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12 Chirurgische Notfallsituationen

Als chirurgischer Notfall gelten sowohl Patienten, die akut lebensbedrohlich erkrankt sind, als auch solche, bei denen die Gefahr einer raschen bedrohlichen Verschlechterung besteht.

Eine Übersicht über die in diesem Buch behandelten chirurgischen Notfallsituationen zeigt ▶ Tab. 12.1 .

Tab. 12.1 Chirurgische Notfallsituationen.

Beispiele (alphabetisch)

Querverweis

Akute Extremitätenischämie

Kap. ▶ 31.2

Akutes Abdomen

Kap. ▶ 12.6

Arterielle Blutung

Kap. ▶ 3.1

Gastrointestinale Blutung

Kap. ▶ 12.4

Herzbeuteltamponade

Kap. ▶ 20.4.5

Herzinfarkt

Kap. ▶ 20.4.1

Herz-Kreislauf-Stillstand

bei Reanimation, Kap. ▶ 12.1

Ileus

Kap. ▶ 12.7

Inkarzerierte Hernie

Kap. ▶ 29.1.1

Instabiler Thorax

Kap. ▶ 19.5

Intraabdominelle Blutung

Kap. ▶ 12.5

Intrazerebrale Blutung

Kap. ▶ 33.2

Lungenembolie

Kap. ▶ 31.2.3

Magenperforation

Kap. ▶ 22.3.2

Mesenterialinfarkt

Kap. ▶ 23.4.1

Milzruptur

Kap. ▶ 26.6.1

Nachblutung

Kap. ▶ 9.4.5

Offene Fraktur

Kap. ▶ 32.3

Ösophagusvarizenblutung

Kap. ▶ 25.3.1

Perforierte Appendizitis

Kap. ▶ 23.3.1

Peritonitis

Kap. ▶ 12.8

Platzbauch

Kap. ▶ 9.4.5

Pneumothorax

Kap. ▶ 19.5.2

Polytrauma

Kap. ▶ 12.9

Querschnittlähmung

Kap. ▶ 33.7.7

Schädel-Hirn-Trauma

Kap. ▶ 33.2

Schlangenbiss

Kap. ▶ 3.2.1

Schock

Kap. ▶ 12.2

Stumpfes Bauchtrauma

Kap. ▶ 12.5

Tiefe Venenthrombose

Kap. ▶ 30.2.3

Transfusionsreaktion

Kap. ▶ 10.2.3

Verbrennung

Kap. ▶ 13.1

Merke

Bei einem chirurgischen Notfall gilt der Grundsatz „rasche Diagnose, rasche Therapie“!

12.1 Kardiopulmonale Reanimation

Bernd Wagener, Burkhard Paetz

Definition

Als kardiopulmonale Reanimation (CPR) bezeichnet man die Herz-Lungen-Wiederbelebung bei Herz- und Atemstillstand.

Merke

Bei jedem bewusstlosen Patienten muss an einen plötzlichen Kreislaufstillstand gedacht werden. Ein zügiges und sicheres Handeln in einer Notfallsituation ist ausschlaggebend für die Überlebenschancen des Patienten.

Wichtig ist das zügige Erkennen einer Notfallsituation, damit sofort mit einer Reanimation begonnen werden kann:

Zusatzinfo

Zum Reanimationsablauf gibt es weltweit geltende Empfehlungen, die regelmäßig vom European Resuscitation Council (ERC) überarbeitet werden (http://www.erc.edu).

12.1.1 Automatische externe Defibrillation (AED)

Der automatische externe Defibrillator (AED-Gerät) ist für die Anwendung durch medizinische Laien im außerklinischen Bereich entwickelt. AED-Geräte stehen an Plätzen mit hohem Publikumsverkehr, um einen sofortigen Reanimationsbeginn durch Laienhelfer zu ermöglichen ( ▶ Abb. 12.1). Die internationale Kennzeichnung verzichtet auf Buchstaben ( ▶ Abb. 12.2).

Abb. 12.1 Laien-Defibrillator. Geräte zur automatischen externen Defibrillation (AED) bei Herzstillstand stehen weltweit an gut erreichbaren Plätzen.

(© brostock/stock.adobe.com)

Laien-Defibrillator. Geräte zur automatischen externen Defibrillation (AED) bei Herzstillstand stehen weltweit an gut erreichbaren Plätzen.

Abb. 12.2 Internationales Rettungszeichen. Das Herz mit dem Blitz-Symbol markiert den Standort für einen Laien-Defibrillator.

Internationales Rettungszeichen. Das Herz mit dem Blitz-Symbol markiert den Standort für einen Laien-Defibrillator.

12.1.1.1 Durchführung

Wenn ein Defibrillationsgerät (AED) zur Verfügung steht, sollte dieses unverzüglich herbeigeholt werden. Unabhängig davon muss der Notruf 112 gewählt und sofort mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung begonnen werden (30 x Herzdruck, 2x Atemspende, s.u.).

Ein AED-Gerät gibt nach Einschalten automatische Sprachanweisungen, die von Laienhelfern umgesetzt werden können. Auch die Platzierung der Elektroden wird erläutert. Das AED-Gerät erkennt, ob eine Indikation für eine Defibrillation vorliegt, und führt den Stromstoß weitgehend automatisch durch.

Pflegepraxis

Notfallmaßnahmen. Die Herzdruckmassage darf für die Defibrillation maximal 10 Sekunden unterbrochen werden. Jede Minute ohne wirksame Herzkompression reduziert die Überlebenswahrscheinlichkeit um 10 %, auch wenn eine frühzeitige Defibrillation erfolgt.

12.1.2 Herzdruckmassage

Durch eine externe Herzdruckmassage kann das Schlagvolumen aufrechterhalten werden. Dabei werden die Herzkammern durch stoßweisen Druck auf den Thorax zwischen Brustbein und Wirbelsäule rhythmisch komprimiert.

Abb. 12.3 Externe Herzdruckmassage.

Abb. 12.3a Der Druckpunkt liegt über dem Brustbein in der Mittellinie.

Der Druckpunkt liegt über dem Brustbein in der Mittellinie.

Abb. 12.3b Es wird nur der Handballen aufgesetzt, die Finger sind vom Brustkorb abzuheben.

Es wird nur der Handballen aufgesetzt, die Finger sind vom Brustkorb abzuheben.

Abb. 12.3c Die stoßweise Druckausübung (ca. 100x pro Minute) erfolgt zur Kraftersparnis mit gestrecktem Ellenbogen.

Die stoßweise Druckausübung (ca. 100x pro Minute) erfolgt zur Kraftersparnis mit gestrecktem Ellenbogen.

12.1.2.1 Durchführung

  1. Harte Unterlage (Brett) unter den Brustkorb des Patienten schieben, wenn der Untergrund weich ist.

  2. Seitlich des Patienten in Höhe des Brustkorbes knien, s. ▶ Abb. 12.3c (oder bei tief gestelltem Bett stehen).

  3. Aufsetzen eines Handballens auf den Druckpunkt des unteren Sternums, s. ▶ Abb. 12.3a.

  4. Die Finger sind dabei nach oben gestreckt, um eine Verletzung durch Druck auf die umgebenden Organe (Rippen, Milz, Leber) zu vermeiden, s. ▶ Abb. 12.3b.

  5. Aufsetzen des anderen Handballens auf den Rücken der ersten Hand.

  6. Arme in den Ellenbogengelenken strecken (Arbeitserleichterung).

  7. Stoßweiser Druck mindestens 5 cm tief senkrecht über die gestreckten Arme. Dabei immer auf vollständige Entlastung zwischen den Kompressionen achten.

  8. Frequenz: 100 bis 120/min.

  9. Herzdruckmassage 30x und Beatmung 2x im steten Wechsel fortführen, bis professionelle Hilfe kommt und ein EKG anschließt.

Zusatzinfo

Bei Kindern erfolgt die Herzdruckmassage nur mit einer Hand, bei Säuglingen mit lediglich 2 Fingern. Die Frequenz soll ca. 120/min betragen.

AED-Geräte erkennen automatisch, ob eine Indikation zur Defibrillation vorliegt. Nach Eintreffen professioneller Hilfe entscheidet der Arzt anhand der Herzstromkurve im EKG über das weitere Vorgehen.

Pflegepraxis

Notfallmaßnahmen. Bei der Defibrillation hält der Arzt die isolierten Elektrodengriffe, alle anderen Personen halten zum Selbstschutz einen Mindestabstand von ca. 1 m zu Patient und Bett.

