Anamnese und körperliche Untersuchung Medizinische Anamnese und körperliche Untersuchung sind Aufgaben des Arztes und erfolgen vor diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen. Der Befund wird schriftlich dokumentiert.
Diagnostik Die früher üblichen Anforderungen an eine Routinediagnostik haben sich in den letzten Jahren verringert. Anamnese und klinischer Befund sind wichtiger als die ungezielte Bestimmung von Laborparametern. Vor kleineren ambulanten Operationen wird oft auf apparative Diagnostik (z.B. EKG, Röntgen-Thorax) verzichtet, wenn der Patient in gutem Allgemeinzustand ist oder nur leichte Erkrankungen aufweist (ASA 1 oder ASA 2, Kap. ▶ 5.2.3). Zusätzlich sind im Einzelfall spezielle Untersuchungen erforderlich, um eine klinische Verdachtsdiagnose zu erhärten oder differenzialdiagnostisch infrage kommende Krankheitsbilder auszuschließen (z. B. Sonografie, Endoskopie, Röntgen, CT, MRT, Kap. ▶ 8).
Operationsindikation Von einer absoluten Indikation spricht man, wenn das Leben des Patienten durch eine Krankheit bedroht ist und keine andere Behandlungsmethode zur Verfügung steht. Dabei handelt es sich um Notfalleingriffe (z. B. Magenperforation, mechanischer Ileus).
In der Mehrzahl aller Fälle besteht lediglich eine relative Operationsindikation. Hier muss individuell entschieden werden, ob eine Operation angezeigt ist oder nicht. Dabei ist der angestrebte Operationserfolg gegenüber dem Operationsrisiko abzuwägen.
Aufklärung und Einwilligung Juristisch betrachtet stellt jede Operation eine Körperverletzung dar. Diese ist nur dann nicht strafbar, wenn eine Einwilligungserklärung des Patienten vorliegt.
Zusatzinfo
Aufklärung. Voraussetzung für die rechtswirksame Einwilligung vor einer Operation ist die Aufklärung des Patienten durch einen Arzt. Dieser muss nicht der Operateur sein. Die OP-Aufklärung muss im persönlichen Gespräch spätestens am Vortag erfolgen und sollte schriftlich dokumentiert werden.
Vor geplanten Operationen (Wahleingriffe = Elektiveingriffe) muss die Aufklärung spätestens bis 16 Uhr am Vortag der Operation erfolgen, damit der Patient Bedenkzeit hat und mit seinen Angehörigen oder seinem Hausarzt reden kann.
Beim Aufklärungsgespräch sind dem Patienten nicht nur seine Erkrankung und die vorgesehene Operation zu erläutern, sondern auch das damit verbundene Risiko sowie spezielle typische Komplikationsmöglichkeiten (z. B. Verletzung des N. recurrens bei Strumaoperationen). Eventuell vorhandene Alternativbehandlungen einschließlich deren Prognose müssen ebenfalls besprochen werden. Über die Art der Schmerzausschaltung (Narkose) wird vom Anästhesisten aufgeklärt.
Das Aufklärungsgespräch soll den Patienten befähigen, aufgrund der Informationen, die er erhalten hat, eine Entscheidung zu treffen. Aufklärung und Einwilligung werden schriftlich dokumentiert, weil der Arzt dafür im Streitfall beweispflichtig ist.
Bei lebensbedrohlichen Notfalleingriffen kann auf Aufklärung und Einwilligung verzichtet werden.
Bei geplanten Wahleingriffen, die nicht dringlich sind und folglich vorbereitet werden können, kann die Ausgangssituation des Patienten häufig durch entsprechende Vorbehandlung verbessert werden, z. B.:
Verbesserung der respiratorischen Funktion durch Physiotherapie
Verbesserung der kardialen Funktion durch Entwässerung und Hypertonuseinstellung
Elektrolytausgleich (häufig Hypokaliämie bei älteren Patienten)
präoperative Transfusion bei Anämie (Hämoglobin sollte >10 g /dl liegen)
präoperative parenterale Ernährung bei chronisch konsumierenden Erkrankungen, die zu erheblichem Gewichtsverlust und Reduzierung des Allgemeinzustands geführt haben (z.B. Malignome, Morbus Crohn)
Blutzuckereinstellung
Normalisierung der Blutgerinnung. Der INR-Wert sollte >0,8 liegen.
Orale Antidiabetika Tabletten gegen Diabetes wie Metformin (z. B. Glucophage) werden 3 Tage vor einer OP abgesetzt, weil die seltene Möglichkeit gefährlicher pharmakologischer Wechselwirkungen besteht. Eine Insulinsubstitution ist in der Zeit nicht erforderlich. Leicht erhöhte Blutzuckerwerte werden in der Zeit toleriert.
Orale Antidiabetika werden auch vor einer Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel abgesetzt (vgl. Kap. 8).
Insulinpflichtige Diabetiker Patienten mit einem Diabetes mellitus, die mit Depot-Insulin behandelt werden, müssen perioperativ auf Altinsulin umgestellt werden, weil Altinsulin eine kürzere Halbwertszeit hat und damit besser steuerbar ist.
Die Umstellung auf Altinsulin beginnt spätestens am Morgen des Operationstags. Lassen Sie den Patienten nüchtern (Medikamente nur nach Rücksprache mit dem Arzt), spritzen Sie auch kein Depot-Insulin subkutan. Der Blutzuckerwert wird mehrmals täglich bestimmt (Tagesprofil). Angestrebt wird ein leicht erhöhter Wert (150–200 mg %).
Richtlinien für die Phase der Insulin-Umstellung:
Hypoglykämischen Zuständen während der präoperativen Wartezeit auf Station beugt man durch eine Infusion mit Glukoselösung (5 %) vor.
Bei Hyperglykämie (Blutzucker über 250 mg %) wird mit Altinsulin (s. c. oder i. v., nach ärztlicher Anordnung) gegengesteuert.
Auch postoperativ wird der Blutzucker bis zur Normalisierung der oralen Nahrungsaufnahme mit Altinsulin reguliert.
Thrombozytenaggregationshemmer Diese Medikamente hemmen die Blutgerinnung durch Wirkung auf die Aggregation (Verklumpung) von Blutplättchen. Dazu gehören ASS und Clopidogrel (Handelsnamen Iscover, Plavix). Beide Medikamente verringern die Blutgerinnung nach Beendigung der Einnahme für eine weitere Woche. Operationen unter Einnahme von ASS oder Clopidogrel sind möglich, haben allerdings ein erhöhtes Blutungsrisiko.
Diese Medikamente sollten eine Woche vor größeren Operationen vom Hausarzt abgesetzt werden. Hierbei muss aber immer die Indikation der bisherigen Einnahme mit dem zu erwartenden Blutungsrisiko bei der OP abgewogen werden.
Pflegepraxis
Koronarstent. Bei Patienten mit einem Stent in einer Herzkranzarterie wird die blutverdünnende Medikation nicht abgesetzt, weil das Risiko der Stentthrombose (mit der Möglichkeit eines Herzinfarkts) schwerer wiegt als das Blutungsrisiko bei einer OP.
DOAK (früher NOAK) Anfang der 2000er-Jahre kam eine neue Medikamentengruppe auf den Markt, die man als neue orale Antikoagulanzien (NOAK) bezeichnete. Inzwischen sind diese Medikamente Standard, sodass man auf das Wort „neue“ verzichtet und besser von direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) spricht. Die DOAKs greifen in die Gerinnungskaskade des Blutes ein. Entweder hemmen sie den aktivierten Gerinnungsfaktor Zehn (Faktor Xa) und werden als Faktor-Xa-Inhibitoren bezeichnet oder sie wirken direkt auf das Enzym Thrombin.
Alle DOAKs verringern die Thromboseneigung und verdrängen die traditionellen Vitamin-K-Antagonisten (z.B. Marcumar). Beispiele für DOAK-Medikamente sind Apixaban (Handelsname Eliquis) und Fondaparinux (Handelsname Xarelto).
Die DOAKs werden über die Niere ausgeschieden. Bei eingeschränkter Nierenfunktion bleibt die pharmakologische Wirkung also länger erhalten. Bei normaler Nierenfunktion müssen DOAKs 24 Stunden vor einer OP abgesetzt werden, bei Niereninsuffizienz bis zu 3 Tage präoperativ.
Eine Übersicht zu blutverdünnenden Medikamenten finden Sie in ▶ Tab. 31.4 .
Bridging bei Marcumarpatienten Marcumar ist ein in Deutschland übliches Präparat aus der Gruppe der Kumarine. Es wirkt als Vitamin-K-Antagonist, wird als Tablette oral eingenommen und verringert die Blutgerinnung. Die korrekte Dosierung erfordert regelmäßige Laborkontrollen mit Bestimmung des INR-Wertes. Typische Indikationen für die Einnahme von Marcumar sind Patienten mit einem besonders hohen Risiko für eine arterielle Embolie, z.B. Vorhofflimmern oder das Tragen einer mechanischen Herzklappe. Bei diesen Patienten muss vor einer geplanten Operation eine Umstellung von Marcumar auf Heparin erfolgen, was man als Bridging bezeichnet. Das Bridging erfolgt mit einem niedermolekularen Heparin (NMH) oder mit unfraktioniertem Heparin (UFH) und dauert mehrere Tage.
Pflegepraxis
Bridging. Die Umstellung von Marcumar auf Heparin kann im Vorfeld der OP ambulant erfolgen. Dabei sollte der Hausarzt, Internist, Kardiologe oder Angiologe in das Bridging eingebunden werden. Die erforderlichen täglichen subkutanen Injektionen kann der Patient selbst vornehmen, wenn er aufgeklärt und genügend eingewiesen wurde.
Weitere Informationen zum Bridging:
Marcumar darf nicht ersatzlos abgesetzt werden, weil das Embolierisiko zu hoch ist.
Bei Marcumarpatienten mit einem INR von 2 oder höher kann eine Operation nicht erfolgen, weil das Blutungsrisiko zu hoch ist.
Marcumar hat eine Halbwertszeit von mehreren Tagen. Das bedeutet, dass nach Beendigung der Einnahme etwa 1 Woche vergeht, bis sich die Blutgerinnung normalisiert. Bei einem Leberschaden (z.B. Zirrhose) kann sich der Zeitraum verlängern.
Heparine überbrücken („Bridging“) die Phase der nachlassenden Gerinnungshemmung nach Absetzen des Marcumars.
Heparine haben eine wesentlich kürzere Halbwertszeit von bis zu 24 Stunden. Sie gelten deshalb als gut „steuerbar“ und sind keine Kontraindikation für eine OP.
Niedermolekulare Heparine (NMH) werden bevorzugt. Je nach Präparat und Indikation muss die subkutane Injektion 1–2-mal täglich erfolgen. Eine Gerinnungskontrolle durch Blutuntersuchung ist nicht erforderlich. Eine ambulante Behandlung ist möglich.
Unfraktioniertes Heparin (UFH) muss 3-mal täglich subkutan oder kontinuierlich intravenös über einen Perfusor verabreicht werden. Regelmäßige Gerinnungskontrollen (PTT-Wert) sind erforderlich. Das Bridging mit UFH kommt nur bei Patienten infrage, die stationär behandelt werden.
Definition
Unter Fast Track (Fast-Track-Chirurgie) versteht man, in der Chirurgie, die multimodale Integration verschiedener perioperativer Maßnahmen zur Beschleunigung der Rekonvaleszenz. Man spricht auch von „Rapid Recovery“.
Das Konzept erfordert häufig ein Umdenken in den täglichen Abläufen und dem gesamten perioperativen Management. Ziel ist neben der schnellstmöglichen Wiederherstellung der Gesundheit die damit einhergehende Verkürzung der klinischen Verweildauer.
Mögliche Maßnahmen des Konzepts sind z.B.:
Optimierung präoperativer Abläufe
vermehrter Einsatz regionaler Anästhesie
Modifizierung standardisierter Operationen
frühere Entfernung von Sonden und Drainagen
rascher oraler Nahrungsaufbau
frühere Mobilisierung
Intensivierung der Physiotherapie
Als Thromboseprophylaxe bezeichnet man pharmakologische und physikalische Maßnahmen zur Verhinderung einer tiefen Venenthrombose.
Die venöse Thromboembolie (VTE) mit tiefer Beinvenenthrombose (TVT) und möglicher Lungenembolie kann auch ohne Operation auftreten, wenn entsprechende Risikofaktoren vorliegen. Beim Zusammentreffen mehrerer Risikofaktoren steigt das Risiko an, eine Thrombose zu entwickeln. Nach chirurgischen Maßnahmen liegt immer ein erhöhtes Thromboserisiko vor.
Risikofaktoren
Operationen
Immobilität (Bettlägerigkeit)
Gipsverband am Bein
Thrombose in der Vorgeschichte
angeborene oder erworbene erhöhte Gerinnungsneigung
Malignom
Entbindung, Schwangerschaft
Alter über 50 Jahre
Ovulationshemmer („Pille“)
chronisch venöse Insuffizienz
Adipositas
schwere Herzinsuffizienz
nephrotisches Syndrom
Neben der individuellen Risikokonstellation des Patienten wird die Wahrscheinlichkeit einer thromboembolischen Komplikation wesentlich von der Art des durchgeführten Eingriffs mitbestimmt ( ▶ Tab. 9.1 ). Ein kurzer Eingriff hat ein geringeres Risiko als eine lange Operation. Eine Operation an Kopf, Hals oder Arm hat ein geringeres Risiko als ein Eingriff am Körperstamm (Thorax, Abdomen). Besonders hoch ist das Thromboserisiko bei unfallchirurgischen Eingriffen an der unteren Extremität und im Becken, am höchsten bei Operationen an Hüfte und Knie (z. B. Endoprothese).
Risiko |
Operation |
Maßnahmen zur Prophylaxe |
niedrig |
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Standardprophylaxe mit NMH und MTS |
mittel |
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Standardprophylaxe mit NMH und MTS |
hoch |
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Standardprophylaxe ist evtl. unzureichend → NMH für den Hochrisikobereich oder orale Thromboseprophylaxe |
sehr hoch |
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Standardprophylaxe ist unzureichend! → NMH für den Hochrisikobereich oder orale Thromboseprophylaxe |
Die Standardmaßnahmen zur Thromboseprophylaxe umfassen:
pharmakologische Maßnahmen
medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe (MTS)
Frühmobilisierung
Thrombozytenfunktionshemmer, wie Acetylsalicylsäure (ASS) oder Clopidogrel, sind zur medikamentösen Thromboseprophylaxe unzureichend wirksam. Sie haben ihre Indikation in der Prävention arteriosklerotischer Erkrankungen.
