34.5.1.2 Ursachen

Mechanischer Ileus Hierbei liegt ein Hindernis vor, das den Weitertransport von Darminhalt blockiert ( ▶ Abb. 34.25). Ursachen können sein:

Beispiele für mechanischen Ileus.

Abb. 34.25 a Hernieninkarzeration (Einklemmung), b Invagination (Einstülpung), c Strangulation (durch Verwachsungen), d Volvulus (Verschlingung), e Tumorstenose, f Gallensteine, die sich im Dünndarm festgesetzt haben.

Beispiele für mechanischen Ileus.

Paralytischer Ileus Hier liegt eine Darmlähmung vor. Die Ursachen können reflektorisch, toxisch oder metabolisch sein:

Fallbeispiel

Monika Fischer, 43 Jahre alt, leidet seit ihrem 28. Lebensjahr an rezidivierenden Ovarialzysten. Seitdem ist sie bereits sechsmal laparoskopiert worden. Vor zwei Tagen hat sie eine Einladung zum Essen abgelehnt, ihr war übel und Blähungen plagten sie. Heute Morgen sind nun noch heftige, krampfartige Bauchschmerzen hinzugekommen, nach dem Frühstück hat sie erbrochen. Ihr Bauch ist bretthart und aufgetrieben, eine Hose mag sie gar nicht tragen, sogar der Druck des Hosenbundes löst Schmerzen aus. Ihr Ehemann beobachtet, dass seine Frau sehr blass und kaltschweißig ist. Er überredet sie und bringt sie in die Notfallambulanz des nächstgelegenen Krankenhauses.

34.5.1.3 Symptome

Gemeinsame Symptome sind:

Durch die gestörte Rückresorption von elektrolythaltigen Verdauungssäften verbleibt viel Flüssigkeit im Darm. Daraus entwickelt sich schnell ein Volumenmangelschock.

Mechanischer Ileus Aufgrund der übermäßigen Peristaltik kommt es zu krampfartigen Schmerzen mit Abwehrspannung. Bei der Auskultation (Abhören) sind sog. „klingende“, laute Darmgeräusche zu hören. Sie werden schwächer, je mehr die Darmmuskulatur ermüdet (= sekundäre Darmparalyse). Engt ein Darmtumor das Darmlumen langsam ein, können sich schleichend Symptome entwickeln; dieser Zustand wird als Subileus bezeichnet. Bei einem hohen mechanischen Ileus (im Dünndarm) kann normaler Stuhlgang abgesetzt werden, allerdings kann frühzeitig voluminöses Erbrechen beobachtet werden.

Paralytischer Ileus Der Patient klagt über ein druckempfindliches Abdomen. Aufgrund der Darmlähmung sind bei der Auskultation keinerlei Darmgeräusche hörbar („sog. Grabesstille“).

34.5.1.4 Diagnostik

Häufig kann die Diagnose schon aufgrund der Anamnese und des klinischen Befundes gestellt werden. Weitere Untersuchungsmethoden zur Abklärung des Ileus sind:

34.5.1.5 Komplikationen

Der Druck im Darm kann auf das über 100-Fache des Normaldrucks ansteigen, wenn der Stau durch Stuhl, Nahrungsbrei und Darmgase im Zusammenhang mit einem Abflusshindernis zunimmt. Dieser Druckanstieg führt zu einer Kompression der Blutgefäße; der Darm wird nicht mehr richtig durchblutet. Dies führt zu einer Zellschädigung und im Extremfall zur Nekrose des Darmes. Bei bereits vorliegender Nekrose besteht Perforationsgefahr. Die Darmbakterien und die durch Zersetzung von Darminhalt entstehenden Toxine können durch den hohen Innendruck die Darmwand durchwandern und zu einer Peritonitis, bei weiterer Verbreitung zu einer Sepsis führen. Die gestörte Resorptionsfähigkeit des Darmes kann einen Flüssigkeits- und Elektrolytverlust bis hin zum Volumenmangelschock verursachen.

34.5.1.6 Therapie

Mechanischer Ileus Um die Darmpassage wiederherzustellen, wird operativ vorgegangen. Je nach Ursache werden Verwachsungen oder Narbenstränge gelöst oder Fremdkörper entfernt. Reicht dies nicht aus, wird ein Darmabschnitt entfernt (Resektion) oder ein Bypass gelegt. Eine Infusionstherapie in der prä- und postoperativen Phase dient dem Flüssigkeits- und Elektrolytersatz.

Paralytischer Ileus Hier steht eine konservative Therapie im Vordergrund. Der Patient erhält intravenös peristaltikstimulierende Medikamente, z. B. Neostigmin. Er muss Nahrungskarenz einhalten; zum Absaugen des gestauten Sekrets wird eine Magen- oder Duodenalsonde gelegt. Zum Ausgleich des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts erhält der Patient Infusionen über einen zentralen Venenkatheter. Wurde der paralytische Ileus durch einen Mesenterialinfarkt oder eine Peritonitis verursacht, muss auch hier operiert werden.

Praxistipp

Das Einlegen eines Darmrohres kann das Lösen von Blähungen erleichtern. Eine noch effektivere Peristaltikanregung ist durch Schwenkeinläufe zu erreichen (nach Arztanordnung!).

34.5.2 Pflege- und Behandlungsplan

Patienten mit einem Ileus werden oft als Notfall vom Hausarzt in die Klinik eingewiesen. Die Symptome werden meist als bedrohlich erlebt. Entsprechend der Therapie ergeben sich für die Pflege neben der Unterstützung bei den ATL folgende Schwerpunkte.

Erstversorgung bis zur endgültigen Diagnose Bis zur endgültigen Diagnoseklärung sind folgende Richtlinien einzuhalten und Maßnahmen durchzuführen:

Merke

Bis zur endgültigen Abklärung der Diagnose dürfen keine Laxanzien, Einläufe oder peristaltikanregenden Medikamente verabreicht werden. Bei einem mechanischen Ileus könnte dieses Vorgehen zu einer Darmperforation führen.

Der Patient ist durch seine Erkrankung in seiner Selbstständigkeit stark eingeschränkt. Alle notwendigen Prophylaxen werden durchgeführt, insbesondere Dekubitus-, Pneumonie- und Thromboseprophylaxe. Bei Koterbrechen (Miserere) ist neben der einfühlsamen Betreuung eine sorgfältige Mundpflege angezeigt, evtl. mit desinfizierenden Lösungen.

Praxistipp

Eine bauchdeckenentspannende Lagerung (mit angewinkelten Beinen) lindert die Schmerzen. Ist die Diagnose gesichert, werden zusätzlich ärztlich verordnete Schmerzmittel verabreicht.

Zur Operation vorbereiten Dies erfolgt nach den ▶ allgemeinen Richtlinien unter Berücksichtigung der Schwerpunkte bei geplanten Darmoperationen. Die Rasur erfolgt von den Mamillen bis zu den Leisten, einschließlich der Schambehaarung.

Postoperative Pflege Sie richtet sich nach den ▶ allgemeinen Richtlinien und der Art der durchgeführten Operation.

34.6 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Dickdarms

34.6.1 Medizinischer Überblick Divertikulose und Divertikulitis

34.6.1.1 Definition

Divertikel sind sackförmige Ausstülpungen der Dickdarmschleimhaut durch die Ringmuskulatur des Dickdarms. Treten sie gehäuft auf, wird von einer Divertikulose gesprochen. Eine Divertikulitis liegt vor, wenn Divertikel sich entzündlich verändern.

34.6.1.2 Ursachen

Erworbene Divertikel treten an Gefäßlücken der muskulären Darmwand auf, denn dort zeigt die Darmwand eine schwächere Struktur. Hoher Innendruck im Dickdarm, z. B. durch chronische Obstipation und Kotstau bei ballaststoffarmer Ernährung und Bewegungsmangel, fördert die Entstehung ( ▶ Abb. 34.27). Bei angeborenen Divertikeln stülpt sich die gesamte Darmwand aus.

Die Leeraufnahme im Stehen zeigt typische horizontale Spiegelbildungen und stehende (luftgefüllte) Darmschlingen.

Abb. 34.26 

Die Leeraufnahme im Stehen zeigt typische horizontale Spiegelbildungen und stehende (luftgefüllte) Darmschlingen.

Divertikulose.

Abb. 34.27 a Entstehung von Dickdarmdivertikeln, b Dickdarm im Querschnitt mit Divertikelgängen, c entzündete Divertikel.

Divertikulose.

