen zu können.
Aufgrund der Einzelzimmerisolation und des hohen pflegerischen Aufwands ist der Bedarf an Pflegepersonal auf einer Intensivstation für Schwerstbrandverletzte höher als auf anderen Intensivstationen. Es wird eine Pflegekraft pro Patient und Schicht empfohlen.
Wundversorgung Die Wundversorgung findet unter sterilen Bedingungen (wie im OP) statt. Der tägliche Verbandwechsel dauert unter Umständen 2 Stunden und länger. In den Ablauf des Verbandwechsels werden die Körperpflege, die prophylaktischen Maßnahmen und die Krankengymnastik integriert.
Ein Verbandwechsel gliedert sich immer in 3 Schritte:
Entfernen des alten Verbands
Säubern der Wunde mit antiseptischen Lösungen, Nekrosen- bzw. Krustenabtragung und Wundbeurteilung
Auftragen von Gaze- bzw. Salbenverbänden
Die Versorgung der Wunde richtet sich nach der Ausdehnung und der Tiefe der Verbrennung. Bei der Beurteilung der Wunde und deren Versorgung spielt die Erfahrung der Pflegenden eine große Rolle. Wundheilungsfortschritte, die Einheilung von Transplantaten, die Anwendung der verschiedenen Hautersatzmittel und die Versorgung mit den unterschiedlichen Wundauflagen – aber auch eventuell auftretende Entzündungszeichen – müssen überwacht werden ( ▶ Tab. 3.3 ). Somit können rechtzeitig weitere Maßnahmen ergriffen werden, wenn z. B. Komplikationen auftreten oder die Wundheilung stagniert.
Der Verband muss gut am Körper des Patienten sitzen. Er darf einerseits die Bewegungsfähigkeit des Patienten nicht einschränken. Andererseits muss er, auch noch nach der Krankengymnastik oder der Mobilisation, die Wunde sicher verschließen.
Während des Verbandwechsels kann der Patient rasch auskühlen. Eine ausreichende Wärmezufuhr und zügiges Arbeiten sind daher sehr wichtig.
Pflegepraxis
Verband. Für den Patienten ist der Verbandwechsel eine ausgesprochen invasive, belastende und schmerzhafte Maßnahme, vor der er oft Angst hat. Die rechtzeitige Gabe von Analgetika, Absprachen mit dem Patienten und behutsames Arbeiten können die Situation erleichtern.
Kontrakturenprophylaxe und Narbenbehandlung Die Kontrakturenprophylaxe hat in der Behandlung und Pflege von Brandverletzten einen besonderen Stellenwert.
Narben können zu Bewegungseinschränkungen führen, da sie u.a. zur Hypertrophie neigen. Positiv wirkt sich Druck auf die Narbe aus, er hält die Narbe geschmeidiger und flacher. Massagen mit pflegenden Cremes sind hilfreich und angenehm.
Um Druck auf die Haut ausüben zu können, wird dem Brandverletzten, sobald die Wunden verheilt sind, eine maßangefertigte Kompressionsbandage angelegt, die der Patient möglichst 24 Stunden tragen sollte. Dies ist so lange nötig, bis das Narbenwachstum nach ca. 1–2 Jahren abgeschlossen ist.
Diese Kompressionsbehandlung ist für den rekonvaleszenten Patienten schwer zu ertragen. Die Bandagen sind eng und müssen direkt auf der Haut getragen werden. Zusätzlich ist es für den Patienten sehr unangenehm, da die verheilten Verbrennungswunden stark jucken. Zudem ist die Oberflächensensibilität und somit die Wahrnehmung der Patienten beeinträchtigt.
Pflegepraxis
Beratung. Um die Compliance des Patienten zu gewinnen, müssen ihm Informationen, die zu erwartenden Erfolge und Ziele der Kompressionsbehandlung verdeutlicht werden. Entscheidend ist dabei, dem Patienten verständlich darlegen zu können, dass letztlich er selbst den Behandlungserfolg maßgeblich beeinflussen kann, indem er die Kompressionsbehandlung durchführt.
Schmerzbehandlung Zweitgradige Verbrennungen (freiliegende Nervenendigungen) sind für die Patienten schmerzhafter als drittgradige Verbrennungen. Eine beginnende Infektion macht sich zudem durch die Zunahme der Schmerzintensität bemerkbar. Im späteren Verlauf spannt die abgeheilte Haut, sie kann brennen und jucken. Die Narben schmerzen beim Dehnen und Bewegen. Erwartungsgemäß sind daher der Verbandwechsel, die Mobilisation und die Physiotherapie für die Patienten besonders schmerzhaft.
