15 Sedierende, den Geist (Shen) beruhigende Kräuter

15.1 Grundsätzliches

Die Kräuter dieser Gruppe haben die Funktion, ähnlich denen des  Kap. 16, überschießende Yang-Funktionen zu sedieren, abzusenken (lat. sedere = setzen). Hier wird in erster Linie der Herzfunktionskreis – Sitz des Geist-Shen – sediert, beruhigt. Übermäßige mentale, emotionale Erregung wird abgesenkt, geordnet.

Traditionell unterteilt die Chinesische Medizin diese Gruppe in 2 Untergruppen:

  1. Angst, Schreck niederdrückende und den Geist beruhigende Kräuter, also Kräuter, die aufsteigende Angst „deckeln“ und so Shen beruhigen. Diese Gruppe enthält im Wesentlichen schwere Mineralien und Metalle, die in diesem Kräuterbuch ausgespart bleiben, obwohl die europäische Heilmitteltradition durchaus die Verwendung von Mineralien und Metallen kannte.
  2. das Herz nährende und den Geist beruhigende Kräuter, also Kräuter, die Shen 神 verankern.

Es bestehen Überschneidungen mit  Kap. 16 (Leber befriedende Kräuter), auch deshalb weil die Leber einen starken Einfluss auf die Entstehung von Shen-Störungen hat.

Shen-Störungen, also Störungen des Geistes und der Seele, zeigen sich in Symptomen wie:

Puls und Zungenbefund differieren je nach Ätiologie.

15.1.1 Psyche und Soma in der Chinesischen Medizin

An dieser Stelle ist es angebracht, über die psychophysische Konzeption der chinesischen und – im Vergleich dazu – der griechisch-römischen Medizintheorie zu reflektieren, betrifft dies doch alle Wirkbeschreibungen und Indikationen, die die Psyche betreffen. (SEE 142ff.)

„Im Neijing gibt es keine systematische Abhandlung der Emotionen. Diese sind eingebunden in die Wandlungen der Jahreszeiten auf der Matrix der fünf inneren Funktionskreise Leber, Herz, Milz, Lunge, Nieren entsprechend den fünf Wandlungsphasen“ (WSC 63). Hinzu kommt, „dass das chinesische Verständnis von Emotionen nicht identisch ist mit unserer Definition von Psyche“ (OTS 160).

Der Begriff „Psyche“ stammt aus dem Altgriechischen ψυχή, psychḗ, und bedeutet ursprünglich Atem, Atem-Hauch und Seele. „Seine inhaltliche Prägung erfuhr unser Verständnis von Psyche durch 2000 Jahre Christentum. Geist und Seele sind mit der christlichen Vorstellung von ‚Sünde‘ und ‚Schuld‘ beladen. Diese Assoziation ergibt sich aus dem christlichen Gegensatz von Geist und Fleisch.“ (OTS ebd.) Folglich denken und empfinden wir Europäer in einem Psyche-Soma-Gegensatz. Im Chinesischen existiert weder für Psyche noch für Soma ein Begriff.

„Die Sieben Emotionen entstehen im Zuge der Auseinandersetzungen (Bewegungen, Aktivitäten) des seelisch-geistigen Erlebens (Qing Zhi 情志; wörtlich: Gefühl und Willen) im menschlichen Körper selbst (Renti Benshen), sie greifen direkt die Funktionen der Organe (Zang Fu) an, beeinflussen die Zirkulation von Qi und Blut; deswegen sieht die Chinesische Medizin in den Sieben Emotionen einen führenden inneren Krankheitsfaktor. Die Sieben Emotionen repräsentieren den durch jedwelchen äußeren Reiz konstituierten „psychischen“ Zustand des Menschen. Normalerweise führen diese äußeren Reize nicht zu krankhaften Äußerungen der Sieben Emotionen. Sollten die Reize aber zu stark oder langandauernd sein, oder wenn der Mensch sie nicht korrekt verarbeiten kann, können sie zu Krankheiten führen.“ (Hubei Zhonyi Xueyuan, zit. nach OTS 51, 161).

Damit wird deutlich, dass den Emotionen nicht derselbe Eigenwert zukommt wie in unserem westlichen Denken: „Emotionen werden in der chinesischen Sicht durch die Dinge der Außenwelt angeregt, dann führen sie zu Veränderungen der Organe, von Qi und Blut etc.; letztlich wird shen, die alles kontrollierende Funktion des Herzens, in diese Unruhe und Disharmonie einbezogen. Nur in dieser Funktion werden die Emotionen verstanden. Sie sind Krankheitsfaktoren, nicht die Erkrankung selbst.“ (OTS 162).