Fallbeispiel

Frau Heine ist 78 Jahre alt, seit Jahren leidet sie an Verstopfung. Seit langem nimmt sie täglich Abführmittel. Trotzdem ist ihr Stuhl immer sehr hart und trocken. Seit gestern jedoch leidet sie an Durchfällen, obwohl sie die Dosierung des Abführmittels nicht erhöht hat. Jeder Toilettengang wird von starken linksseitigen Unterbauchschmerzen begleitet. Frau Heine hat ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl und Fieber. Sie fühlt sich nicht in der Lage, ihren Arzt aufzusuchen, und bittet ihn telefonisch um einen Hausbesuch.

34.6.1.3 Symptome

Die Divertikulose macht zu ca. 80% keine Beschwerden. Erst beim Auftreten von Komplikationen, z. B. einer Divertikulitis, treten starke Unterbauchschmerzen (oft linksseitig, da dies die bevorzugte Lokalisation des Colon sigmoideum ist), Fieber und Diarrhö auf. Da die Symptome denen einer akuten Appendizitis ähneln, jedoch linksseitig lokalisiert sind, spricht man auch von einer „Linksappendizitis“. Oftmals liegt eine habituelle Obstipation mit Schleimabgängen und schafskotähnlichen Stühlen vor.

34.6.1.4 Diagnostik

Die Diagnose „Divertikulose“ wird oft als Zufallsbefund nach einer Koloskopie oder Magen-Darm-Passage gestellt. Eine Divertikulitis wird durch Klinik, Entzündungszeichen im Labor (Leukozytose, BSG-Beschleunigung und CRP-Erhöhung) und sonografisch (Verdickungen der Kolonwand) diagnostiziert. Zur Vermeidung einer Perforation durch invasive Diagnostik wird bei akuter Divertikulitis ein MRT oder CT durchgeführt.

34.6.1.5 Komplikationen

Bei rezidivierenden Divertikulitiden kommt es zur Narbenbildung und damit zur Schrumpfung des betroffenen Darmabschnitts. Daraus kann sich eine Stenose entwickeln, die wiederum einen mechanischen Ileus verursachen kann. Perforation, Fistelbildung und Blutung sind weitere mögliche Komplikationen.

34.6.1.6 Therapie

Eine symptomlose Divertikulose wird konservativ behandelt. Zur Vorbeugung gegen eine Obstipation wird Folgendes empfohlen:

Liegt eine Divertikulitis vor, sollte der Darm geschont werden. Folgende Therapiemaßnahmen sind angezeigt:

Bleibt die konservative Therapie erfolglos oder treten häufig Rezidive oder Komplikationen auf, wird eine Operation durchgeführt.

Operative Therapie Wenn möglich, wird der divertikeltragende Darmabschnitt kontinenzerhaltend entfernt, d. h., der Schließmuskelapparat bleibt erhalten. Liegt eine akute Entzündung oder Perforation mit Peritonitis vor, erfolgt die Operation in zwei Sitzungen („Diskontinuitätsresektion des Kolons nach Hartmann“, ▶ Abb. 34.28).

Diskontinuitätsresektion.

Abb. 34.28 Liegt eine akute Entzündung, Perforation oder Peritonitis vor, wird beim 1. Eingriff der erkrankte Darmabschnitt entfernt und ein Enterostoma angelegt. Die Anastomosierung der Darmabschnitte erfolgt einige Wochen bis Monate später.

Diskontinuitätsresektion.

Praxistipp

Patienten mit Divertikulose sollten ihre Ernährungsgewohnheiten der Krankheit anpassen. Das Wichtigste ist die Vorbeugung gegen eine Obstipation durch eine ballaststoffreiche Ernährung, ausreichender Flüssigkeitszufuhr und Bewegung.

34.6.2 Pflege- und Behandlungsplan

Hauptaufgabe der Pflegenden ist die Ernährungsberatung. Eventuell ist es sinnvoll, eine Diätassistentin hinzuzuziehen, die mit dem Patienten einen individuellen Ernährungsplan erarbeitet. Ist zur Entlastung des Darmes Nahrungskarenz angeordnet und die Ernährung erfolgt ausschließlich parenteral, wird von den Pflegenden eine sorgfältige Soor- und Parotitisprophylaxe durchgeführt. Krampfartige Bauchschmerzen können durch bauchdeckenentspannende Positionen/Lagerungen gelindert werden.

Merke

Abführmittel, die zur Peristaltikanregung führen, und Einläufe sind kontraindiziert. Es droht Perforationsgefahr!

34.6.3 Medizinischer Überblick Dickdarmpolypen

34.6.3.1 Definition

Dickdarmpolypen sind von der Darmschleimhaut ausgehende Tumoren, meist Adenome. Bei mehr als 100 Polypen wird von einer Polyposis gesprochen. Eine seltene Erbkrankheit ist die „familiäre adenomatöse Polyposis“ (FAP) mit häufiger maligner Entartung.

34.6.3.2 Ursache

Dickdarmpolypen treten am häufigsten in Ländern mit einem hohen Lebensstandard auf, in denen sich die Menschen häufig mit viel Fleisch, Fett und wenig Ballaststoffen ernähren. Aus diesen Umständen kann ein Zusammenhang zwischen Ernährungsgewohnheiten und der Entstehung von Dickdarmpolypen geschlossen werden. Alkoholabusus ist ein weiterer Risikofaktor.

34.6.3.3 Symptome

Kleine Dickdarmpolypen verursachen keine Symptome und werden eher zufällig entdeckt. Erosionen an der Oberfläche großer Polypen können zu Blutungen führen, die je nach Größe unterschiedlich stark sind. Große Polypen können folgende Symptome verursachen:

34.6.3.4 Diagnostik

Die totale Koloskopie ist die Untersuchungsmethode der Wahl. Ein Hämoccult-Test gibt Aufschluss über versteckte Blutungen.

34.6.3.5 Therapie

Polypen müssen komplett entfernt werden, weil immer auch ein Risiko der malignen Entartung besteht. Wurde ein Polyp entdeckt, muss im gesamten Kolon nach weiteren Polypen gesucht werden. Polypen von über 5 mm Größe sollten immer vollständig reseziert werden. Die Polypektomie (Entfernung der Polypen) erfolgt endoskopisch im Rahmen einer ▶ Koloskopie durch Abtragen mit einer Schlinge; größere Polypen u. U. in mehreren Portionen (Greten 2010). Größere Polypen bedürfen i.d.R. einer chirurgischen Resektion. Die entfernten Polypen werden histologisch untersucht. Das Untersuchungsergebnis bestimmt die Häufigkeit der Kontrollendoskopien, denn es besteht das Risiko erneuter Polypenbildung oder der malignen Entartung ( ▶ Abb. 34.29). Bei Patienten mit einer genetisch bedingten familiären adenomatösen Polyposis (FAP) ist eine Kolektomie indiziert, da immer mit einer malignen Entartung gerechnet werden muss.

Polypektomie.

Abb. 34.29 Im operativ entfernten und aufgeschnittenen Kolonabschnitt sieht man unzählige kleine Polypen, von denen einer zu einem großen Karzinom entartet ist (Pfeil).

Polypektomie.

34.6.4 Pflege- und Behandlungsplan

Eine Koloskopie ist für den Patienten eine unangenehme Untersuchung. Oft hat er Angst, weil er nicht weiß, was auf ihn zukommt. Eine mitfühlende Betreuung steht an erster Stelle. Wurden viele und große Polypen entfernt, sollte der Patient zur Beobachtung eine Nacht im Krankenhaus bleiben.

Polypektomie vorbereiten Eine vollständige Darmreinigung als vorbereitende Maßnahme ist von großer Bedeutung. Sie vermindert die Gefahr, Polypen zu übersehen. Vor dem Eingriff werden die Gerinnungswerte bestimmt.

Nach der Polypektomie beraten Während der ersten vier Tage nach dem Eingriff besteht erhöhte Nachblutungsgefahr. Der Patient sollte Folgendes beachten:

Praxistipp

Zur Prophylaxe von Dickdarmpolypen ist ballaststoffreiche und ausgewogene Ernährung mit dem Verzehr von frischem Obst und Gemüse zu bevorzugen.

34.6.5 Medizinischer Überblick kolorektales Dickdarmkarzinom

34.6.5.1 Definition

Das kolorektale Karzinom ist ein maligner Tumor des Dick- bzw. Enddarms ( ▶ Abb. 34.30). Meist liegt ein vom Drüsenepithel ausgehendes Adenokarzinom vor. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr. Darmkrebs ist derzeit bei Männern die dritthäufigste und bei Frauen die zweithäufigste Tumorerkrankung in Deutschland. Deutschland liegt bei den Neuerkrankungsraten im internationalen Vergleich mit an der Spitze. Fachleute machen dafür unter anderem die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten verantwortlich (RKI 2016).