Heparin Der Wirkstoff Heparin hemmt die Blutgerinnung. Die medikamentöse Thromboseprophylaxe mit Heparin ist postoperativ unverzichtbar (ausgenommen sind seltene Kontraindikationen, ▶ Tab. 9.2 ). Heparin steht in 2 unterschiedlichen industriellen Aufbereitungen zur Verfügung:
niedermolekulares Heparin (NMH): muss subkutan verabreicht werden
(normales) unfraktioniertes Heparin (UFH): kann subkutan oder intravenös verabreicht werden
Standardtherapie mit Heparin zur Thromboseprophylaxe Die medikamentöse Standardprophylaxe erfolgt mit niedermolekularen Heparinen. Diese haben mit ca. 24 Stunden eine längere Wirkungsdauer als unfraktioniertes Heparin. Die erste Injektion erfolgt am Morgen des Operationstages oder am Abend des Vortages. Die medikamentöse Prophylaxe wird bis zur vollen Mobilisierung fortgeführt. Gängige niedermolekulare Heparine sind derzeit z.B. Certoparin (Handelsname Monoembolex), Enoxaparin (Clexane), Tinzaparin (Innohep).
Zusatzinfo
Niedermolekulare Heparine. Sie stellen chemisch keine einheitliche Substanzgruppe dar. Die Präparate der Pharmahersteller sind in ihrer biologischen Wirksamkeit unterschiedlich. Deshalb gibt es keine „internationalen Einheiten“ (I.E.) wie beim unfraktionierten Heparin.
Abweichungen von der Standardprophylaxe mit Heparin
Bei Kindern vor der Pubertät wird auf eine routinemäßige Thromboseprophylaxe verzichtet, weil das Thromboserisiko bei Kindern geringer ist und gegenüber dem Blutungsrisiko abgewogen werden muss.
Wenn postoperative Nachblutungen eine besonders hohe funktionelle Einbuße für den Patienten bedeuten, kann nach ärztlicher Anordnung auf eine medikamentöse Thromboseprophylaxe verzichtet werden. Das gilt z.B. für OPs in der Augenhöhle oder am Gehirn.
Bei Operationen mit hohem Thromboserisiko (z. B. Eingriffe am Hüft- oder Kniegelenk) ist die Standardprophylaxe unzureichend. Es wird deshalb eine orale Thromboseprophylaxe mit einem dafür zugelassenen Medikament (DOAK) durchgeführt oder es muss ein niedermolekulares Heparin in höherer Dosierung (2 × pro Tag) verabreicht werden.
Die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAKs) hemmen den Gerinnungsfaktor Xa (Faktor-Xa-Inhibitoren) oder wirken direkt auf Thrombin. Einige dieser Präparate sind zur Thromboseprophylaxe bei elektiven totalen Knie- und Hüftgelenkersatzoperationen zugelassen. Also nur bei geplanter Totalendoprothese (TEP) an der unteren Extremität, nicht bei Schenkelhalsfraktur.
Beispiele für zugelassene Medikamente sind Apixaban (Eliquis), Dabigatran (Pradaxa), Fondaparinux (Arixtra), Rivaroxaban (Xarelto).
Pflegepraxis
Orale Thromboseprophylaxe. Eine wirksame pharmakologische Thromboseprophylaxe kann durch die Einnahme einer Tablette täglich erfolgen. Bisher erfolgt der Einsatz überwiegend im orthopädischen Hochrisikobereich Gelenkersatz (Hüft-TEP und Knie-TEP).
Das Tragen von Kompressionsstrümpfen zur perioperativen Thromboseprophylaxe ist wenig evidenzbasiert. Dem stehen erhebliche Kosten gegenüber, weil fast jeder chirurgische Patient Kompressionsstrümpfe erhält. Aktuelle Studien zeigen keinen oder nur geringe Vorteile. Wichtiger scheinen die pharmakologischen Maßnahmen und die Frühmobilisierung (Fast Track) zu sein. Dennoch werden in Deutschland flächendeckend MTS eingesetzt.
Die Zielsetzung der MTS besteht in einer Kompression der Beinvenen, wodurch die Blutströmungsgeschwindigkeit zunimmt und die Thromboserate abnimmt. Kontraindikationen sind selten ( ▶ Tab. 9.2 )
Die MTS müssen vor der Operation angelegt werden, um der bereits intraoperativ beginnenden Mikrothrombosierung in den Wadenvenen vorzubeugen.
Pflegepraxis
Beratung. Die Patienten sollten von Ihnen darüber informiert werden, dass das Tragen der MTS nachts wichtiger ist als tagsüber, weil der Mobilisierungsgrad am Tag größer ist als während der Nachtruhe.
Frühestmögliche körperliche Aktivität des frisch operierten Patienten verringert das Thromboserisiko durch Beschleunigung des venösen Blutstroms ( ▶ Abb. 9.1). Insbesondere die Anspannung der Beinmuskulatur („Muskelpumpe“) verringert die venöse Thromboembolie (VTE). Im Rahmen der ▶ Fast-Track-Chirurgie sollten Patienten postoperativ möglichst schon am Abend des OP-Tages an der Bettkante sitzen und spätestens am Folgetag aufstehen.
Abb. 9.1 Frühmobilisierung. Die aktive Bewegung der Wadenmuskeln ist eine effektive Maßnahme zur Thromboseprophylaxe.
Prophylaxemaßnahme |
Kontraindikationen |
Heparin |
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MTS |
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Ziel der präoperativen Phase ist die optimale OP-Vorbereitung und somit die Minimierung des Operationsrisikos.
Pflegeanamnese Die präoperative Phase kann für den Patienten eine sehr ungewisse Zeit sein. Die vielen fremden Eindrücke führen zu Verunsicherungen. Daher ist es bereits im Rahmen des Aufnahmegespräches (Pflegeanamnese) wichtig, eine Vertrauensbasis zu schaffen. Es werden Informationen über den Aufenthalt und den weiteren Verlauf des Aufenthalts gegeben sowie Fragen des Patienten und von dessen Angehörigen zeitnah beantwortet. Das präoperative Pflegegespräch sollte Aufschluss über die prä-, intra- und postoperative Phase geben.
Psychische Betreuung Für den Patienten stellt die Zeit unmittelbar vor der Operation eine große Belastung dar. Meist ist es die Angst vor Schmerzen, aber auch die Angst vor einem Zwischenfall ist oftmals deutlich zu spüren. Auch Angehörige äußern oft entsprechende Empfindungen. Das Erleben dieser „Wartezeit“ unterscheidet sich oftmals stark von der Wahrnehmung der Pflegekraft. Die perioperative Pflege beinhaltet jedoch neben den körperlichen Belangen auch die psychische Betreuung. Es gibt in diesem Bereich keine „Routine“. Das Verschieben einer OP hat immer auch psychische Auswirkungen auf den wartenden Patienten – das muss immer berücksichtigt werden.
Die Aufnahmesituation und der weitere Verlauf des Aufenthalts sowie das Eingehen auf Ängste sind hier die wichtigsten vertrauensbildenden Maßnahmen.
Merke
Jeder Eingriff ist für den Patienten ein besonderes, oft mit Ängsten verbundenes Ereignis – für Patienten gibt es keine Routineeingriffe!
OP-Fähigkeit Bei ambulanten Eingriffen werden Blutuntersuchungen oder andere diagnostische Maßnahmen bereits zu Hause durch den Hausarzt durchgeführt. Bei großen Eingriffen kommt es vor, dass eine prästationäre Phase nötig wird. Dazu kommt der Patient bereits mehrere Tage davor oder am Tag vor seinem OP-Termin in die Klinik, um die diagnostische Maßnahmen durchführen zu lassen.
Weiteres zu den präoperativen Diagnosemaßnahmen lesen Sie in Kap. ▶ 8.1.
OP-Aufklärung Die chirurgische Aufklärung und die Aufklärung durch die Anästhesie obliegen dem Arzt. Häufig stellen Patienten dem Pflegepersonal danach weitere Fragen. Pflegende sorgen dann dafür, dass diese Fragen zeitnah geklärt werden.
Zwischen dem ärztlichen Aufklärungsgespräch und dem Eingriff sollte ein Zeitraum von 24 Stunden liegen, um dem Patienten die Möglichkeit zu geben, in Ruhe seine Entscheidung zu überdenken. In dieser Zeit sollte das Pflegepersonal unterstützend den Patienten und die Angehörigen begleiten.
Isovolumische Hämodilution Bei der isovolumischen Hämodilution werden dem Patienten kurz vor dem operativen Eingriff 1–2 Konserven Blut entnommen und der Volumenverlust mittels Plasmaexpander, wie z. B. HAES 6 %, ersetzt. Dieses Vorgehen führt dazu, dass der Patient während der Operation verdünntes Blut verliert und das Thromboserisiko intraoperativ gesenkt wird. Gegen Ende oder nach dem operativen Eingriff erhält der Patient das zuvor entnommene Eigenblut zurück. Die Indikation sowie die Kontraindikationen entsprechen im Wesentlichen denen der ▶ Eigenblutspende. Auf eine korrekte Etikettierung bei allen hiermit verbundenen Maßnahmen ist zu achten.
Ernährungsmanagement Um eine Aspiration während der Narkoseeinleitung zu vermeiden, müssen Patienten je nach Größe des Eingriffs auf die Nahrungsaufnahme verzichten (Nahrungskarenz). Ab wann ein Patient nüchtern sein muss, entscheidet immer der Anästhesist oder es wird in hausinternen Standards festgelegt. Empfehlungen zur Nahrungskarenz können Sie der ▶ Tab. 9.3 entnehmen.
Nahrungskarenz |
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bis 8 Stunden vor OP |
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bis 6 Stunden vor OP |
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bis 2 Stunden vor OP |
klare Flüssigkeit (Tee, Wasser) |
Kaugummikauen erhöht das Aspirationsrisiko, da hierdurch die Produktion von Magensaft erhöht wird. Das Gleiche gilt für den Nikotinkonsum. Ab 2 Stunden vor der OP herrscht Rauchverbot. Die orale Prämedikation sowie wichtige Eigenmedikation dürfen nach Rücksprache auch noch kurz vor der Operation eingenommen werden.
Bei abdominellen Eingriffen kann es nötig sein, bereits 1–2 Tage vor der Operation die Nahrung umzustellen bzw. zu reduzieren.
Organisation Bereits am Vortag sollten alle für die Operation nötigen Unterlagen und Utensilien vorhanden und hergerichtet sein. Hierzu zählen:
Einverständniserklärung für den operativen Eingriff
Einverständniserklärung zur Anästhesie
Patientenakte
Röntgenbilder/digitale Bildgebung
Prämedikationsanordnung
ggf. Blutgruppe
Patientenetiketten
ggf. Thromboseprophylaxestrümpfe
Patienten-Identifikationsarmband
OP-Checkliste („time outs“, nach WHO-Empfehlung)
Zusatzinfo
Patientensicherheit. Um eine Verwechslung von Patienten auszuschließen, erhalten alle Patienten ein Patienten-Identifikationsarmband. Zudem kann mit standardisierten OP-Checklisten sichergestellt werden, dass der Patient auch den geplanten Eingriff erhält.
Der Patient ist über den OP-Plan informiert und der Tagesablauf des Folgetags sollte vorab besprochen werden.
Pflegepraxis
OP-Abruf. Vergewissern Sie sich immer, bevor der Patient in den OP abgerufen wird, ob auch tatsächlich die Zahnprothesen und der gesamte Schmuck entfernt sind. Zudem sollten Sie überprüfen, ob OP-Hemd, -Haube und Netzhose angelegt sind.
Brillen, Hörgeräte oder auch Kontaktlinsen sollten unbedingt dem Patienten in den OP folgen, um die Verständigung zu gewährleisten. Falls nach der Operation ein Aufenthalt auf einer Überwachungs- oder Intensivstation geplant ist (z.B. bei Herz-OPs), sollte zudem in einer OP-Box eventuelle Zahnprothesen, Hausschuhe und Kulturbeutel eingepackt werden.
Ausscheidung Um eine spontane Darmentleerung intraoperativ zu vermeiden, sollte der Darm bereits vorher entleert werden. Je nach Eingriff gibt es folgende Empfehlungen, die Sie der ▶ Tab. 9.4 entnehmen können. Welche Abführmaßnahme bei welchem chirurgischen Eingriff zu wählen ist, wird meist in hausinternen Standards festgelegt oder der Operateur entscheidet darüber.
Eingriff |
Maßnahme |
Zeitpunkt |
Eingriffe außerhalb des Intestinaltrakts (z.B. an den Extremitäten, am Kopf oder am Hals) |
Leerung der Rektumampulle (z.B. durch ein Miniklist) |
Operationsvorabend oder -morgen |
Eingriffe im oberen Intestinaltrakt mit Eröffnung des Peritoneums (z. B. Magen, Dünndarm, Galle) |
Dickdarmentleerung (z.B. durch ein Klistier), eventuell wird am Operationsvortag morgens ein orales Laxans angeordnet |
Operationsvortag |
Eingriffe am Dickdarm (z. B. Kolektomie, Hemikolektomie, Rektumexstirpation) |
mechanische Reinigung des gesamten Dickdarms (z.B. durch orthograde Darmlavage) |
Operationsvortag |
Zusatzinfo
Evidenz. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die orthograde Darmspülung vor kolorektalen Eingriffen keinen Vorteil bringt, dennoch ist sie in vielen Kliniken noch üblich.
Rasur Die Rasur des Operationsfelds kann zum einen die Sicht des Operateurs verbessern und zum anderen kann dadurch der Wundverband besser anhaften. Der Hauptgrund für eine präoperative Rasur besteht jedoch in der Reduzierung der Keime im Operationsgebiet. Gleichzeitig besteht jedoch durch die Rasur die Gefahr, Mikroläsionen zu setzen, was wiederum postoperative Wundinfektionen und Wundheilungsstörungen begünstigen kann.
Die Rasur sollte möglichst direkt vor der Operation erfolgen. Falls dies aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist, kann die Rasur auch am Vortag stattfinden. Zur Haarentfernung werden Elektrohaarschneider (Clipper) empfohlen, da die Verletzungsgefahr sehr gering ist, im Gegensatz zur Nassrasur oder Einmalrasierern. Sollte es nach der Haarentfernung zu einer Rötung oder zu einer anderen Veränderung der Haut kommen, ist umgehend der Arzt zu informieren.
Pflegepraxis
Regeln zur Haarentfernung. Patienten können die Rasur selbst durchführen, wenn Sie dazu in der Lage sind. Pflegende müssen aber immer das Ergebnis kontrollieren. Folgende Regeln sind bei der Haarentfernung zu beachten:
Rasieren Sie immer in Richtung des Haarwuchses.
Seien Sie vorsichtig bei Hautfalten, diese müssen beim Rasieren straff gehalten werden.
Bei Eingriffen im Gesicht werden die Augenbrauen nicht entfernt.
Bei Operationen am Schädel sollte die rasierte Fläche so klein wie möglich sein.
Körperpflege Die Körperhygiene sollte der Patient entweder selbstständig oder mit Hilfe am Morgen bzw. am Vorabend des Eingriffs gründlich durchführen. Auf Eincremen sollte der Patient dabei verzichten, damit die Elektroden und der Wundverband gut auf der Haut haften können. Make-up, Schmuck, Piercings, Zahnprothesen und Nagellack sind zu entfernen. Ebenso sind Finger- bzw. Zehenzwischenräume vor dem Eingriff gründlich zu reinigen. Gleiches gilt für den Nabel oder für Brustfalten bei abdominellen Eingriffen. Besonders im Bereich des OP-Gebiets ist im Vorfeld auf Hygiene zu achten. Bei pflegebedürftigen Patienten ist eine gründliche Mundpflege durchzuführen, um das Infektionsrisiko bei einer Allgemeinanästhesie zu reduzieren.