12.1.3 Atemspende

Ein akuter Kreislaufstillstand führt nach ca. einer Minute zum Atemstillstand. Deshalb sollte zusätzlich zur Herzdruckmassage eine Atemspende erfolgen ( ▶ Abb. 12.4 u. ▶ Abb. 12.5). Im innerklinischen Kontext erfolgt die Beatmung des Betroffenen meist durch eine Maske und Beatmungsbeutel. Außerhalb einer Klinik ist die Mund-zu-Nase- oder Mund-zu-Mund-Beatmung üblich.

12.1.3.1 Durchführung: Mund-zu-Nase-Beatmung

  1. Freimachen der Atemwege durch Neigen des Kopfes nach hinten, wobei der Unterkiefer nach vorn gezogen wird (Kopf-Kiefer-Griff oder Esmarch-Handgriff). Dadurch wird der Zungengrund von der Rachenhinterwand abgehoben.

  2. Durchführen der Mund-zu-Nase-Beatmung. Der Kopf des Patienten wird dabei durch Anheben des Kinns nach hinten gezogen. Die Hand am Kiefer hält mit dem Daumen den Mund des Patienten geschlossen, während man in die Nase einbläst. Alternativ kann eine Mund-zu-Mund-Beatmung erfolgen, wobei dann die Nasenlöcher mit der stirnseitigen Hand verschlossen werden.

  3. Normal einatmen und Luft über einen Zeitraum von einer Sekunde gleichmäßig in die Nase des Betroffenen blasen, so dass sich der Brustkorb sichtbar hebt. Dann eigenen Kopf zur Seite drehen und darauf achten, ob sich der Brustkorb des Betroffenen wieder senkt.

  4. Betroffenen ein zweites Mal beatmen, dann wieder 30x Herzmassage durchführen.

  5. Falls die Spontanatmung einsetzt, den Betroffenen in stabile Seitenlage bringen.

  6. Falls der Betroffene bewusstlos bleibt, Druckmassage und Atemspende im Wechsel 30:2 fortführen, bis Fachpersonal eintrifft und weitere Maßnahmen ergreift (wie z.B. endotracheale Intubation).

Abb. 12.4 Atemwege frei machen. (Abb. aus: Rettungssanitäter. Thieme; 2017)

Abb. 12.4a In Rückenlage fällt die Zunge zurück und verschließt die Atemwege.

In Rückenlage fällt die Zunge zurück und verschließt die Atemwege.

Abb. 12.4b Deshalb muss der Hals überstreckt werden, wodurch sich die Zunge von der Rachenhinterwand abhebt und die Atemwege frei macht.

Deshalb muss der Hals überstreckt werden, wodurch sich die Zunge von der Rachenhinterwand abhebt und die Atemwege frei macht.

Abb. 12.5 Mund-zu-Nase-Beatmung.

Abb. 12.5a Durch Überstrecken des Halses (Esmarch-Handgriff) werden die Atemwege freigehalten.

Durch Überstrecken des Halses (Esmarch-Handgriff) werden die Atemwege freigehalten.

Abb. 12.5b Die Beatmung erfolgt in die Nase, wobei der Mund des Patienten mit einer Hand am Kinn geschlossen gehalten wird.

Die Beatmung erfolgt in die Nase, wobei der Mund des Patienten mit einer Hand am Kinn geschlossen gehalten wird.

12.1.4 Kombinierte Herz-Lungen-Wiederbelebung

Bei einem Herz- und Atemstillstand muss sofort mit Herzdruckmassage und gleichzeitiger Atemspende begonnen werden. Der Ablauf einer kardiopulmonalen Reanimation zeigt ▶ Abb. 12.6. Eine alleinige Unterstützung der kardialen Pumpleistung würde zwar den Kreislauf aufrechterhalten, dem Blut aber nicht den notwendigen Sauerstoff zuführen. Umgekehrt gelangt durch die Beatmung Sauerstoff in die Lunge, dieser wird jedoch bei unterlassener Herzmassage nicht weitertransportiert.

12.1.4.1 Durchführung

Steht für die Reanimation nur eine Person zur Verfügung, so muss zwischen Herzdruckmassage 30x und Atemspende 2x abgewechselt werden. Zu zweit teilt man die Herzdruckmassage und die Atemspende in demselben Rhythmus auf. Auf einer Intensivstation verteilen sich die Aufgaben entsprechend ▶ Tab. 12.2 . In jedem Falle sind die Bemühungen bis zum Eintreffen des Arztes fortzusetzen.

Abb. 12.6 Handlungsablauf Wiederbelebung Erwachsener.

(Abb. von: Perkins, G., Handley, A., Koster, R. et al. Notfall Rettungsmed (2015) 18: 748. © German Resuscitation Council (GRC) und Austrian Resuscitation Council (ARC) 2015)

Handlungsablauf Wiederbelebung Erwachsener.

Tab. 12.2 Reanimationsablauf auf Intensivstationen: Aufgabenverteilung.

Aufgaben der Pflegefachkräfte

Aufgaben des Arztes

  • Arzt rufen

  • Beginn mit externer Herzdruckmassage und Beatmung

  • Hilfsmittel herbeiholen: Reanimationswagen inkl. Defibrillator, Intubationsbesteck und Beatmungsgerät

  • EKG und Pulsoxymetrie anschließen

  • Medikamente und Infusionen nach Anordnung richten bzw. aufziehen

  • Entnahme von Blutproben für Laboruntersuchung

  • endotracheale Intubation und Beatmung

  • Legen eines venösen Zugangs

  • Medikamentenapplikation

  • Defibrillation

  • Entscheidung über Abbruch der Reanimation bei Erfolglosigkeit

  • nach erfolgreicher Reanimation Entscheidung über ein zielgerichtetes Temperaturmanagement (ggf. Hypothermiebehandlung)

12.1.4.2 Komplikationen

Als Komplikation der Herzdruckmassage kommen äußere und innere Verletzungen vor:

12.1.4.3 Pharmaka zur Reanimation

Auf einer Normalstation sind die Medikamente zur Reanimation ( ▶ Tab. 12.3 ) zusammen mit anderem Notfallinstrumentarium (Intubationsbesteck) in einem Notfallkoffer verfügbar. Die regelmäßige Überprüfung auf Vollständigkeit und Verfallsdatum muss stationsintern geregelt und dokumentiert werden.

Merke

Adrenalin (Suprarenin) ist das wichtigste Medikament im Rahmen einer Reanimation. Es entspricht dem körpereigenen Hormon der Nebenniere und wird während einer Reanimation im 5-Minuten-Abstand in einer Dosis von 1 mg verabreicht.

Tab. 12.3 Die wichtigsten Pharmaka bei Reanimation.

Wirkstoff

Wirkung

Indikation

Dosierung

Applikation

Adrenalin (Suprarenin)

starke Stimulation der Herztätigkeit

Asystolie

0,5–1 mg (1 : 10 verdünnt mit 0,9 % NaCl)

intravenös oder über Tubus (höhere Dosierung nötig)

Amiodaron

starke Wirkung auf den Herzrhythmus

Kammerflimmern

Bolus bis 300 mg

intravenös

Natriumbicarbonat

Pufferung des Säure-Basen-Haushalts

metabolische Azidose

Kurzinfusion (50–100 ml 8,4 %ige Lösung)

intravenös, keine routinemäßige Anwendung, nur nach BGA- und Elektrolytkontrolle

12.2 Schock

Bernd Wagener, Burkhard Paetz

Definition

Unter Schock versteht man eine Kreislaufstörung verschiedener Ursachen, wobei als Folge ein schweres Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und tatsächlichem Sauerstoffangebot resultiert.

Die kontinuierliche Verminderung der Gewebedurchblutung, die eine Kette pathophysiologischer Mechanismen auslöst, führt ohne Behandlung zum Organtod durch Hypoxie (Sauerstoffmangel).

Zusatzinfo

Der Begriff „Schock“ wird unterschiedlich definiert. Der Ausdruck wurde im 18. Jahrhundert für verschiedene Verletzungsformen geprägt, als noch keinerlei pathophysiologischen Vorstellungen vorhanden waren. Verwirrend ist, dass gelegentlich auch banale, spontan reversible orthostatische Kreislaufreaktionen wie Kollaps, Synkope oder „Ohnmachtsanfall“ als Schock bezeichnet werden. In Laienkreisen bezeichnet man sogar kurzfristige nervöse Erschöpfungs- oder Erregungszustände ohne jegliche Kreislaufsymptomatik als „Unfallschock“.

