Vom Alexanderplatz in die Friedrichstraße

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Länge ca. 4,1 km, Dauer ca. 2:30 Std.
Beliebter Treffpunkt: Weltzeituhr am Alexanderplatz
Der „Alex“, wie ihn die Berliner nennen, wirkt mit seinen überdimensionierten Wohn- und Geschäftsbauten wie das nüchterne Zentrum einer Satellitenstadt. Das war nicht immer so. In den 1920er- und 30er-Jahren galt der Alexanderplatz als Inbegriff des pulsierenden, sich stetig verändernden Berlin. Hier funkelten die größten Leuchtreklamen, hier befanden sich die berühmten Kaufhäuser Titz und Wertheim, es stand hier aber auch das gefürchtete Polizeipräsidium. Mit Alfred Döblin ging der Platz in die Weltliteratur ein, mit dem Krieg in Schutt und Asche über. Nur die Skelette zweier Gebäude blieben erhalten, das des Berolina-Hauses (zwischen Bahnhof und Platz, darin u. a. C & A) und das des Alexanderhauses (auf der anderen Seite der Straßenbahngleise, darin u. a. die Berliner Sparkasse), 1930-32 von Peter Behrens erbaut, einem Vorreiter der Neuen Sachlichkeit.
Wandelnde Würstel
Der Alex ist Berlins Bratwürstelmekka. Die Grillbuden wandern hier auf zwei Beinen, den Herren vom Grill sind brutzelnde Bauchläden um den Leib gezimmert. Gearbeitet wird in Zweier-Teams, immer abwechselnd, immerhin wiegen die tragbaren Grills über 15 kg ohne Wurst darauf. Erfunden wurde der Grillwalker 1997 vom Berliner Bertram Rohloff, mittlerweile vertreibt er ihn nach Asien, Afrika und Südamerika. Der Rekord eines Grillwalkers am Alex liegt bei 1573 Würsten an einem Tag. Heute machen die vielen Nachahmer das Geschäft hier schwieriger. Rohloffs Grillwalker sind die orange-blauen, die Original Thüringer verkaufen. Zu den Stammkunden gehört auch ein U-Bahnfahrer, der den Halt am Alex schon nutzte, um mal eben kurz die Treppen hinaufzujagen und Würste zu holen ...
Einen Besuch wert ist die Galeria Kaufhof, zu DDR-Zeiten das Centrum Warenhaus, damals noch mit Wabenfassade und bescheidenerem Warenangebot. Mit dem Umbau nach Plänen von Josef Paul Kleihues (2004-2006) wurde es zum schönsten Kaufhaus Berlins.
Das mit 125 m höchste Gebäude am Platz ist das Hotel Park Inn, ehemals Interhotel. Von seinem Dach kann man hinunterhüpfen (→ Base-Flying, S. 88) oder die Aussicht genießen (Terrasse bei gutem Wetter von 15-22 Uhr geöffnet, Aufzug A nehmen, 3 €). Es gibt Pläne für den Abriss des Hochhauses, und es gibt Pläne für eine Neugestaltung des gesamten Areals rund um den Alexanderplatz mit diversen Neubauten und zehn Wolkenkratzern von bis zu 150 m Höhe. Mangels Investoren liegen jedoch viele Pläne auf Eis.
Der Brunnen der Völkerfreundschaft vor der Galeria Kaufhof gehört wie die 10 m hohe Weltzeituhr aus Alu und Emaille vor dem Alexanderhaus zu den „Attraktionen“ aus DDR-Zeiten. Letztere weckte Reiseträume, die niemals verwirklicht werden konnten. Der Drang nach Freiheit machte sich aber auch auf dem Alexanderplatz Luft: Am 4. November 1989 fand hier die größte Demonstration in der Geschichte der DDR statt. 500.000 Menschen pfiffen die DDR-Führung aus und lachten deren Macht förmlich nieder. Auf Plakaten stand „Glasnost statt Süßmost“, „Reformen, aber unbeKrenzt“ oder „Neue Männer braucht das Land“. Fünf Tage später fiel die Mauer.