Prämedikation Die Prämedikation (Kap. ▶ 11.2.2) dient in erster Linie der Reduzierung von Ängsten. Im Idealfall sollten Patienten angstfrei sein. Im Aufklärungsgespräch legt der Anästhesist Art und Umfang der Prämedikation fest. Ebenso wird festgelegt, wie mit der Eigenmedikation (z. B. Antidiabetika, Beta-Blocker) zu verfahren ist.
Nachdem die Pflegefachkraft die Prämedikation verabreicht und dokumentiert hat, muss der Patient engmaschig kontrolliert (Atmung, Puls und Blutdruck) werden. Besonders ältere Patienten können unterschiedlich auf die Medikation reagieren. Dabei können Verwirrtheitszustände auftreten und das Sturzrisiko steigen.
Pflegepraxis
Beobachtung. Nach der Prämedikation hat der Patient Bettruhe einzuhalten, da das Sturzrisiko nach der Einnahme stark erhöht ist. Daher sollten Sie das individuelle Sturzrisiko des Patienten einschätzen und ggf. entsprechende Maßnahmen zur Prophylaxe einleiten.
Transport Der Patient wird über den bevorstehenden Transfer in den OP informiert. Es wird nochmals kontrolliert, ob Zahnprothesen, Ringe, Ketten, Piercings und Nagellack entfernt sind. Hörgeräte und Sehhilfen können belassen und wenn nötig im OP entfernt werden. Der Patient kann bei Bedarf nochmals die Blase entleeren. OP-Kleidung, -Haube und Netzhose müssen angelegt sein sowie ggf. verordnete medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe.
Die für den OP benötigten Unterlagen werden geholt. Aus hygienischen Gründen werden diese nicht im Patientenbett mitgeführt, sondern in einer dafür vorgesehenen Transportbox untergebracht. Nachdem das Bett mit dem Patientennamen versehen wurde, erfolgt der Transfer in den OP. Wenn möglich sollte dieser von einer mit dem Patienten vertrauten Pflegekraft durchgeführt werden. Auch Angehörige oder Eltern können den Transfer begleiten.
Grundsätzlich darf man Apparaten und Laborwerten nicht blind vertrauen. Die klinischen Daten, also das, was man sieht und vielleicht auch erfragen kann, haben im Zweifelsfall den größeren Stellenwert. Sie müssen deshalb sorgfältig erhoben und sauber dokumentiert werden. Auffälligkeiten sind dem Arzt zu melden.
Die normale Pulsfrequenz eines Erwachsenen liegt zwischen 60 und 80/Minute. Bei Kindern ist sie höher (Neugeborene ca. 140/Minute).
Pflegepraxis
Tachykardie. Ein Pulsanstieg über 100/Minute bei Erwachsenen wird als Tachykardie bezeichnet.
Die Ursachen einer Tachykardie können vielfältig sein und bedürfen einer genaueren ärztlichen Diagnostik. Häufigste pathologische Ursachen einer Tachykardie sind:
Hypovolämie
Fieber
respiratorische Insuffizienz mit Hypoxie
beginnendes Herzversagen
Eine vorübergehende Tachykardie, z.B. nach körperlicher Anstrengung oder bei Aufregung, ist völlig normal.
Grundsätzlich sind besonders ältere Menschen (über 70 Jahre) durch eine mehrstündige Tachykardie ernstlich gefährdet, da es schneller zu einer Dekompensation des altersgeschwächten Herzens kommen kann.
Pflegepraxis
Bradykardie. Ein Pulsabfall unter 60/Minute bei Erwachsenen wird als Bradykardie bezeichnet.
Häufigste pathologische Ursachen einer Bradykardie sind:
Medikamentenüberdosierungen (z.B. durch Digitalis-Glykoside)
Reizung des Nervus Vagus (z.B. durch endotracheales Absaugen)
Bei jüngeren Sportlern kann eine Ruhefrequenz von 40–60/Minute jedoch normal sein.
Der arterielle Blutdruck (RR, nach Riva-Rocci: ital. Arzt 1863–1937) wird mit Manschette und Stethoskop (unblutige Messung) gemessen. Ist eine engmaschige, kontinuierliche Blutdruckaufzeichnung erforderlich (z. B. nach Herzoperation), so kann diese auch über einen Katheter in der A. radialis (blutige Messung) mithilfe eines Monitors erfolgen (nur auf Intensivstation).
Mit der Manschette sollte man immer an dem Arm messen, an dem keine Infusion läuft (Gefahr des Rückfließens von Blut bzw. Verstopfung der Kanüle). Die beidseitige Blutdruckmessung ist empfehlenswert, zumindest einmalig bei Übernahme des Patienten. Blutdruckdifferenzen zwischen beiden Seiten sind auf arterielle Gefäßstenosen zurückzuführen. Der höhere Wert entspricht dabei dem systemischen Blutdruck.
Ein Blutdruckabfall, insbesondere nach Operationen, kann auf eine Nachblutung oder einen sonstigen Volumenmangel hinweisen. Näheren Aufschluss geben der Verlust aus Blutungsdrainagen, der ZVD- und der Hämoglobinwert.
Pflegepraxis
Notfallmaßnahmen. Beachten Sie, dass ein absinkender Blutdruck bei steigender Pulsfrequenz und Verringerung der Urinausscheidung bereits als Zeichen eines fortgeschrittenen Schocks anzusehen ist.
Die normale Atemfrequenz des Erwachsenen beträgt ca. 12 (10–20) Züge pro Minute. Das Atemzugvolumen beträgt in Ruhe ca. 500 ml. Der ▶ Tab. 9.5 können Sie wichtige Störungen der Atmung entnehmen.
Respiratorische Störungen |
Beschreibung |
Tachypnoe |
krankhafte Beschleunigung der Atemfrequenz |
Bradypnoe |
krankhafte Verlangsamung der Atemfrequenz |
Apnoe |
Atemstillstand |
Dyspnoe |
subjektives Gefühl der Atemnot beim Patienten, unabhängig von der Ursache |
Hyperventilation |
zu tiefe/schnelle Atmung – Folge ist eine pathologisch erhöhte Abatmung von Kohlendioxid (CO2) mit dem Resultat einer respiratorischen Alkalose |
Hypoventilation |
verlangsamte Atmung – dabei kommt es zur O2-Verarmung (Hypoxie oder Hypoxämie) und zu einer Kohlendioxid-Anreicherung (Hyperkapnie) mit der Folge einer respiratorischen Azidose |
Stridor |
pathologische Atemgeräusche – es wird zwischen inspiratorischem Stridor (z.B. bei mechanischer Verlegung der Atemwege) und expiratorischem Stridor (z.B. bei Asthmatikern) unterschieden |
Prophylaktische Maßnahmen Respiratorische Ateminsuffizienzen treten vermehrt nach operativen Eingriffen auf, u.a. aufgrund der Schmerzsituation und der Immobilität. Mögliche Maßnahmen zur Prophylaxe von Atemstörungen:
Frühmobilisation, mit häufigem Heraussetzen des Patienten
Atemübungen mit Giebel-Rohr oder Triflow sowie Triggern
Unterstützung beim Abhusten (z.B. durch Lagerungen, sekretlösende Medikamente, Inhalation)
ggf. Absaugen des Rachenraums und der Luftröhre
ausreichende Analgesie, um Schmerzen zu reduzieren und ein möglichst freies Durchatmen zu fördern
Sauerstoffsubstitution, nach ärztlicher Rücksprache. Diese Maßnahme ist jedoch von geringerem Wert als die physikalischen Übungen.
Die normale Urinproduktion des Erwachsenen liegt bei ca. 1500 ml pro Tag (ca. 60 ml pro Stunde).
Pflegepraxis
Wasserhaushalt. Eine gute und einfache Methode zur Flüssigkeitsbilanzierung auf Normalstation ist das tägliche Wiegen des Patienten mit identischer oder vergleichbarer Kleidung.
Oligurie und Anurie Als Oligurie bezeichnet man eine Urinausscheidung unter 400 ml pro Tag. Anurie bedeutet, dass kein Urin ausgeschieden wird. Eine verringerte Harnausscheidung (unter ca. 30 ml pro Stunde) bedarf immer einer weiteren Abklärung. Verschiedene Ursachen kommen infrage.
Nach chirurgischen Eingriffen kann eine Oligurie beobachtet werden, wenn eine Hypovolämie vorliegt. In diesem Fall können Plasmaexpander oder Erythrozytenkonzentrate verabreicht werden. Bevor Maßnahmen ergriffen werden, sollte immer kontrolliert werden, ob die verringerte Ausscheidung durch einen abgeknickten oder verstopften Katheter verursacht wird.
Überlaufblase Kann ein Patient nur „tröpfchenweise“ Spontanurin lassen, so ist an eine Überlaufblase zu denken. Die Blase ist dabei maximal gefüllt, die Nierenfunktion völlig normal, nur die Miktion ist gestört. Zugrunde liegt meist eine schmerzbedingte Verkrampfung des Harnröhrensphinkters oder eine vorübergehende Austreibungsschwäche der Blasenmuskulatur (Blasenatonie). Beide Ursachen sind bei frisch operierten Patienten nicht selten. Nach ärztlicher Rücksprache ist ein medikamentöser Behandlungsversuch gelegentlich erfolgreich. Ansonsten muss katheterisiert werden, wenn die volle Blase durch Sonografie bestätigt wurde.
Polyurie Unter Polyurie versteht man eine auf mehrere Liter täglich gesteigerte Harnflut. Ursache der erhöhten Urinmenge kann z.B. die Gabe von Diuretika sein.
Pollakisurie Darunter versteht man das gehäufte Wasserlassen, unabhängig von der Harnmenge. Bei dieser Störung ist eine Überlaufblase, ein Blaseninfekt oder eine Schwäche des Blasenschließmuskels (Sphinkter) verantwortlich.
Postoperative Schmerzen sind akute Schmerzen, die nur Tage andauern. Im Gegensatz zu chronischen Schmerzen haben akute Schmerzen eine Warnfunktion für den Organismus.
Bei der Umsetzung einer effizienten und sicheren Schmerztherapie kommt den Pflegekräften eine zentrale Bedeutung zu.
Anwendung und Überwachung erfolgen in vielen Kliniken durch einen postoperativen Schmerzdienst (POSD). Nach einer fachspezifischen Weiterbildung in der Pflege arbeitet der Schmerzdienst zusammen mit einem Arzt weitgehend eigenverantwortlich mit den Patienten und dem zuständigen Pflegepersonal. Ziel ist es, postoperative Schmerzzustände zu reduzieren.
Ursache Der postoperative Schmerz wird durch die Operationswunde und deren Folgen hervorgerufen. Postoperative Schmerzen sind abhängig von:
Art und Größe der Operation
Schnittführung
intraoperativer und postoperativer Lagerung
eingelegten Drainagen und Sonden
subjektiver Schmerzverarbeitung
Da der akute Schmerz nach Operationen neben der Warnfunktion auch einen erheblichen Stressfaktor darstellt, ist eine systematische Behandlung ein wichtiger Beitrag zum Gelingen eines Eingriffs. Durch Senken des Sympathikotonus werden postoperative Komplikationen, wie z.B. koronare Ereignisse, reduziert und durch bessere Mobilisation Krankenhausaufenthalte verkürzt.
Schmerzintensität Der dokumentierte Schmerzmittelverbrauch in der Patientenakte ist kein ausreichendes Kriterium zur Einschätzung individueller Schmerzen. Nur der Patient selbst kann die Intensität seines Schmerzes beurteilen. Es gibt kein objektives Assessmentinstrument zur Erhebung von Schmerzen, daher zählt immer die subjektive Selbsteinschätzung des Patienten.
Mit unterschiedlichen Analogskalen lassen sich die Schmerzintensität und der Verlauf der Therapie erfassen und dokumentieren. Die individuelle Anpassung der Medikation und der Maßnahmen wird idealerweise bei separaten Schmerzvisiten vorgenommen.
Die postoperative Phase des Patienten stellt eine befristete Ausnahmesituation dar, in der man mit der Verabreichung eines Schmerzmittels nicht allzu zurückhaltend sein sollte. Die Nebenwirkungen sind bei korrekter Dosierung gering und der Vorteil der Schmerzfreiheit überwiegt die Nachteile bei Weitem.
Pflegepraxis
Lebensqualität. Die weitgehende Schmerzfreiheit des Patienten ermöglicht
eine Verkürzung der Schmerzzustände (vorrangiges Ziel),
ein besseres Durchatmen (geringere Pneumonierate) und
eine frühere Mobilisierung (geringere Thromboserate).
Auswahl der pharmakologischen Stoffklasse Bei schmerzlindernden Medikamenten wird in Nicht-Opioid-Analgetika, schwach wirkende und stark wirkende Opioide (z.B. Morphin) unterschieden ( ▶ Tab. 9.6 ).
Die WHO empfiehlt zur medikamentösen Schmerztherapie ein Vorgehen in 3 medikamentösen Stufen. Beginnend mit dem Therapieschema der Stufe 1 kann bei unzureichender Wirksamkeit bis zur Stufe 3 gesteigert werden. Eine weitere Steigerung sind zusätzliche invasive Maßnahmen der Stufe 4.
Schmerzstufe nach WHO |
Analgetische Therapie |
Beispiele* |
Stufe 1 |
nichtopioide und nichtsteroidale Schmerzmittel |
Diclofenac (Voltaren), Ibuprofen, Indometacin, Paracetamol |
Stufe 2** |
schwache Opioide |
Tramadol, Tilidin (Valoron) |
Stufe 3** |
starke Opioide |
Morphin (MST), Dipidolor, Dolantin, Fentanyl, Oxycodon, Temgesic |
Stufe 4 |
invasive Maßnahmen |
Nervenblockade, Periduralkatheter |
* genannt sind einige Handelsnamen oder Präparatenamen ** kann mit Stufe 1 kombiniert werden |
Eine Kombination von Nicht-Opioiden (Stufe 1) mit Opioiden (Stufe 2 oder 3) kann sinnvoll sein, weil sich die analgetische Wirkung addiert, die dosisabhängige Nebenwirkung jedoch nicht.
Eine Kombination von schwachen mit starken Opioiden (Stufe 2 + Stufe 3) ist nicht angezeigt, weil sich die Wirkungen teilweise aufheben.
Placebo Unter Placebo versteht man ein Medikament ohne Wirksubstanz. Bei postoperativen Schmerzen kann auch die Verabreichung eines Placebos subjektiv schmerzlindernd wirken, insbesondere bei Patienten mit großem Stress und Angst.
Für die Applikation von Analgetika gilt:
Sofern geplante schmerzhafte Maßnahmen (z.B. Mobilisation an die Bettkante) erforderlich sind, sollten Patienten zuvor in angemessenem zeitlichem Abstand ein Schmerzmittel erhalten.
Die intravenöse Applikation ist in der frühen postoperativen Phase zu bevorzugen.
Sind ergänzend Nicht-Opioid-Analgetika vorgesehen, können diese als Suppositorium zugeführt werden.