Vor diesem Hintergrund lässt sich auch verstehen, warum die Arzt-Patienten-Kommunikation innerhalb der Chinesischen Medizin in ihrem Herkunftsland sehr viel weniger auf der psycho-verbalen Ebene stattfindet. Der Behandler in China liest aus den Zeichen und Symbolen somatischer Beschwerden des Patienten, ob es sich um eine emotional bedingte Störung oder eine primär somatische Störung handelt. Klagt ein Patient zum Beispiel über „Völlegefühl unter dem rechten Rippenbogen“ und „Migräne“, so schließt der chinesische Behandler auf „Ärger“, drückt dies aber organbezogen als „Leber-Qi-Stagnation“ aus, eben weil die Hauptursache für dieses Syndrom emotionale Entgleisungen sind.

Dennoch sei hier angemerkt, dass – im Gegensatz zu oben Beschriebenem – Emotionen (e-motion = Herausbewegen) sehr wohl unabhängig von äußeren Reizungen entstehen können, z. B. aus Erfahrungen, Träumen, Bestrebungen (Zhi 志) oder Liebe.

In der Chinesischen Medizin wird die seelisch geistige Dimension im Herz (Xin) somatisiert, lokalisiert, fokussiert. So wie die Gefühlsregungen (Fünf Emotionen Wu Zhi 五志) in einem wechselseitigen Verhältnis zu den Organen stehen, finden sich auch die Fünf Wirkkräfte Wu Shen (Hun 魂, Shen 神, Yi 魄, Po 魄, Zhi 志) in wechselwirkendem Verhältnis zu den Organsystemen.

„Wenn allein von Shen 神 die Rede ist, also ohne den Kontext der fünf Yin-Organsysteme, so steht der Geist-Shen häufig im Zusammenhang einer allgemeinen Lebens- und Geisteskraft; er selbst stellt eine spezifische Verbindung zwischen Essenz (Jing 精) und Qì 气 dar. Shen wird damit zwar dem Herzen zugeordnet; doch durchflutet er den ganzen menschlichen Leib.“ (MES 151) Das Gehirn erhielt in der chinesischen Tradition erst durch Li Shizhens Formulierung, dass das Gehirn der Ort des ursprünglichen Shen sei, eine über die Funktion als außerordentliches Organ hinausgehende Bedeutung. (vgl. MES 202)

15.1.2 Psyche und Soma in der Humoralpathologie

Vergleichbare Ansätze vertrat die Humoralpathologie nach Galen (Galenos von Pergamon, 2. Jh. n. Chr., griechischer Arzt und Anatom): die Temperamente (Sanguiniker, Choleriker, Phlegmatiker, Melancholiker) spiegeln die unterschiedlichen Säftemischungen und Qualitäten der Elemente wider. Vermittelndes Agens von Körper zu Seele ist Pneuma (spiritus). Den Seelenkräften zugeordnet sind die wichtigsten Körperorgane: Spiritus animalis wird im Gehirn erzeugt, Spiritus vitalis im Herz und Spiritus naturalis in der Leber. Die Kraft oder das Lebensvermögen, welches die Seele aus sich heraus entwickelt, um die Funktionen zu erfüllen, ist die Facultas (lat. Möglichkeit, Fähigkeit, Vermögen). (HUM 43ff.)

Aus dem Blickwinkel der Humoralpathologie werden „Shen-Störungen“ folgendermaßen unterschieden:

15.1.3 Shen-Störungen in der Syndrom-Differenzierung

Geist-Shen, eingeordnet in die Wandlungsphase Feuer, wird an herausragender Stelle durch Hitze-Befunde beeinträchtigt.

Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen Fülle und Mangel.

Eine Beunruhigung des Shen, Ruhelosigkeit, kann sich in beiden Fällen zeigen. Ihr Charakter unterscheidet sich jedoch je nachdem, ob ihr eine Fülle oder Mangel zugrunde liegt. Fülle-Syndrome zeigen sich oft als Hitze, Schleim oder andere Blockaden.

Fülle-Syndrome

Schleim-Feuer erregt das Herz
Therapieprinzip

Cave

In seiner vollen Ausprägung erfordert dieses Syndrom psychiatrische Behandlung.