Eine unzureichende Schmerzbehandlung birgt die Gefahr der Chronifizierung der Schmerzen mit nachfolgendem steigendem Analgetikabedarf und einer erhöhten psychischen Belastung. Ziel ist es daher, dass der Patient schmerzfrei ist bzw. Schmerzen hat, die er als erträglich bewertet.
Zur Einschätzung der Schmerzintensität ist die Aussage des Patienten über seine Schmerzen das entscheidende und vorrangige Kriterium. Der Patient wird mindestens 1-mal pro Schicht nach seinen Schmerzen befragt und das Ergebnis dokumentiert. Zur Einschätzung der Schmerzintensität sind verschiedene Scores (Schmerzskalen, z. B. die Numerische Rangskala) gebräuchlich.
Es hat sich bewährt, stark wirkende Opioide mit Nicht-Opioid-Analgetika (z. B. Metamizol) zu kombinieren (Kap. ▶ 9.4.2). Kurz wirkende Opioide (z. B. Piritramid) sollten vor schmerzhaften Maßnahmen, wie dem Verbandwechsel oder der Mobilisation, verabreicht werden. Die Nebenwirkungen, z. B. die Obstipation bei Opiatgabe, müssen behandelt bzw. es muss ihnen vorgebeugt werden.
Merke
Medikamente. Bei Patienten mit ausgedehnten Verbrennungen dürfen Analgetika nur intravenös verabreicht werden, da durch Ödeme und Mangeldurchblutung subkutane oder intramuskuläre Injektionen nicht zuverlässig wirken.
Der Einsatz von ▶ PCA-Pumpen ist eine gute Methode, da der Patient die Kontrolle über seine Schmerzmedikation hat und selbstständig an der Schmerztherapie mitarbeiten kann (Kap. ▶ 9.4.2).
Pflegende können, zusätzlich zur Schmerzmedikation, die Behandlung für die brandverletzten Patienten erträglicher machen durch eine wertschätzende Haltung, Absprachen mit dem Patienten und einfühlsames und zügiges Arbeiten.
Lagerung und Mobilisation Am 1. Behandlungstag hat die Lagerung des Patienten das Ziel, die Ödemausbildung zu verringern. Alle verletzten Extremitäten werden hochgelagert, d. h. über Herzniveau. Bei Gesichtsverbrennungen wird der Patient sitzend im Bett gelagert, um die Ödemausbildung im Gesicht möglichst günstig zu beeinflussen und einem Anschwellen der Atemwege vorzubeugen.
Im weiteren Verlauf wird der Patient in der Regel 2- bis 3-stündlich in die 30°-Lage gebracht. Liegt der Patient zu lange auf seinen Wundflächen, kommt es zu einer Minderperfusion der Hautbezirke, zu Schmerzen und zu direktem Kontakt mit angesammelten Wundsekreten. Dies hat Wundheilungsstörungen zur Folge. Für die Weichlagerung gibt es spezielle Betten, z. B. Luftkissen- und Glaskugelbetten ( ▶ Abb. 13.7). Der Einsatz dieser Betten wird individuell für die Patienten festgelegt, z. B. bei Verbrennungen im Rückenbereich oder nach Transplantationen. In diesen Betten können Weichlagerungen durchgeführt werden und die Möglichkeiten der Temperatureinstellungen und Belüftungssysteme haben einen günstigen Effekt auf die Wunde.
Abb. 13.7 Lagerung. Hier wird der Schwerstverbrannte auf einem Luftkissenbett gelagert.
Sobald die Genesung fortschreitet, ist die frühzeitige Mobilisation anzustreben. Ziel ist es, dass der Patient sich so bald wie möglich selbst bewegen kann, damit einer Muskelatrophie und Kontrakturen vorgebeugt wird.
Ernährung Der erhöhte Energiebedarf des brandverletzten Patienten wird meist aus einer Kombination von parenteraler, enteraler und später auch oraler Ernährung gedeckt. Der Patient hat einen erhöhten Kalorien- und Eiweißbedarf, der gemeinsam mit Vitaminen und Spurenelementen gedeckt werden muss. Eine Mangelernährung führt zu Wundheilungsstörungen und Schwächung der Infektabwehr.