Nach Normalisierung der gastrointestinalen Peristaltik können Analgetika oral verabreicht werden.
Pflegepraxis
Organisation. Nehmen Sie für den Patienten schmerzhafte Pflegehandlungen, wie z. B. erstes Aufstehen, Mobilisationsmaßnahmen, Lagerungen, Verbandwechsel etc., erst dann vor, wenn das Analgetikum optimal wirkt.
Medikamentengabe nach Plan. Der routinemäßige Einsatz von Analgetika in bestimmten Zeitabständen (nach Plan) hält den Patienten weitgehend schmerzfrei und ist deshalb zu bevorzugen. Bei der bedarfsorientierten Verabreichung werden Analgetika erst gegeben, wenn der Patient Schmerzen äußert.
PCA-Pumpe Bei der PCA (patientenkontrollierte Analgesie) appliziert sich der Patient per Knopfdruck eine voreingestellte Dosis eines Analgetikums über den Infusionsschlauch. Der Mikroprozessor der Spritzenpumpe ist vielfältig programmierbar und lässt eine Überdosierung nicht zu.
Die patientenkontrollierte Analgesie gilt als die effektivste Form der postoperativen Schmerzbehandlung nach größeren Operationen. Der Hauptvorteil ist, dass der Patient die Dosis entsprechend seinem individuellen Bedarf abfordern kann. Die Voraussetzung dafür ist, dass es sich um einen wachen und kooperativen Patienten handelt.
Wesentlicher Nachteil der PCA-Pumpe (und jeder kontinuierlichen intravenösen Behandlung) sind die Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit und die dadurch eingeschränkte Möglichkeit zur Frühmobilisation.
Pflegepraxis
Beobachtung. Patienten mit einer PCA-Pumpe müssen engmaschig überwacht werden hinsichtlich:
Bewusstsein
Puls und Blutdruck
Atemfrequenz
Sauerstoffsättigung (BGA, bei auffällig schläfrigen Patienten)
Notfallmaßnahmen. Bei folgenden Symptomen müssen Sie die PCA-Pumpe abstellen und einen Arzt rufen:
Pulsfrequenz unter 50/Min.
Atemfrequenz unter 10/Min.
systolischer Blutdruck unter 90 mmHg
eingeschränktes Bewusstsein
Die Liste der theoretisch auftretenden Nebenwirkungen ist bei jedem Medikament lang, was aber insbesondere für die Langzeiteinnahme zutrifft. Für die postoperative Schmerztherapie gilt: Die weniger analgetisch wirkenden Schmerzmittel (Nicht-Opioid-Analgetika und schwach wirksame Opioide) haben seltener akute Nebenwirkungen als stark wirksame Opioide.
Morphin und seine Derivate (Opioide) haben eine starke schmerzbetäubende Wirkung. Typisch für diese Stoffklasse sind zentralnervöse Nebenwirkungen, die frühzeitig nach einer Applikation auftreten können:
Übelkeit
Erbrechen
Atemdepression
Sedierung
Obstipation (bei längerer Anwendung)
Die Suchtgefahr spielt bei der zeitlich begrenzten postoperativen Anwendung keine nennenswerte Rolle.
Zusatzinfo
Schmerz als Signal. Schmerzen haben eine Warnfunktion. Unter Analgetika sind Komplikationen wie z. B. Nachblutung, Ischämie einer Extremität oder postoperativer Ileus erst mit Verzögerung erkennbar.
Auch ohne Medikamente lässt sich durch einfache Maßnahmen sehr viel erreichen, um dem Patienten in seiner postoperativen Situation die Genesung zu erleichtern und seine Schmerzen zu reduzieren. Wichtige und effektive Maßnahmen, die zur Schmerzlinderung beitragen, können sein:
Den Patienten nach früheren Schmerzerfahrungen und eventuellen Bewältigungsstrategien befragen (Pflegeanamnese).
Verständnis für den Patienten und seine Schmerzsituation zeigen. Ihn zur Schmerzäußerung auffordern, dabei Schmerzen immer ernst nehmen und ihre Ursache klären.
Koordination aller Maßnahmen in der Pflegeplanung (z. B. Physiotherapie, Pflege, Visite), um unnötige häufige Beanspruchung des Patienten zu vermeiden.
Unterweisung des Operierten, wie er „schmerzarm“ aufstehen kann.
Unterstützende Maßnahmen zeigen, z. B. beim Husten oder beim Aufstehen, Gegendruck auf die Wunde ausüben (z. B. Bauchwunden).
Häufiges Umlagern des Patienten in eine für ihn angenehme Position.
Lokale Kälteapplikation (z. B. Eiskissen auf die Wunde).
Lokale Wärmeapplikation (z. B. trockene Wärme bei geblähtem Leib).
Drainageableitungen so befestigen, dass sie Bewegungsmöglichkeit gestatten und kein Zug ausgeübt wird.
Regionale Schmerzausschaltung Eine wirksame Alternative zur systemischen Analgesie ist die gezielte Schmerzausschaltung einer Körperregion durch lokale Infiltration eines Nervs mit einem Lokalanästhetikum (Kap. ▶ 11.1.2). Dabei wird der Wirkstoff am besten kontinuierlich über einen Katheter appliziert. Beispiele hierfür sind:
Nervus-femoralis-Block
Interkostalblockade
OP ohne Eröffnung der Bauchhöhle Wenn die Bauchhöhle (Peritoneum) bei der Operation nicht eröffnet wurde, kann der Patient trinken, sobald er wach ist und sich wohlfühlt. Das kann, je nach „Wachheitszustand“, bereits 60 Minuten nach OP-Ende der Fall sein. Daher können Patienten auch schon im Aufwachraum Getränke (stilles Wasser oder Tee) angeboten werden.
Der Kostaufbau erfolgt langsamer. Manche Patienten verspüren Übelkeit und müssen erbrechen. Patienten sollten daher eine mindestens 2-stündige Nahrungskarenz einhalten. Dann erfolgt der Nahrungsaufbau schrittweise, je nach Eingriff und dem jeweiligen Klinikstandard.
Nach chirurgischen Eingriffen besteht generell ein erhöhtes Aspirationsrisiko, u.a. aufgrund der Bewusstseinseinschränkung. Wenn Erbrochenes in die Luftröhre gelangt, kann eine schwere Lungenentzündung entstehen – man spricht dann von der Aspirationspneumonie. Diese Gefahr ist bei Nahrungsresten wesentlich größer als bei Wasser oder Tee.
Pflegepraxis
Ernährung. Wenn der Bauch bei der Operation eröffnet wurde oder am Magen-Darm-Trakt selbst operiert wurde, kann es wesentlich länger dauern, bis der Körper eine normale Ernährung verträgt.
OP mit Eröffnung der Bauchhöhle Beim oralen Kostaufbau nach Operationen mit Eröffnung des Peritoneums sollten Sie Folgendes berücksichtigen:
Jede Eröffnung der Abdominalhöhle führt zu einer vorübergehenden Darmparalyse, die durch mechanische Manipulation an den Darmschlingen bedingt ist. Nach jeder Laparotomie kann frühestens mit oraler Kost begonnen werden, wenn sich die Darmfunktion normalisiert hat (gute Peristaltik, kein Brechreiz).
Wurden bei einer Laparotomie Organe reseziert, so hängt die Zeitspanne der nachfolgenden Darmparalyse von der Größe und Dauer des Eingriffs ab. Nach Appendektomie (nicht perforiert), Splenektomie oder Cholezystektomie ist die Darmfunktion meist schon am ersten postoperativen Tag wiederhergestellt. Bei einer Peritonitis können allerdings mehrere Tage vergehen. Große Bauchoperationen am Magen oder Darm verursachen postoperativ eine Aufhebung der Peristaltik für 1–3 Tage (Kap. ▶ 23.7).
Ist im Bereich des Intestinaltrakts eine Anastomose angelegt worden, so bleibt der Patient nüchtern, bis die Heilung der Anastomose so weit fortgeschritten ist, dass die Naht der Belastung durch die Nahrungspassage gewachsen ist. Für die einzelnen Abschnitte des Magen-Darm-Traktes gelten dabei unterschiedliche Erfahrungswerte ( ▶ Tab. 9.7 ).
Bei komplikationslosem Verlauf kommt die Darmfunktion ohne Medikation in Gang. Bleibt der Stuhlgang postoperativ länger als 3 Tage aus, so ist die Verabreichung eines Klysmas sinnvoll (nicht bei Anastomosen im Rektum oder unteren Kolon!).
Eingriff |
Dauer der oralen Nahrungskarenz |
Beispiele |
Ohne Anastomosen |
||
kleine chirurgische Eingriffe in Vollnarkose |
ca. 2 Std. |
geschlossene Frakturreposition, ambulante Varizenoperation |
extraabdomineller Eingriff (ohne Eröffnung der Bauchhöhle) |
6 Std. |
Leistenhernie, Osteosynthese, Struma, Herz, Thorax |
kleiner abdomineller Eingriff |
1 Tag |
Appendektomie (nicht perforiert) |
großer abdomineller Eingriff |
3 Tage |
Appendektomie (perforiert), Rektumexstirpation (mit AP), Bifurkationsbypass |
Mit Anastomosen (Anastomosenheilungsdauer) |
||
Magen |
5 Tage |
Resektion, Gastrektomie |
Dünndarm |
5 Tage |
Dünndarmresektion |
Dickdarm |
5–7 Tage |
Sigmaresektion, Hemikolektomie |
Rektum |
9 Tage |
anteriore Rektumresektion |
Ösophagus |
9 Tage |
Ösophagusresektion, Gastrektomie |
Bis der orale Nahrungsaufbau möglich ist, erhalten Patienten Infusionslösungen. In den meisten Kliniken gibt es für die häufigsten Routineeingriffe Standard-Infusionsprogramme, in denen Art und Dauer der intravenös zugeführten Lösungen festgelegt sind. Es werden die allgemeingültigen Grundlagen erwähnt:
Patienten, die voraussichtlich innerhalb von 3 Tagen mit oraler Ernährung beginnen können, benötigen postoperativ vorwiegend Flüssigkeit und Elektrolyte, hingegen keine Kalorien. Man verabreicht also Elektrolytlösungen oder niedrig konzentrierte Zucker- oder Mischlösungen.
Patienten, die länger als 3 Tage nüchtern bleiben müssen, sollten etwa ab dem 3. postoperativen Tag parenteral ernährt werden. Vorher ist eine hochkalorische Infusion wegen der postaggressiven Stoffwechselveränderungen nicht sinnvoll.
Der Beginn des oralen Nahrungsaufbaus erfolgt überlappend mit einer schrittweisen Reduktion der Infusionsmenge ( ▶ Tab. 9.8 ).
Pflegepraxis
Ernährung. Eine ausreichende parenterale Kalorienzufuhr ist nur über einen zentralvenösen Zugang möglich.
Beginn der oralen Nahrungsaufnahme |
orale Kost |
Infusion |
1. Tag |
schluckweise Tee |
3000 ml |
2. Tag |
5 Tassen Tee |
2000 ml |
3. Tag |
Tee, Schleim, Zwieback |
1000 ml |
4. Tag |
passierte Kost |
0 |
5. Tag |
leichte Kost |
0 |
Als Postaggressionssyndrom (postoperative Krankheit) bezeichnet man eine Veränderung der Stoffwechselsituation, die durch traumatische Einwirkungen („Aggressionen“) verschiedenster Art hervorgerufen wird (z. B. Operation, schwere Verbrennung).
Es handelt sich um eine Störung des neurohormonalen Gleichgewichts, wobei Abbauvorgänge der Körpersubstanz (Katabolismus), Energieverwertungsstörungen sowie Wasser- und Elektrolytverschiebungen im Vordergrund stehen.
Pathophysiologie Für die Entstehung des Postaggressionssyndroms sind folgende Faktoren von Bedeutung:
Stimulation afferenter Nervenbahnen im Operationsgebiet (Hauptangriffspunkt in Zwischenhirn und Hypophyse)
Freisetzung bestimmter Stoffe (z. B. Gewebshormone und Toxine) aus dem traumatisierten Gewebe, die auf humoralem Wege (über die Blutbahn) an die Hormonproduktionsstätten gelangen
intraoperatives Volumendefizit mit Verminderung des zirkulierenden Blutvolumens, wobei ein Verlust nach außen sowie eine Flüssigkeitsverschiebung in das Lumen des Magen-Darm-Traktes von Bedeutung sind
Stimulierung der neurohumoralen Veränderungen durch Schmerz und Angst
Postoperativer Energiestoffwechsel Beim postaggressiven Metabolismus überwiegen die Stoffwechselabbauvorgänge (Katabolismus) gegenüber den Aufbauvorgängen (Anabolismus). Hierdurch kommt es zu einem Substanzverlust. Die komplizierten Vorgänge sind Folge einer Hormonverschiebung und nicht etwa nur durch postoperative Nahrungskarenz oder Immobilisierung bedingt. Durch therapeutische Gegenmaßnahmen kann die katabole Phase deshalb nicht unterdrückt, sondern lediglich gelindert werden.
Die Katabolie äußert sich durch intensivierten Abbau aller 3 Energieträger:
Abbau von Kohlenhydraten (Glykogenolyse, Glykolyse)
Abbau von Fett (Lipolyse)
Abbau von Eiweiß (Proteolyse)
Postoperative Energieverwertungsstörung Die postoperative Dysregulation führt auch zu einer Verwertungsstörung des Energieangebots. Die eingeschränkte Nutzungsfähigkeit des Organismus für die Blutglukose zur Energiegewinnung bezeichnet man als Glukoseverwertungsstörung oder Glukoseintoleranz. Hoch konzentrierte Zuckerinfusionen können deshalb in den ersten postoperativen Tagen nicht quantitativ verstoffwechselt werden.
Postoperativer Wasser- und Elektrolythaushalt Intraoperative Volumenverluste nach außen und in das Darmlumen sowie hypotone Phasen führen zu einer verminderten Nierendurchblutung. Durch hormonelle Gegensteuerung (Aldosteron und antidiuretisches Hormon) neigt der Organismus in der postoperativen Phase zur Wasser- und Natriumeinlagerung bei verringerter Diurese (Oligurie).
Symptome Zusammengefasst ergeben sich im Rahmen der postaggressiven Stoffwechselveränderungen folgende klinischen Auswirkungen:
negative Kalorienbilanz (Katabolismus)
negative Eiweißbilanz (auch negative Stickstoffbilanz genannt)
negative Kaliumbilanz (Hypokaliämie)
Wasserretention (Oligurie)
Allgemeinsymptome sind:
Müdigkeit
Muskelschwäche
Durst, trockene Zunge
depressive Stimmungslage
erhöhte Pulsfrequenz
Minderung der Darmperistaltik
Die Dauer der postoperativen Krankheit beträgt bei
kleinen Operationen (z. B. Leistenhernie): ca. 1–2 Tage
mittleren Operationen (z. B. Galle): ca. 3–5 Tage
großen Operationen (z. B. Whipple-Operation): ca. 10 Tage
Danach („Wendepunkt“) beginnt die anabole Erholungsphase (Rekonvaleszenz). Der Appetit ist gesteigert, die Muskulatur wird aufgebaut, die Stickstoffbilanz wird positiv. Die Aufbauphase kann 3–10 Wochen dauern.