Häufigkeitsverteilung der Karzinome in Kolon und Rektum.

Abb. 34.30 

Häufigkeitsverteilung der Karzinome in Kolon und Rektum.

34.6.5.2 Ursachen

Bei 20–40% der Patienten findet sich eine positive Familienanamnese für ein Kolonkarzinom. (Gerlach 2015). Verschiedene Faktoren wie fettreiche und ballaststoffarme Ernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel sowie Nikotinabusus steigern das Darmkrebsrisiko. Erkrankungen mit einer Tendenz zur malignen Entartung (Präkanzerosen), z. B. Colitis ulcerosa / Morbus Crohn und Polyposis, sind weitere Ursachen für die Entstehung eines kolorektalen Karzinoms.

Fallbeispiel

Herr Werner, 72 Jahre alt, beobachtet seit einigen Wochen Unregelmäßigkeiten bei der Stuhlausscheidung. Mal leidet er unter Verstopfung, dann wieder unter Durchfall. Heute hat er Blutbeimengungen im Stuhl festgestellt, außerdem war der Stuhl sehr ungewöhnlich geformt. Innerhalb von 8 Wochen hat er nun 8 kg Gewicht verloren, obwohl er seine Ernährung mit viel Fleisch- und Wurstwaren nicht verändert hat. Herr Werner macht sich Sorgen und sucht seinen Hausarzt auf.

34.6.5.3 Symptome

Im Frühstadium fehlen häufig deutliche Symptome. Ein Wechsel zwischen Diarrhö und Obstipation wird oft nicht ernst genommen. In späteren Stadien treten folgende Symptome auf:

Merke

Auf stenosierendes Tumorwachstum deuten sog. „Bleistiftstühle“ hin.

34.6.5.4 Komplikationen

Das kolorektale Karzinom metastasiert bevorzugt in angrenzende Lymphknoten, Leber, Skelett und Lunge. Weitere Komplikationen sind die Perforation mit Fistel- und Abszessbildung sowie das Eindringen des Tumors in benachbarte Organe wie Vagina und Harnblase. Ein mechanischer Ileus kann im fortgeschrittenen Stadium auftreten.

34.6.5.5 Diagnostik

Es werden folgende Untersuchungsmethoden angewandt:

34.6.5.6 Therapie

Sie erfolgt entweder operativ und „adjuvant“ (mit zusätzlicher Chemo- und/oder Strahlentherapie) oder palliativ.

Operative Therapie

Der tumoröse Dickdarmabschnitt wird mit einem Sicherheitsabstand im gesunden Gewebe einschließlich der regionalen Lymphknoten vollständig entfernt (En-bloc-Resektion). Bei 50% der Patienten mit einem Rektumkarzinom kann der Schließmuskel und damit die Kontinenz erhalten werden. Bei tiefsitzendem Rektumkarzinom muss der Schließmuskel allerdings entfernt und ein endständiges Enterostoma angelegt werden. Je nach Ausbreitung und Lokalisation werden verschiedene Operationsmethoden gewählt.

Einzeitiges Vorgehen Der betroffene Darmabschnitt wird reseziert und die Darmpassage durch End-zu-End-Anastomosierung wiederhergestellt.

Zweizeitiges Vorgehen Dieses Verfahren findet Anwendung, wenn das Risiko einer Nahtinsuffizienz an der Anastomose zu groß ist (z. B. bei Ileus oder Peritonitis). Die erste Sitzung verläuft wie oben beschrieben. Allerdings wird zur Entlastung der Anastomose ein doppelläufiges Enterostoma ausgeleitet. Mehrere Wochen später, in der zweiten Sitzung, erfolgt die Rückverlegung. Eine besondere Form der zweizeitigen Vorgehensweise ist die Diskontinuitätsresektion nach Hartmann ( ▶ Abb. 34.28), bei der der aborale Stumpf nach der Darmresektion blind verschlossen wird. Das proximale Darmende wird als endständiges Enterostoma ausgeleitet. Die Re-Anastomosierung der Darmabschnitte erfolgt einige Wochen später.

Eine adjuvante (unterstützende) Chemotherapie vermindert die Gefahr von Lokalrezidiven. Bei Rektumkarzinomen kann eine kombinierte Radio-Chemotherapie die Überlebensrate erhöhen.

Palliative Therapie

Bei inoperablen Kolonkarzinomen kann eine Umgehungsoperation zur Verhinderung eines mechanischen Ileus und Erhaltung der Darmpassage durchgeführt werden. Mittels Laser- oder Strahlentherapie soll eine vorübergehende Beseitigung der tumorbedingten Stenose erreicht werden.

34.6.6 Pflege- und Behandlungsplan

Eine Darmresektion stellt immer eine große psychische und physische Belastung für den Patienten dar. Nach der Operation folgt häufig eine Chemotherapie, die zur weiteren Schwächung führt. Ob die Therapie erfolgreich war, kann erst nach mehrmaligen, regelmäßigen Kontrolluntersuchungen festgestellt werden. Die Prognose ist allerdings recht gut. 60 – 80 % der Patienten können dauerhaft geheilt werden.

34.6.6.1 Präoperative Pflege

Neben den allgemeingültigen präoperativen Maßnahmen sind vor einer Kolonresektion folgende Besonderheiten zu beachten.

Stomatherapie Falls feststeht, dass ein Stoma angelegt werden muss, ist es sinnvoll, bereits vor der Operation eine Stomatherapeutin und einen Mitarbeiter der ILCO (Selbsthilfegruppe der Stomaträger) hinzuzuziehen, um dem Patienten die Möglichkeit zu geben, Antworten auf spezielle Fragen und Hilfen bei der Krankheitsbewältigung zu bekommen.

Nahrungsabbau Damit wird spätestens am Vortag der Operation begonnen. In einigen Kliniken erhält der Patient bereits 3 – 5 Tage präoperativ ballaststoffarme Kost. Am Tag vor der Operation bekommt der Patient nur flüssige Kost, am Abend wird nur noch Wasser oder Tee angeboten.

Darmreinigung Präoperativ optimal durchgeführt, senkt sie das Risiko intraoperativer Keimverschleppungen. Dazu wird eine orthograde oder orale Darmspülung durchgeführt, deren Ablauf im Abschnitt „ ▶ Darmspülung“ beschrieben ist.

Rasur Rasiert wird am vorderen Rumpf von den Mamillen bis zu den Leisten, Schambehaarung inbegriffen. Ist eine Rektumresektion oder -exstirpation geplant, müssen der Perianal- und auch der Gesäßbereich sowie die Oberschenkel rasiert werden.

34.6.6.2 Postoperative Pflege

Neben den allgemeinen postoperativen Maßnahmen sind einige Besonderheiten zu beachten.

Patientenbeobachtung Der Patient wird i. d. R. nach einer großen Darmoperation während der ersten 1 – 2 Tage auf einer Intensivstation engmaschig überwacht. Zur angepassten Schmerztherapie bekommen die Patienten häufig eine Schmerzpumpe (PCA: Patienten-kontrollierte-Analgesie), die sie selbstständig betätigen können.

Lagerung/Mobilisation Wie nach allen Baucheingriffen ist auch hier die bauchdeckenentspannende Lagerung angezeigt, die entweder mit einem entsprechend verstellbaren Bett oder einer Knierolle erreicht werden kann. Die Schmerzen an der Sakralwunde können durch Weichlagerung, z. B. auf einem Schaumstoffkissen, gelindert werden. 6–8 Stunden postoperativ wird mit der Mobilisation begonnen.

Sonden und Drainagen Die intraoperativ gelegte Magensonde kann, falls sie nur noch wenig fördert, schon am 1.– 2. postoperativen Tag gezogen werden. Die im abdominellen Wundgebiet liegenden Drainagen werden nach 5 – 7 Tagen entfernt. Redondrainagen im kleinen Becken nach einer Rektumresektion/-amputation zieht der Arzt am 3.– 4. postoperativen Tag.

Wunde Die Bauchwunde wird beobachtet, ein Wechsel des Verbandes erfolgt, wenn dieser durchgeblutet ist. Bei Anlage eines Enterostomas erfolgt der Verbandwechsel an der Bauchwunde vor der Stomaversorgung. Die Fäden bzw. Klammern werden zwischen dem 7. und 10. postoperativen Tag entfernt.