12.2.1 Ursachen

Wesentlicher Faktor im Schockgeschehen ist die Verringerung der arteriellen Blut- und Sauerstoffzufuhr. Ursächlich hierfür können sein:

Merke

Häufigste Ursache für eine Schocksymptomatik in der Chirurgie ist die Blutung (sog. hämorrhagischer Schock.

Blutumverteilung In den Arterien herrscht normalerweise ein höherer Blutdruck (Hochdrucksystem) als in den Venen. Die Arterienwände sind deshalb dick und wenig dehnbar. Da der vom linken Ventrikel erzeugte Blutdruck in den Arteriolen abnimmt, herrscht in den Venen nur noch etwa ¹⁄₁₀ des arteriellen Blutdrucks (Niederdrucksystem). Deshalb sind die Venenwände viel dünner gebaut, sie können sich leicht aufdehnen und große Volumina aufnehmen. Reize für eine Venenerweiterung sind verschiedene humorale und nervale Einflüsse (z. B. Azidose, Parasympathikuserregung, Schmerz). Dadurch vergrößert sich der Anteil der venösen Blutmenge, der arterielle Blutvorrat nimmt entsprechend ab.

Vom gesamten Blutvolumen eines Erwachsenen (ca. 5 Liter) befinden sich normalerweise nur 20 % im Arteriensystem, hingegen 80 % in den Venen. Diese werden deshalb auch „kapazitive“ Gefäße genannt, weil sie den Großteil der intravasalen Flüssigkeit beherbergen.

Krankhafte Zustände (z. B. Peritonitis) führen zu einer Erweiterung der Venen. Wenn sich bspw. der Blutinhalt in den Venen von 80 % auf 90 % erhöht, so muss die Blutmenge in den Arterien von ursprünglich 20 % auf 10 % abnehmen. Das zur Gewebeperfusion verfügbare arterielle Blut hat sich also um die Hälfte verringert. Dadurch kann eine ausreichende Organdurchblutung nicht mehr gewährleistet werden. Es resultiert ein Missverhältnis zwischen erforderlicher und vorhandener Blutversorgung, also ein Schock.

Schockformen Es werden verschiedene Schockformen hinsichtlich ihrer Ursache unterschieden ( ▶ Tab. 12.4 ).

Tab. 12.4 Schockformen und die wichtigsten Ursachen.

Schockform

Ursache

Beispiel

hämorrhagischer Volumenmangelschock

äußere Blutung

  • Arterien- oder Venenverletzung

innere Blutung

  • in die freie Bauchhöhle oder den Thorax

  • gastrointestinale Blutung

  • Blutung nach Milzruptur

  • Beckenfraktur

hypovolämischer Volumenmangelschock

Verminderung des Kreislaufvolumens durch Flüssigkeitsverlust

  • unstillbares Erbrechen

  • schwere Diarrhö

  • große sezernierende Wundflächen

  • ausgedehnte Weichteilödeme bei schweren Verbrennungen

kardiogener Schock

Die Förderleistung des Herzens nimmt akut ab, es resultiert eine unzureichende Versorgung der Organe mit Blut und Sauerstoff

  • Herzinfarkt

  • Asystolie

  • Kammerflimmern

  • fulminante Lungenembolie

neurogener Schock

Zentralnervöse Störungen führen zur Beeinträchtigung der Herzleistung bei gleichzeitiger reflektorischer Erweiterung des venösen Niederdrucksystems

  • Schädel-Hirn-Trauma

  • intrazerebrale Blutung (Apoplex)

  • Hirntumoren

spinaler Schock

arterielle Minderperfusion und/oder direkte mechanischer Schädigung des Rückenmarks

  • Rückenmarkverletzung mit Querschnittlähmung

anaphylaktischer Schock

extreme allergische Reaktion auf eine bestimmte Substanz, bei immunologischer Disposition

  • Antibiotikagabe (Penicillinallergie!)

  • Fremdeiweiß (Impfseren)

  • falsche Blutkonserve

  • Kontrastmittelinjektion

  • Insektenstiche

toxisch bedingter Schock

Vergiftung

  • Barbituratintoxikation

  • Pilzvergiftung

septischer Schock (= Endotoxinschock)

Infektion durch Toxine

  • Sepsis

  • krimineller Abort

endokriner Schock

Hormone

  • hypoglykämischer Schock (Insulin)

  • thyreotoxische Krise (Thyroxin)

  • hyperkalzämisches Koma (Parathormon)

12.2.2 Pathophysiologie des Schocks

Am Anfang des – wie eine Kettenreaktion ablaufenden – Schockgeschehens steht der Volumenverlust ( ▶ Abb. 12.7. Welche Grunderkrankung diese Situation verursacht hat, spielt für den weiteren Ablauf eine nur unwesentliche Rolle. Die Folgen sind weitgehend identisch und werden deshalb für alle Schockformen gemeinsam dargestellt.

Abb. 12.7 Pathophysiologie des Schocks.

Pathophysiologie des Schocks.

Ein Schock verläuft in 3 Phasen. In jeder dieser zeitlich aufeinanderfolgenden Abschnitte versucht der Körper auf unterschiedliche Weise die drohenden Schockfolgen zu kompensieren:

  1. Phase: Ökonomisierung der Herzarbeit, Mobilisierung der Blutreserven

  2. Phase: Zentralisation

  3. Phase: irreversible Organschäden

12.2.2.1 1. Phase: Ökonomisierung der Herzarbeit, Mobilisierung der Blutreserven

Die arterielle Minderperfusion kann in gewissen Grenzen durch die Steigerung der kardialen Leistung ausgeglichen werden. Dies geschieht durch eine Ökonomisierung der Herzarbeit:

Gleichzeitig verengen sich die Venen, wodurch ein Teil der venösen „Blutreserve“ im Niederdrucksystem mobilisiert und in die arterielle Zirkulation eingeschleust wird.

12.2.2.2 2. Phase: Zentralisation

Reichen diese Kompensationsmechanismen für eine ausreichende Sauerstoffsättigung nicht aus, so muss der Körper einschneidendere Gegenmaßnahmen ergreifen: Er „schaltet“ unwichtigere Organsysteme von der Durchblutung weitgehend aus, um den lebenswichtigeren Organen mehr Blut zukommen zu lassen ( ▶ Abb. 12.8). Diesen Regelkreis nennt man „Zentralisation“.

Über lange Zeit ausreichend durchblutet bleiben dabei Herz, Lunge, Gehirn und Nieren (zentrale Organe). Hingegen wird die Blutzufuhr für Eingeweide, Muskeln und Haut durch Engstellung der entsprechenden Arteriolen gedrosselt (periphere Vasokonstriktion).

Die genannten Effekte beruhen auf einer starken Stimulierung des sympathischen Nervensystems (Sympathikusreiz), wobei Adrenalin (sog. „Notfall-“ oder „Stresshormon“) und andere Katecholamine aus den sympathischen Nervenendigungen und dem Nebennierenmark freigesetzt werden. Diese Schockphase entspricht pathophysiologisch einer maximalen „Stresssituation“.

Abb. 12.8 Zentralisation. Im Kreislaufschock ist die Durchblutung von Herz, Lunge, Gehirn und Nieren gegenüber den unwichtigeren Organen begünstigt.

Zentralisation. Im Kreislaufschock ist die Durchblutung von Herz, Lunge, Gehirn und Nieren gegenüber den unwichtigeren Organen begünstigt.

12.2.2.3 3. Phase: irreversible Organschäden

Dauern die schockauslösenden Ursachen an, so können auch die zentralen Organe nicht mehr genügend perfundiert und mit Sauerstoff versorgt werden. Infolge dieser eingeschränkten Gewebedurchblutung werden die Zellen nicht ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen (z. B. Glukose) versorgt. Gleichermaßen behindert ist der Abtransport von Kohlendioxid und anderen Stoffwechselprodukten. Folge ist eine Gewebeschädigung, die bei stärkerem Ausmaß irreversibel ist.

Wenn nicht spätestens in dieser Phase eine adäquate Behandlung einsetzt, entstehen irreversible Schäden an den lebenswichtigen Organen.

Der Vorgang beginnt mit einer Schädigung der Gefäßinnenwand (Endothel), die dadurch für kleinmolekulare Stoffe durchlässig wird (Permeabilitätsstörung der Kapillaren). Es resultiert ein Flüssigkeitsaustritt in die Gewebespalten (interstitielles Ödem). Die ödematöse Schwellung bewirkt wiederum eine Verschlechterung der Durchblutung (Mikrozirkulationsstörung), wodurch die O₂-Versorgung weiter reduziert wird (Hypoxie).