Prophylaxe und Therapie Folgende therapeutische und prophylaktische Ansatzmöglichkeiten ergeben sich:
Präoperative Maßnahmen:
möglichst anabole Ausgangssituation (guter Allgemeinzustand, Energiereserven), evtl. durch präoperative parenterale Ernährung
präoperativer Elektrolytausgleich (insbesondere Hypokaliämie) und Blutzuckereinstellung bei Diabetikern
ausreichende präoperative Volumenzufuhr, z. B. Infusion bei längerer Wartezeit auf Station am Operationstag
Postoperative Maßnahmen:
Zurückhaltung bei der Zufuhr NaCl-haltiger Lösungen am ersten postoperativen Tag (Gefahr der Überinfundierung bei Wasser- und Kochsalzretention)
engmaschige Kontrolle der Urinausscheidung (normal ca. 50 ml/Stunde), Diuretika nur, wenn der Patient ausreichend hydriert ist (feuchte Schleimhäute, ZVD)
Elektrolytkontrolle, evtl. Kaliumausgleich
keine hochkalorischen Infusionslösungen in den ersten 2–3 postoperativen Tagen (Energieverwertungsstörung)
Blutzuckerkontrollen, bei Hyperglykämie (über 200 mg %) Gabe von Altinsulin
Abbau von Angst und Schmerz (psychosoziale Begleitung und adäquates Schmerzmanagement)
Es werden hier nur die wichtigsten allgemeinen postoperativen Komplikationen erwähnt, die praktisch nach jedem Eingriff auftreten können. Die Reihenfolge der Auflistung orientiert sich an dem Zeitpunkt der klinischen Manifestation, allerdings kann es hier im Einzelfall erhebliche Abweichungen geben.
Die Blutung aus dem Operationsgebiet ist die wichtigste Frühkomplikation. Ursache ist z. B. eine abgerutschte Gefäßligatur oder eine spontane Wiedereröffnung thrombosierter Gefäße. Gerinnungsstörungen sind demgegenüber selten, allenfalls nach starken Blutungen und Massivtransfusion ( ▶ Verbrauchskoagulopathie).
Pflegepraxis
Beobachtung. Sie erkennen eine Nachblutung an der Anschwellung im Wundgebiet und/oder starkem Blutverlust aus eingelegten Drainagen oder in den Verband, evtl. an einem Hb-Abfall und an Schocksymptomen (Kap. ▶ 12.2).
Zeitpunkt In den ersten postoperativen Stunden, selten nach 1–2 Tagen.
Therapie Bei leichten oberflächlichen Blutungen (Haut- oder Subkutangewebe) kann eine Kompression mit einem Sandsack oder eine lokale Umstechung ausreichend sein. Größere Blutungen erfordern Schockbekämpfung und Transfusion sowie meistens die operative Revision (z. B. Relaparotomie).
Das Wundhämatom ist durch eine Blutung im Subkutangewebe bedingt. Der Wundbereich schwillt schmerzhaft an und färbt sich bläulich. Im Gegensatz zur Nachblutung bestehen meist keine Allgemeinsymptome.
Merke
Da Blut ein ausgezeichneter Nährboden für Bakterien ist, begünstigt jede Hämatombildung einen nachfolgenden Wundinfekt.
Zeitpunkt Wenige Stunden bis ca. 2 Tage postoperativ.
Prophylaxe Einlegen einer Redon-Drainage bei adipösen Patienten. Bei Leistenhernien (häufig Hämatome) empfiehlt sich das routinemäßige Auflegen eines Sandsacks am Operationstag.
Therapie Meist wird die Spontanresorption abgewartet (dauert Wochen). Bei schmerzhafter Schwellung kann auch eine operative Hämatomausräumung indiziert sein.
Der postoperative Harnverhalt ist fast immer durch eine reflektorische Miktionssperre oder einen verstopften Blasenkatheter bedingt. Geht der Spontanurin nur tröpfchenweise ab, so liegt eine Überlaufblase vor. Prärenale Ursachen (Hypovolämie, Druckabfall) und renale Störungen (Nierenversagen) kommen hingegen seltener vor.
Zeitpunkt Am Operationstag.
Prophylaxe Anlage eines Harnblasendauerkatheters oder eines suprapubischen Katheters. Besonders bei bekannten Harnabflussstörungen (z. B. Prostataadenom).
Therapie Jeder Patient muss postoperativ nach spätestens 6–8 Stunden spontan Wasser gelassen haben. Wenn Spasmolytika keine Wirkung zeigen, muss ein Einmalkatheterismus erfolgen.
Pflegepraxis
Postoperativer Harnverhalt. Kann der Patient postoperativ trotz Harndrangs kein Wasser lassen, können Sie, bevor invasivere Maßnahmen ergriffen werden, Folgendes ausprobieren:
für Ruhe und Entspannung sorgen (Türen schließen, Sichtschutz aufstellen)
hörbares Laufenlassen eines Wasserhahns
möglichst aufrechte Positionierung des Oberkörpers im Bett
Das Erbrechen in den ersten postoperativen Stunden kann bedingt sein durch Narkosenachwirkung, Folge der Operation oder eine zu geringe Schmerzausschaltung. Eine Magenatonie nach Laparotomie kann noch nach einigen Tagen Grund für plötzliches Erbrechen sein. Später (ca. 1 Woche) muss immer an einen Ileus gedacht werden.
Prophylaxe Magensonde belassen, solange sie noch fördert (mehr als 200 ml pro Tag). Behutsamer und nicht zu früher oraler Nahrungsaufbau.
Therapie Magensonde, evtl. Antiemetika; ansonsten je nach Ursache.
Die bakterielle Entzündung einer Operationswunde ist fast immer durch exogene (iatrogene) Kontamination während der Operation bedingt. Die Häufigkeit liegt insgesamt bei etwa 2 %, bei Eingriffen an keimbesiedelten Hohlorganen (Magen, Darm) etwas höher. Der Infekt breitet sich im Subkutangewebe aus (z. B. Bauchdeckenabszess). Klinische Zeichen sind Schmerzen, Rötung, Schwellung und Fieber ( ▶ Abb. 9.2).
Abb. 9.2 Wundinfekt. Frische OP-Narbe in der rechten Leiste bei noch liegenden Redon-Drainagen. Die Wundumgebung ist als Zeichen einer beginnenden bakteriellen Entzündung leicht gerötet und geschwollen.
Zeitpunkt 3–7 Tage postoperativ, selten danach (Spätinfekt).
Prophylaxe Die postoperativen Verbandwechsel müssen immer strikt steril durchgeführt werden. Daneben kann bei manchen Eingriffen die perioperative Gabe eines Antibiotikums sinnvoll sein (z. B. Kolonoperationen, Rezidiveingriffe, Implantation von alloplastischem Material).
Therapie Wunderöffnung durch Teilfädenentfernung, bakteriologischer Abstrich, feuchte Verbände, lokale Spülung, systemische Antibiotikagabe nur in Einzelfällen. Die Wundheilung erfolgt sekundär (Kap. ▶ 3.2).
Zusatzinfo
Wunderöffnung. Davon abweichend werden Infekte nach Osteosynthesen oder alloplastischem Gefäßersatz (Kunststoffprothesen) nur im OP-Saal unter sterilen Bedingungen revidiert.
Ursächliche Faktoren bei der postoperativen Pneumonie sind:
die schmerzbedingte Schonatmung
Sekretverhaltung im Bronchialsystem
Minderbelüftung infolge Zwerchfellhochstands bei Meteorismus
Aspiration
Langzeitbeatmung
Gefährdet sind besonders ältere, schwer mobilisierbare Patienten mit Thorax- oder Abdominaleingriffen.
Zeitpunkt Meist 3–5 Tage postoperativ.
Prophylaxe Atemgymnastik (schon präoperativ!), Physiotherapie, Frühmobilisierung, sekretlösende Medikamente und Inhalationen. Reduzierung der schmerzbedingten Schonatmung durch Analgetika.
Therapie Zusätzlich zu den prophylaktischen Maßnahmen können Antibiotika gegeben werden. Grundsätzlich müssen andere Ursachen der postoperativen respiratorischen Insuffizienz ausgeschlossen werden, wie z. B. Pleuraerguss, Lungenödem, Pneumothorax (Kap. ▶ 19.5).
Pflegepraxis
Postoperatives Fieber. Fieber in den ersten postoperativen Tagen kann vielfältige Ursachen haben. Immer sollten Sie an die häufigsten Ursachen denken:
Wundinfekt
Pneumonie
Phlebitis
Harnwegsinfekt
Der Harnwegsinfekt tritt postoperativ fast nur nach Katheterismus auf. Brennen beim Wasserlassen, Pollakisurie, Fieber und positives Urinsediment sind richtungsweisende Symptome.
Zeitpunkt Etwa 2–5 Tage nach Katheterismus.
Prophylaxe Grundsätzlich sollte die Indikation eines transurethralen Harnblasenkatheters immer hinterfragt werden. Der Katheter sollte postoperativ so früh wie möglich entfernt werden.
Therapie Systemische Antibiotikagabe nach bakteriologischem Testergebnis.
Die oberflächliche Venenentzündung ist fast immer durch eine Venenverweilkanüle bedingt ( ▶ Abb. 9.3).
Zeitpunkt Etwa 3–5 Tage nach Applikation der Kanüle.
Prophylaxe Tägliche Pflege der Einstichstelle, steriler Verband.
Abb. 9.3 Thrombophlebitis. Durch eine Venenkanüle entstandene Thrombophlebitis.
Pflegepraxis
Beobachtung. Bei Schmerzen und den geringsten Zeichen eines lokalen Infekts (z. B. Rötung) muss der Venenkatheter entfernt werden.
Therapie Nach Entfernung des Venenkatheters wird ein entzündungshemmender Salbenverband angelegt. Bei Verdacht auf einen infizierten zentralen Venenkatheter (ZVK) sollte die Spitze des Katheters steril abgeschnitten und zur bakteriologischen Untersuchung gegeben werden, um ggf. eine erregerspezifische Antibiose zu bestimmen.
Postoperative Verwirrtheitszustände sind akute, organisch bedingte Psychosen, die mit tageszeitabhängigen Bewusstseinsstörungen einhergehen. Die Störung geht mit Einschränkungen von Orientierung, Sprache und Gedächtnis einher. Die Häufigkeit auf Intensivstationen beträgt bis zu 50 %. Das Delir kann über mehrere Tage bis zu mehrere Monaten andauern und bildet i.d.R. sich komplett zurück.
Zusatzinfo
Bezeichnung. Häufig wird auch vom Durchgangssyndrom gesprochen. Dieses psychische Syndrom geht allerdings nicht mit Bewusstseinseintrübungen einher und muss daher vom postoperativen Delir abgegrenzt werden.
Begünstigende Faktoren Dazu gehören höheres Alter (> 65 J.), Alkoholabusus oder die Einnahme multipler Medikamente, eingeschränkte Beweglichkeit, reduziertes Seh- oder Hörvermögen, vorbestehende Zerebralsklerose, Demenz oder Depression.
Zeitpunkt Postoperative Verwirrungszustände treten in den ersten Tagen nach einer OP auf, besonders in ungewohnter Umgebung auf Intensivstationen.
Symptome Das hyperaktive Delir zeigt sich z.B. durch eine motorische Unruhe, Erregungszustände, zeitliche, örtliche und situative Desorientierung, Bettflucht. Typischerweise sind die Betroffenen kaum kontaktierbar. Eine adäquate Kommunikation ist kaum möglich.
Das hypoaktive Delir wiederum zeigt sich durch einen sehr in sich gekehrten Patienten. Auch hier ist die Kommunikation stark eingeschränkt. Die Betroffenen nehmen nur wenig Kontakt zur Außenwelt auf.
Prophylaxe Es gibt Faktoren, die sowohl von Ärzten als auch vom Pflegepersonal beeinflussbar sind und dazu dienen, ein postoperatives Delir zu verhindern.
Präoperative Beispiele:
Faktorenanalyse z.B. mit dem TFDD-Test (Test zur Früherkennung der Demenz mit Depressionsabgrenzung)
verlässliche OP-Planung unter Einbeziehen einer Bezugsperson
geordnete Umgebung mit Orientierungshilfen (Uhren, Tageslicht, Hörhilfen usw.)
Postoperative Beispiele:
Abbau von Stress
Frühmobilisation
Vermeidung von Isolation und Schlafentzug
Reduktion psychoaktiver Medikamente
ausreichende Sauerstoffzufuhr (Atemgymnastik, evtl. O2-Sonde),
Blutdruckregulierung
Behebung von Elektrolytstörungen und Dehydratation
frühzeitige enterale Ernährung
möglichst wenige Katheter wie ZVK oder Blasenkatheter
Therapie Wenn nötig können symptomorientierte Medikamente verabreicht werden. Diese sollten möglichst kurz wirksam sein. Infrage kommen:
Sedativa zur Beruhigung (Sedierung)
Beta-Blocker zur Dämpfung vegetativer sympathischer Aktivität
Neuroleptika besonders beim hyperaktiven Delir (z.B. Haloperidol)
Folgen eines postoperativen Delirs Es verlängert sich nicht nur der Aufenthalt auf der Intensivstation und im Krankenhaus. Patienten nach einem postoperativen Delir haben auch eine erhöhte Sterblichkeit (6-Monats-Mortalität).
Pflegepraxis
Psychosoziale Begleitung. Führen Sie den Kontakt mit vertrauten Personen und Gegenständen herbei. Die Einbeziehung von Angehörigen ist sehr hilfreich. Auch die Mobilisation aus dem Bett in einen Stuhl ist eine wirksame Maßnahme.
Die perioperative Alkoholkarenz kann bei Gewohnheitstrinkern zu schwerwiegenden Entzugserscheinungen (Delirium tremens) führen. Symptome sind Schlaflosigkeit und Händezittern (Tremor), später Halluzinationen („weiße Mäuse“) und Wahnvorstellungen sowie zunehmende motorische Unruhe.
Merke
Das Alkoholdelir kann lebensbedrohliche Ausmaße annehmen und zum Tod führen.
Zeitpunkt 1–4 Tage nach Absetzen der gewohnten Alkoholmenge.
Prophylaxe Alkoholanamnese (Angehörige fragen!) und Beobachtung des präoperativen Alkoholkonsums. Bei entsprechender Indikation kann durch (intravenöse) Alkoholverabreichung das Delir verhindert werden.
Therapie Ist das Alkoholdelir postoperativ ausgebrochen, ist eine Alkoholzufuhr nicht mehr indiziert. Die Entzugssymptome werden mit Distraneurin, Catapresan oder Dormicum bekämpft. Der Patient mit manifestem Delir muss auf Intensivstation überwacht, behandelt und wegen der erforderlichen Sedierung oft künstlich beatmet werden.
Die postoperative Ohrspeicheldrüsenentzündung ist ein bakteriell aszendierender Infekt, der bei Mundtrockenheit (Exsikkose) und oraler Nahrungskarenz bei Greisen beobachtet wird.