Darmtätigkeit Eine postoperative Darmatonie über 2–3 Tage ist normal. Wurde präoperativ eine orthograde Darmspülung durchgeführt, kann mit dem Einsetzen der Darmfunktion erst ab dem 5.– 7. Tag gerechnet werden. Wiedereinsetzende Darmperistaltik zeigt sich durch Darmgeräusche und abgehende Blähungen.

Merke

Sind Darmgeräusche nicht feststellbar oder klagt der Patient über Übelkeit und Erbrechen, ist der Arzt zu informieren. Abführmaßnahmen werden grundsätzlich nur auf ärztliche Anordnung eingeleitet. Der Arzt entscheidet in Abhängigkeit von der Anastomosenlage über geeignete Abführmaßnahmen.

Ernährung Mit dem Kostaufbau kann erst begonnen werden, wenn die Anastomosen geheilt und belastbar sind und die Darmtätigkeit wieder eingesetzt hat. Eine Dünndarmanastomose heilt innerhalb von 5 Tagen, eine Kolonanastomose in ungefähr 7 Tagen. So lange wird der Patient parenteral ernährt. Zwischen dem 4. und 6. Tag kann der Patient i. d. R. schluckweise Tee trinken. Bei guter Verträglichkeit beginnt man mit dem Kostaufbau, i. d. R. in sechs Stufen. Nach der Testmahlzeit, bestehend aus Haferschleim, Zwieback oder Gemüsebrühe, reicht man leicht verdauliche Kohlenhydrate wie gekochtes Obst oder nicht blähendes gegartes Gemüse. Proteine und Fette werden dann langsam steigernd hinzu gegeben Am 11. postoperativen Tag kann der Patient leichte Vollkost bekommen.

Urinausscheidung Der intraoperativ gelegte Blasendauerkatheter kann nach Kolonoperationen meist am 2. postoperativen Tag gezogen werden. Nach Rektumoperationen sind Miktionsstörungen häufig, deshalb verbleibt der Katheter dann auch für 4 – 6 Tage.

34.6.6.3 Gesundheitsberatung

Nach einer Hemikolektomie rechts oder Resektion des Sigma treten i. d. R. keine Veränderungen bzgl. der Stuhlgewohnheiten auf. Wurde aber eine Hemikolektomie links durchgeführt, kommt es zu 2 – 3 Stuhlausscheidungen/Tag. Der Stuhl ist weich, da nicht mehr so viel Flüssigkeit resorbiert wird. Nach einer Resektion des gesamten Kolons (= Kolektomie) und Ileoanastomie muss der Patient mit der Ausscheidung von wässrigem und elektrolytreichem Stuhl rechnen. Reste der Verdauungssäfte machen den Stuhl zudem aggressiv, was zu Reizungen am Anus führen kann. Die dadurch auftretenden Flüssigkeitsverluste müssen ausgeglichen werden. Dazu und zu speziellen Ernährungsfragen wird der Patient am besten von einer Diätassistentin beraten.

Praxistipp

Beraten Sie den Patienten zur Notwendigkeit regelmäßiger Kontrolluntersuchungen, um Rezidive und Metastasen frühzeitig zu erkennen.

Merke

Nach Operationen am Rektum dürfen bis zur Abheilung der Anastomose (nach ca. 9 – 10 Tagen) keinesfalls Manipulationen am Enddarm, die die Anastomose gefährden könnten, vorgenommen werden. Dazu gehören die rektale Temperaturmessung, das Einführen eines Darmrohres oder Klistiers sowie die Verabreichung von Suppositorien.

34.6.6.4 Fast-Track-Rehabilitation

Definition

Die Fast-Track-Rehabilitation stellt eine spezielle Form der Vor- und Nachbehandlung in der operativen Medizin dar. Sie soll postoperativ die Selbstständigkeit des Patienten so schnell wie möglich wiederherstellen, die Erholungsphase beschleunigen und Komplikationen vermeiden. Das vorrangige Ziel ist, den stationären Aufenthalt nach einer Operation zu verkürzen (z.B. nach kolorektalen Eingriffen auf 3–5 Tage).

Gerade für den Bereich der Kolonchirurgie liegen gesicherte Erkenntnisse und umfangreiche Erfahrungen vor. Für einen komplikationsarmen Verlauf ist vor allem das Vorhandensein eines gut funktionierenden ambulanten Nachbetreuungssystems erforderlich. Die Grundpfeiler des Fast-track-Konzeptes sind in ▶ Abb. 34.31 dargestellt.

Behandlungskonzept der „Fast-Track-Rehabilitation bei Kolonresektionen.

Abb. 34.31 

Behandlungskonzept der „Fast-Track-Rehabilitation bei Kolonresektionen.

Aufgaben der Pflege In der Fast-Track-Rehabilitation kommt den Pflegenden von der Aufnahme bis zur Entlassung des Patienten eine besondere Verantwortung zu. Sie übernehmen die individuelle Beratung und sorgen für die Durchführung von Einzelmaßnahmen mit dem Ziel der raschen Erholung des Patienten. Zu diesen Maßnahmen zählen z. B.:

34.6.7 Medizinischer Überblick Hämorrhoiden

34.6.7.1 Definition

Hämorrhoiden sind Erweiterungen des arteriovenösen Gefäßgeflechts (Corpus cavernosum recti) in der Submukosa des Analkanals.

34.6.7.2 Ursachen

Neben einer familiären Disposition (z. B. Bindegewebsschwäche) gelten folgende Faktoren als begünstigend:

Fallbeispiel

Frau Ina Siebert, 38 Jahre alt, hat 3 Kinder. Seit der letzten Schwangerschaft vor einem Jahr leidet sie unter Schwierigkeiten bei der Stuhlausscheidung. Oft hat sie das Gefühl, den Darm nur unvollständig entleert zu haben. Hinzu kommt ein unangenehmes Brennen und Jucken im Analbereich. Heute Morgen ist es besonders schlimm, seit dem Toilettengang hat sie starke Schmerzen im Analbereich, am Toilettenpapier und in der Wäsche sind Blutspuren sichtbar.

34.6.7.3 Symptome

Das Ausmaß der Symptome ist abhängig vom Schweregrad der Erkrankung.

Vorfall von Analschleimhaut bei Hämorrhoiden im Stadium III vor und nach digitaler Reposition.

Abb. 34.32 

Vorfall von Analschleimhaut bei Hämorrhoiden im Stadium III vor und nach digitaler Reposition.

34.6.7.4 Diagnostik

Zur diagnostischen Abklärung wird der Analbereich inspiziert, dabei muss der Patient pressen wie zur Stuhlausscheidung. Eine rektale digitale Untersuchung und Proktoskopie lassen den Schweregrad erkennen und ermöglichen eine Abgrenzung zu anderen Erkrankungen.

34.6.7.5 Komplikationen

Dies können schwere Blutungen, Ekzeme im Analbereich, Analfissur und Stuhlinkontinenz sein.

34.6.7.6 Therapie

Im Frühstadium ist meist eine konservative Therapie ausreichend. Salben, Zäpfchen und kalt-feuchtkalte Umschläge lindern Beschwerden wie Juckreiz und Schmerzen. Eine Sklerosierung (Injektion von Verödungsmitteln, die zu einer lokalen Zerstörung der Hämorrhoiden führen) bietet sich in Stadium I und II an. Nach der Verödung kommt es zu einer narbigen Umwandlung und Rückbildung der Knoten. Das Anlegen einer Gummibandligatur (Abschnürung der Hämorrhoiden mit einem Gummiring) bewirkt eine Nekrotisierung der Knoten, die nach einer Woche abfallen. Die Hämorrhoidektomie ist im Stadium III und IV angezeigt. Dabei werden nach Unterbindung der zuführenden Arterien die Hämorrhoidalknoten in Vollnarkose abgetragen.

34.6.8 Pflege- und Behandlungsplan

Hämorrhoiden kommen sehr häufig vor. Sie werden anfangs meist aus Scham selbst therapiert. Ein Arzt wird nur dann aufgesucht, wenn die Beschwerden zunehmen und die Lebensqualität erheblich eingeschränkt ist.

Gesundheitsberatung Ausgehend von den Entstehungsmechanismen der Hämorrhoiden sollten einige allgemeine Maßnahmen empfohlen werden:

Feuchtkalte Auflagen bei Hämorrhoidalprolaps haben eine abschwellende Wirkung. Nach der Ödemrückbildung ist der Knoten meist digital reponierbar.