Bei einem Sauerstoffmangel werden die Energieträger (Glukose, Fette, Aminosäuren) in den Zellen nicht vollständig verbrannt, wodurch sich saure Stoffwechselprodukte (z. B. CO₂ und Milchsäure = Laktat) anhäufen und zu entsprechenden Veränderungen des pH-Wertes führen (metabolische Azidose).

Die dadurch bedingten Milieuänderungen im Schockgebiet verändern die Gerinnungsaktivität. Das geschädigte Gewebe setzt gerinnungsaktive Stoffe frei, wodurch das Blut leichter gerinnt (Hyperkoagulabilität). Als Folge bilden sich Blutgerinnsel in den kleinen Gefäßen (Mikrothromben). Die Thromboseneigung kann sich auf den gesamten Organismus ausdehnen, weshalb man dann von einer disseminierten intravasalen Gerinnung spricht. In einem solchen Fall werden alle verfügbaren Gerinnungsfaktoren (besonders Fibrinogen) „verbraucht“, sodass – trotz disseminierter Thrombusbildung – eine erhöhte Blutungsneigung besteht. Dies nennt man Verbrauchskoagulopathie.

Zusammenfassend stellt das Schockgeschehen einen komplizierten Vorgang dar, der bei fehlender Intervention wie eine Kettenreaktion abläuft. Das Fatale dabei ist, dass die schockbedingte Minderperfusion im Organismus Veränderungen hervorruft, die zu einer weiteren Verschlechterung der verbliebenen Gewebeperfusion führen.

Zusatzinfo

Ein solcher „Teufelskreis“ wird in der Medizin als Circulus vitiosus bezeichnet, weil die einzelnen Störungen sich wechselseitig verstärken.

12.2.3 Schockbedingte Organschäden

Haut und Muskeln nehmen bei einem Kreislaufschock praktisch nie Schaden. Sie können bekanntlich bei Extremitätenoperationen in „Blutsperre“ 2 Stunden oder länger ohne jegliche arterielle Durchblutung tolerieren.

Niere, Lunge, Gehirn und Herz reagieren dagegen besonders anfällig auf eine Minderperfusion. Deshalb konzentriert der Organismus im Schock durch „Zentralisation“ das zirkulierende Blutvolumen so lange wie möglich auf diese lebenswichtigen Organe.

Niere Für eine ausreichende Urinproduktion muss in den Nierenarterien ein systolischer Blutdruck von ca. 80 mmHg herrschen bzw. ein mittlerer arterieller Druck (MAD) von > 65 mmHg. Bei geringerem Blutdruck kann die Harnausscheidung drastisch abnehmen (Oligurie: unter 400 ml/Tag) oder ganz sistieren (Anurie). Man spricht dann von einer Schockniere, die eine spezielle Form des akuten Nierenversagens darstellt.

Bei schneller Behebung der Schocksymptomatik kann sich die Niere innerhalb von Tagen erholen. Oftmals schließt sich dann eine polyurische Phase an.

Merke

Die Niere ist das empfindlichste und das am häufigsten betroffene Schockorgan.

Lunge Auch die Lunge ist bei einem Schock häufig betroffen (Schocklunge). Das Ausmaß der Schädigung macht sich jedoch oft erst Stunden bis Tage nach dem Schockereignis bemerkbar.

Ursache ist der Flüssigkeitsaustritt in das Lungenparenchym (interstitielles Ödem) aufgrund der Endothelschädigung. Durch die ödematöse Schwellung ist der Gasaustausch zwischen Alveolen und Kapillaren (verlängerte Diffusionsstrecke) deutlich erschwert. Die Folge ist eine unzureichende Sauerstoffsättigung des Blutes mit klinischen Zeichen der respiratorischen Insuffizienz. In schweren Fällen muss eine künstliche Beatmung erfolgen.

Gehirn Schockbedingte zerebrale Ausfälle sind seltener, weil die Hirngefäße bei vermindertem Blutangebot kaum mit Vasokonstriktion reagieren.

Herz Im Rahmen der „Zentralisation“ kommt es zu einer Begünstigung der Herzdurchblutung. Bei Dekompensation dieser Mechanismen kommt es zur Vasokonstriktion der Koronargefäße. Der Energiebedarf des Myokards kann dann nicht mehr gedeckt werden.

Diese Veränderungen führen zu einem hypoxischen Herzmuskelschaden, der sich in Rhythmusstörungen und nachlassendem Schlagvolumen äußert und letztlich zum Kreislaufstillstand führt.

12.2.4 Schocksymptome

Typische Frühsymptome sind Unruhe, kalter Schweiß und Übelkeit. Die Symptome des manifesten Schocks sind durch die Zentralisation bedingt ( ▶ Abb. 12.8).

Pflege

Pulskontrolle. Man palpiert beim Schockpatienten möglichst zentrale, rumpfnahe Arterien (A. carotis oder A. femoralis), um Pulsfrequenz und Pulsqualität zu prüfen.

Zeichen der Kreislaufdekompensation Diese treten auf, wenn der Sparmechanismus der Zentralisation zur Perfusion der lebenswichtigen Organe nicht mehr ausreicht:

Zusatzinfo

Mit zunehmender Sauerstoffverarmung und metabolischer Entgleisung kommt es letztlich zum multiplen Organversagen (MOV), wobei der Tod durch einen hypoxisch bedingten Herzstillstand eintritt.

Abb. 12.9 Schockindex. Puls- und Blutdruckkurve verhalten sich beim Schockpatienten gegenläufig. Der Quotient aus Puls (pro Minute) und systolischem Blutdruck (mmHg) ergibt den Schockindex (normal: 0,5). Der Schockindex erlaubt eine grobe Schätzung des verlorenen Blutvolumens.

Schockindex. Puls- und Blutdruckkurve verhalten sich beim Schockpatienten gegenläufig. Der Quotient aus Puls (pro Minute) und systolischem Blutdruck (mmHg) ergibt den Schockindex (normal: 0,5). Der Sc

12.2.5 Therapie des Schocks

Pflegepraxis

Notfallmaßnahmen. Bei einem Patienten mit Schocksymptomatik müssen alle Maßnahmen möglichst schnell ergriffen werden, weil bei verzögerter Behandlung die Gefahr einer irreversiblen Organschädigung besteht.

Ursache beseitigen Die ursächliche Verletzung oder Erkrankung sollte baldmöglichst behoben werden. Das gilt besonders für die Beseitigung der Blutungsquelle beim hämorrhagischen Schock.

Eine innere Blutung (z. B. stumpfes Bauchtrauma mit abdomineller Organverletzung) erfordert so schnell wie möglich die operative Behandlung durch Laparotomie! Bei einer Milzruptur kann der Patient schon nach einer Stunde verblutet sein.

Volumensubstitution Entscheidend für die Überlebenschancen bei Volumenmangelschock ist die rechtzeitige intravenöse Verabreichung einer ausreichenden Flüssigkeitsmenge. Nach ärztlicher Anordnung werden Plasmaexpander, Elektrolytlösungen oder Bluttransfusionen gegeben.

Medikamente Weil die Blutzirkulation im Schock beeinträchtigt ist, werden Medikamente möglichst intravenös injiziert.

Merke

Die orale Medikamentenapplikation ist im Schock kontraindiziert.

Lagerung Die Lagerung eines Patienten in einer Notfallsituation richtet sich nach

Die Schocklagerung ( ▶ Abb. 12.10a.) unterstützt den venösen Rückfluss und damit die Durchblutung der lebensnotwendigen Organe. Diese Lagerung wird häufig bei Schocksymptomen oder bei einem akuten Blutdruckabfall eingesetzt.

Im außerklinischen Umfeld sollte ein bewusstloser Patient, der spontan atmet, in die stabile Seitenlage gebracht werden ( ▶ Abb. 12.10b). In dieser Lage ist die Gefahr einer Aspiration durch Erbrechen am geringsten.

Patienten mit einem Schädel-Hirn-Trauma (oder auch nur der Verdacht darauf) müssen immer mit leicht erhöhtem Oberkörper (30°) gelagert werden, um den Hirndruck zu senken bzw. ihn nicht zusätzlich zu steigern. Daneben ist die achsengerechte (gerade) Positionierung des Kopfes, zum besseren venösen Rückfluss, sehr wichtig.

Weitere Lagerungen und Indikationen sind der ▶ Abb. 12.10 zu entnehmen.

Abb. 12.10 Lagerung bei Notfallpatienten.

Abb. 12.10a Schocklage: Kopf tief, Beine hoch (z.B. bei Volumenmangelschock, kardiogenem Schock).

(Foto: W. Krüper, Thieme)

Schocklage: Kopf tief, Beine hoch (z.B. bei Volumenmangelschock, kardiogenem Schock).