Zeitpunkt Etwa 5–7 Tage postoperativ.
Prophylaxe Tägliche Mund- und Zungenpflege, Anregung der Speichelsekretion (z. B. Kaugummi), früher oraler Nahrungsaufbau.
Therapie Antibiotika; bei Abszedierung operative Spaltung.
Der Begriff bezieht sich auf den Nahtbruch bei Anastomosen des Gastrointestinaltrakts. Die Undichtigkeit ist durch operationstechnische Probleme oder mangelnde Durchblutung der Anastomosenregion bedingt. Klinische Zeichen sind abdominelle Schmerzen, Fieber, Meteorismus und Zeichen der Peritonitis.
Zeitpunkt 6–10 Tage postoperativ.
Prophylaxe Siehe Kap. ▶ 23.7.
Therapie Sofortige orale Nahrungskarenz nach Auftreten der ersten Symptome. Nach weiterführender Diagnostik (z.B. CT) ist fast immer eine Relaparotomie erforderlich.
Die intra- und postoperative Immobilisierung lässt venöse Thrombosen in der Becken-Bein-Region postoperativ gehäuft auftreten. Daraus kann eine Lungenembolie entstehen.
Zeitpunkt Meist innerhalb der ersten beiden Wochen, häufig unmittelbar nach Mobilisierung.
Prophylaxe und Therapie Zur Prophylaxe siehe Kap. ▶ 9.2. Zur Therapie siehe bei ▶ venöser Thrombose und ▶ Lungenembolie.
Unter der Behandlung mit Heparin kann es zu einem Abfall der Thrombozytenzahl im Blut unter 50 % des Ausgangswerts kommen. Man unterscheidet eine harmlose Form (HIT I) und eine bedrohliche immunologisch vermittelte Verlaufsform (HIT II). Bei HIT II entwickeln sich (trotz der niedrigen Thrombozytenzahl!) klinische Symptome mit Thrombosen und Embolien. Mit HIT II ist unter unfraktioniertem Heparin (UFH) in 2 % zu rechnen, unter niedermolekularem Heparin (NMH) deutlich seltener.
Zeitpunkt Zwischen 5. und 14. Tag nach Beginn der Heparingabe.
Prophylaxe Regelmäßige Kontrolle der Thrombozytenwerte unter Heparingabe (alle 3 Tage); niedermolekulares Heparin bevorzugen.
Therapie Heparin sofort absetzen. Wenn eine Antikoagulation weiterhin erforderlich ist, kommen Alternativpräparate infrage.
Postoperativ kann ein Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür entstehen, wenn ulzerogener Einflüsse überwiegen (Kap. ▶ 22.3.1). Insbesondere die veränderte endokrine Situation (Postaggressionssyndrom, Kap. ▶ 9.4.4), Angst und Schmerz sowie die perioperative Nahrungskarenz sind ursächliche Faktoren. Das Stressulkus kann sich als akute obere gastrointestinale Blutung bemerkbar machen (Kap. ▶ 12.4).
Zeitpunkt Zwischen Operation und Beginn der oralen Nahrungsaufnahme.
Prophylaxe Angst- und Schmerzreduktion, frühzeitiger oraler Nahrungsaufbau, medikamentöse Prophylaxe durch Hemmung der Salzsäurebildung (Protonenpumpeninhibitoren oder H2-Blocker).
Therapie Endoskopische oder operative Blutstillung.
Ursache ist ein Adhäsionsileus durch Verwachsungen oder ein paralytischer Ileus bei Peritonitis (Kap. ▶ 12.7).
Unter Platzbauch versteht man das Auseinanderweichen der Ränder einer Laparotomiewunde in allen ihren Schichten, also Haut bis einschließlich Bauchfell. Der Darm liegt dann ungeschützt frei ( ▶ Abb. 9.4). Wenn nur die inneren Nahtschichten aufbrechen und die darüberliegende Hautnaht hält, handelt es sich um eine subkutane Dehiszenz ( ▶ Abb. 9.5). Näheres zum Narbenbruch finden Sie in Kap. ▶ 29.2.4 Narbenhernie.
Abb. 9.4 Platzbauch.
Abb. 9.4a 10 Tage nach medianer Laparotomie. Der untere Anteil der Wunde ist aufgeplatzt, Dünndarm ist sichtbar.
(Foto: U. Glatz, Thieme)
Abb. 9.4b Der Platzbauch ist mit einer Bleiplattennaht verschlossen.
Abb. 9.5 Platzbauch und subkutane Dehiszenz. Äußere Faszie (blau) und das Peritoneum (rot) sind hervorgehoben.
Zeitpunkt Meist innerhalb der ersten postoperativen Woche.
Prophylaxe Ausschaltung prädisponierender Faktoren (Ernährungszustand, Eiweißmangel).
Therapie Sofortiger operativer Wundverschluss mit Sekundärnaht oder Netzimplantation.
Druckbedingte Hautnekrosen treten bevorzugt an exponierten Körperstellen wie Kreuzbeinregion, Trochanter major und Fersen auf. Patienten mit Durchblutungsstörungen haben ein erhöhtes Risiko (Diabetes mellitus, Arteriosklerose, pAVK, Unterkühlung).
Pflegepraxis
Lagerung. Bei Patienten mit reduziertem Allgemeinzustand genügt eine lokalisierte Druckeinwirkung von 2 Stunden, um eine Hautnekrose hervorzurufen. Deshalb müssen Sie bei gefährdeten Patienten regelmäßig einen Lagewechsel nach Plan durchführen.
Zeitpunkt Meist nach mehrtägiger oder mehrwöchiger Immobilisierung.
Prophylaxe Fast jeder Dekubitus ist durch intensive pflegerische Maßnahmen vermeidbar (Druckentlastung der gefährdeten Stellen durch Weichlagerung und regelmäßige Umlagerung, geeignete Hautpflege usw.).
Therapie Lokale Druckentlastung, optimale Wundbehandlung, evtl. operative Nekrosenabtragung und plastische Deckung, Elimination und Behandlung von Risikofaktoren.
Insbesondere nach Operationen mit Eröffnung kontaminierter Hohlorgane (Magen, Darm, Galle, Appendix) können sich in der Bauchhöhle abgekapselte Eiteransammlungen ausbilden. Typische Lokalisationen sind subphrenisch, subhepatisch, im Douglas-Raum oder zwischen Dünndarmschlingen (Schlingenabszess). Der Nachweis erfolgt durch Sonografie oder CT.
Symptome Klinische Zeichen sind Fieber, Bauchschmerzen, Abgeschlagenheit, Leukozytose und CRP-Erhöhung.
Zeitpunkt Meist 1–2 Wochen postoperativ, gelegentlich noch später (Spätabszess).
Prophylaxe Siehe ▶ Wundinfekt.
Therapie Eiterentleerung durch Punktion mit anschließender Spülung (Drainage) oder operative Ausräumung mit Einlage entsprechender Drainagen ( ▶ Abb. 7.8).
Die postoperative Phase umfasst die gesamte Dauer vom Ende der Operation bis zur Entlassung des Patienten. Pflegebedarf und Intensität richten sich nach der Art des operativen Eingriffs, dem Narkoseverfahren und dem Risikoprofil des Patienten, das sich aus Alter und Vorerkrankungen ergibt.
In den folgenden Abschnitten werden die für alle postoperativen Patienten allgemeingültigen Pflegeschwerpunkte beschrieben. Individuelle Abweichungen von den folgenden Grundsätzen können dabei immer möglich, sinnvoll oder notwendig sein.
Organisation Bevor ein Patient aus dem OP abgeholt wird, sollten im Zimmer oder am Bettplatz alle notwendigen Vorbereitungen getroffen werden.
Das Bett:
Auswahl von Matratze oder Therapiesystem, z. B. bei Patienten, die postoperativ nicht oder nur eingeschränkt gelagert werden können
Anbringen von Extensionen oder Schienen
Aufrichtevorrichtung wird ggf. bei abdominalen Eingriffen entfernt
Das Zimmer:
Vorbereiten der Überwachung der Vitalfunktionen, wie Herzfrequenz, Blutdruck und Atmung
evtl. Utensilien für die Sauerstoffgabe richten
Patientenruf bereitlegen
Infusionsmaterialien richten
Zimmertemperatur überprüfen
Übernahme des Patienten Die Übernahme erfolgt, je nach Eingriff und Zustand des Patienten, an der OP-Schleuse, im Aufwachraum oder auf der Überwachungs-/Intensivstation.
Bei der Übernahme des Patienten erhält die zuständige Pflegekraft eine Übergabe zum prä- und intraoperativen Zustand des Patienten und zu evtl. Besonderheiten. Diese Informationen dienen der adäquaten Pflege und Betreuung des Patienten. Sie sind zum Teil dem OP- und dem Narkoseprotokoll zu entnehmen, sollten aber bei jeder Patientenübernahme auch mündlich erfolgen und ggf. erfragt werden.
Die Schwerpunkte der Übergabe sind die Herz-Kreislauf-Situation sowie die Atmung und der aktuelle Sauerstoffbedarf.
Patienten mit einem erhöhten Schmerzmittelbedarf verbleiben meist länger im Aufwachraum. Ein adäquates Schmerzmanagement spielt in den ersten Stunden nach OP eine besondere Rolle. Ziel ist eine mögliche Schmerzfreiheit (Kap. ▶ 9.4.2).
Postoperative Verordnungen (z. B. Infusionstherapie, Antibiose, Schmerztherapie, Kostaufbau) sollten schriftlich dokumentiert sein und noch einmal abgeglichen werden.
Überwachung Das Risiko für das Auftreten von postoperativen Komplikationen ist in den ersten Stunden nach einer Operation besonders hoch (Kap. ▶ 9.4.5). Der Schwerpunkt in dieser Phase liegt deshalb auf einer engmaschigen Kontrolle und Überwachung des Patienten, um mögliche Komplikationen zu vermeiden oder frühzeitig zu erkennen.
Merke
Die Kontrolle der Vitalparameter Herzfrequenz, Blutdruck und Atmung ist obligat. Blutdruckabfall und Tachykardie sind erste Hinweise auf einen Volumenmangel.
Die Überwachung wird in bestimmten, verordneten Zeitabständen durchgeführt. Je nach postoperativem Verlauf sind die Zeitabstände entsprechend kürzer zu wählen. Alle erhobenen Werte und Parameter müssen in einer entsprechenden Überwachungskurve zeitnah dokumentiert werden.
Je nach Eingriff erfolgt eine postoperative Blutuntersuchung, die bspw. Hinweise auf Nachblutungen, oder Gerinnungsstörungen geben kann. Meist besteht ein Stations- oder Hausstandard, der entsprechende Anordnungen festlegt.
Postoperatives Kältezittern sollte möglichst unterbrochen werden, um den Sauerstoffverbrauch des Patienten zu reduzieren. Hier helfen oft ein vorgewärmtes Zimmer und/oder eine warme Decke.
Ist kein Blasenkatheter vorhanden, sollte es in den ersten 6 Stunden nach OP-Ende zur Spontanmiktion kommen. Gegebenenfalls muss der Patient zum Wasserlassen angehalten oder dabei unterstützt werden.
Nach 24 Stunden sollte eine Bilanzierung unter Berücksichtigung aller Flüssigkeitsverluste (Urin, Drainagen, Magensonde etc.) durchgeführt werden.
Wundmanagement Der Zeitpunkt des ersten Verbandwechsels richtet sich nach der Art des operativen Eingriffs und wird vom Operateur bestimmt. Er sollte mit dem behandelnden Arzt zusammen durchgeführt werden. Die Zeitabstände zwischen den folgenden Verbandwechseln werden ebenfalls von der Art des Eingriffs, des Verbandmaterials oder von den Wundverhältnissen bestimmt.
Schmerzmanagement Jeder operierte Patient hat Anspruch auf eine suffiziente Schmerztherapie. Diese wird vom Stationsarzt angesetzt, besser von einem postoperativen Schmerzdienst (POSD). Siehe hierzu auch Kap. ▶ 9.4.2.
Pflegepraxis
Schmerz. Das Erleben von Schmerz ist individuell verschieden und wird heute u. a. anhand der numerischen Schmerzskala (NRS) gemessen. Bei älteren oder auch verwirrten Patienten ist eine Einschätzung der Schmerzproblematik oft nur schwer möglich und macht die Beurteilung nach der visuellen Schmerzskala (VSK) umso notwendiger.
Lagerung Wenn aufgrund des Eingriffs keine spezielle Lagerung notwendig ist, sollten frischoperierte Patienten auf dem Rücken mit leicht erhöhtem Oberkörper gelagert werden, um einen Reflux aus dem Magen zu verhindern.
Bei vielen Operationen gibt es bezüglich der Lagerung während des postoperativen Verlaufs spezielle Handlungsanweisungen. Diese müssen auf den postoperativen Stationsanweisungsbogen angeordnet werden.
Mobilisation Der Zeitpunkt der ersten Mobilisation wird im Wesentlichen von der Art des operativen Eingriffs und des Patientenzustands bestimmt.
Pflegepraxis
Mobilisation. Die Mobilisation wird so früh und so oft, wie es Operation und Zustand des Patienten zulassen, durchgeführt. Diese Frühmobilisation ist die effektivste Maßnahme, um Komplikationen, wie Thrombose, Lungenembolie, Pneumonie, Delir oder Dekubitus, vorzubeugen.
Nach kleinen Eingriffen sollte die erste Mobilisation noch am OP-Tag erfolgen, nach größeren Eingriffen spätestens am Folgetag. Wegen der Gefahr der orthostatischen Dysregulation wird dabei schrittweise vorgegangen:
Sitzen an der Bettkante
Stehen vor dem Bett
Sitzen im Stuhl (1–3 Stunden)
kurze Strecke gehen
Vor dem Mobilisationsversuch werden Blutdruck und Herzfrequenz gemessen. Die Mobilisation ist bei Schwindel oder Bewusstseinsstörungen sofort abzubrechen. Um den Patienten in jeder Situation wieder sicher in das Bett legen zu können, sollten bei der ersten Mobilisation 2 Pflegepersonen Hilfestellung geben.
Pflegepraxis
Mobilisation. Haben Sie einen Patienten das erste Mal an die Bettkante mobilisiert, sollten Sie ihn darauf hinweisen, die Augen offenzuhalten und nicht auf den Boden, sondern geradeaus zu schauen. Dies wirkt dem Schwindel entgegen.
Sollte die Operation eine längere Liegezeit und somit eine verzögerte Mobilisation notwendig machen, kann die erste Mobilisation zunächst mit passiven und aktiven Bewegungsübungen im Bett vorbereitet werden. Je nach vorausgegangener Liegezeit sollten bei der ersten Mobilisation keine zu ehrgeizigen Ziele gesetzt werden. Ein Sitzen an der Bettkante oder ein Umlagern in einen Stuhl über den Stand ist dann schon mehr als zufriedenstellend.
Körperpflege Je nach Immobilisationsgrad und Allgemeinzustand des Patienten kann an den ersten postoperativen Tagen eine vollständige Übernahme der Körperpflege durch die Pflegepersonen notwendig sein. Im Sinne einer Frühaktivierung und einer Frühmobilisation sind jedoch so früh wie möglich eine Teilwäsche und die aktive Mitarbeit des Patienten anzustreben.