Prävention und Gesundheitsförderung

Eine sorgfältige Analreinigung mithilfe von Sitz- und Duschbädern, vor allem nach dem Stuhlgang, verringert Beschwerden wie Juckreiz, Brennen und Schmerzen. Die medikamentöse Therapie auf Kortikoidbasis mit lokalanästhesierenden Zusätzen ist weit verbreitet. Bei unkritischer Daueranwendung besteht die Gefahr von Pilzinfektionen und kortisonbedingten Hautveränderungen. Deshalb sollte die medikamentöse Therapie nur kurzfristig angewendet werden.

Prä- und postoperative Maßnahmen Neben den allgemeinen Maßnahmen reicht ein Klistier zur Rektumentleerung. Rasiert wird die Perianal- und Dammregion. Nach der Operation sind folgende pflegerische Maßnahmen notwendig:

34.7 Pflege von Patienten mit Stomaanlage

Werner Droste, Brigitte Sachsenmaier*

34.7.1 Medizinischer Überblick

34.7.1.1 Definition

Als Stoma oder Stomie (griech.: Mund, Öffnung) werden operativ geschaffene offene Verbindungen zwischen einem inneren Hohlorgan und der äußeren Haut bezeichnet. Sie dienen der Ableitung von Stuhl und Harn. Je nach medizinischer Indikation sind folgende Stomaanlagen möglich ( ▶ Abb. 34.33):

Verschiedene Lokalisationen einer Stomaanlage.

Abb. 34.33 

(Abb. aus: Pflegeassistenz. Lehrbuch für die Gesundheits- und Krankenpflegehilfe und Altenpflegehilfe; Thieme 2016)

Verschiedene Lokalisationen einer Stomaanlage.

34.7.1.2 Stomaanlage

Darmstomata

Sie können endständig oder doppelläufig angelegt werden ( ▶ Abb. 34.34). Die Begriffe bezeichnen die Operationstechnik:

Doppelläufiges Stoma.

Abb. 34.34 Beim doppelläufigen Stoma wird der Darm a zweilumig, b beim endständigen Stoma einlumig ausgeleitet.

Doppelläufiges Stoma.

Urostomata

Der Harnleiter wird direkt über die Haut, eine Verbindung aus Dünndarm oder eine operativ gebildete Blase (Pouch bzw. Neoblase) ausgeleitet. Die einzelnen Eingriffe sowie die Auswirkungen auf die Ausscheidungskontinenz sind im Abschnitt ▶ „Pflege von Patienten mit urologischen Operationen“ dargestellt.

34.7.1.3 Ausscheidung

Die Ausscheidungskonsistenz und -häufigkeit ist abhängig von der Lage des Stomas.

Dickdarmstoma Der Dickdarm ist für die Wasserrückresorption verantwortlich: Je mehr erhalten bleiben konnte, desto fester und blähungsreicher ist die Ausscheidung. Bei der Sigmoidostomie ist der Stuhl häufig fest und blähungsreich.

Dünndarmstoma Bei einer Ileostomie (Dünndarmstoma) ist der Stuhl flüssig und sehr aggressiv. Um die Haut vor den aggressiven Ausscheidungen zu schützen, wird diese Stomaanlage prominent (nippelförmig) angelegt.

34.7.1.4 Präoperative Markierung

Vor der Operation markiert der Chirurg oder der Stomatherapeut gemeinsam mit dem Betroffenen mit einem wasserfesten Stift auf der Bauchhaut die günstigste Stelle für die geplante Stomaanlage. Dies stellt die Voraussetzung für eine spätere problemlose Versorgung dar. Die Stelle dient im Operationssaal als Orientierung für die feste Platzierung. Bei der präoperativen Markierung werden folgende Aspekte berücksichtigt:

34.7.2 Pflege- und Behandlungsplan

Für den Patienten bedeutet die Anlage eines Stomas eine Veränderung seiner Lebensgewohnheiten. Er muss rechtzeitig darauf vorbereitet werden.

34.7.2.1 Stomaversorgung

Vorbereitung und Materialien

Zur Vorbereitung auf den Beutelwechsel gehören die Information des Patienten und das Herrichten der benötigten Materialien. In ▶ Abb. 34.35 ist die Standardvorbereitung zur Versorgung einer Sigmoidostomie dargestellt.

Materialien zur Durchführung einer Stomaversorgung.

Abb. 34.35 

Materialien zur Durchführung einer Stomaversorgung.

Praxistipp

Bereiten Sie die benötigten Materialien für einen Versorgungswechsel sorgfältig vor. Die Stuhlentleerung kann auch während des Wechsels einsetzen; dann ist rasches Arbeiten angezeigt.

Versorgungssysteme Moderne Stomaversorgungsbeutel sind geruchsdicht und haften gut auf der Haut. Sie bestehen aus dem eigentlichen Beutel und dem Haftmaterial, das heute fast ausschließlich hautschützende Eigenschaften trägt. Alle gängigen Versorgungstypen gibt es als einteilige und zweiteilige Systeme ( ▶ Tab. 34.4 ).

Tab. 34.4 Übersicht über die gängigen Versorgungssysteme.

Versorgungssystem

Beschreibung

Kolostomiebeutel, einteilig

  • geschlossener Beutel mit integriertem Hautschutz und Aktivkohlefilter

  • Anwendungsbereich: endständige Kolostomie

Ileostomiebeutel, einteilig, mit Verschlussklammer

  • Ausstreifbeutel mit integriertem Hautschutz

  • in verschiedenen Größen und Farben erhältlich

  • wird nach der Entleerung mit der Verschlussklammer wieder verschlossen

  • Anwendungsbereich: Ileostomie

Urostomiebeutel, einteilig, mit Auslasshahn

  • Urostomiebeutel mit Rücklaufsperre und Auslasshahn, der zur Nacht mit Adapter an ein Bettbeutelsystem angeschlossen wird

  • Anwendungsbereich: Urostomie

Stomaversorgung, zweiteilig

  • bestehend aus Basisplatte und dazugehörigem Beuteltyp (Ausstreifbtl., geschl. Btl., Urostomiebtl., Stomakappe)

  • Anwendungsbereich: Kolostomie, Ileostomie, Urostomie

Versorgungssysteme für Kinder, hier vier Produktvarianten

  • meist Ausstreifbeutel

  • Anwendungsbereich: Stomaanlagen im Säuglings- und Kindesalter

Konvexe Versorgungssysteme (ein- oder zweiteilig)

  • besitzen eine Wölbung der Basisplatte

  • Anwendungsbereich: retrahierte (zurückgezogene) Stomaanlagen zur besseren Abdichtung

Definition

Bei einteiligen Systemen sind Haftmaterial und Beutel miteinander verbunden. Zweiteilige Systeme bestehen aus einer Basisplatte und einem separaten Beutel, der direkt auf die Basisplatte aufgerastet oder aufgeklebt wird.

Die Wahl des Versorgungssystems richtet sich nach

Reinigung

Die Reinigung erfolgt nach hautschonenden Prinzipien nur mit Wasser und einer milden Waschlotion. Diese sollte unparfümiert, pH-hautneutral, ohne Konservierungsstoffe und nicht rückfettend sein. Verwendet werden Einmalkompressen oder Einmalwaschlappen.

Merke

Die Wischrichtung ist bei Darmstoma von außen nach innen, bei der Urostomie von innen nach außen. Die umgebende Haut wird vorsichtig abgetrocknet und niemals trocken geföhnt – sie trocknet sonst aus!

Rasur

Bei Bedarf werden Haare im parastomalen Bereich wegen der Gefahr der Entstehung einer Haarbalgentzündung mit einem Rasierer entfernt. Es dürfen keine Haarentfernungsmittel benutzt werden, sie könnten Hautirritationen und Allergien auslösen.

Anpassen der Stomaplatte

Die Ausscheidung darf nicht mit der Haut in Berührung kommen, weil sie zu Hautschädigungen führen kann. Deshalb wird die Größe der Stomaöffnung mit einer Schablone ermittelt. Bei ovalen Anlagen muss die Pflegeperson eine Schablone erstellen.

Wechselintervalle

Das Stomaversorgungssystem wird nach individuellen Kriterien gewechselt, spätestens jedoch nach 5 Tagen. Jederzeit vorher jedoch, wenn

Den Ablauf der Stomaversorgung zeigt ▶ Abb. 34.36.

Die Fotoserie zeigt das korrekte Vorgehen bei der Versorgung eines Stomas.

Abb. 34.36 

(Foto: Thieme Verlagsgruppe)

Die Fotoserie zeigt das korrekte Vorgehen bei der Versorgung eines Stomas.