Ziel ist es, möglichst früh auf die orale und somit „normale“ Ernährungszufuhr umzustellen. Die Patienten werden in der Regel schon am 1. Tag enteral ernährt, um einer Atrophie der Darmzotten vorzubeugen. Eine solche Atrophie kann dazu führen, dass Bakterien aus dem Darm in die umliegenden Organe gelangen (bakterielle Translokation) und somit eine Sepsis verursachen.
Merke
Schmerzen, Angst und Frieren erhöhen den Kalorienverbrauch des Patienten zusätzlich.
Eine geplante Pflege mit einer ausreichenden Analgesie, einer warmen Umgebung sowie der Vermeidung unnötiger Schmerzen und Ängste haben hohe Priorität in der Brandverletztenpflege.
Psychosoziale Betreuung Intakte Haut bedeutet für den Menschen nicht nur Integrität, physischen und psychischen Schutz, sondern auch ungestörte Abgrenzung von der Umwelt. Seelische und soziale Einflüsse verstärken die Schmerzerlebnisse des Patienten. Ängste beherrschen den Brandverletzten, die Angst zu sterben und die Angst vor Entstellung.
Die Pflegenden begleiten den Patienten in der Trauer über das veränderte Aussehen und über eventuelle Verluste von Extremitäten. Ein wichtiger Teil der Behandlung ist es, dem Patienten die Art und das Ausmaß der Verletzung, die Dauer der Behandlung und das zu erhoffende Endergebnis zu vermitteln. Eine zentrale psychische Herausforderung ist es, die Narben oder ggf. Amputationen und das damit verbundene veränderte Aussehen zu akzeptieren.
Die frühe und regelmäßige psychologische und psychotherapeutische Behandlung von Brandverletzten bildet einen wesentlichen Faktor zur Vorsorge seelischer und sozialer Langzeitschäden.
Bedeutung der Angehörigen Angehörige sind für schwerstbrandverletzte Patienten sehr wichtig. Die Angehörigen sind neben der intensivmedizinischen und intensivpflegerischen Behandlung und Betreuung ein wichtiger Bestandteil für die Genesung eines Patienten, insbesondere in lebensbedrohlichen Situationen. Angehörige sind für Intensivpatienten häufig „Erinnerungsvertreter“, d. h., sie helfen bei Erinnerungslücken und können dem Patienten wichtige Orientierungsfragen beantworten: „Wie lange bin ich schon hier? – Wann war der Unfall? – Was machen die Kinder?“ usw.
Brände sind oftmals nicht nur die Ursache für eine schwere Verletzung eines Menschen, sondern sie sind eventuell auch gleichzeitiger Grund für die Unbewohnbarkeit des eigenen Zuhauses.
Angehörige sind aber nicht nur Besucher und wichtige Unterstützer für den schwerstbrandverletzten Patienten, manchmal sind sie selbst betroffen und befinden sich in einer sehr belastenden Lebenssituation. Um Angehörige ins therapeutische Team einbinden zu können, muss man auch ihre Situation verstehen und einschätzen können. Nur gut informierte und motivierte Angehörige können dem Patienten Unterstützung geben.
Angehörige müssen über bleibende Narben und mögliche Beeinträchtigungen des Patienten informiert sein, um sich mit den Folgen auseinandersetzen zu können.
Die Aufgabe der Pflegenden liegt insbesondere darin, Geduld für die Angehörigen aufzubringen und möglichst ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.
Eine Erfrierung ist eine Gewebeschädigung durch Kälte. Sie kann sich auf umschriebene Körperareale beschränken (örtliche Erfrierung) oder den ganzen Organismus betreffen (allgemeine Unterkühlung, Hypothermie).
Für die Überlebenswahrscheinlichkeit und den Heilungsverlauf sind entscheidend:
Ausmaß der Abkühlung (Körperkerntemperatur)
Tiefenausdehnung der Erfrierungsschäden
Ausmaß der Abkühlung Bei einer Körperkerntemperatur von 27°C sind alle sichtbaren Lebenszeichen erloschen (Scheintod). Temperaturen unter 20 °C (Körperkerntemperatur) über mehrere Stunden bedeuten den sicheren Tod.