Üblicherweise ist bei komplikationslosem Heilungsverlauf der Operationswunde das Duschen bereits am 4. postoperativen Tag möglich. Die früher geübte Praxis, bis zum Entfernen des Nahtmaterials zu warten, hat keine Vorteile gezeigt.
Ernährungsmanagement Zum postoperativen Kostaufbau lesen Sie Kap. ▶ 9.4.3.
Während einer Flüssigkeitskarenz leiden viele Patienten unter starkem Durstgefühl. Die trockenen Mundschleimhäute erhöhen das Risiko von Soorbildung und das Entstehen einer Parotitis. Ein wirksames Mittel gegen das Austrocknen der Mundschleimhäute und gegen Soor- und Parotitisgefahr ist eine regelmäßige Mundpflege. Die Lippen werden mit einem Fettstift vor dem Austrocknen geschützt. Ein ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt mit einer ausreichenden intravenösen Zufuhr hilft, starkes Durstgefühl zu vermeiden.
Entlassungsmanagement
Pflegepraxis
Pflegeüberleitung. Rechtzeitig vor der Entlassung sollte neben einem ärztlichen Aufklärungsgespräch auch eine pflegerische Entlassungsberatung stattfinden.
Aufgabe der Pflegeperson ist es, den Patienten und ggf. seine Angehörigen im Umgang mit pflegerischen oder technischen Hilfsmitteln vertraut zu machen (z.B. Umgang mit Prothesen, Stomaversorgung), um nach der Entlassung aus dem Krankenhaus eine selbstständige Versorgung sicherzustellen. Außerdem ist der Bedarf einer häuslichen pflegerischen Betreuung zu ermitteln.
Weiterführende Beratungsinhalte können sich mit der Gabe bzw. Einnahme von Medikamenten, der Wundpflege sowie der Umstellung von Ernährungs- und Lebensgewohnheiten beschäftigen. Je nach Patient ist ein Überleitungsmanagement anzustreben und auf eine reibungslose Weiterversorgung zu achten.
Prophylaxen Durch das Operationstrauma und seine Folgen, wie z. B. Immobilität und Aktivierung von Gerinnungsfaktoren, werden pathophysiologische Vorgänge ausgelöst, die das Risiko von allgemeinen postoperativen Komplikationen nach sich ziehen. Die typischen und gefürchteten Komplikationen sind die Entstehung einer nosokomialen Pneumonie und das Auftreten einer Thrombose mit der akuten Gefahr einer Lungenembolie.
Die prophylaktischen Maßnahmen erfordern in beiden Fällen optimalerweise die aktive Mitarbeit des Patienten. Eine verständliche Aufklärung über die postoperativen Allgemeinkomplikationen und den Sinn der entsprechenden Prophylaxen kann die Motivation erheblich fördern.
Thromboseprophylaxe Da die meisten Beinvenenthrombosen intraoperativ entstehen, wird mit der Thromboseprophylaxe bereits am OP-Tag begonnen.
Maßnahmen zur Vermeidung einer Thrombose umfassen alle Aktivitäten, die den venösen Rückstrom in den Beinen fördern, einen venösen Rückstau vermeiden und zu einem ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalt beitragen. Wegen des niedrigeren Venentonus ist die Gefahr der Thrombosebildung in der Nacht besonders hoch.
Bereits das leichte Hochlagern der unteren Extremitäten verbessert den venösen Rückstrom und vermindert somit das Thromboserisiko. Zudem werden in den meisten Kliniken Thromboseprophylaxestrümpfe eingesetzt (Kap. ▶ 9.2.3).
Unterstützt wird der venöse Rückstrom durch passive und/oder aktive Bewegungsübungen, zu denen der Patient ggf. vom Physiotherapeuten/von der Pflegefachkraft angehalten wird. Wichtigste Maßnahme zur Reduktion eines Thromboserisikos bleibt jedoch eine frühestmögliche Mobilisation des Patienten und somit die Aktivierung der Muskelvenenpumpe.
Neben der Lagerung und Bewegungsförderung ist auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten. Bei einer längeren oralen Flüssigkeitskarenz muss diese in adäquater Menge intravenös in Form von Infusionen verabreicht werden. Ein- und Ausfuhr müssen dabei dokumentiert und über 24 Stunden bilanziert werden. Die Flüssigkeitsbilanzierung ist besonders bei Patienten mit Herzinsuffizienz wichtig.
Pflegepraxis
Heparin. Die Applikation subkutaner Antikoagulation sollte in entsprechender Entfernung zum OP-Gebiet erfolgen.
Pneumonieprophylaxe Postoperative Immobilisation sowie eine schmerzbedingte Schonatmung sind die Hauptursachen für eine postoperative Pneumonie. Um einem bronchopulmonalen Infekt oder einer Pneumonie vorzubeugen, sind spezielle Maßnahmen sinnvoll und notwendig.
In den ersten Tagen ist schon allein zur Verminderung des Pneumonierisikos eine ausreichende Schmerztherapie nötig, damit ein frischoperierter Patient tief durchatmen und ggf. abhusten kann. Bei einem Sekretverhalt sind physikalische und medikamentöse Maßnahmen zur Sekretmobilisation sinnvoll. Gegebenenfalls muss der Patient zum Abhusten angehalten werden. Bei Eingriffen am Abdomen oder Thorax kann mit den Händen ein leichter Gegendruck auf die OP-Wunde das Abhusten erleichtern und den Zug auf die Wunde minimieren. Zu speziellen atemtherapeutischen Übungen (z.B. Triflow, Mediflow) sollte schon vor der Operation angeleitet werden. Die effektivste Maßnahme zur Pneumonieprophylaxe ist auch hier die Frühmobilisation.
Eine Operation bei Kindern, verbunden mit einem Krankenhausaufenthalt, unterscheidet sich grundsätzlich von denen der Erwachsenen, da kleinen Kindern notwendige Maßnahmen nicht erklärt werden können. Kinder, die noch keine Vorerfahrungen bezüglich einer Operation haben, können sich häufig nicht so recht vorstellen, was ein Eingriff bedeutet, auch wenn er kindgerecht, wahrheitsgemäß und unmissverständlich erklärt wird. Hinzu kommt, dass sie infolge des stationären Aufenthaltes aus der gewohnten Umgebung herausgerissen werden und häufig auf die Anwesenheit von Angehörigen verzichten müssen.
Für die Eltern bedeutet ein operativer Eingriff an ihren Kindern eine starke seelische Belastung, die häufig zu Ängsten, Hilflosigkeit und Unsicherheiten führen. Vom Pflegepersonal ist Verständnis für die besondere Situation gefordert.
Pflegepraxis
Einbezug. Begründen Sie notwendige Maßnahmen stets dem Kind und den Eltern. Zudem sollten die Eltern, sofern es möglich ist, bei allen Maßnahmen aktiv miteinbezogen werden. Dies kann die Situation für das Kind und die Eltern wesentlich entspannen.
Kontaktaufnahme Das Aufnahmegespräch durch das Pflegepersonal ist eine wichtige erste Maßnahme, um ein Vertrauensverhältnis zwischen Kind, Eltern und Pflegekraft herzustellen. Verläuft dieses in einer ruhigen und entspannten Atmosphäre, so sind die Weichen für eine gute Zusammenarbeit gestellt. Ängste und Unsicherheiten werden dadurch minimiert. Inhalte eines Aufnahmegesprächs sind:
vergangene Krankenhausaufenthalte und bisherige Erfahrungen
Information über den gesamten perioperativen Ablauf und aller beteiligter Berufsgruppen (z.B. Physiotherapie, Orthopädietechniker)
Vorstellung aller Berufsgruppen
Vorstellung der Räumlichkeiten und Bettnachbarn sowie die Handhabung des Gitterbetts
Notwendigkeit der hygienischen Händedesinfektion
Fragen von Kind und Eltern werden wahrheitsgemäß und altersentsprechend beantwortet, sofern sie nicht den ärztlichen Bereich betreffen.
Die Aufnahme eines Elternteils ist meist bis zum 8. Lebensjahr möglich. Die Kosten werden i.d.R. von der Krankenkasse übernommen.
Merke
Die schriftlichen Einwilligungen zu Narkose und Operation müssen immer von beiden Elternteilen unterschrieben werden!
Messen und Beobachten
Körpermessungen: Zur präoperativen Vorbereitung gehört das Messen der Körperlänge und des Gewichtes, um einen Ausgangswert zur Berechnung der Medikamentendosis zu haben.
Hautbeobachtung: Die Haut wird untersucht auf z.B. Entzündungen, Soor, Exanthem.
Vitalparameter: Die Vitalwerte Blutdruck, Puls und Temperatur werden kontrolliert, um Vergleichswerte zu haben und z.B. Infektionen rechtzeitig erkennen zu können.
Allergien: Die Angehörigen werden nach bestehenden Allergien, z.B. auf Medikamente, Pflaster und Nahrung, befragt, um Komplikationen zu vermeiden.
Laborparameter
Urin- und Stuhluntersuchungen: Ein Urinschnelltest wird evtl. durchgeführt, um Harnwegsinfekte zu erkennen. Stuhluntersuchungen erfolgen nach ärztlicher Anordnung.
Blutuntersuchungen: Das Ausmaß der Blutuntersuchungen ist abhängig von Art und Umfang einer Operation. Für große Operationen wird Blut für Elektrolyte, Blutbild, Leberwerte, Gerinnung und evtl. harnpflichtige Substanzen abgenommen. Blutgruppe sowie Rhesusfaktor werden bestimmt und Blut für eine evtl. notwendige Bluttransfusion bestellt. Das Pflegepersonal assistiert, beruhigt und tröstet anschließend die Kinder.
Nasen- und Rachenabstrich: Erfolgt in dem Krankenhaus ein Screening auf MRSA, so wird bei der Aufnahme ein Abstrich abgenommen. Dieser kann auf Hautfalte (Leiste) und Wunde ausgedehnt werden. Bei einem Screening auf MRGN (multiresistente gramnegative Stäbchen) erfolgt auch rektal ein Abstrich. Die Entscheidung, nach welchen resistenten Keimen gesucht wird, wird je nach Herkunft der Kinder gestellt (Heim, Ausland, Kriegsgebiete). Bis ein Befund vorliegt, werden die Kinder i.d.R. isoliert.
Ernährungsmanagement Sofern kein Noteingriff erfolgt, muss eine dem Alter angepasste Nahrungskarenz eingehalten werden, um eine Aspiration während der Narkose zu vermeiden. Richtlinien von der Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin fordern für Kinder, die älter als 1 Jahr sind, eine Karenz von 6 Stunden für feste Speisen und Formulanahrung (Säuglingsnahrung auf Kuhmilchbasis). Kuhmilch gilt als feste Nahrung, da sie infolge der Magensäure im Magen ausflockt.
Süßigkeiten und Nahrungsmittel werden aus dem Nachttisch entfernt. Bonbon lutschen, Kaugummi und Gummibärchen kauen sind ebenfalls untersagt, da die Magensäureproduktion angeregt wird. Ein großes „Nüchtern-Schild“ am Bett des Kindes verhindert, dass es versehentlich Frühstück erhält.
Bis zu 4 Stunden vor der Operation können Kinder noch gestillt werden, da Muttermilch schneller verdaut wird als Kuhmilch. Bis zu 2 Stunden vor dem Eingriff dürfen kleine Mengen klare Flüssigkeiten, d.h. ohne Partikel, Fett und Alkohol, z.B. gesüßter Tee, getrunken werden. Auch Zähneputzen darf nur bis zu 2 Stunden vor der Operation erfolgen.
Kinder unter 1 Jahr können vor dem Eingriff bis zu 4 Stunden Muttermilch oder 4–6 Stunden Formulanahrung erhalten, da der Stoffwechsel von Säuglingen empfindlich auf lange Nüchternheitsperioden reagiert. Neugeborene und kranke Säuglinge benötigen eine parenterale Flüssigkeits- und Kaloriensubstitution.
Ausscheidung Abführmaßnahmen werden bei kleinen operativen Eingriffen nicht mehr durchgeführt, da eine Stuhlentleerung infolge von Narkosen nicht zu befürchten ist. Bei Operationen am Darm erfolgt vor dem Eingriff nach ärztlicher Anordnung eine Darmspülung.
Rasur Die Rasur im Bereich des Operationsgebietes erfolgt ebenso wie bei Erwachsenen am Operationstag mithilfe einer elektrischen Haarschneidemaschine (Clipper). Eine Haarentfernung kann auch mittels einer Enthaarungscreme durchgeführt werden. Diese Methode hat den Vorteil, dass keine Hautverletzungen entstehen. Da es zu einer Allergie kommen kann, sollte die Creme am Abend vorher in der Armbeuge getestet werden.
Körperpflege Ein sauberes und unverletztes Operationsgebiet ist Voraussetzung für eine komplikationslose Wundheilung. Daher ist die Körperpflege am Operationstag zur Reduzierung von Hautkeimen am effektivsten. Diese unterscheidet sich nicht von denen der Erwachsenen (Kap. ▶ 9.3) und wird von der Pflegeperson, den Eltern oder dem Kind selbst durchgeführt.
Prophylaxen
Thromboseprophylaxe: Bei Jugendlichen mit beginnenden Pubertätszeichen sind Risikofaktoren wie bei Erwachsenen zu bewerten. In einigen Kliniken werden ab einem Gewicht von 50 Kilogramm Anti-Thrombosestrümpfe angezogen. Die ärztlichen Anweisungen werden individuell gestellt (Gewicht, Alter, Art der Operation). Bei Kindern ist eine medikamentöse Prophylaxe nur in Ausnahmefällen notwendig.
Pneumonieprophylaxe: Sie wird ebenso wie bei Erwachsenen infolge von Schmerzen und Immobilität ▶ notwendig.
Venenverweilkanüle Für Kinder ist das Legen einer Verweilkanüle eine schmerzhafte Maßnahme, die je nach Alter und Vorerfahrung zu massiven Ängsten führt. Diese kann durch Verabreichen eines lidocainhaltigen Pflasters (z.B. Emla) oder das Auftragen einer lidocainhaltigen Creme reduziert werden ( ▶ Abb. 9.6). Die Durchführung ist dem Beipackzettel zu entnehmen.
Abb. 9.6 Lokalanästhesie. Pflaster mit lokalanästhesierender Creme.
(Foto: P. Blåfield, Thieme)
Prämedikation Ziele einer Prämedikation sind: Minderung von Angst und Anspannung, Erleichterung der Narkoseeinleitung, Reduzierung des Narkotikaverbrauchs und damit des Narkoserisikos, Analgesie und Verminderung der Peristaltik und Sekretion.
Die Prämedikation wird auf Abruf am Operationstag verabreicht. Bis zum Narkosebeginn sollten ca. 30–40 Minuten vergehen, damit die Kinder schläfrig sind. Bei aufgeregten und nervösen Kindern kann bereits auf Anordnung abends ein Beruhigungsmittel verabreicht werden.