Loderndes Herz-Feuer
Hitze greift das Perikard an
Emporloderndes Leber-Feuer
Herz-Blut-Stase

Cave

Angina pectoris

Schleim-Kälte benebelt den Geist/Schleim staut das Herz-Yang
Schleim-Feuchtigkeit blockiert den Kopf

Mangel-Syndrome

Die struktiven Ressourcen haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Shen. Feuer (Herz) und Wasser (Nieren) befinden sich im Kreis der Fünf Wandlungsphasen auf einer Achse, der Achse der Aktualität. Somit stehen Zhi 志 (Wille) und Shen 神 (Geist) in einem engen Verhältnis, auf das die Yin-Reserven einen nachhaltigen Einfluss haben. Ist diese Reserve geschwächt, machen Patienten vordergründig einen relativ freudigen, lebendigen und humorvollen Eindruck. Im genauen diagnostischen Blick entpuppt sich dies als überschießende, wenig verankerte Aktivität, also als Überdrehtheit mit zu häufigem Lachen unter der subjektiven Devise „Hauptsache gut drauf“. Demgegenüber verbreiten Patienten mit Herz-Blut-Leere zwar auch eine hektische Freude, grübeln aber mehr und sind müder als Yin-Leere-Patienten.

Herz-Yin-Mangel
Herz-Blut-Mangel
Herz und Niere harmonieren nicht
Mangel-Syndrome der aktiven Energie

Herz-Yang-Mangel

Herz- und Gallenblasen-Qi-Mangel

Neben der oben erwähnten Achse der Aktualität (Shen-Geist 神 und Zhi-Wille 志), also der Achse von Emotionalität und Rationalität, ist auch die Achse der Potenzialität, also Po 魂 (Trauer, Schuld, Dazugehören, Herde) und Hun 魂 (Ärger, Aggression, Zorn, Autonomie), zu betrachten und gegebenenfalls in der Rezeptur zu beachten.

Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die energetische Ausbalancierung zwar den Individuen Kraftpotenziale zur Verfügung stellt, die von diesen auch dazu genutzt werden können, reale Probleme zu ertragen, dies aber oft alleine nicht ausreicht. So kann z. B. ein wirklich schlechter, Konflikt beladener Arbeitsplatz auf Dauer nicht durch eine noch so gute Rezeptur kompensiert werden. Die Lösung der zugrunde liegenden Konflikte ist immer die beste (z. B. einen angemessenen Arbeitsplatz finden).

Zur nachhaltigen Therapie von Shen-Störungen sind weitere Pathomechanismen zu eruieren und bei der Zusammenstellung von Rezepturen zu berücksichtigen:

(POR 1978: 288f.; POR 1984: 248f.; GRE 2009: 9f., 60, 217f.; HUM 245f.; GRE 2004: 145f., 181f., 385f.; PLA 1f.; FOL 1603f.)

Auch wenn alle Kräuter Shen beeinflussen, gibt es doch einige, die dies in besonderem Maße bewerkstelligen. Diese sind im Folgenden aufgeführt.

15.2 Kräuter

15.2.1 Eschscholzia california

Siehe  Abb. 15.1 und  Tab. 15.1.

Tab. 15.1 Monografie Eschscholzia california.

Name (lat.) Name (dt.) Temperatur Geschmack Organbezug Tagesdosis
Eschscholzia california, herb. Kalifornischer Mohn, Kraut kühl leicht bitter He, Le 1–5 g getr. Droge für Infus; 10–60 Tr. Tinktur
Wirkbeschreibung Indikationen
Shen absenkend, beruhigend Schlafstörungen Ängste Palpitationen
Leber-Yang absenkend Übererregtheit leichte Hypertonie, Kopfschmerzen Enuresis nocturna
Qi bewegend Schmerzen, Zahnschmerzen, Kopfschmerzen Krämpfe, Koliken, Menstruationskrämpfe Muskelschmerzen
LEX, RÄT (1998), MTD 345f., HOL 844f., FBR 252f.; WAG 234, HOM 211
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Abb. 15.1 Eschscholzia california.

Allgemeine Bemerkungen gutes symptomatisches Schlafmittel; angstlösend

Cave

Schwangerschaft

15.2.2 Hypericum perfoliatum

Siehe  Abb. 15.2 und  Tab. 15.2.

Tab. 15.2 Monografie Hypericum perfoliatum.