Zusatzinfo
Wasser und Luft. Wasser hat eine 23-mal größere Wärmeleitfähigkeit als Luft. Der Körper kühlt im Wasser also wesentlich schneller aus. Nach 1-stündigem Aufenthalt in 0 °C kaltem Wasser beträgt die Überlebenswahrscheinlichkeit bei optimaler Behandlung 50 %. In der Luft wird die Auskühlung durch feuchte Kleidung und Wind beschleunigt.
Tiefenausdehnung Der Heilungsverlauf örtlicher Erfrierungsschäden wird (wie bei Brandwunden) weitgehend von der Tiefenausdehnung bestimmt. Ähnlich wie bei den Verbrennungswunden unterscheidet man 3 Schweregrade. Das endgültige Ausmaß eines lokalen Kälteschadens kann erst nach 4–6 Tagen festgestellt werden:
Erfrierung 1. Grades: Rötung
Erfrierung 2. Grades: Blasenbildung
Erfrierung 3. Grades: Nekrose
Zusatzinfo
Typisch für Erfrierungen ist der zusätzliche Gefäßschaden, der noch Jahre später zu einer lokalen Minderdurchblutung führen kann.
Erfrierung 1. Grades Es handelt sich um eine oberflächliche Schädigung, die sich immer folgenlos zurückbildet. Anfangs ist die Haut blass und geschwollen, später färbt sie sich blaurot. Die Bereiche sind nach anfänglicher Gefühlsminderung äußerst schmerzhaft.
Erfrierung 2. Grades Nur die Haut ist geschädigt. Durch Plasmaaustritt bilden sich Hautblasen, schmerzhafte Frostbeulen und Ulzerationen. Die Schmerzsensibilität im Wundbereich ist erhalten.
Erfrierung 3. Grades Die gesamte Haut und die darunterliegenden Weichteilschichten sind durch die lange Minderdurchblutung (O2-Mangel) irreversibel geschädigt. Das Gewebe stirbt ab und färbt sich schwarzblau. Die nekrotischen Bereiche sind nicht schmerzempfindlich.
Abb. 13.8 Erfrierung 3. Grades. Lokale Erfrierungen treten an den Körperspitzen auf.
Örtliche Erfrierungen treten besonders an den Akren (Körperspitzen) auf. Typische Lokalisationen sind also: Zehen, Finger ( ▶ Abb. 13.8), Nasenspitze, Ohrläppchen.
Symptome bei lokaler Erfrierung Alle Symptome resultieren daraus, dass der Körper versucht, sich durch die Reduktion der Wärmeabgabe an die Umgebung vor Auskühlung zu schützen:
lokale Blässe durch eine Verminderung der Blutzufuhr (Vasokonstriktion = Engstellung der Arterien) in den betroffenen Körperabschnitten. Die herabgesetzte Durchblutung bedingt eine Sauerstoff-Mangelversorgung mit eingeschränktem Gewebsstoffwechsel.
Sensibilitätsstörungen (pelziges Gefühl, Kribbeln)
Symptome bei Auskühlung des Gesamtorganismus Hier reagiert der Körper mit einer vermehrten Wärmeproduktion (Stoffwechselsteigerung, Muskelzittern). Kann die Körperkerntemperatur durch diese (reflektorischen) Gegenmaßnahmen nicht gehalten werden, kühlt der Organismus ab.
Pflegepraxis
Beobachtung. Klinische Zeichen der sinkenden Körperkerntemperatur sind:
Schläfrigkeit
Apathie
Nachlassen der Schmerzempfindung
Verlangsamung des Herzschlags (Bradykardie)
Die O2-Versorgung der Gewebe nimmt kontinuierlich ab. Folge ist eine Minimalisierung des gesamten Stoffwechsels, der Körper lebt auf „Sparflamme“. Das Bewusstsein schwindet bei 29 °C Körpertemperatur.
Sind alle sichtbaren Lebenszeichen erloschen (bei ca. 27 °C Körperkerntemperatur), so spricht man von „Scheintod“. Die Herzfrequenz ist hierbei extrem verlangsamt, Blutdruck und Atmung sind kaum noch messbar. Dieser Zustand ähnelt dem „Winterschlaf“ mancher Tiere. Bei weiterer Auskühlung tritt Kammerflimmern ein, danach der Herzstillstand (Asystolie).