Nach OP-Abruf wird das Kind zur Toilette geschickt, da es nach der Verabreichung des Medikamentes aus Sicherheitsgründen nicht mehr aufstehen darf. Bei der Einnahme der Prämedikation ist zu beachten, dass nach Schlucken des Saftes keine Flüssigkeit mehr nachgetrunken und nach Einnahme der Tablette nur ein Schluck Wasser genommen werden darf, um einer Aspiration vorzubeugen. Bei Säuglingen und Kleinkindern erfolgt die Medikamentengabe in Form eines Zäpfchens. Danach werden die Kinder engmaschig bezüglich auftretender Unverträglichkeitsreaktionen beobachtet und die Vitalzeichen kontrolliert. Schmuck, Brillen, Kontaktlinsen etc. werden den Eltern mitgegeben oder sicher von der Pflegeperson verwahrt.
Transport zum Operationssaal Ein reibungsloser organisatorischer Ablauf gewährleistet dem Kind sowie den Angehörigen geringe Wartezeiten, wodurch Ängste und Belastungen reduziert werden. Alle Unterlagen und notwendige Lagerungshilfen, Ersatzwindeln bei kleinen Kindern und Infusionsgeräte werden mitgenommen. Es ist hilfreich, wenn das Bett des Kindes mit der Beschriftung des Namens und der Station sowie Telefonnummer versehen wird, um auftretende Fragen ohne Verzögerung zu klären. Die Begleitung des Kindes zum Operationssaal sollte durch ein Elternteil oder eine dem Kind vertraute Pflegeperson erfolgen. Für kleine Kinder bedeutet die Mitnahme ihres geliebten Kuscheltieres eine große Beruhigung. Die Pflegeperson, die das Kind einschleust, verzichtet auf einen Mundschutz, um das noch wache Kind nicht zu erschrecken. Eltern erhalten Informationen hinsichtlich des ungefähren Zeitpunktes der Rückkehr ihres Kindes, da für die Kinder die Anwesenheit einer Bezugsperson beim Aufwachen aus der Narkose eine Beruhigung darstellt.
In den ersten Stunden nach der Operation besteht durch Narkose und Inzision (Schnitt) eine erhöhte Gefahr von Komplikationen, sodass besonders in dieser Zeit eine sorgfältige Beobachtung nach ärztlicher Anordnung erfolgen muss.
Übernahme des Kindes Bevor das Kind aus dem OP übernommen wird, sollte der Raum gut gelüftet werden. Alle notwenige Materialien werden bereitgelegt, wie z.B. Mundpflegetablett, Nierenschale und Aufhängvorrichtungen für Drainagen und Lagerungshilfen.
Bei der Abholung aus dem OP muss die Identität des Kindes überprüft werden. Es erfolgt eine ausführliche Übergabe über die intraoperativen Vorkommnisse und Maßnahmen.
Der Rücktransport erfolgt stets durch 2 Personen, von denen eine examiniert sein muss, damit sie in einer Notsituation Erste-Hilfe-Maßnahmen durchführen kann. Um ein Kind postoperativ transportieren zu können, muss es bei vollem Bewusstsein, d.h. ansprechbar, erweckbar, und ältere Kinder müssen persönlich und örtlich orientiert sein. Ein einsatzbereiter Beatmungsbeutel sollte stets griffbereit vorhanden sein. Bei umfangreichen operativen Eingriffen ist auch eine Sauerstoffflasche mitzuführen. Eine Arztbegleitung ist bei beatmeten Kindern notwendig.
Das Kind wird während des Rücktransportes bezüglich Hautfarbe, Atmung und Puls gut beobachtet, um akute Kreislaufveränderungen durch die Nachwirkungen von Narkotika und einem Blutverlust rechtzeitig zu erkennen. Während der Fahrt wird das Kind zur Aspirationsprophylaxe in einer flachen Kopf-Seiten-Lage und in Blickrichtung transportiert, sofern keine anderslautenden ärztlichen Anweisungen bestehen. Es darf während der Fahrt nicht auskühlen und nicht durch Stöße beeinträchtigt werden. Drainagen sowie Katheter sind sicher zu befestigen, um ein Herausreißen zu verhindern.
Überwachung
Temperatur: Während des operativen Eingriffs und danach kann es bei Kindern zu einem massiven Wärmeverlust kommen, der zu erhöhtem Sauerstoffverbrauch, erhöhtem Herzzeitvolumen und verlängertem postnarkotischem Unwohlsein führt. Um einer Hypothermie während der Operation vorzubeugen, können Patientenwärmsysteme (z.B. „WarmTouch“) verwendet werden. Die Temperaturkontrolle erfolgt unmittelbar nach Ankunft auf der Station. Sie wird in regelmäßigen Abständen nach ärztlicher Anweisung durchgeführt, um beginnende Infektionen schnell zu erkennen.
Haut: Hautfarbe, -feuchte und -temperatur werden kontinuierlich beobachtet, da sich Kreislaufveränderungen durch eine blasse, klebrige und kühle Haut bemerkbar machen.
Bewusstseinslage: Diese wird anfangs in kürzeren und später in größeren Abständen nach ärztlicher Anordnung kontrolliert. Um sie zu überprüfen, wird das Kind sanft angefasst und leise angesprochen, um es nicht zu erschrecken. Bei eingetrübten sowie neurologischen Kindern wird die Pupillenreaktion in regelmäßigen Abständen kontrolliert. Zur standardisierten Beurteilungen der Bewusstseinslage kann die Glasgow-Koma-Skala angewendet werden ( ▶ Tab. 33.1 ).
Atmung: Wichtig ist die regelmäßige Kontrolle von Atemfrequenz, -rhythmus, -qualität, Hautfarbe und evtl. der Sauerstoffsättigung. Beatmungsutensilien mit passender Maske sowie ein Absauggerät mit Absaugkathetern sollten griffbereit und die Möglichkeit einer Sauerstoffzufuhr gegeben sein. Auffälligkeiten sind unverzüglich dem Arzt mitzuteilen.
Puls und Blutdruck: Diese Vitalwerte werden in regelmäßigen Abständen nach ärztlicher Anordnung kontrolliert, um einen Volumenmangel infolge einer inneren Blutung rechtzeitig zu erkennen. Dies kann auch mithilfe eines Monitors erfolgen.
Merke
Unruhe, Tachykardie und Blutdruckanstieg können durch eine volle Blase verursacht werden.
Gewicht: Säuglinge und Kleinkinder werden täglich vor dem Frühstück gewogen, bei älteren Kindern wird das Gewicht auf einer Stand- oder Sitzwaage i.d.R. einmal pro Woche ermittelt, sofern keine anderen ärztlichen Verordnungen vorliegen. Es ist auch möglich, das Kind auf dem Arm der Mutter oder der Pflegeperson zu wiegen und anschließend das Gewicht von Mutter oder Pflegeperson abzuziehen.
Drainagen und Sonden Drainagen werden regelmäßig bezüglich der Menge des Wundsekretes kontrolliert. Das Ziehen der Drainagen, das in der Regel am 2.–3. postoperativen Tag erfolgt, ist häufig sehr schmerzhaft. Kinder werden vor dem Ziehen wahrheitsgemäß informiert und evtl. aufgefordert, die Hand der Pflegeperson oder Mutter ganz fest zu drücken, wenn der Schmerz sehr groß ist.
Eine Magenablaufsonde dient der Entlastung der Operationsnähte im Magen-Darm-Bereich und trägt somit zu einer ungestörten Wundheilung bei. Sie wird anfangs auf Ablauf, d.h. tief gehängt, damit Magensekret ungestört ablaufen kann. Lässt die Sekretion nach, wird sie auf Magenniveau und anschließend über Niveau gehängt. Wird dies vom Kind gut toleriert, d.h., es erfolgt kein Erbrechen, so wird sie nach Rücksprache mit dem Chirurg im geschlossenen Zustand gezogen, um eine Aspiration zu vermeiden.
Wundmanagement Der Wundverband wird regelmäßig auf Nachblutungen kontrolliert. Sind geringe Blutmengen nachgesickert, so werden diese auf dem Verband vorsichtig markiert, um eine Ausweitung der Blutung zu erkennen ( ▶ Abb. 9.7). Bei Zunahme der Blutung wird der Chirurg unverzüglich informiert.
Abb. 9.7 Wundverband.Die Pflegeperson zeichnet die Grenze der Blutung auf dem Verband ein.
(Foto: P. Blåfield, Thieme)
Der erste Verband wird i.d.R. vom Chirurgen erst ab dem 2.–4. postoperativen Tag unter aseptischen Bedingungen gewechselt, um die Wundheilung nicht zu stören. Die weiteren Verbandwechsel werden meist täglich durchgeführt, um den Verlauf der Wundheilung beurteilen zu können. Auffälligkeiten müssen gemeldet und der Wundverlauf dokumentiert werden.
Pflegepraxis
Pflaster und Fäden. Pflasterstreifen sollten vor dem Entfernen mit Desinfektionsmittel geweicht werden, damit sie schmerzlos entfernt werden können. Vor dem Ziehen der Fäden informiert die Pflegeperson das Kind dahin gehend, dass das Entfernen der Fäden eine Empfindung verursacht, die mit dem leichten Ziehen an einem Haar vergleichbar ist.
Schmerzmanagement Eine wichtige Aufgabe des Pflegepersonals ist es, Säuglinge und Kleinkinder besonders aufmerksam auf nonverbale Schmerzäußerungen zu beobachten und sie auch ernst zu nehmen. Bei kleinen Kindern sind Schmerzen durch gekrümmte Rumpfhaltung, an den Körper angezogene Beine, verzerrten Mund, Wimmern, Jammern, Stöhnen und motorische Unruhe zu erkennen. Beginnende Schmerzen können sich durch Unruhe, Veränderung der Atmung, Schwitzen, Tachykardie und Blutdruckanstieg zeigen.
Die Schmerzintensität kann mithilfe von Fremdbeobachtungsskalen, z.B. kindliche Unbehagens- und Schmerz-Skala nach W. Büttner, ermittelt werden. Kinder ab dem 4. Lebensjahr schätzen ihre Beschwerden anhand einer Selbstauskunftsskala, z.B. Smiley-Skala nach R. Pothmann, eigenständig ein.
Pflegepraxis
Applikation. Die Pflegeperson verabreicht die Medikamente dem Kind und wartet, bis es diese auch geschluckt hat. Verantwortungsbewussten Eltern und die, die der deutschen Sprache mächtig sind, kann die Verabreichung der Medikamente übertragen werden.
Kinder werden dahin gehend beraten, beim Husten, Lachen oder Sichbewegen eine Hand mit leichtem Druck auf den Verband zu legen, was zu einer Schmerzreduzierung führt. Bei Eingriffen im Bereich des Abdomens kann eine kleine Knierolle, evtl. in Form eines Kissens, zur Entspannung der Bauchdecke führen ( ▶ Abb. 9.8). Bei einer Thrombosegefährdung wird auf die Knierolle verzichtet, um eine Verlangsamung der Blutströmung zu verhindern.
Abb. 9.8 Bettruhe – für Kinder meistens langweilig und belastend.
(Foto: P. Blåfield, Thieme)
Lagerung und Mobilisation Die Kinder werden anfangs in eine flache Kopf-Seitenlage gebracht, sofern keine Kontraindikation besteht, damit evtl. Erbrochenes aus dem Mund herauslaufen kann. Eine Ruhigstellung der Wunde fördert den Heilungsprozess, reduziert Schmerzen und kann je nach Lokalisation, z. B. mithilfe einer Schiene, gewährleistet werden.
Die Frühmobilisation dient der Vorbeugung von Thrombosen, Lungenembolie, Pneumonie, Dekubitus und fördert die Darmperistaltik. Sie wird wie bei Erwachsenen durchgeführt (Kap. ▶ 9.5.).
Bettruhe bedeutet für Kinder i.d.R. eine große Belastung, da sie in ihrem Bewegungsdrang eingeschränkt sind und unter Langeweile leiden ( ▶ Abb. 9.8). Die Pflegeperson gibt dem Kind und den Eltern Anregungen bezüglich einer altersgemäßen und dem Befinden des Kindes entsprechenden Beschäftigung.
Körperpflege Sie orientiert sich am Befinden des Kindes. Am ersten postoperativen Tag erfolgt nur eine Teilwaschung, die häufig von den Eltern durchgeführt wird. Das Pflegepersonal informiert und gibt Hilfestellung. Ältere Kinder werden motiviert, sich selbst zu waschen, was zu einer Frühmobilisation beiträgt. Haare werden gekämmt und längere Haare zum Zopf geflochten, um ein Verfilzen der Haare zu vermeiden. Haarschmuck wird seitlich des Kopfes angebracht, damit Druckstellen vermieden werden. Mund- und Zahnpflege erfolgen zur Kariesprophylaxe nach dem Frühstück.
Ernährungsmanagement Es sind stets die Anweisungen des Anästhesisten und Chirurgen zu befolgen. Sofern nicht am Magen-Darm-Trakt operiert wurde, kann die erste Teegabe nach 2–4, evtl. 6 Stunden nach Narkoseende erfolgen. Nach kleinen unkomplizierten Eingriffen im Bereich des Magen-Darm-Traktes, z.B. Appendektomie, kann nach ca. 6 Stunden löffelweise Tee verabreicht werden. Wird er gut vertragen, kann nach 24 Stunden ein Zwieback und am darauffolgenden Tag Breikost gegessen werden. Tritt kein Erbrechen auf, wird die Nahrung zügig aufgebaut. Bei bestimmten Operationen stehen i.d.R. klinikspezifische Kostaufbaupläne zur Verfügung. Besteht eine längere Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz, so erfolgen Kalorien- und Flüssigkeitszufuhr parenteral.
Ausscheidung Bei Kindern gibt es bezüglich der Urinausscheidung keine Besonderheiten. Die erste Urinentleerung sollte, wie auch bei Erwachsenen, spätestens 6–8 Stunden postoperativ erfolgen. Ebenso können Miktionsstörungen, wie ein Harnverhalt, vorkommen. Weitere Informationen finden Sie in Kap. ▶ 9.5.
Das Einsetzen der Darmperistaltik wird vom Chirurgen kontrolliert, da es postoperativ zu einer Darmatonie kommen kann, die durch Narkosemittel, Manipulation am Darm und mangelnde Bewegung verursacht wird. Zur Anregung der Darmperistaltik und des Windabgangs kann ein Darmrohr gelegt werden. Ein vorsichtiges Streichen des Abdomens im physiologischen Verlauf des Darmes von rechts nach links kann bei festgesetzten Winden hilfreich sein. Nach ärztlicher Anordnung fördert eine feuchtwarme Auflage außerhalb des Operationsgebietes die Darmperistaltik. Intravenöse Gaben von peristaltikanregenden Medikamenten können mittels Infusionen nach ärztlicher Anordnung verabreicht werden. Eine Stuhlentleerung sollte entsprechend der Operation und ärztlicher Anordnung am 3.–5. postoperativen Tag mithilfe eines Abführmittels, Klysmas oder Mikroklists durchgeführt werden, sofern bis dahin noch keine spontane Stuhlentleerung erfolgt ist.
Merke
Wundschmerzen, die durch Pressen verstärkt werden, können dazu führen, dass der Stuhl eingehalten wird.