Abb. 12.10b Stabile Seitenlage: als Sofortmaßnahme bei bewusstlosen Patienten (meist im außerklinischen Umfeld).

(Foto: W. Krüper, Thieme)

Stabile Seitenlage: als Sofortmaßnahme bei bewusstlosen Patienten (meist im außerklinischen Umfeld).

Abb. 12.10c Herzbettlagerung: Oberkörper hoch, Beine tief (z.B. beim Lungenödem, Dyspnoe).

(Foto: W. Krüper, Thieme)

Herzbettlagerung: Oberkörper hoch, Beine tief (z.B. beim Lungenödem, Dyspnoe).

Abb. 12.10d Bauchdeckenentspannte Lagerung: Knierolle und Kopfpolster (z.B. beim Abdominaltrauma).

(Foto: W. Krüper, Thieme)

Bauchdeckenentspannte Lagerung: Knierolle und Kopfpolster (z.B. beim Abdominaltrauma).

Abb. 12.10e Oberkörperhochlagerung: Oberkörper erhöht auf ca. 30° (z.B. beim Schädel-Hirn-Trauma).

(Foto: W. Krüper, Thieme)

Oberkörperhochlagerung: Oberkörper erhöht auf ca. 30° (z.B. beim Schädel-Hirn-Trauma).

Abb. 12.10f Flachlagerung (z.B. bei Wirbelsäulentrauma).

(Foto: W. Krüper, Thieme)

Flachlagerung (z.B. bei Wirbelsäulentrauma).

12.3 Pflegeschwerpunkt: Schock

John Bauer*

Die Pflegekraft ist dem Patienten meist am nächsten und wird so die Schocksymptome oftmals als Erste erkennen. Besteht bei einem Patienten eine Schocksymptomatik, ist dies immer ein Notfall. Der behandelnde Arzt sowie ein Notfallteam sind unverzüglich zu informieren. Der Patient ist sofort in eine entsprechende ▶ Lagerung zu bringen, je nach Kreislauf- und Bewusstseinszustand. Dem Patienten wird Sauerstoff verabreicht (wenn möglich 100 %), um die Gewebehypoxämie zu mindern.

Ist eine Reaktion auf Medikamente als Schockursache nicht auszuschließen, werden alle Infusionen und Transfusionen sofort gestoppt. Blutdruck und Puls sind engmaschig zu kontrollieren und, sofern noch nicht vorhanden, eine Venenverweilkanüle ist zu legen. Alle Maßnahmen werden mit der notwendigen Ruhe durchgeführt, um den Patienten nicht weiter zu ängstigen und somit die Symptomatik zu verstärken. Die weitere Behandlung erfolgt entsprechend der Ursache bzw. den auslösenden Faktoren.

Vitalparameter Bei jedem Patienten im Schock werden auch im Verlauf die Vitalparameter engmaschig kontrolliert. Hier ist zu beachten, dass der systolische Blutdruck nicht < 80 mmHg liegen bzw. der mittlere arterielle Druck nicht < 50 mmHg abfallen sollte, um die Organperfusion zu gewährleisten. Die Herzfrequenz gibt Aufschluss über das zirkulierende Blutvolumen. Eine hohe Herzfrequenz ist ein Indiz dafür, dass weiter Volumen verabreicht werden sollte. ß-Blocker können diesen Volumenmangel verschleiern (Herzfrequenz ist niedrig trotz Volumenmangel im Körper).

Atmung Solange das Schocksyndrom besteht, erhält der Patient Sauerstoff.

Ausscheidung Zur Überwachung der Diurese wird ein Blasendauerkatheter mit kontinuierlicher Harnableitung benutzt. Die Ausscheidung sollte 0,5–1,0 ml/kg/KG nicht unterschreiten.

Blutgerinnung Bei einer Blutung und daraus resultierendem Schock kommt es zum Verbrauch von Gerinnungsfaktoren. Ebenfalls kann die Blutgerinnung durch den Verdünnungseffekt der Volumensubstitution mit Plasmaexpandern stark beeinträchtigt werden. Starke Kälte oder hohe Temperaturen beeinflussen ebenfalls unser Gerinnungssystem. Befindet sich ein Patient im Schock, sind die Gerinnungsparameter laborchemisch zu überprüfen. Die wichtigsten Laborparameter sind:

Zusatzinfo

Das Ziel bei jeder Form des Schocks ist es, die Herz-Kreislauf-Situation wiederherzustellen und somit die Organperfusion und die Versorgung mit Sauerstoff zu sichern.

12.4 Gastrointestinale Blutung

Burkhard Paetz

Definition

Als gastrointestinale Blutung (GI-Blutung) bezeichnet man eine Blutung in das Lumen des Magen-Darm-Traktes.

Ursache und Lokalisation Eine GI-Blutung entsteht durch Schleimhautläsionen verschiedenster Art ( ▶ Abb. 12.11). Nach der Lokalisation der Blutungsquelle unterscheidet man:

Anatomische Grenze zwischen oberer und unterer GI-Blutung ist die Flexura duodenojejunalis (= Biegung zwischen Duodenum und Jejunum), hier liegt auch das sog. Treitz-Band.

Zusatzinfo

Die obere GI-Blutung ist 6-mal häufiger als die untere. Häufigste Blutungsquelle überhaupt ist das Duodenalgeschwür (Kap. ▶ 22.3.1).

Abb. 12.11 Gastrointestinale Blutung. Die wichtigsten Blutungsquellen bei oberer und unterer GI-Blutung entsprechend ihrer klinischen Häufigkeit.

Gastrointestinale Blutung. Die wichtigsten Blutungsquellen bei oberer und unterer GI-Blutung entsprechend ihrer klinischen Häufigkeit.

Symptome Massiver und akuter Blutverlust kann zum hämorrhagischen Schock mit Hb-Abfall, Tachykardie und Blässe führen.

Eine Anämie entwickelt sich, wenn über einen längeren Zeitraum nur geringe Blutmengen verloren werden (chronischer Blutverlust, z. B. bei Magen- oder Kolonkarzinom). Die subjektiven Beschwerden sind trotz hochgradiger Anämie oft erstaunlich gering.

Obere gastrointestinale Blutung Eventuell besteht Bluterbrechen(= Hämatemesis). Das Blut erscheint bei massiver Blutung hellrot. Bei längerer Verweildauer des Blutes im Magen ist es durch die Säureeinwirkung bräunlich-schwarz verfärbt. Man spricht dann von „kaffeesatzartigem Erbrechen“. Das in den Dünndarm abfließende Blut tritt (mit zeitlicher Verzögerung) als „Teerstuhl“ (= Meläna) zutage. Die schwarze Farbe des Teerstuhls ist durch Hämatin bedingt, das infolge enzymatischer Zersetzung während der Darmpassage aus Hämoglobin entsteht.

Untere gastrointestinale Blutung Bei der unteren GI-Blutung erfolgt der Blutabgang ausschließlich mit der Stuhlpassage. Eine Blutentleerung nach oben (Bluterbrechen) gibt es nicht. Die Farbe des Stuhls lässt gewisse Rückschlüsse auf die Höhe der Blutungsquelle zu: je dunkler der Stuhl, desto höher die Blutung.

Pflegepraxis

Stuhlverfärbung. Als Faustregel gilt:

  • schwarzer Stuhl = obere GI-Blutung

  • dunkelroter Stuhl = Blutung aus Dünndarm oder rechtem Kolon

  • hellroter Stuhl = Blutung aus linkem Kolon oder Enddarm

Aussagen über die Blutungslokalisation anhand der Stuhlfärbung sind jedoch unsicher, weil der chemische Aufbau des Blutfarbstoffs auch von der Blutungsstärke und Verweildauer im Darm abhängt.

Diagnostik Weil die Mehrzahl aller GI-Blutungen aus dem oberen Intestinaltrakt stammt (85 %), erfolgt bei unklarer Blutungsquelle immer eine Gastroskopie. Findet sich bei der Gastroskopie keine Blutungsquelle, so muss weitere Diagnostik erfolgen, z.B. Koloskopie, CT, Angiografie.

Therapie Bei einer kreislaufwirksamen akuten Blutung muss eine sofortige Infusion erfolgen. In den meisten Fällen ist eine Blutstillung auf endoskopischem Wege möglich. Zur Verfügung stehen die lokale Injektion (z.B. mit Adrenalin oder Fibrin), thermische Verfahren (z.B. Elektrokoagulation oder Laser) und die mechanische Blutstillung (z.B. Gummibandligatur oder Metallclips).