Lokale Erfrierung Die Therapie von lokalen Erfrierungen erfolgt durch Salbenverband (z. B. Pernionin) oder Trockenbehandlung. Hautblasen werden bei Erfrierungen (wegen der eingeschränkten Durchblutung) nicht eröffnet.
Drittgradige Erfrierungen an den Extremitäten (häufig an Zehen oder Fingern) erfordern häufig eine Amputation, nachdem eine Abgrenzung zwischen nekrotischem und ernährtem Gewebe (Demarkation) erfolgt ist.
Pflegepraxis
Tetanusimpfschutz. Auch bei Erfrierungswunden ist eine Tetanusimmunisierung erforderlich.
Allgemeine Unterkühlung Vorrangig ist die langsame Erwärmung des Körperkerns, deshalb erfolgt die Erwärmung eines Patienten mit Erfrierungen immer von zentral (Körperkern) nach peripher (Extremitäten).
Eine zu rasche Aufwärmung des Gesamtorganismus würde zur Vasodilatation (Gefäßerweiterung) mit der Folge eines Blutdruckabfalls (Wiedererwämungskollaps, Schock) und evtl. Kammerflimmern führen. Gleichermaßen gefährlich ist die isolierte Erwärmung einer kältegeschädigten Extremität, weil die lokale Temperaturerhöhung den Sauerstoffbedarf des betroffenen Gewebes erhöhen würde.
Pflegepraxis
Aufwärmung. Bei unterkühlten Patienten wird primär der Körperkern aufgewärmt. Dazu sind spezielle Geräte (z.B. Bair Hugger) sinnvoll, weil es die früher üblichen Badewannen in Krankenhäusern nicht mehr gibt. Die Aufwärmung der Extremitäten erfolgt bei stabilisierten Kreislaufverhältnissen durch allmähliche Weitstellung der Arterien (Aufhebung der Vasokonstriktion) mit dem Blutstrom von innen. In leichten Fällen werden heiße Getränke verabreicht.
Bei schweren Erfrierungen kommen zusätzlich hypertherme Infusionen (38 °C), eine Sauerstoffzufuhr über eine Nasensonde oder gar eine künstliche Beatmung in Frage.
Stromverletzungen entstehen durch direkten Kontakt mit elektrischen Leitungen. Da Strom sich immer über den Weg des geringsten elektrischen Widerstands ausbreitet, kann er bei entsprechender Berührung ganz oder teilweise durch den menschlichen Körper geleitet werden.
Das Ausmaß einer Stromverletzung wird durch verschiedene Parameter bestimmt:
Isolierung bzw. Leitfähigkeit der Körperoberfläche (schweißnasse Haut hat den geringsten elektrischen Widerstand, Schuhe bieten Schutz)
Ein- und Austrittsstellen (Kontaktstellen) des Stroms am Körper
Stromstärke (Ampère), Stromspannung (Volt), Stromfrequenz (Wechsel-, Gleichstrom)
Einwirkungszeit
Symptome Die wesentlichen Schäden durch elektrischen Strom sind:
Hitzeschädigung der vom Strom durchflossenen Gewebe (Strommarken)
Muskelverkrampfungen
Bewusstseinstrübung, Amnesie (durch Schäden am zentralen Nervensystem)
Herzrhythmusstörungen
Am Eintritts- und Austrittspunkt des Stroms (Kontaktstellen) entsteht eine besonders große Wärmeentwicklung. Hier können oberflächliche oder auch tief reichende Hitzeschäden entstehen. Sie werden als Strommarken bezeichnet ( ▶ Abb. 13.9). Diese werden ähnlich wie Verbrennungswunden in 3 Schweregrade (Rötung, Blase, Nekrose) eingeteilt.
Im Körperinneren breitet sich der Strom vorwiegend über die Muskulatur aus, weil diese den geringsten elektrischen Widerstand bietet. Die Überhitzungsschäden können bis zur schwarz-braunen Verkochung führen.
Abb. 13.9 Strommarke. Elektrounfall durch Anfassen einer Straßenbahnleitung.
Aufgrund der Schäden am zentralen Nervensystem kann der Patient neben Bewusstseinstrübungen und einer retrograden Amnesie neurologische Ausfälle zeigen, die sich meist spontan zurückbilden. Am Herzmuskel kann der Strom Kammerflimmern oder den sofortigen Herzstillstand (Asystolie) bewirken. Bereits Stromspannungen ab 70 Volt können dadurch tödlich sein (Haushaltsstrom hat 220 V).