Name (lat.) Name (dt.) Temperatur Geschmack Organbezug Tagesdosis
Hypericum perfoliatum, herb. Johanniskraut warm leicht bitter, süß, adstringierend He, Le, Bl, Lu, Ni 1–8 g getr. Droge für Infus; 10–60–120 Tr. Tinktur
Wirkbeschreibung Indikationen
Shen harmonisierend, Herz-Qi bewegend und stärkend Melancholie, Depression, nervöse Erschöpfung, klimakterische Beschwerden
Schock, Angstzustände, Schlafstörungen, Bettnässen
Leber-Qi bewegend, Inneren Wind beruhigend, Hun besänftigend Kopfschmerzen, Migräne, Trigeminusneuralgie
Störungen der Gallesekretion, Miktionsstörung, Magen-Darm-Koliken; Dysmenorrhöe
Apoplexie
Blut bewegend („resolviert geronnenes Blut“) Verletzungen, stumpfe Traumen; Hämorrhagien
Wind-Feuchtigkeit und Schleim ableitend Verschleimung des Atmungstraktes
Bronchitis, Kurzatmigkeit, dünner weißer Schleim
Muskelschmerzen und Verspannungen, Rheuma
adstringierend Diarrhöe, Enteritis, uterine Blutungen
Bettnässen, chron. Zystitis
Wind-Feuchtigkeit trocknend und Hitze klärend Hauterkrankungen (Ekzeme, Dermatitis); Zystitis; Enteritis; Kinderkrankheiten; virale Infekte, mit Hautbeteiligung (Röteln, Windpocken; Kribbeln, Brennen, Schmerzen der Haut)
Qi und Blut bewegend lokale Anwendung: Verletzungen, stumpfe Traumen, Prellungen, Neuralgien, Muskelschmerzen und Verspannungen
HUM 176, SCH 944f., LON 292f., LEX, RÄT (1998), MTD 183f., HOL 565f., FBR 309f.; WAG 413f., HOM 264f., ROS, Positivmonografien Kommission E, ESCOP, WHO
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Abb. 15.2 Hypericum perfoliatum.

missing link Nebenwirkungen

fotosensibilisierend, MAO-Hemmung

missing link Wechselwirkungen

mit einer Reihe Psychopharmaka

Allgemeine Bemerkungen

15.2.3 Veronica officinalis

Siehe  Abb. 15.3 und  Tab. 15.3.

Tab. 15.3 Monografie Veronica officinalis.

Name (lat.) Name (dt.) Temperatur Geschmack Organbezug Tagesdosis
Veronica officinalis, herb. Ehrenpreis, Kraut neutralwarm aromatisch, adstringierend, bitter, (süß) He, Ga, Lu, Mi, Ma, (Bl) 1–9 g getr. Droge für Infus; 10–30–90–120 Tr. Tinktur
Wirkbeschreibung Indikationen
Gallen- und Herz-Qi stärkend („macht freudig, kühn, ruhigen Sinnes; gibt Mut und Entschlusskraft, erleichtert die Zunge“) Furchtsamkeit, Schüchternheit, Mutlosigkeit, Sorgen, Melancholie, angstvolle Palpitationen
Lungen-Qi stärkend und Oberfläche regulierend Infektionsprophylaxe Atemnot, „Schwachbrüstigkeit“
Milz-Qi stärkend („macht mager und verzehrt alle böse Feuchte“) Verdauungsstörungen
Appetitlosigkeit
Gedächtnisschwäche
Schleim und Feuchtigkeit umwandelnd und beseitigend Bronchitiden mit viel Schleim, Asthma, Husten, Keuchatmung
Arteriosklerose, Cholelithiasis, Gallen- und Nierengrieß
Lymphknotenschwellungen
Wind (und Feuchtigkeit) aus Haut und Gelenken ableitend rheumat. Erkrankungen; Gicht; Altersjucken Hauterkrankungen, juckende Ekzeme
HUM 219, SCH 1091f., LON 179f., LEX, FBR 566f., GAR 218, TAB; MON 488f., HOM 310, MAD 2802f., UJH 583f.
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Abb. 15.3 Veronica officinalis.

Allgemeine Bemerkungen wichtiges Shen-Kraut, der „deutsche Ginseng“; (Veronica virginica = Leptandra: andere Energetik, kühlt v. a. Feuchte-Hitze)

15.2.4 Valeriana officinalis

Siehe  Abb. 15.4 und  Tab. 15.4.