Auch die Embolisierung über einen von der Leistenarterie eingeführten Katheter mit Einbringen blutstillender Substanzen kommt infrage. Ansonsten bleibt die offen-chirurgische Therapie (z.B. Ulkusübernähung, Darmresektion).

12.5 Intraabdominelle Blutung

Burkhard Paetz

Definition

Eine intraabdominelle Blutung (Hämaskos) ist eine Blutung in die freie Bauchhöhle.

Ursache und Symptome Die wichtigsten Ursachen für eine intraabdominelle Blutung sind:

Pflegepraxis

Beobachtung. Bei postoperativen Patienten ist ein stärkerer Blutverlust aus Drainagen (über 200 ml in der ersten Stunde) ein leicht erkennbares und untrügliches Zeichen einer Nachblutung, weshalb Sie sofort den Arzt verständigen müssen.

Diagnostik und Therapie Eine intraabdominelle Blutung ist im CT besser zu sehen als in der Sonografie ( ▶ Abb. 12.12). Möglichst erfolgt eine laparoskopische oder interventionelle Maßnahme, wie z.B. der endovaskuläre Stent beim rupturierten Aortenaneurysma. Ansonsten ist die Laparotomie mit operativer Blutstillung erforderlich. Bis dahin wird der Volumenverlust durch Infusionen und ggf. Transfusionen unter fortlaufender Kreislauf- und Hb-Kontrolle ersetzt.

Pflegepraxis

Beobachtung. Die traditionelle Messung des Bauchumfanges ist diagnostisch wenig zuverlässig.

Abb. 12.12 Intraabdominelle Blutung. Das CT zeigt freies Blut (*) in der Bauchhöhle. Ursache ist eine Milzverletzung (M) durch ein stumpfes Bauchtrauma (L: Leber).

Intraabdominelle Blutung. Das CT zeigt freies Blut (*) in der Bauchhöhle. Ursache ist eine Milzverletzung (M) durch ein stumpfes Bauchtrauma (L: Leber).

12.6 Akutes Abdomen

Burkhard Paetz

Definition

Das „akute Abdomen“ („akuter Bauch“) ist ein Sammelbegriff für verschiedene Krankheitsbilder, die eine akut bedrohliche, meist mit Schmerzen einhergehende Situation in der Bauchhöhle hervorrufen.

Das akute Abdomen ( ▶ Abb. 12.13) erfordert sofortiges diagnostisches und therapeutisches Handeln. Meist ist eine chirurgische Behandlung erforderlich.

Abb. 12.13 Akutes Abdomen. Magenperforation durch eine Gabel, die in suizidaler Absicht verschluckt wurde.

Akutes Abdomen. Magenperforation durch eine Gabel, die in suizidaler Absicht verschluckt wurde.

Ursache Die wichtigsten Ursachen eines akuten Abdomens können Sie der ▶ Tab. 12.5  entnehmen.

Tab. 12.5 Ursachen eines akuten Abdomens ( ▶ Abb. 12.14.

Ursache

Querverweis

Entzündung von Organen in der Bauchhöhle, z. B.:

  • Appendizitis

Kap. ▶ 23.3.1

  • Cholezystitis

Kap. ▶ 25.2.3

  • Pankreatitis

Kap. ▶ 26.2

Perforation von Hohlorganen, z. B.:

  • Perforation bei Appendizitis

Kap. ▶ 23.3.1

  • Magenperforation

Kap. ▶ 22.3.2

  • Sigmaperforation bei Divertikulitis

Kap. ▶ 23.3.5

  • Gallenblasenperforation

Kap. ▶ 25.2.5

Zirkulationsstörung, z. B.:

  • inkarzerierte Hernie

Kap. ▶ 29.1.1

  • Strangulationsileus

Kap. ▶ 12.7

  • Mesenterialinfarkt

Kap. ▶ 23.4.1

Steineinklemmung, z. B.:

  • Nierenkolik

Kap. ▶ 27.2.3

  • Gallenkolik

Kap. ▶ 25.2.1

stumpfes Bauchtrauma, z. B.:

  • Milzruptur

Kap. ▶ 26.6.1

  • Leberruptur

Kap. ▶ 25.4

  • Nierenruptur

Kap. ▶ 27.3

sonstige Blutungen in die Bauchhöhle oder in den Magen-Darm-Trakt, z. B.:

  • rupturiertes Aortenaneurysma

Kap. ▶ 31.4.1

  • gastrointestinale Blutung

Kap. ▶ 12.4

Zusatzinfo

Auch „nichtchirurgische“ Prozesse außerhalb der Bauchhöhle können die Symptomatik eines akuten Abdomens vortäuschen (z. B. Herzinfarkt, basale Pneumonie, entgleister Diabetes mellitus).

Abb. 12.14 Akutes Abdomen. Die wichtigsten ursächlichen Krankheitsbilder.

Akutes Abdomen. Die wichtigsten ursächlichen Krankheitsbilder.

Symptome Das akute Abdomen ist charakterisiert durch:

Diagnostik Anamnese und körperliche Untersuchung geben Hinweise auf die ursächliche Krankheit, wobei besonders Charakter und Lokalisation des Bauchschmerzes von Bedeutung sind. Das Ausmaß erforderlicher Laboruntersuchungen wird in den Kliniken heute unterschiedlich gehandhabt. Ein sinnvolles Beispiel zeigt ▶ Tab. 12.6 .

Pflegepraxis

Eine Temperaturdifferenz von mehr 0,5 °C zwischen rektalem und axillärem Wert kann auf einen Entzündungsprozess im Becken hinweisen (z. B. Appendizitis).

Tab. 12.6 Beispiele für Laboruntersuchungen beim akuten Abdomen.

Laborwert

Fragestellung

kleines Blutbild

Blutung (Hb), Entzündung (Leukozyten)

C-reaktives Protein (CRP)

Entzündungsvorgänge

Lipase oder Amylase

Pankreatitis

Kreatinin

Nierenfunktion

Elektrolyte

Stoffwechselentgleisung

Blutzucker

diabetische Entgleisung

Laktat

Darmischämie

Urinsediment

Ureterstein (Mikrohämaturie)

Troponin und EKG

Herzinfarkt

Die beim akuten Abdomen ehemals dominierende „Abdomenleeraufnahme“ (Röntgenaufnahme ohne Kontrastmittel) ist durch die Sonografie und die Computertomografie abgelöst worden, weil diese Untersuchungsmethoden eine bessere Differenzialdiagnose ermöglichen. Diese Verfahren zeigen krankhafte Organveränderungen, wie z. B. vergrößerte Appendix, Gallenblasensteine, Aortenaneurysma ( ▶ Abb. 12.15).

Abb. 12.15 Akutes Abdomen. Das CT zeigt ein rupturiertes Aortenaneurysma, A: erweiterte Aorta, B: Blutung, N: Niere, W: Wirbelkörper.

Akutes Abdomen. Das CT zeigt ein rupturiertes Aortenaneurysma, A: erweiterte Aorta, B: Blutung, N: Niere, W: Wirbelkörper.

Therapie Die Behandlung richtet sich nach der Grunderkrankung ( ▶ Tab. 12.5 ).

Pflegepraxis

Ernährung. Bis zur Klärung des therapeutischen Vorgehens bleibt jeder Patient mit akutem Abdomen nüchtern.

12.7 Ileus

Burkhard Paetz

Definition

Ein Ileus ist eine Darmpassagestörung. Üblicherweise wird der Begriff „Ileus“ (griech.: Verdrehung, Verwindung) mit „Darmverschluss“ gleichgesetzt.

12.7.1 Ursachen

Man unterscheidet 2 Ileusformen:

Merke

Der Ileus gehört zu den gefährlichsten Erkrankungen im Bauchraum.

Insgesamt ist die Passagestörung ( ▶ Tab. 12.7 ) häufiger im Dünndarm als im Dickdarm lokalisiert (Dünndarmileus 80 %, Dickdarmileus 20 %).

12.7.1.1 Mechanischer Ileus

Obturationsileus Der Obturationsileus ist ein mechanischer Darmverschluss, der durch Einengung der Darmlichtung von innen oder außen bedingt ist.

Nach jeder Operation in der Bauchhöhle können sich Verwachsungen (Adhäsionen) zwischen den Darmschlingen entwickeln oder narbige Stränge (Briden) bilden, wodurch das Darmlumen eingeengt wird ( ▶ Abb. 12.16). Der postoperative Adhäsions- oder Bridenileus kann bereits wenige Tage nach einer Bauchoperation auftreten, aber auch nach Monaten oder Jahren. Hat der Patient bereits mehrere abdominelle Voroperationen durchgemacht, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er später einen Adhäsions- oder Bridenileus bekommt. Auch nach einer Peritonitis (z. B. bei perforierter Appendizitis) steigt das Risiko, später einen Ileus zu entwickeln.