Durch die Flucht links des Alexanderhauses sieht man die Aluminiumkuppel der Kongresshalle. Links daneben steht das Haus des Lehrers mit einem als „Bauchbinde“ bespöttelten Bildfries. Der Zyklus zeigt - oder sollte zeigen - das glückliche Leben im Sozialismus. Das Bildnis des jungen Paares am Strand (Rückseite) schaffte es in der Druckversion über nahezu jede zweite Wohnzimmerkommode der DDR.

Altes Berlin

Die Nikolaikirche im gleichnamigen Viertel
Rechts der Kongresshalle thront die rosafarbene Shoppingburg Alexa, bei deren erstem Anblick Wowereit ausgerufen haben soll: „Ist das hässlich!“ Nachdem man die S-Bahngleise unterquert hat, steht linker Hand der Justizpalast (Littenstr. 11-17) aus der Zeit um 1900, heute residieren darin das Amtsgericht Berlin-Mitte und das Landgericht Berlin. Sehenswert ist das Treppenhaus - einfach reingehen! Gegenüber die traurigen Mauerreste der gotischen Klosterkirche der Franziskaner. Die Kriegsruine wird heute für luftige temporäre Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt.
An der Littenstraße keine 100 m weiter ist noch ein Abschnitt der mittelalterlichen Stadtmauer erhalten. Rechts davon, hinter der Gaststätte „Zur letzten Instanz“, steht die → Parochialkirche und ihr gegenüber, an der Kochstraße, das Alte Stadthaus, ein mächtiger Komplex mit fünf Höfen und einer über 400 m langen, düsteren Kalksteinfassade. Es wurde 1902-1911 als Ergänzung zum Roten Rathaus errichtet. Heute sitzt darin u. a. der Senat für Inneres. Die Rückseite wirkt wenig einladend - hinein darf man ohnehin nicht. Von den Aussichtspunkten der Stadt aber ist der Rundturm des Hauses, von dem die Fortuna winkt, eine Dominante in der Silhouette Berlins.
Vorbei am U-Bahnhof Klosterstraße, einem der schönsten U-Bahnhöfe Berlins, geht es weiter zum Rolandufer, wo die Botschaft des Königreiches der Niederlande steht. Den Kubus mit Glas- und Aluminiumfassade entwarf Rem Koolhaas.
Der Spreeabschnitt vor der Botschaft war einst der bedeutendste Hafen Berlins und für die Entwicklung der Stadt überaus wichtig. Früher nämlich kam nahezu sämtliches Baumaterial über Wasserwege nach Berlin und wurde von dort, wenn möglich, auch auf dem Wasser in der Stadt verteilt.
Der wehrhaft anmutende, rote Backsteinbau am anderen Ufer ist das Märkische Museum (→ Sehenswertes abseits des Spaziergangs, S. 137). Rechter Hand lässt die unter Denkmalschutz stehende Mühlendamm-Schleuse den Schiffsverkehr auf der Spree stocken. Die 21-geschossigen Plattenbauten, die sich dahinter erheben, befinden sich auf der Fischerinsel, dem südlichen Teil jener Spreeinsel, deren nördlicher Teil die Museumsinsel bildet. Einst lag hier der Fischerkiez, ein ärmliches, aber pittoreskes Viertel mit engen Gassen und urigen Schankstuben. Den Krieg überstand der Kiez noch halbwegs gut, nicht aber die sozialistische Städteplanung.
Der Uferweg vorbei an der Mühlendamm-Schleuse führt zum → Nikolaiviertel. Hätte man den Fischerkiez nicht plattgemacht, hätte man das Nikolaiviertel, die freie Rekonstruktion einer Altstadt, in den 1980er-Jahren gar nicht hochziehen müssen. Berliner lockt das Viertel kaum, Touristen umso mehr, dementsprechend finden sich hier viele Souvenirläden mit einem Angebot zwischen Erzgebirgskrippen und Plauener Spitze sowie auf Alt-Berliner Behaglichkeit getrimmte Restaurants - Orte für ausgiebige Eisbein-Orgien.
Nahe der Bronzeskulptur des Hl. Georg, der wie immer mit dem Drachen ringt, liegt der Eingang zum → Zille-Museum, das dem künstlerischen Schaffen und Leben des Zeichners und Fotografen Heinrich Zille die Reverenz erweist. Folgt man der Propststraße weiter, gelangt man zur → Nikolaikirche, der ältesten Kirche Berlins. Die Häuserzeile um die Kirche ist der gelungenste Teil des Altstadtnachbaus. Wer mag, kann um das Gotteshaus herumschlendern und Altstadtflair atmen - aber bitte schön langsam, sonst ist alles gleich vorbei.