Fallbeispiel

Ein Patient bemerkt, dass die Stomaversorgung Gerüche durchlässt, und bittet die Pflegende zu wechseln. Die Versorgung enthält nicht sehr viel Stuhl, jedoch ist sie schon 2 Tage angebracht. Vermutlich ist die Filterfunktion aufgebraucht. Beim Entfernen der Versorgung zeigt sich dann auch, dass unter die Basisplatte Stuhl gelaufen ist.

Postoperative Stomaversorgung

Sollte das Versorgungssystem im Operationssaal angelegt worden sein, so wird der erste Stomabeutelwechsel nach ca. 3 Tagen vorgenommen. Dabei ist besonders auf Veränderungen der Haut (z. B. Rötung, Schwellung, Hämatome, Hautirritationen) und des Stomas zu achten (z. B. Farbe, Ödem, Wundheilungszustand). Häufig werden für den ersten Wechsel sog. „postoperative Versorgungssysteme“ verwendet ( ▶ Abb. 34.37). Sie zeichnen sich durch folgende Eigenschaften aus:

Ausstreifbeutel.

Abb. 34.37 Postoperative Versorgungssysteme mit transparentem Ausstreifbeutel erlauben eine Kontrolle von Stuhl und Stoma.

(Foto: T. Stephan, Thieme)

Ausstreifbeutel.

Wurde zur Fixierung des doppelläufigen Stomas ein Reiter eingelegt ( ▶ Abb. 34.38), wird er in das Versorgungssystem integriert. Eine exakte Abdichtung wird erreicht, wenn neben dem Reiter noch Hautschutzpaste verwendet wird.

Stoma mit integriertem Reiter.

Abb. 34.38 

Stoma mit integriertem Reiter.

Merke

Bei Stomaanlagen, die unter Spannung angelegt werden (Reiter drückt stark gegen die Bauchhaut), wird der Reiter aufgrund der möglichen Spannungserhöhung nicht in den Beutel integriert. Der Reiter wird in Hautschutzpaste eingebettet und das Versorgungssystem über dem Reiter angebracht.

Pflege bei Pouchanlagen

Postoperativ liegt im Pouch (engl. Beutel, Tasche; ein aus Dünndarmschlingen geformtes Reservoir zum Sammeln der Ausscheidungen im Bauchinneren) ein Dauerkatheter, der ca. ab dem 3. postoperativen Tag mit physiologischer Kochsalzlösung gespült wird, um gebildeten Schleim zu entfernen. Wenn die Nähte gut verheilt sind, wird die Dauerableitung entfernt und intermittierend katheterisiert. Die Häufigkeit der Katheterisierung richtet sich nach

Zudem muss sich ein frisch angelegter Pouch erst einmal auf das gewünschte Aufnahmevolumen ausdehnen. Daher gelten hier andere, individuelle Regeln zur Entleerungshäufigkeit als in der Langzeitbetreuung von Pouchträgern. Noch in der Klinik werden individueller Rhythmus, Technik und Material festgelegt. Der Patient wird in der hygienisch einwandfreien Durchführung des Katheterismus angeleitet.

Stomaversorgung bei Komplikationen

Durch die Ausleitung des Stomas durch die Bauchdecke kommt es zu einer „Schwachstelle“ in der Bauchdecke. ▶ Tab. 34.5  gibt einen Überblick über die häufigsten Komplikationen, deren Ursachen und Therapiemöglichkeiten.

Tab. 34.5 Überblick über die Komplikationen.

Komplikation

Ursachen

Therapie

mechanische Hautirritation

zu häufiges Wechseln oder zu stark klebende/haftende Versorgung

zweiteiliges System oder vorübergehend einteilige Ausstreifbeutel zur Entlastung der Haut verwenden

toxisches Kontaktekzem

Kontakt der Haut mit der Ausscheidung

Stomaversorgung gegen die Ausscheidungen abdichten, evtl. unter Zuhilfenahme von Hautschutzpaste, Einlageringen oder einem konvexen System

allergisches Kontaktekzem

Versorgungsmaterial

Produkte eines anderen Herstellers verwenden, evtl. hautärztliches Konsil

Mykose

besonders nach OP oder bei abwehrgeschwächten Patienten

antimykotische Behandlung nach Hautabstrich

parastomale Hernie

starke Belastung z. B. durch schweres Heben nach der Operation

konservativ durch spezialgefertigte Bruchbandage, Operation

Retraktion

Einziehung des Stomas operationsbedingt oder durch Gewichtszunahme

konvexes System verwenden, Operation

Stomaprolaps

Vorfall des Darmes, meist operationsbedingt oder durch starke Beanspruchung der Bauchdecke

konservativ durch spezialgefertigte Prolapsversorgung (Prolapsplatte) nach Reponieren des Darmes, Operation

Kristallbildung bei Urostoma

meist durch infizierten, alkalischen Urin bedingt

Infektbekämpfung nach Antibiogramm, medikamentöse und diätetische Ansäuerung des Urins, Auflösung der Kristalle durch Essigwaschungen (5 %), Erhöhung der Flüssigkeitszufuhr, exakt abdichtende Stomaversorgung

Merke

Wird eine medikamentöse Behandlung der Haut erforderlich, muss das Medikament fettfrei sein und entsprechend häufig angewendet werden (z. B. bei Mykosen mindestens zweimal täglich auftragen).

34.7.2.2 Irrigation bei Kolostomie

Definition

Bei einer Irrigation wird durch das Einspülen von lauwarmem Leitungswasser über die Kolostomie die Darmperistaltik stimuliert, um den Dickdarm vollständig zu entleeren.

Die Irrigation bietet dem Kolostomieträger ein fast normales Leben, weil er keinen Stomabeutel tragen muss. Die Versorgung bzw. Abdeckung des Stomas erfolgt mit diskreten Stomakappen. Der Patient profitiert von der ausscheidungsfreien Zeit, d. h. von der Zeit, die der Stuhl braucht, um vom Dünndarm bis zum Stoma zu gelangen. So wird i. d. R. eine ausscheidungsfreie (kontinente) Zeit von mind. 24 Stunden erreicht. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch die Irrigation Blähungen deutlich reduziert werden. Am ersten Tag nach der Irrigation treten erfahrungsgemäß kaum Blähungen auf.

Kontraindikationen

Gegenanzeigen für eine Irrigation sind z. B.:

Durchführung

Die Irrigation wird täglich, evtl. jeden zweiten Tag durchgeführt. Meist erfolgt die Irrigation morgens, da hier eine natürliche Ausscheidungsbereitschaft vorliegt. Es spricht aber auch nichts dagegen, abends zu irrigieren. Im Sitzen auf der Toilette (oder im Stehen) lässt man mithilfe eines Irrigationssets ( ▶ Abb. 34.39) lauwarmes Leitungswasser (800 – 1200 ml) ins Stoma einfließen. Der Boden des Wasserbehälters befindet sich auf Schulterhöhe. Kurze Zeit später setzt die Darmbewegung ein, die zu ca. 2 – 3 größeren Entleerungen führt. Der Stuhl wird über den schlauchartigen Abflussbeutel in die Toilette geleitet. Die Darmbewegungen flachen in den nächsten 40 – 50 Min. wieder vollständig ab. In dieser Zeit werden noch kleinere Stuhlmengen ausgeschieden.

Irrigationsset.

Abb. 34.39 Wasserbehälter mit Aufhängevorrichtung, Ableitungsschlauch und Konus sowie Abflussbeutel und Gürtel.

(Foto: Coloplast GmbH)

Irrigationsset.

34.7.2.3 Gesundheitsberatung

Die Beratung des Patienten bezieht sich hauptsächlich auf die Punkte Selbstversorgung des Stomas, Hautpflege, Ernährung sowie die Unterstützung durch Selbsthilfegruppen.

Prävention und Gesundheitsförderung

Die Entstehung einer Hernie oder eines Prolapses kann der Patient verhindern, wenn er lernt, sich bauchdeckenschonend zu bewegen und zu tragen. Eine ungefähre Richtlinie für das Tragen von Lasten liegt bei 10 kg. Beim Sport können präventiv Bauchbinden und Schutzkappen getragen werden.

Selbstversorgung des Stomas

Je früher dem Betroffenen der Umgang mit seinem Stoma gezeigt wird, umso schneller erlangt er seine Selbstständigkeit zurück. Dabei ist es wichtig, den Betroffenen auf die Entlassung aus dem Krankenhaus vorzubereiten und die benötigte Stomaversorgung für die erste Zeit nach dem Krankenhausaufenthalt zu organisieren. Eine Pflegeüberleitung sollte z. B. an den Pflegedienst oder den Stomatherapeuten erfolgen, da zu Hause in der ersten Zeit viele Fragen auftauchen und die Versorgung noch regelmäßig angepasst werden muss (z. B. an veränderte Bedingungen und Aktivitäten).