Tab. 15.4 Monografie Valeriana officinalis.

Name (lat.) Name (dt.) Temperatur Geschmack Organbezug Tagesdosis
Valeriana officinalis, rad. Baldrian, Wurzel neutral bitter, süß, aromatisch, scharf He, Le, Lu, Ma, Därme 1–9 g getr. Droge für Infus; 10–60–150 Tr. Tinktur
Wirkbeschreibung Indikationen
Shen beruhigend Hypertonie, Nervenschwäche, Panikattacken
Schlaflosigkeit, nervöse Herzleiden
Unruhezustände, Angstzustände
Leber-Yang besänftigend, Leber-Wind sedierend Kopfschmerzen, Migräne
Epilepsie, Konvulsionen, Krämpfe
Gesichtslähmung
Qi bewegend Spasmen, Schmerzen
Keuchhusten, Asthma
Darmkoliken, Reizdarm
Magenkrämpfe, Gastritis
diuretisch Ödeme, Aszites
Steinleiden
Bettnässen
leicht Yin und Blut stärkend Hitzewallungen
Augenstörungen
Palpitationen, Magen-Darm-Ulzera
Knochenbrüche, Wundheilungsstörung
HUM 218, SCH 1087f., LON 286f., LEX, FBR 558f., GAR 214f., TAB; MON 480f., HOM 513, MAD 2770f., TIB 363f., HOL 522f., AYU 524f., FOS 209; LBF 58, Positivmonografien Kommission E, ESCOP, WHO
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Abb. 15.4 Valeriana officinalis.

Allgemeine Bemerkungen Leicht Yin und Blut stärkend, somit gut für Leere-Hitze, kann aber bei exzessivem Gebrauch Hitze erzeugen und Cannabis-ähnliche Wirkungen haben; evtl. paradoxe Wirkung z. B. bei Schilddrüsenerkrankungen

15.2.5 Melissa officinalis

Siehe  Abb. 15.5 und  Tab. 15.5.

Tab. 15.5 Monografie Melissa officinalis.

Name (lat.) Name (dt.) Temperatur Geschmack Organbezug Tagesdosis
Melissa officinalis, fol. Melisse, Blätter neutralwarm sauer, aromatisch, leicht bitter He, Pe, Lu, Le, Ma 1–10 g getr. Droge für Infus; 10–60–90 Tr. Tinktur
Wirkbeschreibung Indikationen
Shen und Hun beruhigend, blockierten Shen bewegend, Herz-Qi stärkend Schlafstörungen, Gedächtnisstörungen, Neurasthenie,
Hysterie, Melancholie, Traurigkeit, Hypochondrie,
Phobien, Tinnitus
Palpitationen, Müdigkeit
leicht Herz- und Leber-Blut stärkend Anämie, Chlorose, Schwindel, Ohnmacht, Vertigo,
Hitzewallungen, graue Haare, „schwache Augen“
Qi bewegend und regulierend Krämpfe in Magen, Bauch und Herz,
Blähungen, Koliken, nervöse Magen-Darm-Störungen
Gastritis, Brechreiz, Mundgeruch
Blähungen, Dyspepsie
Dysmenorrhöe, unruhige Mutter
Wind-Hitze ausleitend Asthma, chronische Bronchitis
Herpes
HUM 186, SCH 973f., LON 260f., LEX, FBR 363f., GAR 138f., TAB; MON 286f., MAD 1866f., MTD 137f., TSF 362f., KÖL 219f., WILL 354f., ZIZ 301f., Positivmonografien Kommission E, ESCOP, WHO
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Abb. 15.5 Melissa officinalis.

Allgemeine Bemerkungen synergistisch mit hochprozentigem Alkohol im Melissengeist zur Erfreuung älterer Menschen

15.2.6 Viola odorata

Siehe  Abb. 15.6 und  Tab. 15.6.

Tab. 15.6 Monografie Viola odorata.