Weitere wichtige Ursachen des Obturationsileus können Sie der ▶ Tab. 12.7  entnehmen.

Abb. 12.16 Bridenileus. Ein narbiger Bindegewebsstrang zwischen zwei Darmschlingen hat zum Darmverschluss geführt.

Bridenileus. Ein narbiger Bindegewebsstrang zwischen zwei Darmschlingen hat zum Darmverschluss geführt.

Strangulationsileus Hier besteht eine zusätzliche Beeinträchtigung der Darmwanddurchblutung durch Verdrehung oder Abschnürung der Mesenterialgefäße ( ▶ Tab. 12.7 ).

Merke

Die häufigsten Ursachen einer Ileussymptomatik sind abdominelle Voroperationen (meist Dünndarmileus) und Tumoren (meist Dickdarmileus).

Tab. 12.7 Die wichtigsten Ursachen des mechanischen Ileus.

Obturationsileus (ohne Störung der Durchblutung)

Strangulationsileus (mit Störung der Blutzirkulation)

  • Adhäsionen

  • Briden

  • stenosierende Tumoren

  • Fremdkörper

  • narbige Stenose (z. B. bei Divertikulitits, Morbus Crohn)

  • inkarzerierte Hernie

  • Volvulus (Verdrehung einer Darmschlinge)

12.7.1.2 Paralytischer Ileus

Bei dieser Form des Darmverschlusses ist die Darmlichtung nicht eingeengt. Die Stuhlpassage ist durch metabolische, toxische oder reflektorische Darmlähmung (Paralyse) behindert ( ▶ Tab. 12.8 ).

Zusatzinfo

Die häufigste Ursache des paralytischen Ileus ist die diffuse Bauchfellentzündung (Peritonitis).

Tab. 12.8 Die wichtigsten Ursachen des paralytischen Ileus.

Metabolisch

Reflektorisch

Toxisch

Hypokaliämie

  • postoperativ

  • Kolik

  • retroperitoneale Blutung (z. B. LWK-Fraktur)

  • Pankreatitis

  • Psychopharmaka (Überdosierung)

  • Peritonitis

  • Ischämie (z. B. Mesenterialinfarkt)

  • Vergiftung (z. B. Blei, Morphin)

12.7.2 Symptome

Die Symptomatik eines Darmverschlusses kann plötzlich als „akutes Abdomen“ in Erscheinung treten (z. B. bei eingeklemmter Hernie), sich jedoch auch schleichend und diskret ausbilden (z. B. bei stenosierendem Tumor), was man als „Subileus“ bezeichnet.

Wichtige Symptome eines Ileus:

Pflegepraxis

Beobachtung. Beim mechanischen Darmverschluss kann bei hoher Verschlusslokalisation (Dünndarmileus) durchaus normal Stuhlgang abgesetzt werden.

12.7.3 Diagnostik

Beim mechanischen Ileus ergibt die Auskultation kräftige Darmgeräusche (Hyperperistaltik), weil die Darmmuskulatur durch verstärkte Kontraktionen das Hindernis zu überwinden versucht. Man spricht bei einer solchen Stenoseperistaltik deshalb treffend von „metallischen“, „hochgestellten“ oder „klingenden“ Darmgeräuschen.

Beim paralytischen Ileus hingegen fehlen die Darmgeräusche völlig, weil die gesamte Peristaltik gelähmt ist („Totenstille“ im Abdomen).

Bei unklaren Bauchbefunden erfolgt ein CT des Abdomens.

Die in manchen Kliniken noch übliche ▶ Röntgen-Leeraufnahme des Abdomens zeigt beim Ileus ein typisches Bild ( ▶ Abb. 12.17).

Beim mechanischen Ileus staut sich der Darminhalt vor dem Passagehindernis. In den dilatierten Darmschlingen proximal der Stenose trennen sich Darmgas und flüssige Stuhlbestandteile entsprechend ihrem spezifischen Gewicht. Die Gase steigen nach oben („stehende Schlingen“), während unten der flüssige Darminhalt in der Darmschlinge steht. Die horizontal verlaufende scharfe Grenze zwischen Luft und Flüssigkeit bezeichnet man als „Spiegel“.

Pflegepraxis

Darmentleerung. Beim mechanischen Ileus sind peristaltikfördernde Medikamente (z.B. Metoclopramid, Neostigmin) und Abführmaßnahmen (wie z.B. Darmeinläufe) kontraindiziert, da die Perforationsgefahr, durch die zunehmende Überdehnung der Darmschlingen, steigt.

Beim paralytischen Ileus hingegen sind Darmeinläufe und peristaltikfördernde Medikamente wichtige therapeutische Maßnahmen.

Abb. 12.17 Ileus. Typisches Röntgenbild ohne Kontrastmittel (Abdomenleeraufnahme im Stehen). Einige der horizontalen Spiegelbildungen (*) und stehenden luftgefüllten Darmschlingen (Pfeile) sind hervorgehoben.

Ileus. Typisches Röntgenbild ohne Kontrastmittel (Abdomenleeraufnahme im Stehen). Einige der horizontalen Spiegelbildungen (*) und stehenden luftgefüllten Darmschlingen (Pfeile) sind hervorgehoben.

12.7.4 Komplikationen

Volumenmangel Jeder Ileus entzieht dem Patienten Flüssigkeit, weil die in das Darmlumen sezernierten Sekrete (Magensaft, Galle, Pankreas- und Dünndarmsekret) nicht mehr rückresorbiert werden. Hinzu kommen die Verluste durch Erbrechen. Folge ist ein Volumenmangel (Dehydratation), der zu Bluteindickung, Oligurie und hypovolämischem Schock führen kann.

Durchwanderungsperitonitis Bei längerem Bestehen der Ileussituation kommt es zur bakteriellen Zersetzung (Autolyse) des gestauten Darminhalts, wodurch die Darmwand für Toxine und Bakterien durchlässig wird. Es kommt zur Toxineinschwemmung in den Kreislauf und zur Bauchfellentzündung (Peritonitis), was die Prognose drastisch verschlechtert.

12.7.5 Therapie

Patienten mit einem Ileus benötigen einen venösen Zugang. Über diesen kann zum einen Flüssigkeit substituiert und zum anderen können Medikamente appliziert werden, die oral nicht mehr vom Körper aufgenommen werden können.

Daneben ist häufig eine Magensonde infiziert, um den Magen-Darm-Trakt zu entlasten und somit die Beschwerden des Patienten (z.B. Übelkeit, Völlegefühl) zu lindern.

Pflegepraxis

Magensonde. Eine Magensonde kann nach Absprache mit dem Arzt bereits prophylaktisch gelegt werden, um dem Patienten das mögliche Erbrechen erträglicher zu machen. Zudem kann über eine Magensonde mit einer großlumigen Spritze gestautes Sekret vorsichtig abgesaugt werden.

Mechanischer Ileus Der mechanische Ileus stellt eine Indikation zur sofortigen Operation dar, die laparoskopisch oder offen chirurgisch erfolgt. Das Vorgehen richtet sich nach der Ileusursache. Im günstigsten Fall brauchen lediglich Verwachsungen gelöst zu werden (Adhäsiolyse oder Bridenlösung). Beim Strangulationsileus ist meist eine Darmresektion erforderlich.

Paralytischer Ileus Der paralytische Ileus wird möglichst konservativ behandelt (Einlauf und parenteral zugeführte darmstimulierende Medikamente).

12.8 Peritonitis

Burkhard Paetz

Definition

Eine Peritonitis ist eine diffuse oder lokale Entzündung des Bauchfells.

Ursachen Bei der bakteriellen Peritonitis gelangen Bakterien von einem kontaminierten Hohlorgan in die Bauchhöhle. Mögliche Ursachen:

Meist ist die Entzündung lokal begrenzt (z. B. Unterbauchperitonitis bei Appendizitis, Oberbauchperitonitis bei Magendurchbruch). Verteilt sich das eitrige, bakterienhaltige Exsudat hingegen über die gesamte Bauchhöhle, so resultiert eine diffuse Peritonitis mit wesentlich schlechterer Prognose.

Diagnostik Bei der Diagnostik werden CT und Sonografie eingesetzt.

Symptome Die Peritonitis äußert sich als akutes Abdomen mit folgenden Symptomen:

Zusatzinfo

Die diffuse Peritonitis ist ein lebensbedrohlicher Zustand. Die Letalität liegt bei 50 %.