Hautpflege

Ein wichtiger Beratungsaspekt ist die sorgfältige Hautpflege. Der Patient wird darüber informiert, dass verschiedene Hautschutz- und Reinigungsprodukte und weiteres Zubehör zur Verfügung stehen ( ▶ Tab. 34.6 ). Je nach Verträglichkeit und nach Rücksprache mit dem Stomatherapeuten kann er diese Produkte anwenden.

Tab. 34.6 Überblick über das Pflegehilfsmittelangebot.

Produktgruppe

Anwendungsbereiche

Hautschutzprodukte

Hautschutzringe

Hautschutzpaste

Modellierstreifen

  • dienen der besseren Abdichtung des Stomas und zum Ausgleichen von Unebenheiten

  • als Streifen, Ringe oder Pasten erhältlich

  • Hautschutzpaste

    • verbindet sich nach der Trocknungszeit (ca. 1 Tag) mit der angelegten Versorgung

    • lässt sich dann mühelos entfernen

Reinigungs- und Pflegemittel

Barrierecreme

Pflasterlöser

  • Barrierecreme bildet eine schützende Schicht auf der Haut. Achtung: hauchdünn anwenden, da diese Produkte die Haftung der Stomaversorgung beeinträchtigen.

  • Pflasterlöser

    • löst die Versorgung bei zu starker Haftung,

    • enthält alkoholische Substanzen und

    • entfernt so Rückstände auf der Haut.

Zubehör

Deodorantien

  • werden direkt in das Beutelsystem eingebracht oder zur Raumdesodorierung verwendet

Gürtel

  • werden zur zusätzlichen Befestigung des Beutelsystems verwendet und geben dem Patienten ein sichereres Gefühl

Stanzette oder Ausschneidhilfen

  • erleichtern das wiederholte Ausschneiden von Basisplatten (bei runden Lochgrößen)

Merke

Irritierte und entzündete Hautpartien stellen für den Stomaträger einen maximalen Belastungsfaktor dar. Sie stellen die Dichtigkeit des Versorgungssystems in Frage.

Ernährung

Eine spezielle Diät für Stomaträger gibt es grundsätzlich nicht. Die Reaktion des Organismus auf die verschiedenen Nahrungsmittel ist individuell. Es lassen sich jedoch ein paar Grundregeln aufstellen, die Beachtung finden sollten:

Ileostomieträger sollten der Gefahr einer Stomablockade (Abflussstörung), bedingt durch schlecht gekaute, faserhaltige Kost (z. B. Orange, Nüsse, Spargel), vorbeugen.

Merke

Durch Blähungen und Geräusche kann der Betroffene in unangenehme Situationen kommen. Dem kann er vorbeugen, indem er seine Nahrungsgewohnheiten und die Art der Lebensmittel sehr genau beobachtet und feststellt, welche Auswirkungen diese auf sein Ausscheidungsverhalten haben.

Selbsthilfegruppen

Listen von Gesundheits- und Krankenpflegern mit Fachweiterbildung „Pflegeexperte Stoma, Kontinenz und Wunde“ kann der Stomaträger von der FgSKW (Fachgesellschaft Stoma, Kontinenz und Wunde e. V.) erhalten. Es empfiehlt sich eine Vermittlung zur „Selbsthilfevereinigung der Stomaträger“, der Deutschen ILCO e.V. und auch eine Information über das Selbsthilfeforum im Internet „Stoma-Welt.de“. Dort erhalten die Betroffenen Informationen und Beratungen von Betroffenen für Betroffene.

Lebensphase Kind

Mechthild Hoehl

Stomaversorgung bei Kindern

Durch die ausgeweitete Neonatalmedizin kommt es bei Kindern immer häufiger zu Darmstomaanlagen. Die Ursachen sind entweder lebensbedrohliche Fehlbildungen (Atresien, Aganglionose, Morbus Hirschsprung), Mekoniumileus (meist Frühzeichen einer Mukoviszidose) oder entzündliche Prozesse, v.a. die nekrotisierende Enterokoltits [NEC]) des Frühgeborenen. Besonders die nachoperative Versorgung sehr kleiner Kinder und unreifer Frühgeborener ist sehr komplex. Hierbei stellt das Stoma meist nur ein Teilbereich dieser hochspezialisierten Betreuung dar.

Bei größeren Kindern sind es v.a. chronisch-entzündliche Prozesse (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) oder Traumen, die die Anlage eines Darmstomas notwendig machen.

Postoperativ wird nach dem Einsetzen der Darmperistaltik langsam und vorsichtig mit dem Nahrungsaufbau begonnen. Bei Neugeborenen und Säuglingen beginnt man i.d.R. mit Tee oder Glukoselösung. Wird dies gut vertragen, kann der weitere orale Nahrungsaufbau mit Muttermilch oder Säuglingsnahrung erfolgen.

Die Haut um das Stoma wird regelmäßig nach Aussehen und Zustand beurteilt. Auch die Schleimhaut wird genau beobachtet. Sie sollte hellrot bis rot sein, was auf eine gute Durchblutung hinweist.

Zudem sind die Beobachtung der Stuhlbeschaffenheit und der Menge sowie das Abgehen von Blähungen von Bedeutung. Da ein Stoma keinen Schließmuskel besitzt, ist die Stuhlkonsistenz flüssig bis breiig, was zu starken Hautläsionen führen kann.

Kommt es zu Obstipation, kann der Darm ggf. mit Kochsalzlösung angespült werden.

Problematisch bei der Stomaversorgung von Kindern ist es, das passende Produkt für den kleinen kindlichen Körper zu finden, da die Haut sehr dünn ist und Hautirritationen, Infektionen und Mykosen am Stoma häufige Komplikationen darstellen. Das Umgebungsklima und das beengte Arbeiten im Inkubator erschweren bei sehr kleinen Frühgeborenen die Stomapflege zusätzlich.

Schwierigkeiten können zudem bei der Dichtigkeit auftreten, v.a. wenn die Kinder mobil werden und sich auf den Bauch drehen.

Versorgungssysteme

Die Grundprinzipien der Stomapflege sind bei Kindern genau die gleichen wie bei Erwachsenen, wobei der Auswahl eines geeigneten Beutels besondere Bedeutung zukommt. Es gibt ein- und zweiteilige Systeme.

  • Bei den 1-teiligen Systemen handelt es sich i.d.R. um sog. Ausstreifbeutel ( ▶ Abb. 34.40). Als zusätzlicher Hautschutz kann unter dem Beutel eine Hautschutzplatte angebracht werden. Sie haben den Vorteil, dass sie sich dem kindlichen Körper besser anschmiegen und flexibler sind. Sie werden daher häufiger bei sehr kleinen Kindern angewandt.

  • Die 2-teiligen Systeme bestehen aus einer Basisplatte mit Rastring, an den der Beutel aufgesetzt wird ( ▶ Abb. 34.41). Dieser kann dann in Gänze bei der Stomapflege gewechselt werden, während die Grundplatte auf der Haut verbleibt. Hierdurch wird die Belastung für die Haut verringert, das System ist jedoch weniger flexibel.

Alle Versorgungssysteme haben eine genormte Öffnung, die individuell für die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten werden, um den Hautschutz bestmöglich zu gewährleisten.

Merke: Bei einem gut sitzenden Beutel steht auch einem Säuglingsbad oder Duschen nichts im Wege.

Abb. 34.40  Einteiliges Versorgungssystem.

Beutelversorgung eines Frühgeborenen mit anschmiegsamem, flexiblem Minibeutel.

(Foto: P. Blåfield, Thieme)

Einteiliges Versorgungssystem.

Abb. 34.41  Zweiteiliges Versorgungssystem.

Abb. 34.41a Basisplatte mit Rastring und passendem Ausstreichbeutel.

(Foto: T. Stephan, Thieme)

Basisplatte mit Rastring und passendem Ausstreichbeutel.

Abb. 34.41b Zu erkennen ist auch die Hautschutzpaste um die Stomaöffnung.

(Abb. aus: Hoehl M, Kullick P. Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Thieme; 2012)

Zu erkennen ist auch die Hautschutzpaste um die Stomaöffnung.