Name (lat.) Name (dt.) Temperatur Geschmack Organbezug Tagesdosis
Viola odorata, herb., flor., rad. Veilchen, Kraut/Blüten/Wurzel kühl aromatisch, süß, wässerig, etwas scharf Lu, He, Pe, Le 1–5 g getr. Droge für Infus; 10–30–90–120 Tr. Tinktur/extr. fluid.
Wirkbeschreibung Indikationen
Lungen-Hitze klärend, Hitze-Schleim ausleitend Husten mit gelbem Auswurf, Sinusitis; Fieber; Laryngitis raue Kehle, Halsschmerzen
trockenen Schleim befeuchtend, Lungen-Yin stärkend, Leere-Hitze kühlend chronischer Husten; trockener Husten, Husten mit zähem Sputum; trockener Mund und Rachen, Durst
toxische Hitze kühlend Geschwüre, Geschwulst Furunkel, Karbunkel Akne
Hitze (-Schleim) im Herz kühlend Geistesverwirrung, Schlaflosigkeit, Unruhe, Fieber schwaches Herz (Palpitationen) erregten Shen beruhigend
Inneren Wind besänftigend Epilepsie Hypertonie
HUM 220, SCH 1094f., LON 395f., LEX, TAC 144, FBR 568f., GAR 219f., MAD 2821f., KÖL 311f., WILL 484f., AYU 534f.
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Abb. 15.6 Viola odorata.

Allgemeine Bemerkungen Kühlendes Shen-Kraut. Zur Behandlung von Lungen-Hitze oder Hitze-Schleim ist die Wurzel geeigneter, für Herz- oder Shen-Indikationen sind Kraut oder Blüten einzusetzen.

15.2.7 Anemone pulsatilla

Siehe  Tab. 15.7.

Tab. 15.7 Monografie Anemone pulsatilla.

Name (lat.) Name (dt.) Temperatur Geschmack Organbezug Tagesdosis
Anemone puls., herb. Küchenschelle/Kuhschelle, Kraut kalt bitter He, Ni 0,36–0,9 g getr. Droge, 0,5–3ml Tinktur (1 : 10)
Wirkbeschreibung Indikationen
Leere-Hitze im Herz klärend, Shen beruhigend Ruhelosigkeit mit Hitze-Empfindungen; Hitzewallungen, Schlaflosigkeit, Hyperaktivität; Reizüberflutung, Ängstlichkeit, Panikattacken
Qi der Leber und Niere regulierend und bewegend, Blut bewegend Störungen der Menstruation (Dysmenorrhöe); Kopfschmerzen, Asthma, Brustenge, im Zusammenhang mit Angst/Schock; sich ausgeliefert fühlen/innerlich unter Druck stehen, durch extreme Ansprüche an sich selbst; Angst zu versagen/die Kontrolle zu verlieren
ROS, HOM 416f., GAR 164f., HOL 593f., MAD 2242f., SCH 1029, MTD 179f., SPA 83, UJH 490f.

Allgemeine Bemerkungen Die Pflanze ist sehr giftig und daher verschreibungspflichtig. Sie enthält in allen Teilen bis zu 0,1 % Protoanemonin, das bei innerer Aufnahme zu Erbrechen, Durchfall und Schwindelanfällen, aber auch zu Krämpfen und Lähmungserscheinungen führen kann. Beim Trocknen der Pflanze wird Protoanemonin in das ungiftige Anemonin überführt.

Die berühmte homöopathische Pulsatilla wird aus der frischen Pflanze hergestellt.

missing link Kontraindikationen

Schwangerschaft

15.2.8 Weitere sedierende Kräuter

Abschließend sei auf eine Auswahl von Kräutern verwiesen, die in anderen Kapiteln stehen, aber wichtig sind, um den Geist auszubalancieren, die einen besonders ausgeprägten Shen-Bezug haben:

15.3 Rezepturen

15.3.1 Ängstliche Lethargie (Herz- und Gallenblasen-Qi-Mangel)

Siehe  Tab. 15.8.

Tab. 15.8 Rezeptur Ängstliche Lethargie.

Kräuter Menge Temperatur Geschmack Wirkung in der Rezeptur
Veronica off., herb.. 30 ml neutralwarm aromatisch, adstringierend, bitter, (süß) gibt Mut und Entschlusskraft
Leonurus cardiaca 20 ml neutral bitter, leicht würzig-scharf, adstringierend bewegt und stärkt das Herz-Qi, Shen beruhigend
Eleutherococcus sent., rad.. 20 ml warm süß, scharf, bitter stärkt Qi und Yang von Herz und Niere
Centella asiat., herb. 20 ml kühl bitter, süßlich, etwas scharf stärkt Qi, Jing und Shen
Cinchona, cort. 10 ml kühl bitter stärkt Herz und Milz, über die Mitte leicht Blut stärkend

Dosierung 3 × 30 Tr. tgl.