Rechts der Nikolaikirche steht das → Knoblauchhaus, das wie das → Ephraim-Palais ein paar Schritte weiter den Krieg überdauerte - Ersteres an Ort und Stelle, Letzteres in Kisten verpackt.
Spreeinsel
Über die Poststraße verlässt man die „neue Altstadt“ und gelangt über die Rathausstraße und die Rathausbrücke auf die Spreeinsel, auf der, gleich linker Hand, der neobarocke Neue Marstall steht. Er wurde einst für die Pferde, Kaleschen und Schlitten des Hofes errichtet und in den 1960ern wiederaufgebaut. Heute befindet sich darin die staatliche Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin - ein Tipp sind die Konzerte im Krönungskutschensaal (→ Kultur, S. 66).
Überquert man die Breite Straße, die ins Petriviertel (→ Sehenswertes abseits des Spaziergangs, S. 137) führt, passiert man das ehemalige Staatsratsgebäude der DDR. Einst saß hier Erich Honecker, heute sitzt hier die private European School of Management and Technology, die Seminare wie „Decision Making“ und „Leading through Crises“ anbietet. Das Portal des Gebäudes samt Balkon ist das einzige erhaltene Fassadenstück des alten Berliner Schlosses. Es wurde aus ideologischen Gründen vor der Sprengung des Schlosses abgetragen, weil Karl Liebknecht am 9. November 1918 vom Balkon die deutsche sozialistische Republik proklamiert hatte. Im Foyer illustrieren Buntglasfenster von Walter Womacka die Geschichte der Arbeiterbewegung.
Gegenüber dem ehemaligen Staatsratsgebäude soll nach einem Entwurf des Stuttgarter Architekten Johannes Milla und der Berliner Choreografin Sasha Waltz bis 2015 das Einheitsdenkmal realisiert werden, eine 60 m lange, begehbare Waagschale. Bürger in Bewegung wird das Denkmal heißen, denn kommen „Gleichgesinnte“ zusammen, können sie die Schale durch Wippen in Bewegung versetzen.

Rund um den Hausvogteiplatz

Kaffeepause an John Chamberlains Turm von Klythie
Der Gebäudekomplex hinter der Schleusenbrücke linker Hand ist das Auswärtige Amt mit einem jedermann zugänglichen Coffee Shop im überdachten Lichthof (einfach durch die Sicherheitskontrolle gehen). Der vordere Teil stammt aus den 1990ern, der hintere Teil ist ein Nazibau und beherbergte einst die geraubten Gold- und Devisenreserven der Reichsbank.
Die Schaufassade aus einer Kunststoffplane gegenüber zeigt Schinkels Bauakademie, wie sie hier von 1836 bis 1962 stand - sie soll wiederaufgebaut werden. Aus der Bauakademie, die die preußische Architektur maßgeblich prägte, ging später die Technische Universität Berlin hervor. Nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel wurde auch die → Friedrichswerdersche Kirche nebenan errichtet. Hinter der Kirche und zugleich im rückseitigen Garten des Kronprinzenpalais lohnt, falls geöffnet, der → Schinkel Pavillon eine Visite. Mit dem großen preußischen Architekten hat er außer dem Namen aber nichts gemein, er stammt aus dem Jahr 1969.
Gegenüber dem Portal der Friedrichswerderschen Kirche beginnt die Kurstraße. Folgt man dieser für rund 100 m, erblickt man die BerlinTownhouses, ein Ensemble in Reihe gebauter Häuser mit schmalen, schicken Fassaden. Das Projekt, ab 2005 von fünf Architekturbüros realisiert, wurde zukunftsweisend für andere Berliner Stadthausensembles. Einziger Haken - zu teuer für den Durchschnittsberliner: Hausnummer 36 z. B. war schon für 15.000 € Kaltmiete pro Monat inseriert!
Im Rücken der Häuserzeile liegt der Hausvogteiplatz. Bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten stellte er das Zentrum der Berliner Mode- und Textilbranche dar, in der überwiegend jüdische Schneider, Modeschöpfer und Händler tätig waren. Ein zweiteiliges Denkmal erinnert daran: am Platz selbst drei Flächen aus verspiegeltem Edelstahl, die Ankleidespiegeln ähneln, auf den Stufen hinab zum U-Bahnhof Informationen über die einst hier ansässigen jüdischen Modefirmen.