Die Bezugspersonen sollten frühzeitig in die Pflege einbezogen werden, da die Stomaversorgung i.d.R. auch nach der Entlassung des Kindes notwendig ist und dann von den Eltern selbstständig durchgeführt werden muss. Eine Unterstützung durch die sozialmedizinische Nachsorge, ambulante oder Brückenpflege bzw. durch Familienkinderkrankenschwestern ist daher sinnvoll. Bei größeren Kindern kann auch eine Aufklärung und Anleitung des Personals in pädagogischen Einrichtungen notwendig werden.

Die meisten Darmstomata können bei Kindern im Laufe der Entwicklung zurückverlagert werden.

34.8 Pflege von Patienten mit Erkrankungen der Leber, der Gallenblase und der Gallenwege

Christiane Becker

34.8.1 Medizinischer Überblick Leberzirrhose

34.8.1.1 Definition

Die Leberzirrhose ist eine chronische Erkrankung. Sie geht mit der Zerstörung des Leberläppchenaufbaus und der Gefäßarchitektur der Leber einher. Dabei kommt es zum irreversiblen bindegewebigen Umbau der Leber ( ▶ Abb. 34.42).

Laparoskopische Sicht der Leber.

Abb. 34.42 a gesunde Leber mit Gallenblase, b Leberzirrhose mit narbig-bindegewebigem Umbau.

Laparoskopische Sicht der Leber.

34.8.1.2 Ursachen

Die häufigsten Ursachen sind:

Weitere Ursachen sind:

Fallbeispiel

Herr Winkelmann ist 60 Jahre alt. Mit 17 war er bereits ausgebildeter Brauer in einer großen Brauerei. Seine Frau betreibt die zur Brauerei gehörende Gaststätte. Herr Winkelmann ist seit 2 Jahren im Vorruhestand, die Brauerei wurde geschlossen. Seitdem hilft er seiner Frau in der Gaststätte. Doch seit einigen Monaten fällt es ihm immer schwerer, morgens aus dem Bett zu kommen, er fühlt sich müde und schlapp. Frau Winkelmann hat ihn schon mehrfach gebeten, doch mal den Hausarzt aufzusuchen. Ihr ist aufgefallen, dass ihr Mann im Bauchbereich immer dicker wird, während seine Arme und Beine inzwischen sehr dünn sind. Wenn er sich morgens nass rasiert und dabei verletzt, dauert es sehr lange, bis die Blutung steht. Herr Winkelmann isst kaum noch etwas, nur auf sein „Bierchen“ mag er nicht verzichten.

34.8.1.3 Symptome

Es wird unterschieden zwischen Leberhautzeichen ( ▶ Abb. 34.43) sowie allgemeinen und hormonellen Störungen.

Eine Leberzirrhose äußert sich durch Symptome im gesamten Organismus.

Abb. 34.43 

Eine Leberzirrhose äußert sich durch Symptome im gesamten Organismus.

Allgemeine Krankheitszeichen Es kommt zur körperlichen und geistigen Leistungsminderung, zu Müdigkeit sowie Druck- und Völlegefühl verbunden mit Appetitlosigkeit.

Hormonelle Störungen Durch den fehlenden Abbau der gegengeschlechtlichen Hormone (Östrogen und Testosteron) in der Leber kommt es zu folgenden hormonellen Störungen:

34.8.1.4 Diagnostik

Folgende diagnostische Verfahren sind von Bedeutung:

Bei Palpation ist häufig eine vergrößerte, derbe Leber zu tasten. Die bindegewebigen Knoten können als kleine Höcker an der Oberfläche auffallen. Bei fortgeschrittener Leberzirrhose hingegen ist die Leber oft verkleinert (Schrumpfleber).

34.8.1.5 Komplikationen

Die wichtigste Komplikation ist der Pfortaderhochdruck mit Aszites und Ösophagusvarizen. Weitere Komplikationen sind:

Anatomie und Physiologie im Fokus

(nach Schwegler u. Lucius 2016)

Das venöse Blut aus den Bauchorganen (Magen-Darm-Trakt, Milz, Pankreas) wird über die Pfortader ( ▶ Abb. 34.4) gesammelt und durch die Leber geleitet und entgiftet. Liegt eine Leberzirrhose vor, kann das Blut die Leber nicht durchfließen und staut sich in die Pfortader zurück (Pfortaderhochdruck).

Pfortaderhochdruck

Dieser hat Varizen und Aszites zur Folge.

Varizen Das Blut sucht sich Umgehungskreisläufe in den Ösophagus- und Fundusvenen sowie im Nabelgebiet (Caput medusae), um Anschluss an die untere Hohlvene zu finden. Aus diesen Venen bilden sich in der Folge Varizen.

Aszites Die Entwicklung von Aszites (Bauchwassersucht): Die flüssigen Blutbestandteile werden in die freie Bauchhöhle „abgepresst“, denn der Pfortaderhochdruck verursacht insgesamt eine Druckzunahme im Venengebiet des Bauchraumes. Weitere Faktoren für die Bildung des Aszites sind das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System und die gesteigerte Produktion von Leberlymphe, die in die freie Bauchhöhle übertritt. Durch die verminderte Albuminsynthese in der zirrhotischen Leber wird die Aszitesbildung verstärkt.

Hepatorenales Syndrom

Es handelt sich hierbei um eine Niereninsuffizienz im fortgeschrittenen Stadium einer Leberzirrhose. Auslöser für das hepatorenale Syndrom kann eine Aszitespunktion, akute Blutungen und eine forcierte Diurese sein. Zeichen für die Funktionseinschränkung der Nieren sind eine Zunahme von Ödemen und die Entwicklung einer Oligurie bis hin zur Anurie mit den Zeichen einer Urämie.

Hepatische Enzephalopathie

Die hepatische Enzephalopathie verläuft in 4 Stadien ( ▶ Tab. 34.7 ). Bei fortgeschrittener Leberzirrhose besteht eine mangelnde Entgiftung des Blutes. Dadurch steigt die Konzentration von Stoffwechselprodukten (Ammoniak, Phenole, Indole, Amine) an. Da diese toxisch auf das Zentralnervensystem wirken, sind psychische und neurologische Funktionsausfälle die Folge. Das Endstadium ist das Coma hepaticum (Leberausfallkoma). Ausgelöst werden kann die hepatische Enzephalopathie durch:

Tab. 34.7 Stadien der hepatischen Enzephalopathie.

Stadium

Symptome

I

Der Patient ist geistesabwesend, unruhig und vergesslich, zeigt Stimmungsschwankungen und intellektuelle Störungen.

II

Der Patient ist häufig schläfrig und zeitlich desorientiert, grobschlägiger Tremor der Hände.

III

Der Patient schläft, ist jedoch durch Ansprache und Berührung erweckbar. Seine Sprache ist verwaschen und unzusammenhängend.

IV

Der Patient ist tief komatös: Coma hepaticum, die Reflexe sind erloschen. Foetor hepaticus (Atem riecht nach frischer Leber).

Leberzellkarzinom

Im Rahmen einer posthepatischen Zirrhose (Hepatitis B und C) und einer alkoholtoxischen Zirrhose tritt häufig als Komplikation ein Leberzellkarzinom auf.

34.8.1.6 Therapie

Die einzig kurative Therapie der Leberzirrhose ist die Lebertransplantation. Sie wird jedoch nur in Einzelfällen durchgeführt. Die Hauptziele der konservativen Therapie sind die Linderung der Symptome und das Ausschalten leberschädigender Faktoren. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Behandlung der Komplikationen der Leberzirrhose.

34.8.2 Pflege- und Behandlungsplan

Im fortgeschrittenen Stadium der Leberzirrhose mehren sich die Symptome, die den Patienten in seiner Selbstständigkeit enorm einschränken.

34.8.2.1 Krankenbeobachtung

Im Vordergrund steht das Meiden aller möglicherweise leberschädigenden Substanzen (Medikamente, Alkohol). Körperliche Belastung und Stress können Krankheitsschübe auslösen. Deshalb werden Schonung und Ruhe (evtl. Bettruhe) empfohlen. Folgende Parameter müssen regelmäßig überprüft und dokumentiert werden:

Bewusstseinslage

Zur frühzeitigen Erkennung einer hepatischen Enzephalopathie ist die Überwachung der Bewusstseinslage von großer Bedeutung. Bei Koordinationsstörungen muss eine ▶ Sturzprophylaxe durchgeführt werden.

Merke

Liegt eine alkoholtoxische Leberzirrhose vor, können Koordinationsstörungen und Desorientierung auch Zeichen für ein (beginnendes) Alkoholentzugsdelir sein!