Merke
Jeder Stromunfall kann durch Beeinträchtigung der Herztätigkeit Lebensgefahr bedeuten.
Therapie Die Behandlung eines Elektrounfalls besteht aus folgenden Maßnahmen:
Strom unterbrechen (abschalten)
Bergung des Verletzten nur bei abgeschaltetem Strom oder ausreichender eigener Isolierung (Selbstschutz)
bei Bewusstlosigkeit (Herz-Kreislauf-Stillstand) sofortige Reanimation (Herzmassage und Beatmung)
EKG-Ableitung (Monitor-Kontrolle), bei Herzrhythmusstörungen entsprechende medikamentöse Behandlung oder Defibrillation
Lokalbehandlung der Strommarken entsprechend den für Brandwunden geschilderten Richtlinien mit Frühexzision nekrotischer Gewebeanteile
Tetanusimpfschutz vervollständigen
Verätzungen entstehen durch direkten Kontakt mit Säuren oder Laugen (Basen). Betroffen ist die äußere Haut oder (bei oraler Einnahme) die Schleimhaut des oberen Intestinaltrakts.
Säuren verursachen durch Eiweißdenaturierung eine Koagulationsnekrose. Laugen bei zusätzlicher Ödembildung eine Kolliquationsnekrose (Aufquellungsnekrose).
Zusatzinfo
Laugenverletzungen dringen tiefer in das Gewebe ein und sind schwerwiegender als Säureverätzungen.
Tiefenausdehnung Ätzverletzungen der Haut ähneln Brandwunden, sie werden in 3 Schweregrade eingeteilt:
Verätzung 1. Grades: schmerzhafte Hautrötung mit lokaler Schwellung
Verätzung 2. Grades: Blasenbildung
Verätzung 3. Grades: Nekrosen (sog. „Ätzschorf“)
Symptome Bei Ätzverletzungen an der Haut findet man die beschriebenen lokalen Veränderungen. Bei akzidentieller oder suizidaler oraler Aufnahme wird die Schleimhaut des oberen Gastrointestinaltrakts geschädigt. Hier kann es nach Stunden oder Tagen zur Perforation (meist des Magens) kommen. In diesem Fall resultiert eine lebensbedrohliche Peritonitis. Gelangt die ätzende Flüssigkeit bis in den Dünndarm, können größere Mengen resorbiert werden. Schwerwiegende metabolische Störungen und akutes Nierenversagen sind mögliche Folgen.
Therapie
Bei einer Hautverätzung ist die wichtigste Maßnahme die sofortige ausgiebige Spülung mit Wasser. Danach wird die Verletzung wie eine Brandwunde weiterbehandelt.
Ist das Auge betroffen, so wird es von innen nach außen, mit physiologischer Kochsalzlösung oder Wasser, reichlich gespült. Danach ist ein Augenarzt zu konsultieren.
Nach oraler Aufnahme besteht zur Verdünnung des Ätzstoffs die Soforttherapie im Trinken von reichlich Flüssigkeit. Am besten ist eine neutralisierende Flüssigkeit (bei Säure Milch oder Natriumbikarbonat; bei Laugen Essig oder Zitronensäure). Es können aber auch andere Flüssigkeiten verabreicht werden. Zur Ermittlung der Schadensausdehnung nach oraler Aufnahme ist die Frühendoskopie sinnvoll. Ausgedehnte Schleimhautverätzungen erfordern bei drohender oder bereits erfolgter Perforation operative Maßnahmen (z. B. Ösophagus- oder Magenresektion).
Bei Schocksymptomatik erfolgt die sofortige Infusionsbehandlung mit Intensivüberwachung (Monitoring, Blutbild, Blutgase, Urinausscheidung).
Pflegepraxis
Notfallmaßnahmen. Grundsätzlich gilt:
bei lokaler Verätzung: Spülen
bei oraler Aufnahme: Trinken
Provoziertes Erbrechen bei Säure- und Laugenvergiftungen ist nicht sinnvoll.
Spätkomplikationen Spätfolgen durch narbige Schrumpfung sind hochgradige Stenosen, meist im Bereich des Ösophagus. Diese müssen bougiert (aufgedehnt) oder bei unzureichendem Erfolg reseziert werden.