Symptome und Befunde

Syndrom Herz- und Gallen-Qi-Mangel

Therapieprinzip

15.3.2 Depressionen und Verwirrtheit (Schleim-Kälte benebelt den Geist/Schleim staut das Herz-Yang)

Siehe  Tab. 15.9.

Tab. 15.9 Rezeptur Depressionen und Verwirrtheit.

Kräuter Menge Temperatur Geschmack Wirkung in der Rezeptur
Ruta graveolens, herb. 30 ml warm aromatisch, adstringierend, bitter, (süß) bewegt Blut, zerteilt Schleim, Wahnsinn bessernd
Acorus calamus, rhiz. 20 ml warm bitter, leicht würzig-scharf, adstringierend zerstreut Schleim, öffnet die Sinne, stärkt die Mitte
Eleutherococcus sent., rad. 20 ml warm süß, scharf, bitter stärkt Qi und Yang von Herz und Niere
Hypericum perf., herb. 20 ml warm leicht bitter, süß, adstringierend Shen harmonisierend, Hun besänftigend, bewegend
Convallaria, herb. 10 ml neutral bitter, scharf, süß stärkt Herz und Niere, bewegt Blut und Qi

Dosierung 3 × 30 Tr. tgl.

Symptome und Befunde

Syndrom Schleim staut das Herz-Yang.

Therapieprinzip

15.3.3 Ruhelos, getrieben mit psychotischen Tendenzen, Herzklopfen (Herz-Feuer, etwas Schleim-Hitze im Herz)

Siehe  Tab. 15.10.

Tab. 15.10 Rezeptur Ruhelos, getrieben mit psychotischen Tendenzen, Herzklopfen.

Kräuter Menge Temperatur Geschmack Wirkung in der Rezeptur
Polygonum bist., rhiz. 27 ml kalt sauer, adstringierend, leicht bitter kühlt Hitze, klärt Feuchte-Hitze, schützt das Herz vor Hitze
Viola odorata, herb. 20 ml kühl süß, sauer, (bitter) Herzporen von Schleim-Hitze befreiend, kühlend
Asperula odorata, herb. 20 ml kühl würzig, bitter, leicht scharf, (herb-adstringierend) bewegt Blut und Qi, sedierend, kühlend
Rheum palm., rhiz. 15 ml kühl-kalt bitter, sauer leitet Hitze über den Darm aus
Taraxacum off., rad. 15 ml kühl bitter kühlt, leitet Hitze über den Urin aus
Helleborus niger, rad. 3 ml warm sehr bitter, scharf Wahnsinn besänftigend Cave: toxisch

Dosierung 3 × 30 Tr. tgl.

Symptome und Befunde

Syndrom Loderndes Herz-Feuer

Therapieprinzip

15.3.4 Bipolare Störung (Herz-Blut-Mangel)

Siehe  Tab. 15.11.

Tab. 15.11 Rezeptur Bipolare Störung.

Kräuter Menge Temperatur Geschmack Wirkung in der Rezeptur
Hypericum perf., herb. 20 ml warm leicht bitter, süß, adstringierend Shen harmonisierend, Hun besänftigend, bewegend
Valeriana off., rad. 20 ml etwas warm bitter, süß, aromatisch, scharf Shen beruhigend, Leber-Yang absenkend, Struktivität stärkend
Melissa off., fol. 15 ml neutral warm sauer, aromatisch, leicht bitter Shen und Hun beruhigend, Blut stärkend und erfrischend
Ruta graveolens, herb. 15 ml warm bitter, aromatisch scharf bewegend, dynamisierend; Wahnsinn besänftigend
Tribulus terrestris, fruct. 15 ml neutral bitter, scharf, süß Leber-Yang absenkend, Wind beruhigend
Avena sativa Urtinktur 10 ml neutral fade, süßlich, neutral stärkt Herz-Blut
Helleborus niger, rad. 5 ml warm sehr bitter, scharf Wahnsinn besänftigend Cave: toxisch

Dosierung 4 × 30 Tr. tgl.

missing link Beachte: Zu Yin- und Blut-Aufbau sind unbedingt diätetische Maßnahmen zur Unterstützung zu verordnen.

Symptome und Befunde

Syndrom Herz-Blut-Mangel, aufsteigendes Leber-Yang

Therapieprinzip