Therapie Bei einer bakteriellen Peritonitis muss die Ursache operativ beseitigt werden (z. B. Appendektomie, Übernähung eines perforierten Ulkus). Dabei wird die Bauchhöhle intraoperativ gespült und mit Drainagen versehen. Meist entleert sich über die Drainagen für einige Tage noch etwas schmutzig graues Sekret. Die Drainagen können gezogen werden, wenn sie nichts mehr fördern.

In schweren Fällen müssen im Abstand von 1–2 Tagen mehrere Laparotomien erfolgen, um die sich neu bildenden Gewebenekrosen und Wundsekrete zu entfernen und auszuspülen („Spülbauch“). Dieses Vorgehen wird als programmierte Lavage, Etappenlavage oder geplante Relaparotomie bezeichnet.

Immer ist eine Infusionsbehandlung erforderlich. Bei drohendem Erbrechen mit der Gefahr der Aspiration erhält der Patient eine Magensonde.

Zusatzinfo

Als Spätkomplikationen können sich bei einer bakteriellen Peritonitis Abszesse in der Bauchhöhle bilden (z. B. Schlingenabszesse) oder ein verwachsungsbedingter Adhäsionsileus.

12.9 Polytrauma

Burkhard Paetz

Definition

Als Polytrauma (Mehrfachverletzung) bezeichnet man die Verletzung von zwei oder mehr Körperregionen oder Organsystemen, von denen mindestens eine Verletzung oder die Kombination mehrerer Verletzungen für den Patienten lebensbedrohlich ist.

Die meisten Polytraumen sind Folge eines Verkehrsunfalls.

12.9.1 Therapiephasen

Beim Polytrauma stellt sich das Problem, mit welcher Priorität die einzelnen Verletzungen behandelt werden sollen. Dazu ist es notwendig, dass man sich über die Dringlichkeit der Einzelverletzungen im Klaren ist und dementsprechend handelt.

Das praktische Vorgehen lässt sich in 3 Phasen einteilen, wobei die Dringlichkeit der Versorgung hinsichtlich des Überlebens des Patienten ausschlaggebend ist ( ▶ Abb. 12.18):

Abb. 12.18 Polytrauma. Phasengerechtes Vorgehen bezüglich Diagnostik und Therapie nach Dringlichkeit der Verletzungen.

Polytrauma. Phasengerechtes Vorgehen bezüglich Diagnostik und Therapie nach Dringlichkeit der Verletzungen.

12.9.1.1 Phase 1: Reanimationsphase

In der Reanimationsphase stehen 2 Ziele im Vordergrund:

  1. Sicherung der Vitalfunktionen

  2. Diagnostik von akut lebensbedrohlichen Verletzungen

Die Versorgung des Patienten erfolgt in einem entsprechend ausgestatteten Notfallversorgungsraum (Schockraum). Die Lagerung bei Transport und im Schockraum richtet sich nach der im Vordergrund stehenden Verletzung ( ▶ Abb. 12.10).

Beim Polytrauma entscheiden häufig die ersten Minuten der Behandlung darüber, ob der Patient seine Verletzungen überlebt oder nicht. Daher ist ein sofortiger Therapiebeginn (möglichst schon am Unfallort) unumgänglich.

Sicherung der Vitalfunktionen

Freimachen der Atemwege Die Atemwege werden von Erbrochenem, Blut, Zahnprothese oder sonstigen Fremdkörpern freigemacht, was meist mit den Fingern gelingt. Um eine Verlegung im Rachenraum durch die zurückfallende Zunge zu verhindern, bedient man sich des Esmarch-Handgriffs ( ▶ Abb. 12.5). Bei Bedarf kann auch zusätzlich ein Guedel-Tubus gelegt werden. Bei anhaltender Ateminsuffizienz und/oder Bewusstlosigkeit wird intubiert und beatmet.

Schockbekämpfung Patienten, die eine Schocksymptomatik aufweisen, benötigen ausreichend Flüssigkeit. Meist wird vor Ort vom Notfallarzt zunächst ein peripherer Zugang gelegt. In der Klinik muss dann zeitnah ein großlumiger venöser Zugang (ZVK) gelegt werden. Zur Volumensubstitution finden Plasmaexpander und/oder Elektrolytlösungen Anwendung. Kalorische Infusionen sind bei der Schockbekämpfung nicht indiziert.

Spezielle Therapie

Je nach Verletzung werden unterschiedliche therapeutische Maßnahmen ergriffen ( ▶ Tab. 12.9 ).

Tab. 12.9 Häufige Verletzungen und therapeutische Maßnahmen.

Verletzung (Diagnose)

Therapeutische Maßnahme

Querverweis

Pneumo- oder Hämatothorax

baldmöglichst Bülau-Drainage

Kap. ▶ 19.5.2 und Kap. ▶ 19.5.3

Spannungspneumothorax

sofortige Entlastung durch Punktionskanüle oder Bülau-Drainage

Kap. ▶ 19.5.2

Herzbeuteltamponade

sofortige Entlastung durch Perikardpunktion

Kap. ▶ 20.4.5

arteriell spritzende Wunden

Druckverband und evtl. operative Versorgung

Kap. ▶ 3 und Kap. ▶ 4

nicht blutende Wunden

Wundversorgung zweitrangig

Ein Patient mit einem Polytrauma muss immer an einen Überwachungsmonitor angeschlossen werden.

Pflegepraxis

Notfallmaßnahmen. Das Herz-Kreislauf-Monitoring muss unverzüglich erfolgen und sollte mindestens die Überwachung von EKG, Blutdruck und Pulsoxymetrie umfassen.

Das CT von Thorax und Abdomen lassen das Ausmaß der Verletzungen abschätzen. Bei Bewusstlosigkeit oder sonstiger neurologischer Symptomatik erfolgt zusätzlich ein Schädel-CT.

Pflegepraxis

Lagerung. Bis zur röntgenologischen Abklärung der gesamten Wirbelsäule ist jeder bewusstlose Patient so zu behandeln, als wenn eine Wirbelsäulenfraktur (Querschnittgefahr) vorliegen würde. Gerade beim Polytrauma werden Wirbelbrüche häufig übersehen.

Ausscheidung. Häufig ist das Legen eines transurethralen Blasenkatheters indiziert (z.B. bei kreislaufinstabilen, bei bewusstlosen Patienten oder bei Harnverhalt).

12.9.1.2 Phase 2: Notoperationsphase

Ziel in dieser Phase ist die operative Versorgung akut lebensbedrohlicher Verletzungen.

Die bisher genannten vorrangigen Maßnahmen sind erforderlich, um eine akute Lebensgefahr abzuwenden und sich anhand der Diagnostik über bestehende lebensbedrohliche Zustände zu orientieren. Seit Klinikaufnahme dürfte 1 Stunde vergangen sein. Optimalerweise hat sich die Schocksymptomatik verbessert, Blutkonserven sind gekreuzt und die Laborwerte liegen vor. Jetzt müssen dringliche operative Eingriffe durchgeführt werden.

Operatives Vorgehen Müssen mehrere Verletzungen operativ angegangen werden, so gibt es auch hier eine Behandlungsreihenfolge:

  1. Dringlichkeitsstufe: Verletzungen des Thorax

  2. Dringlichkeitsstufe: Verletzungen des Abdomens (intraabdominelle Blutung)

  3. Dringlichkeitsstufe: Verletzungen des Schädels (ZNS)

Andere Verletzungen sind weniger dringlich, sodass man ihre operative Versorgung einige Stunden aufschieben kann, z. B. Verletzungen der übrigen Viszeralorgane (z. B. Niere, Blase, Darm) sowie periphere Gefäßläsionen. Offene Frakturen sind zwar nicht lebensbedrohlich, haben wegen der schwerwiegenden Langzeitprobleme bei Infektion (Osteomyelitis) dennoch eine gewisse Dringlichkeit (Zeitlimit: 6 Stunden).

12.9.1.3 Phase 3: Stabilisierungsphase

Ziele in dieser Phase sind:

  1. Stabilisierung der vitalen Organfunktionen

  2. operative Versorgung nicht akut lebensbedrohlicher Verletzungen

Die Stabilisierungsphase schließt sich direkt an die Notoperationsphase an. Der Patient liegt auf der Intensivstation.

Die in dieser Phase durchzuführenden Maßnahmen umfassen

Pflegepraxis

Tetanusimpfung. Auf der Intensivstation sollten Sie nochmals überprüfen, ob der Patient im Schockraum gegen Tetanus geimpft worden ist.