Über die Taubenstraße, vorbei an Starcoiffeur Shan Rahimkhan, gelangt man zum Gendarmenmarkt, vielfach als schönster Platz Berlins gepriesen. Hier trifft man auf den nach dem Krieg wiedererrichteten klassizistischen Dreiklang aus → Konzerthaus (Mitte), Französischem Dom (rechts) und → Deutschem Dom (links) - die beiden Letzteren waren aber in ihrer Geschichte nie Bischofskirchen. Es lohnt, die weite Freitreppe zum Konzerthaus hinaufzuspazieren, man hat dann meist die Möglichkeit, einen Blick durch die Tür in den Großen Saal zu werfen.
Friedrichstraße
Das Quartier 205 (zugleich die Mall The Q.) trennt den Gendarmenmarkt von der Friedrichstraße. Nimmt man den Eingang auf Höhe der Rückseite des Deutschen Doms, gelangt man zum Turm von Klythie, den der US-amerikanische Künstler John Chamberlain aus Autoblechen und verchromten Stoßstangen schuf. Von hier führt eine unterirdische Passage durch das Quartier 205 und das Quartier 206 mit so manch edler Boutique zur feinen Foodmeile in den Galeries Lafayette (Quartier 207). Die drei Quartiere werden auch als Friedrichstadt-Passagen bezeichnet.
Die Friedrichstraße, der wir, nun oberirdisch, weiter Richtung Bahnhof Friedrichstraße folgen - in der Ferne kann man die Hochbahngleise erkennen -, war in den Goldenen Zwanzigern eine der schillerndsten Straßen Berlins. Berühmte Cafés und Restaurants gab es hier genauso wie Theater und Kabaretts, Tanzsalons, feine Gesellschaftslokale, schmierige Vergnügungsetablissements und einfache Schänken. „Nach 4 Uhr“ war die Straße „durchsetzt von gewissen, vielfach sehr elegant angezogenen und je nach Alter und Aussehen entsprechend bemalten ‚Damen’“ (Straube- Reiseführer Berlin, 1925). Die Straße wurde in jener Zeit zum weltweiten Mythos und Synonym für das verruchte Berlin. Die Nazis schoben dem wilden, „undeutschen“ Treiben einen Riegel vor, dann regnete es Bomben. Der Wiederaufbau nach der Wende machte aus der Friedrichstraße eine Geschäftsmeile. Zwischen der zeitgenössischen Moderne fallen ein paar wenige Fassaden ins Auge, die den Krieg überdauerten, so z. B. jene des sog. Hauses Automat (Hnr. 167/168). 1905 wurde darin eines der ersten Berliner Automatenrestaurants eröffnet, in dem man Speisen gegen Münzeinwurf aus Automaten bekam. Die Tradition hat das gepflegte Restaurant Bocca di Bacco (→ Essen & Trinken) nicht wiederbelebt.
Nachdem man die Straße Unter den Linden überquert und das Kulturkaufhaus Dussmann mit der laut Eigenwerbung „größten Klassikabteilung der Welt“ passiert hat, gelangt man zum Bahnhof Friedrichstraße. Der Admiralspalast rechts dahinter (also nördlich) wurde 1911 als rund um die Uhr geöffnete Luxustherme und Eislaufbahn eröffnet und 1922 zum Varieté-Theater umgebaut. 1946 gründete sich darin die SED. Heute gehen hier Theater, Konzerte und Revuen über die Bühne (→ Kultur, S. 65).
Gegenüber, auf dem sog. Spreedreieck, erhebt sich ein düsteres Hochhaus, „das aussieht, als sei der Grundriss zwei ineinander verkeilten Currywürsten nachempfunden“ (FAZ). Für diesen Standort hatte Mies van der Rohe 1921 jenen gläsernen Wolkenkratzer „Wabe“ entworfen, der, obwohl nie realisiert, zu einer Ikone der Moderne wurde. Westlich davon befindet sich der → Tränenpalast, der zu DDR-Zeiten oft Schauplatz dramatischer Abschiedsszenen war (→ Kasten „Die U6 im geteilten Berlin“, S. 160).